Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 1 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung __________________________________________________________________________ Teil II. Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 1. Das äußere Bedingungsgefüge der Arbeit mit Einzelnen und Familien 1.1. Handlungsformen (Grundformen des Handelns in der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 1.2. Management als eine neue Handlungsform in der Sozialen Arbeit 1.3. Arbeitsfelder 1.4. KlientInnen 1.5. Formen des Setting 1.6. Freiwilligkeit und „Zwang“ 1.7. Interdependenzen im äußeren Bedingungsgefüge 2. Institutionalisierung der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 2.1. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) 2.1.1. Von der Familienfürsorge zum Allgemeinen Sozialdienst 2.1.2. Der Allgemeine Sozialdienst heute 2.1.3. Organisationsform 2.1.4. Aufgaben des ASD 2.1.5. Idealvorstellungen vom ASD 1. Das äußere Bedingungsgefüge der Arbeit mit Einzelnen und Familien Aus den bisherigen Bemerkungen dürfte in Ansätzen bereits hervorgegangen sein, dass die Arbeitsform "Arbeit mit Einzelnen und Familien" wie die anderen Arbeitsformen auch, kein in sich geschlossenes Konzept oder, im nicht richtigen Sprachgebrauch, eine abgeschlossene Methode der Sozialarbeit darstellt. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien ist vielmehr eine von den jeweils konkreten Umständen abhängige Herangehensweise an die Probleme einzelner KlientInnen oder KlientInnensysteme. 1.1. Handlungsformen Zunächst ist wichtig, sich anzuschauen, welche Handlungsformen SozialarbeiterInnen in der Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 2 Arbeit mit Einzelnen und Familien verwenden. Es sind dies in der Regel keine originären sozialarbeiterischen Handlungsformen, sondern aus dem Alltagshandeln und dem Handeln von Nachbarprofessionen entliehene. Sozialarbeit allgemein ist in der paradoxen Lage, aus diesen entliehenen Handlungselementen die eigene Praxis konstituieren, der eigenen Identität wegen gleichzeitig aber eine Abgrenzung gegenüber diesen Bereichen vornehmen zu müssen. Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man bedenkt, dass zu diesen Handlungsformen gehörende Methoden und Techniken unter sozialpädagogischer Perspektive angewendet werden (eingebettet in ein sozialpädagogisches Konzept) und so zu Methoden und Techniken der Sozialen Arbeit werden. Kochen innerhalb des Konzepts der Sozialpädagogischen Familienhilfe ist nun einmal etwas anderes als Kochen einer Mutter in der Familie, obwohl die grundlegenden Methoden und Techniken weitgehend dieselben sind. Ausschlaggebend ist der konzeptionelle Hintergrund. Noch komplizierter wird der Sachverhalt, wenn man bedenkt, dass es eigentlich falsch ist, von der Technik "Kochen" oder der Technik "Fußballspielen" zu sprechen. Natürlich steckt auch hinter den Techniken des Kochens immer ein Konzept und ebenso hinter den Techniken des Fußballspielens. So ist das Konzept des Fußballspielens in einem leistungsorientierten Verein natürlich ein anderes als das in einem Jugendzentrum mit dem Gedanken der Integration. Ebenso gibt es beim Kochen unterschiedliche Konzepte. Vollwertküche unterscheidet sich nun mal von "Hausmannskost" und "Fastfood". Es ist also richtiger zu sagen, Konzepte aus dem Alltagsleben oder den Nachbarprofessionen werden in sozialpädagogisch konzipiertem Handeln angewendet und so entsprechend modifiziert. Dass dies ein mehrschichtiger und äußerst komplizierter Vorgang ist, liegt auf der Hand. Es ist sehr schwer, zu beschreiben, was eine SozialarbeiterIn tatsächlich tut, wie Ihr Handeln vom Handeln anderer Professionen abzugrenzen ist. Die Auflösung in Techniken ist zu konkret, das Sprechen von der Anwendung von Techniken und Methoden unter sozialarbeiterischer Perspektive in den Konzepten ist sehr abstrakt. Also muss eine Ebene gefunden werden, auf der die immer wiederkehrende Anordnung von Methoden und Techniken (die in der Regel nicht originär sozialarbeiterisch sind) unter sozialarbeiterischer Perspektive in der Praxis thematisiert wird. Dies soll hier mit dem Begriff der Handlungsformen geschehen. Dies geschieht in Anlehnung an Giesecke, der der Meinung ist, dass „alle pädagogischen Berufstätigkeiten so zu erfassen (sind), daß man das bei ihnen vorfindbare pädagogische Handeln auf wenige Grundformen reduzieren kann“. Er unterscheidet „fünf solcher Grundformen“, „nämlich Unterrichten, Informieren, Beraten, Arrangieren und Animieren“ (Giesecke 1987, S. 66; vergl. die ausführliche Beschreibung der Grundformen, S. 68 – 99). Die wesentlichen Handlungsformen ("Grundformen des Handelns") der sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien sind die folgenden: - Beratung: Die in der Arbeit mit Einzelnen und Familien tätige SozialpädagogIn muss hier das gesamte Spektrum der Beratungsmöglichkeiten von der Informationsvermittlung bis hin zur therapeutischen Beratung abdecken. Zwischen den beiden Endpolen liegen eine Vielzahl von Möglichkeiten der Beratung, in denen sich auch therapeutische Elemente mit unterschiedlicher Intensität zeigen. So ist zum Beispiel die auf dem ersten Blick in reiner Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 3 Informationsvermittlung bestehende Vermittlung eines Plegebedürftigen in ein Altenheim durch eine KrankenhaussozialarbeiterIn nicht selten eine "hochtherapeutische" Angelegenheit. Der Pflegebedürftige muss von der Notwendigkeit der Aufgabe der häuslichen Selbständigkeit überzeugt werden. Die pflegenden Angehörigen haben Schuldgefühle, weil sie Vater oder Mutter "abschieben". All dies sind Sachverhalte, die mit bloßer Informationsvermittlung nicht zu bearbeiten sind. Die therapeutischen Prozesse müssen aber auch geleitet sein von den Notwendigkeiten, die der Krankenhausalltag mit sich bringt. Mit der Grundform des Handelns der Beratung wird ein ganzes Kontinuum von Handlungsweisen abgedeckt, das von der Beratung im Sinne von Informationsvermittlung auf der einen Seite bis zu therapeutischer Beratung auf der anderen Seite reicht. Beratung im Sinne von Informationsver mittlung Beratung im Sinne von Therapie Die Handlungsform der Beratung besteht aus einer ganzen Reihe von Techniken und Methoden, die zum Teil aus Nachbarprofessionen entliehen sind (z.B. aus der Psychologie), aber unter sozialarbeiterischer Perspektive in ihrer Anwendung zu einer eigenen Praxis der Sozialen Arbeit führen. Z.B. werden Elemente der non-direktiven Gesprächspsychotherapie nach Rogers auch in einer therapeutisch orientierten Sozialen Arbeit wesentlich anders aussehen als in einem Setting der Gesprächstherapie, wie sie von einem Psychologen durchgeführt wird. Zur Handlungsform der Beratung werden die immer wieder in bestimmter Anordnung benutzten Techniken und Methoden, weil sie eben in dieser Anordnung von SozialarbeiterInnen in ihrer Praxis eingesetzt werden. - Therapie: Neben den bereits angedeuteten eher "therapeutischen" Arbeitsfeldern sind SozialarbeiterInnen natürlich auch in den verschiedensten ambulanten und stationären Einrichtungen der Einzel- und Familienarbeit mit originär therapeutischem Charakter tätig. Zu nennen sind hier Erziehungs- und Eheberatungs-, Sucht- und sonstige psychosoziale Beratungsstellen und -dienste. SozialarbeiterInnen arbeiten auch als TherapeutInnen in verschiedenen Kliniken und stationären Einrichtungen. Nicht selten wird bei der Umschreibung der Praxis der Sozialarbeit davon ausgegangen, dass die originäre sozialarbeiterische Tätigkeit darin besteht, dass SozialarbeiterInnen beraten, mit Therapie hätten sie nur in Randbereichen ihrer Tätigkeitsfelder zu tun. Therapie sei eigentlich nicht ihr Aufgabengebiet. Häufig wird auf diese Art und Weise auch die Abgrenzung von Sozialer Arbeit zur praktischen Psychologie vorgenommen. Viele SozialarbeiterInnen haben diese Trennung so internalisiert, dass sie fest überzeugt der Meinung sind, sie dürften überhaupt keine Therapie durchführen und so das meiste ihres Tuns, auch wenn es noch so therapeutisch orientiert ist, Beratung nennen. Dabei ist ein großer Teil der Techniken und Methoden, die SozialarbeiterInnen verwenden, so arrangiert und kehrt in diesem Arrangement auch immer wieder, dass die daraus entstehende Handlungsform durchaus Therapie genannt werden muss. Zu denken ist in Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 4 diesem Zusammenhang etwa an den oben bereits angesprochenen Abbau von Ängsten bei einem Eintritt in ein Altenheim, ohne den eine vernünftige Verlegung nicht zustande kommen kann. Therapeutisch arbeiten genannt werden kann es aber auch schon, wenn ein Mensch mit Hilfe der Tätigkeit seiner SozialarbeiterIn seine Scheu überwinden kann, materielle Hilfe des Sozialamtes in Anspruch nehmen zu können. Therapie hat immer etwas mit Heilung, mit der Beseitigung einer Störung zu tun, und diese Tätigkeit ist in der sozialarbeiterischen Praxis eine verlässliche Konstante. - Betreuung: Im Alltag der Sozialarbeit mit Einzelnen und Familien haben die SozialarbeiterInnen es immer wieder mit Menschen zu tun, die aufgrund ihres psychischen oder körperlichen Zustandes hilflos sind. So ist es natürlich ein wesentlicher Teil des sozialarbeiterischen Handlungsspektrums für Menschen etwa zu tun. Das sich Kümmern um alte, kranke oder hilflose Menschen heißt jedoch nicht, sie zu bevormunden. Das Betonen von Hilfe zur Selbsthilfe kann aber auch zum "Hilf dir selbst" werden, wenn übersehen wird, dass viele Menschen eben überhaupt nicht in der Lage sind, sich zur Selbsthilfe motivieren zu lassen. Betreuung wird zum professionellen Anspruch in der "Berufsbetreuung". Dort ist es gerade die Hauptaufgabe der SozialpädagogIn, in bestimmten Bereichen die "..... Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht" (§ 1901 Abs. 2 BGB). - "Seelsorge": Soziale Arbeit ist Alltag im und mit dem Alltag der KlientInnen. Dieser Alltag ist nicht immer sog. professionellen Handlungsformen zugänglich. Im Leben der KlientInnen gibt es nicht selten Situationen, die mit Therapie und Beratung nicht zu bearbeiten sind, aber sich auch dem Verwaltungshandeln verschließen. Es geht hier um die Situationen im Leben der KlientInnen, die mit der Frage nach dem Sinn zu tun haben. Die Frage einer Mutter, warum gerade ihr Kind Drogen konsumiert, die Lebenssituation einer HIV-Positiven, das Sinnlosigkeitsgefühl eines vierzigjährigen hochqualifizierten Arbeitslosen ist rationalen Zugängen weitgehend verschlossen. Ebenso kann die Situation einer jungen Frau im Krankenhaus nach einer Brustamputation von der KrankenhaussozialarbeiterIn nicht nur als REHA-Fall betrachtet werden. Sinnfragen können nicht lehrbuchmäßig bearbeitet werden. Hier ist ein Bereich der Sozialarbeit, der weitgehend von der Persönlichkeit der SozialarbeiterIn und deren eigenen individuellen Fähigkeit mit Sinnfragen umzugehen abhängig ist. - Verwaltungshandeln: Dies ist ein, wenn auch häufig von den PraktikerInnen ungeliebt, ein wesentlicher Teil des Handelns von SozialarbeiterInnen. Sozialarbeit im Bereich der Einzelund Familienhilfe ist alleine von ihrer Natur her in weiten Tätigkeitsbereichen schon die Ausführung von rechtlichen Vorgaben (weite Bereiche der ASD-Arbeit, Bewährungshilfe, Betreuungstätigkeiten). Aber auch im Allgemeinen hat Sozialarbeit viel mit Aktenführung und Büroorganisation zu tun. Dabei zeichnet sich gute Sozialarbeit nicht durch übermäßige Bürokratie aus, aber auch das Ablehnen derselben ist nicht als sozialarbeitstypisches Qualitätsmerkmal zu verstehen. Aktenführung und sonstiges Festhalten von sozialarbeiterischen Vorgängen dient der Nachvollziehbarkeit und Transparenz und damit auch dem Schutz von KlientIn und auch SozialarbeiterIn. Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 5 All diese Grundformen des sozialarbeiterischen Handeln sind orientiert an den Betroffenen selbst und favorisieren den persönlichen Umgang mit den Betroffenen. Es sind Handlungsformen, die (mit Ausnahme von Verwaltung) direkt sind und ein sich Einlassen der SozialarbeiterIn auf die KlientInnen fordern. Beratung, Therapie, „Seelsorge“ und Betreuung sind Handlungsformen, die ein Höchstmaß an Nähe zum jeweiligen Fall bedeuten.. In vereinfachender Art und Weise kann gesagt werden, dass diese Handlungsformen das sozialarbeiterische Geschehen als Behandlung sehen. Diese Behandlung kann auch mit dem Schlagwort der Psychologisierung umschrieben werden. Begriffe wie Individualisierung1 und helfende Beziehung2 haben in Konzepten, die diese Handlungsformen im Vordergrund stehend betrachten, eine bedeutende Rolle. - Management: Seit den 90er Jahren tritt in der Sozialen Arbeit allgemein und insbesondere im Bereich der Arbeit mit Einzelnen und Familien der Begriff Management in den Vordergrund. Die planmäßige Organisation von Abläufen sowohl des organisatorischen Geschehens als auch des Handelns im Umgang mit den KlientInnen wird in den Vordergrund gerückt. Letzteres wird deutlich mit der Ausformulierung des Handlungskonzeptes des Casemanagements, in dem nicht mehr die direkte Arbeit mit den KlientInnen im Vordergrund stehen soll, sondern die Organisation des Hilfeablaufs. Die SozialarbeiterIn wird als Case ManagerIn zu einer den sozialarbeiterischen Prozess aus der Die klassische und traditionelle Soziale Einzelhilfe (Casework) betrachtet das Prinzip des Individualisierens als eines ihrer grundlegendsten Merkmale. Bang (1958) sieht Soziale Einzelhilfe als „eine besondere Art der Individualhilfe“ (S. 17). „Jeder Klient ist ein Individuum; ein jedes Problem ist ein ganz persönliches Problem“. So ist „moderne Einzelhilfe ..... bezogen auf den Klienten. Sie hat ihre Grundlagen in der individuellen Darstellung des Problems“. Individualisieren heißt, die einzigartigen Eigenschaften eines jeden Klienten zu erkennen und zu verstehen ..... Individualisieren stützt sich auf das Recht des Menschen, als dieser ganz bestimmte, ....., und nicht als ‚Fall’ behandelt zu werden“ (Biestek 1972, S. 33). „Der Grundsatz des Individualisierens fordert, dass der Sozialarbeiter versucht, sich auf jeden Klienten als auf ein Individuum einzustellen und ihm als einem solchem zu helfen; der Klient ist für ihn ein Mensch in einer Situation, die eine einmalige Kombination aus biologischen, psychologischen und sozialen Elementen darstellt“ (Maas 1966, S. 77) 2 In den Theorien zur Sozialen Einzelhilfe ist der zentrale Begriff im Behandlungsvorgang die helfende Beziehung. „Die körperliche und geistige Anstrengung, die mit einer problemlösenden Tätigkeit verbunden ist, lässt sich leichter ertragen, wenn eine Beziehung besteht, von der Wärme und Sicherheit ausgehen“ (Pearlman 1973, S. 83). Diese Beziehung wird zwar enorm betont, aber nur vage beschrieben. Die KlientIn soll in der SozialarbeiterIn eine Person ihres Vertrauens sehen können (vergl. Hollis 1971, S. 176). „Der Erfolg aller Maßnahmen hängt in hohem Maße vom Vertrauen des Klienten in den Sozialarbeiter als Fachmann oder als Autoritätsperson ab“ (Hollis 1971, S. 177; kritisch dazu vergl. Peter 1982, S. 15). 1 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 6 Metaperspektive organisierenden Person. Unabhängig von der Anwendung des Case Managements haben SozialarbeiterInnen einen guten Teil ihres Berufsalltags in der Arbeit mit Einzelnen und Familien im Mangementsinne zu gestalten. Dies gilt insbesondere für Berufsfelder in denen viele Vermittlungs- und Verweisungstätigkeiten sowie Vernetzungsaufgaben zu leisten sind. Zudenken ist hier insbesondere an die Tätigkeiten in den Allgemeinen Sozialdiensten, in Krankenhaussozialdiensten aber auch in Bereichen wie der Berufsbetreuung, in der die Sozialpädagogin vom Berufsbild her die beratenden, betreuenden, pflegenden etc. Aufgaben nicht selbst übernehmen darf, sondern organisieren muss. 1.2. Management als eine neue Handlungsform in der Sozialen Arbeit Zum Begriff Management3 Mit Management kommt eine Handlungsform in die Soziale Arbeit, die die bisherigen Handlungsprämissen in Frage und teilweise sogar auf den Kopf stellt. Management bedeutet in der Betriebswirtschaftslehre ungeachtet aller unterschiedlichen Konzepte letztendlich „Führung“ (vergl. Kühn 1999, S. 23), wird aufgefasst als „die bewusste und gewollte Führung, Steuerung und Kontrolle wirtschaftlicher, bürokratischer und sozialer Organisationen in ihren inneren Abläufen und in ihrer Wirkung nach außen“ (Weigand 1994, S. 121). „Die Prozesse in einem Unternehmen bedürfen einer Gestaltungs- und Steuerungsfunktion, damit sie koordiniert und zielgerichtet ablaufen. Diese Funktion wird als Führung bezeichnet. Die Begriffe ‚Management und ‚Leitung’4 werden meistens synonym verwendet“ (Thommen/ Achleitner 2001, S. 821; vergl. Bühner 2001, S. 458).5 Zur wortgeschichtlichen Herkunft des Begriffes Management kann mit Wendt folgendes gesagt werden: „Der moderne Ausdruck ist in Europa zuerst in Italien gebraucht worden. ‚Maneggiare’ sagte man in der Renaissance, wenn wilde Pferde einzureiten und dabei zu zügeln waren. Englisch ‚managen’ meint seither: etwas im Griff haben und geschickt fertig bringen; ‚die Sache deichseln’. Das englische Verb hat aber auch eine französische Wurzel: ..... Franz. ‚ménager’ heißt einen Haushalt führen, haushalten, etwas mit Sorgfalt gebrauchen. In diesem Sinne wurde Management zum Synonym für Betriebsführung“ (1997, S. 31). Hinzugefügt werden kann, dass das italienische Wort maneggiare sicher eine Wurzel in der lateinischen Sprache hat: „manus“ – die Hand, „agere“ – führen, also „an der Hand führen“ (vergl. Bader, S. 30) 4 Zur Differenzierung der Begriffe „Führen“ und „Leiten“ vergl Kühn (1999), S. 23 5 Führung muss hier als sehr weiter Begriff aufgefasst werden. Wenn Management und Führung abgegrenzt werden, dann ist diese Abgrenzung häufig sehr unscharf: „Bei den Managementtätigkeiten handelt es sich ..... mehr um die rein sachliche Gestaltung, um die formalen Strukturen. Management ist eher ein Instrumentarium von Hilfsmitteln und Techniken, die auf rationalen 3 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 7 Der Begriff des Managements ist aus betriebwirtschaftlicher Betrachtungsweise ein mehrdimensionaler (vergl. Schwarz 1996, S. 42). Grundsätzlich ist „Management ..... die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des soziotechnischen Systems Unternehmung in sach- und personenbezogener Dimension“ (Hopfenbeck, zit. n. Horak/ Heimerl-Wagner 1999, S. 144; vergl. Decker 1997, S. 60). Bei Management in diesem Sinne kann ein institutioneller und ein funktioneller Aspekt unterschieden werden, wobei beim funktionellen wiederum die sachbezogene (Ziele festlegen, planen, entscheiden, durchführen und kontrollieren) und die personenbezogene (Führung und Motivation der Mitarbeiter) Seite unterschieden werden muss (Hopfenbeck, zit. n. Horak/ Heimerl-Wagner 1999, S. 144 f). In unserem Kontext interessiert besonders der funktionelle Aspekt, der Management als „Problemlösungsprozess“ erscheinen lässt. Als konstitutive Elemente der Führung erscheinen aus dieser Perspektive: „Planung: Die Aufgabe der Planung besteht in einem systematischen Vorgehen zur Problemerkennung und Problemlösung sowie zur Prognose der zu erzielenden Resultate. Entscheidung: Eine von der Planung ausgearbeitete Handlungsvariante wird für gültig erklärt und es erfolgt die definitive Zuteilung der zur Verfügung stehenden Mittel. Aufgabenübertragung: Es handelt sich um die Übertragung von Aufgaben im Rahmen des Problemlösungsprozesses. Diese Funktion ist vor allem bei der Realisierung von geplanten Maßnahmen von Bedeutung. Kontrolle: Diese Funktion umfasst die Überwachung des gesamten Problemlösungsprozesses und die Kontrolle der dabei erzielten Resultate. Die Elemente Planung und Entscheidung dienen primär der Willensbildung, die Elemente Aufgabenübertragung und Kontrolle der Willensdurchsetzung“ (Thommen/ Achleitner 2001, S. 831 f). Der Ablauf des Managementprozesses („Problemlösungsprozesses“) kann demgemäß in 6 Stadien eingeteilt werden: 1. Analyse der Ausgangslage, 2. Formulierung der Ziele, 3. Festlegung der Maßnahmen, 4. Bestimmung des Mitteleinsatzes, 5. Durchführung (Realisierung), 6. Evaluierung der Resultate) (Thommen/ Achleitner 2001, S. 834; vergl. die Übersicht über Managementdefinitionen bei Decker 1997, S. 60 f; vergl auch Decker 1997, S. 68). Die Übernahme dieser grundsätzlichen Managementvorstellungen in die Soziale Arbeit bedeutet schon ein grundsätzlich neues Denken. Die strenge Rationalität des Managementdenkens war bisher in der Sozialen Arbeit nicht weit verbreitet. Zur Tradition Sozialer Arbeit gehört zwar das methodische Arbeiten (mit bestimmten Techniken und Mitteln von einem Ausgangspunkt Überlegungen und Erfahrungen beruhen. Wenn auch Management und Führungstätigkeiten verschieden sind, so schließen sie sich doch nicht aus, vielmehr ergänzen sie sich“ (Decker 1997, S. 69). Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 8 ausgehend ein formuliertes Ziel erreichen) (vergl. Brack 1980, S. 520)6. Dieses methodische Arbeiten wurde und wird aber in der Praxis immer wieder durch situatives und spontanes Handeln ersetzt, was durchaus nicht nur mit Unfähigkeit der Praktiker zu geschlossenem methodischem Handeln erklärt werden kann, sondern gute Gründe in der Natur der Sozialen Arbeit selbst hat. So kann unschwer bestritten werden, dass der eigentliche Gegenstand Sozialer Arbeit, nämlich der Alltag der betroffenen Menschen, sich schwer mit rationalen Kriterien erfassen lässt. Der Alltag von Menschen ist nun einmal voller Brüche und Widersprüche und so dürfte auch eine Grundproblematik des neuen Denkens in der Sozialen Arbeit sein, dass die zu managende Angelegenheit sich in gewisser Art und Weise gegen die Logik eben dieses Managements sperrt. Die uralte Diskussion, dass berufliches Handeln in der Sozialen Arbeit kein Abbild der vorausgedachten (allgemeinen) Situationen sein kann, auf die sich Konzepte, Methoden und Verfahren beziehen (Geißler/ Hege 1988, S. 31) ist auch heute noch gültig. Ein zwingend methodisch-planerisches Vorgehen würde unweigerlich zu Verkürzungen und Verzerrungen führen. Es sähe den Menschen als bloßes Objekt der Konzeptanwendung und nicht als Subjekt seiner Lebens- und Entwicklungstätigkeit. Und es würde auch kaum funktionieren, denn Planung von Sozialarbeit relativiert sich alleine schon deswegen, weil die Wirklichkeit der Betroffenen kaum vorhersehbar ist (Schicksalsschläge, Krankheiten, Tod, Unterschiede in der Wirklichkeitssicht zwischen KlientIn und SozialarbeiterIn). Neu im Denken der Sozialen Arbeit mit der Übernahme des Managementgedankens ist auch der Anspruch der „Führung“. Wenn Führung im betriebswirtschaftlichen Management auch nicht autoritäre oder despotische Führung bedeutet, so ist mit Führung doch angedeutet, dass die zu bearbeitende Angelegenheit nicht den Zufälligkeiten überlassen wird, sondern sehr zielgenau und stringent auf vorher festgelegte Ziele zugegangen wird und auch überprüft wird, ob diese Ziele erreicht worden sind. Damit kommt in die Soziale Arbeit eine neue Art von Verantwortung. Erreichen von Zielen kann nicht mehr nur den betroffenen Menschen überlassen werden („der Klient war nicht motiviert“; „der Prozess ist noch nicht abgeschlossen“), sondern wird zu einer Angelegenheit des Erfolgs oder Scheitern der damit befassten Professionellen. Ein Handlungskonzept der Sozialen Arbeit, das die Kategorie des Managements zur Grundlage macht, muss die methodische Ebene entsprechend gestalten. Grundsätzlich kann dazu gesagt werden, dass die weitgehend feststellbare „Offenheit“ von Sozialarbeitskonzepten einem neuen „In-sich-Geschlossensein“ wird weichen müssen. Ob dies funktionieren kann ist fraglich, wie die Gedanken zum methodischen Arbeiten bereits angedeutet haben. Priorität hat im managementorientierten Denken die Formulierung und Erreichung von Zielen, sowie die Evaluation der Zielerreichung. Die Auffassung, dass ein Beratungsprozess offen sein muss, die Interventionen nicht starr sein dürfen, sondern sich den sich verändernden Situationen und Personen anpassen müssen und damit auch eine Evaluation im Sinne von richtig oder falsch, erfolgreich oder nicht erfolgreich kaum möglich ist, kann damit nicht mehr aufrechterhalten Mit Brack (1980) muss die Methode die Frage beantworten, „wie kommt der Klient/ das Klientsystem vom Ausgangspunkt (Analyse des Problems) zum erwünschten und erreichbaren Zielpunkt, nämlich der Veränderung/ Verbesserung des Zustandes, im Idealfall zur Lösung des Problems?“ (S. 520) 6 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 9 werden.7 Sollen diese mit dem Begriff Management neu in die Soziale Arbeit kommenden Tendenzen nicht sofort dazu führen, dass Management als grundlegende Handlungsform in der Sozialen Arbeit sich selbst ad absurdum führt, dann müssen auch einige strukturelle Veränderungen vorgenommen bzw. zugelassen werden. Verbindlichkeit von Absprachen, die noch dazu mit Sanktionen abgesichert wird, lässt es nicht mehr zu, die Absprachen im Bereich des Unverbindlichkeit geradezu provozierenden zu belassen. Absprachen müssen vielmehr konkret und praktisch werden. Sie müssen dem Kriterium der Lösungsorientiertheit entsprechen. SozialarbeiterInnen werden mit ihren KlientInnen keine Verträge schließen, die nicht einzuhalten sind und sie werden hoffentlich nichts von ihren KlientInnen verlangen, was nicht zu erfüllen ist. „Gesund werden“, „Clean werden“ oder gar „das Leben wieder im Griff haben, sind Absprachen, die nicht einzuhalten sind und für die auch keine sanktionsbewehrten Verträge geschlossen werden können, es sei denn, man nimmt die Verträge von vorneherein nicht erst. Die Absprachen werden sich auf konkreten, nachvollziehbaren und damit auch überprüfbaren Ebenen befinden müssen. 1.3. Arbeitsfelder "Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien" ist in den verschiedensten Arbeitsfeldern der Sozialarbeit Praxis: - in den Allgemeinen Sozialdiensten (ASD) (Familienberatung, -fürsorge) (vergl. die Ausführungen zum Allgemeinen Sozialdienst); in der Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe, in der Sozialarbeit in Justizvollzugsanstalten; in der Sozialarbeit im Gesundheitswesen (insbesondere Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Fachkliniken); in der Betriebssozialarbeit; in den verschiedensten Beratungsstellen und stationären Einrichtungen; etc. 1.4. KlientInnen Dies bedeutet, dass die "Arbeit mit Einzelnen und Familien" bei unterschiedlichsten KlientInGeißler/ Hege (1988): „ Ein Beratungsprozeß hat jeweils seine Geschichte mit sich verändernden Bedingungen, und an diesen orientiert zeigen sich Interventionen situativ angemessen oder unangemessen. Situationen sind dynamische Handlungseinheiten. Sie sind ein erfahrbarer Ausschnitt sozialer Wirklichkeit. Diese Erfahrungsorientiertheit lässt eindeutig vorab und situationsunabhängig formulierte Handlungsimperative für Interventionen nicht zu.“ Interventionen können daher nicht auf einer Skala „richtig – falsch“, sondern auf jener, die zwischen „angemessen – unangemessen“ differenziert, beurteilt werden. 7 10 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien nengruppen Strategie sein kann. Besser sollte man sagen, dass mit Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen gearbeitet wird, die aber in der Regel gekennzeichnet sind durch materielle, psychische, soziale und auch physische Deprivation. "Lebenslagen sind die je historisch konkreten Konstellationen von äußeren Lebensbedingungen, die Menschen im Ablauf ihres Lebens vorfinden, sowie die mit diesen äußeren Bedingungen in wechselseitiger Abhängigkeit sich entwickelnden kognitiven und emotionalen Deutungs- Verarbeitungsmuster, die diese Menschen hervorbringen. Lebenslage ist ein dynamischer Begriff, der die historische, sozialen und kulturellen Wandel erzeugende Entwicklung dieser äußeren Bedingungen einerseits umfaßt und andererseits die spezifischen Interaktionsformen zwischen dem sozialen Handeln der Menschen und diesen äußeren Bedingungen" (Amann 1983, S. 147). Die KlientInnen rekrutieren sich aus unterschiedlichen Alters- (von Jugendlichen bis zu alten Menschen) und Bevölkerungsgruppen, wobei aber häufig betont wird, dass ein Schwerpunkt auf Menschen aus "unteren sozialen Schichten" liegt. Die Sozialarbeit der Schabe sich natürlich der Schwierigkeiten aller Menschen, die sie kontaktieren, anzunehmen. Sie sollte sich aber bewusst sein, dass sie ihre Tradition in der Armenfürsorge hat, und ihren Arbeitsschwerpunkt auch weiterhin auf die Bevölkerungsgruppe mit der am wenigsten ausgeprägten Lobby legen. Dabei wird aber vergessen, dass bei Zugrundelegung des Lebenslagenkonzeptes jede Problematik für den Betroffenen eine Katastrophe sein kann, auch dann, wenn sie objektiv als durchaus bewältigbar erscheint. KlientInnen in der Arbeitsform "Einzelne und Familien" werden demnach sein: - Mitglieder von belasteten Familien; - Menschen mit sehr geringen materiellen Möglichkeiten; - Menschen mit Schwierigkeiten, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen; - psychisch und physisch kranke Menschen, behinderte Menschen; - Menschen mit Schwierigkeiten im Umgang mit Suchtmitteln und illegalen Stoffen; - Straffällige und Strafentlassene; - Menschen mit Integrationsproblemen (Aussiedler, Asylbewerber, ausländische Arbeitnehmer); - etc.. Folgt man Wendt (1988, S.15), der in der Sozialarbeit mit Einzelnen und Familien vier bedeutsame Gruppen ("die 'sozial schwachen' Familien", die "Zielgruppe der Alleinerziehenden", "die Behinderten, psychisch Kranken und pflegebedürftigen alten Menschen" und die "Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten") sieht und legt man die relevante Untersuchung von von der Haar (zit. n. Wendt 1988, S.14) zugrunde, die als Ergebnis einer Untersuchung an 46 Berliner SozialarbeiterInnen der Familienfürsorge 1981/82 der Gewichtigkeit bzw. Häufigkeit der Interventionsanlässe nach "wirtschaftliche Probleme", "Erziehungsfragen", "persönliche und familiäre Probleme" sowie "Regelungen elterlicher Sorge und Maßnahmen für Behinderte" nennt (vergl auch Karsten 1987), so kann man ganz allgemein unterscheiden in - unvollständige, - überlastete und - unterversorgte Familien 11 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien Neuerdings differenziert sich aus diesem Kontext eine Problemgruppe heraus, die man als Menschen, die in prekärem Wohlstand leben bezeichnen könnte. Bisher wurden diese nicht und sie werden auch heute noch kaum zu den Zielgruppen der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien gerechnet. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Familien, die nach außen hin lange Zeit den Eindruck erwecken, völlig unproblematisch zu leben und denen eher ein gewisser Wohlstand zugerechnet wird. Gemeint sind die Familien, die den allgemein gestiegenen Lebensansprüchen dieser Gesellschaft genügen wollen und sich diese „Normalität“ durch den Vorgriff auf zu erwartendes Einkommen, also Schuldenmachen, erkaufen und dadurch nicht selten in Situationen geraten, in denen es materiell und psychosozial nicht mehr möglich ist, ein zufriedenstellendes Leben zu führen, obwohl dies nach außen hin nicht sichtbar wird. Diese Familien bewegen sich über längere Zeit leidend und unter enormen Stress stehend auf die Katastrophe zu, da für sie in dieser Gesellschaft kaum Hilfsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Hilfe erhalten diese Familien erst, wenn sie sich eingereiht haben in die sogenannten Multiproblemfamilien, also die Familien, die die sozialen Dienste klassischerweise beschäftigen. Das bedeutet aber auch, dass sie erst Hilfe bekommen, wenn sie abgestiegen sind in die Bereiche der absoluten Armut. Relative Armutsformen interessieren die Soziale Arbeit und andere Hilfeinstanzen dieser Gesellschaft kaum. Konkret bestimmen sich die Lebenslagen dieser Typen von Familien durch - Eheprobleme und Familienkonflikte und deren Folgen wie Trennung, Scheidung, Alleinerziehen usw., - Kinderreichtum, - Arbeitslosigkeit, - Armut, - Behinderungen, Krankheiten und Pflegebedürftigkeit von Familienmitgliedern, - Suchterkrankungen von Familienmitgliedern, - mangelnde Integration von ausländischen Familien/ Fremdenfeindlichkeit gegenüber ausländischen Familien Jedoch wird durch einzelne dieser Faktoren in Familien nicht automatisch Krisenhaftigkeit hervorgerufen. Die Lebenslagen von Familien werden zur problematischen Lebenslage erst durch das Zusammentreffen von Problemkonstellationen, gesellschaftlichen Kontexten und persönlichen Verarbeitungsmöglichkeiten der Betroffenen. 1.5. Formen des Setting Die direkte "Arbeit mit Einzelnen und Familien" findet weiters unter unterschiedlichen sog. settings statt: - Kontakte in Dienst-/ Beratungsstellen; - Gespräche am Arbeitsplatz; - Hausbesuche; 12 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien - Aufsuchen am Ort des "gewöhnlichen Aufenthalts" (street-work etc.); Besuche am Krankenbett, etc. Grundlegend kann das setting in der Arbeit mit Einzelnen und Familien unterschieden werden hinsichtlich ihrer "Komm-" bzw. "Gehstruktur". Die KlientInnen werden entweder gebeten oder aufgefordert in die Dienststelle zu kommen oder dort aufgesucht, wo sie sich normalerweise aufhalten (aufsuchende Sozialarbeit). 1.6. Freiwilligkeit und „Zwang“ Die Kontakte zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn(nen) sind, was für die Arbeit von besonderer Wichtigkeit ist, entweder - freiwillig oder - "zwangs"weise. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass Sozialarbeit fast nie freiwillig stattfindet. Der "Zwang" wird mit unterschiedlicher Stärke ausgeübt und von den Betroffenen unterschiedlich stark erlebt. Bei manchen sozialarbeiterischen Angeboten kann durchaus von "Zwangsberatung/ -kontakt" gesprochen werden (Beratung nach §218 StGB; Bewährungshilfe, Adoptions- und Pflegestellenberatung). Bei anderen wiederum findet ein eher subtiler Zwang statt (Gewährung von materieller Hilfe nur nach psychosozialer Beratung etc.). Diese Differenzierung ist insofern notwendig, als aus allen Einzelpunkten, - den verschiedenen Dienststellen, den unterschiedlichen KlientInnengruppen, den vielfältigen Möglichkeiten des settings und der Frei- bzw. Unfreiwilligkeit des Kontaktes Konsequenzen resultieren, die die direkten praktischen Berufsvollzüge nicht unbeeinflußt lassen. 1.7. Interdependenzen im äußeren Bedingungsgefüge Im Folgenden sollen einige Hinweise auf mögliche gegenseitige Auswirkungen in dem skizzierten Bedingungsgefüge gegeben werden: Dienststelle vs. KlientInnengruppe: Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Hemmschwelle, die manche KlientInnen zu überwinden haben, wenn sie eine bestimmte Dienststelle (nicht Dienststelle allgemein) aufsuchen sollen. Erwiesen ist eine geringere Frequentierung von Beratungsstellen durch Angehörige der "sozialen Unterschicht" (sog. Mit- 13 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien telschicht-Bias von Beratungsstellen). Einzelne Dienststellen werden von manchen KlientInnengruppen aber auch aufgrund bestimmter Ängste gemieden (zu denken ist hier z. B. an die Angst von Drogenabhängigen vor Übermittlung ihrer Daten an die Polizei oder ganz allgemein die Angst vieler Menschen vor Stigmatisierung durch den Besuch einer Beratungsstelle). KlientInnengruppe vs. Setting: Bei manchen KlientInnengruppen wird aufsuchende Sozialarbeit als fast zwingend notwendig angesehen: "Unterschichtangehörige", Kranke, Suchtmittelabhängige etc.. Die unter SozialarbeiterInnen weitverbreitete Meinung, dass aufsuchende Sozialarbeit die bessere Sozialarbeit sei, z.B. Hausbesuche allemal mehr brächten als Gespräche in der Beratungsstelle, ist so jedoch nicht haltbar. Es muss bedacht werden, dass Beratungsstellenatmosphäre sowohl Vertrauen als auch Mißtrauen schaffen kann und es wiederum auf die ganz konkrete Lebenslage der KlientInnen ankommt, ob ein Hausbesuch vielleicht als Schnüffelei und Belästigung aufgefaßt wird, oder als hilfreiches Entgegenkommen. Dienststelle vs. Setting: Die Art der Dienststelle bestimmt die Möglichkeiten der SozialarbeiterIn bezüglich des Kontaktes mit den Betroffenen. Es muss hier insbesondere an die Vorstellungen und Vorgaben des Trägers der Dienststelle gedacht werden. Diese bestimmen sich aus dessen Normen- und Wertehintergrund, den Rechtsvorschriften, denen dieser mit seinen Angeboten nachkommt, aber auch aus seiner Bereitschaft zu einer mehr oder weniger großzügigen materiellen Ausstattung von Projekten. Dienststelle vs. Frei-/ Unfreiwilligkeit; Setting vs. Frei-/ Unfreiwilligkeit: Die Rechtsgrundlagen der Dienststelle bestimmen die Frei- bzw. Unfreiwilligkeit des Kontaktes. Bei unfreiwilligen Kontakten muss der "Zwang" nicht immer dieselbe Intensität haben (Bewährungshilfe, Beratung nach § 218 StGB, Adoptions- und Pflegestellenvermittlung etc.). Auch die Art des Settings kann von der KlientIn als Zwang oder auch Erleichterung bzw. Entgegenkommen empfunden werden (sowohl Vor-/Einladung in Dienststelle als auch Hausbesuch). KlientInnengruppe vs. Frei-/ Unfreiwilligkeit: Bei verschiedenen KlientInnengruppen ist die Unfreiwilligkeit des Kontaktes vorprogrammiert (Bewährungshilfe, Straffälligenhilfe, bei der Sozialarbeit mit materiell Bedürftigen, Kranken etc.), bei anderen wird Freiwilligkeit geradezu vorausgesetzt (Klienten von Erziehungs-, Ehe- und sonstigen Beratungsstellen). 14 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 3. Institutionalisierung der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien 3.1. Der Allgemeine Sozialdienst (ASD) 3.1.1. Von der Familienfürsorge zum Allgemeinen Sozialdienst Sozialarbeit und Sozialpädagogik sind nur denkbar eingebunden in das sozialstaatliche Verwaltungshandeln mit all seinen Prinzipien. Damit ist sozialarbeiterisches Handeln rechtlich kodifiziertes Handeln und angelehnt an Leitlinien wie das Subsidiaritätsprinzip. Die Beschäftigung der Sozialarbeit mit Familien kann daher zunächst abgeleitet werden aus den die Familie unter ihren besonderen Schutz stellenden Rechtsvorschriften. Art. 6 des Grundgesetzes stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) und das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) fokussieren die Familie ebenfalls, wobei das KJHG "dazu beitragen (will -G.G.), positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen" (§1(3)4). Das BSHG nimmt die Familie als Solidargemeinschaft in die Pflicht, was bei der heutigen Wirtschaftslage von großer Bedeutung ist und nicht selten zu Widersprüchlichkeiten zu den Emanzipationsansprüchen des KJHG führt (vergl. Hirschauer/ Ohlendorf 1987). Abgeleitet wird aus diesen Rechtsvorgaben das Herzstück der Sozialarbeit mit Familien: Die Familienfürsorge. Der Begriff Familienfürsorge muss differenziert gesehen werden. Er war zu Beginn der Geschichte der Sozialarbeit fast identisch mit dieser, zumindest stand die Einbeziehung von Familien in die Sozialarbeit von Anfang an fest. Hierzu die Klassikerin Alice Salomon: "Zum Material der Ermittlung gehören (daher) alle Tatsachen aus dem Leben der Bedürftigen und seiner Familie, die dazu helfen können, die besondere Not oder das soziale Bedürfnis der Betreffenden zu erklären und die Mittel zur Lösung der Schwierigkeit aufzuzeigen" (1920, S. 7). Familienfürsorge hatte und hat in der Praxis zumindest zwei Bedeutungen: - Familienfürsorge als Umschreibung einer Tätigkeit bei öffentlichen und auch freien Trägern, in den Bezirkssozialdiensten der Jugend- und Gesundheitsämter genauso wie bei Beratungsdiensten der Wohlfahrtsverbände (etwa sog. Familienfürsorgestellen aber auch Krankenhaussozialdienste etc.). Familienfürsorge (und heute Allgemeiner Sozialdienst) sind in diesem Verständnis nicht nur ein Organisationstypus, sondern werden als tragendes Prinzip der Sozialarbeit verstanden. So wird heute der ASD als "Kernstück" der Sozialarbeit verstanden: "Soziale Arbeit nur mit Sonderdiensten, verbunden mit einem Auseinandernehmen der Familien und des Menschen nach einzelnen Bedarfen und Symptomen geht völlig am notwendigen ganzheitlichen Ansatz vorbei und ist letztlich auf Dauer gesehen keine soziale Arbeit mehr" (Feldmann 1991, S. 64). Die SozialarbeiterIn der Familienfürsorge bzw. des ASD wurde und wird als die "AllgemeinärztIn" der Sozialarbeit verstanden. - Familienfürsorge als Bezeichnung einer Institution, in der die auf die Familien bezogenen 15 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien Aufgaben der Kommunen (Kreise und kreisfreie Städte) im Bereich der Sozialhilfe, Jugendhilfe, Gesundheitshilfe und Behindertenhilfe wie im BSHG und KJHG definiert, geleistet werden. Es handelt sich hier um die Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben. Der Begriff "ASD" als Bezeichnung für die kommunalen Sozialen Dienste hat sich mittlerweile weitgehend durchgesetzt.8 Bis heute trifft die Definition von Marie Baum den Kern des Familienfürsorgegedankens: "..... die in einem bestimmten geographischen Bereich in der Form der Einheits- und nach der Methode der Familienfürsorge durchgeführte Wohlfahrtspflege, die je nach Lage des Einzelfalles zur Maßnahme der Wirtschafts-, Gesundheits- oder Erziehungsfürsorge greifen, offene oder geschlossene Fürsorge vermitteln, vorbeugenden, heilenden oder rettenden Charakter annehmen kann und die in all ihren Schritten bewußt auf die Stärkung der in der Familie liegenden Pflegeund Erziehungskräfte abzielt" (zit. nach Linke 1980, S. 272). Die in dieser Definition enthaltenen Prinzipien - Konzentration auf einen bestimmten geographischen Bereich (Bezirk), - Befassung möglichst einer SozialarbeiterIn mit dem Fall (Ganzheitlichkeit), - Vermittlung zwischen und Koordination von verschiedenartigen Hilfen (z.B. materielle und persönliche) gelten für beide oben angesprochenen Formen der Familienfürsorge, wobei bei der institutionalisierten öffentlichen Familienfürsorge - hoheitliche Aufgaben im Zusammenhang mit gesetzlichen Grundlagen (KJHG, BSHG etc.) hinzukommen. Der Begriff der Familienfürsorge ist ein also traditioneller, der schon 1912 eingeführt wurde (vergl. Schubert/ Schubert-Scheulen, S. 265). Der Begriff der Fürsorge ist spätestens in den 70er Jahren stark in die Kritik geraten und mehr und mehr durch andere Begriffe ersetzt worden. Insbesondere die Bezeichnung Allgemeiner Sozialdienst ist mittlerweile gebräuchlich (vergl. Thermat 2002), wobei diese Bezeichnung die undeutliche Unterscheidung zwischen den beiden skizzierten Spielarten der Familienfürsorge nicht aufgehoben hat. Mittlerweile gibt es Ämter, die sich ASD nennen, aber auch Wohlfahrtsverbände nennen ihre entsprechenden Hilfs- und Beratungsdienste nicht selten so. Verwirrend ist auch, dass die Allgemeinen Sozialdienste, die begrifflich und praktisch die Familienfürsorge ersetzen sollen, sich nicht nur mit dem Bereich der Arbeit in Familien beschäftigen. Sie haben eine Vielzahl anderer Aufgaben wahrzunehmen, z.B. die Nichtsesshaftenhilfe, die Arbeit mit alleinstehenden alten und kranken Menschen, mit Ausländern, Aussiedlern und Asylbewerbern. Greese sieht einen Zusammenhang zwischen dem Strukturwandel der Familie (immer weniger "echte" Familien, also Paare mit Kindern in der Gesamtbevölkerung und damit auch in der Klientel der Sozialarbeit) und der (Weiter-)Entwicklung der Familienfürsorge zum ASD. "Die Entwicklung vom Familien- zum Allgemein-Dienst ist insoweit konsequent, als die gesellschaftliche Entwicklung die Sozialagentur Familie immer mehr geschwächt hat und LeVergl. die Vollerhebung von Van der Santen u.a. im Jahr 2000 - Befragung aller Jugendämter (befragt wurden alle 616 damals bestehenden Jugendämter; Rücklaufquote 83 %). In 95% der befragten Jugendämter gab es einen ASD. Bei weiteren 3 % ASD-ähnliche Organisationseinheiten. ( vergl. Van der Santen/ Zink 2003, S. 27) 8 16 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien benskrisen und Lebensrisiken immer mehr außerhalb von Familien aufgefangen werden müssen. ..... War also Familienfürsorge insbesondere auch wegen der Aufwachsbedingungen der Kinder geschaffen worden, so verliert mit der Ausweitung zum Allgemeinen Sozialen Dienst das Kind sowohl quantitativ wie qualitativ seine zentrale Bedeutung" (Greese 1994, S. 312). Gleichwohl ist der Allgemeine Sozialdienst im behördlichen Sinne, wie auch im Sinne der freien Wohlfahrtspflege die Institution, in der die Sozialarbeit mit Familien stattfindet. 3.1.2. Der Allgemeine Sozialdienst heute Die 1980er Jahre waren für die Familienfürsorge eine seltsames Jahrzehnt. Es war das Jahrzehnt des praktischen Wandels von der Familienfürsorge hin zum Allgemeinen Sozialdienst. Es war aber ein Jahrzehnt des Wandels, das weitgehend unbeachtet von der Fachliteratur blieb. Größere Publikationen zum Thema gibt es in den 80er Jahren kaum. Die bedeutendste Untersuchung stammt von v. d. Haar aus dem Jahr 1984. Wagner stellt 1981 die beginnende Umorientierung dar. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema scheint 1980 mit der deprimierenden Beschreibung von Kasakos eingeschlafen zu sein. "Familienfürsorge gilt bei den meisten Kritikern der Sozialarbeit als einer ihrer unterentwickeltsten Bereiche. In ihr sind all die Merkmale kumuliert, die von den verschiedensten Standpunkten aus gegen die Sozialarbeit vorgetragen werden: Bürokratismus und staatliche Kontrolle, Reaktivität und Wirkungslosigkeit der Maßnahmen, Zersplitterung in Einzelfallhilfe und mangelnde Spezialisierung, politische Bedeutungslosigkeit und geringe Hilfsmöglichkeiten für Klienten, Koppelung von Beratungsaufgaben mit obrigkeitlichem Zwang, schlechte Arbeitsbedingungen bei schlechtem Status der Mitarbeiter, unzureichende wissenschaftliche Ausbildung und hohe Belastung mit administrativen Tätigkeiten - kurz, Familienfürsorge gilt als der Inbegriff all dessen, was sich angehende Sozialarbeiter ersparen möchten" (Kasakos 1980, S. 13; vergl. Krieger 1994, S. 22 f). Zwanzig Jahre später scheint diese äußerst negative Bestandsaufnahme des Allgemeinen Sozialdienstes immer noch nicht einer grundlegend veränderten Entwicklung unterworfen zu sein. Viele der von Kasakos angebrachten Kritikpunkte werden von Greiffenhagen (2002) immer noch konstatiert: „..... zum Beispiel Die Trennung von beratendem und ermittelndem Außendienst sowie dem hilfegewährenden Innendienst Die örtliche Zuständigkeit für Stadtbezirke Die individualisierende Problemsicht und Hilfe Die starke Bürokratisierung der Arbeit Das organisatorische Niemandsland zwischen Sozialamt, Jugendamt und Gesundheitsamt Die rechtliche Aufgesplittertheit nach Ansprüchen und Zuständigkeiten nach dem Kinderund Jugendhilfegesetz (KJHG), dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), dem Jugendgerichtsgesetz (JGG); von Ländergesundheitsgesetzen und Verwaltungsvorschriften ganz zu schweigen“ (S. 5). Die mangelnde wissenschaftliche Rezeption in und seit den 1980er Jahren ist umso erstaunlicher, als die alte Fürsorge ebenso wie der heutige ASD mit Textor ausgedrückt, "..... auf der kommunalen Ebene die Grundlage des Sozialsystems (bildet)" (1994, S. 9). Der ASD ist die Basis der Sozialarbeit, die für alle und alles zuständig ist und sein muss. Es kann keine Problematik und kein Hilfesuchender abgelehnt werden. Der ASD kann weitervermitteln, ist aber auch dann 17 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien noch zuständig, wenn Klienten sich nicht weitervermitteln lassen wollen oder andere (Fach)Beratungsstellen sich nicht (oder noch nicht oder nicht mehr) zuständig fühlen. "Somit ist der ASD ein allzuständiger, zielgruppen-, generationen- und gesetzesübergreifender Basisdienst, der zentrale soziale Dienst einer Kommune. Er sichert die psychosoziale Grundversorgung im Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt. Als einziger Dienst, der keinen Hilfesuchenden abweisen kann, bildet er letztlich 'ein Netz unter dem sozialen Netz'. So ist er auch das Auffangbecken für unmotivierte Klienten, Personen ohne Krankheitseinsicht und solche, bei denen die Spezialdienste versagt haben ('hoffnungslose Fälle')" (Textor 1994, S. 9). Die Praxis der Allgemeinen Sozialdienste sieht aber meistens ganz anders aus. Allzuständigkeit im Sinne von gesetzesübergreifender Arbeit ist weitgehend nicht verwirklicht. Dies hängt sicher damit zusammen, dass ein wesentlicher Teil der Aufgaben der ASD Aufgaben sind, die sich aus dem KJHG ergeben, also Aufgaben der Jugendhilfe. Nach der 1993 in Kraft getretenen Reform des § 69 SGB VIII dürfen Jugendhilfeaufgaben nur einer Organnisationseinheit Jugendamt zugewiesen werden. "Zwar ist eine separate Organisationseinheit für Soziale Dienste weiterhin möglich, jedoch muss die Fachaufsicht für die Jugendhilfeaufgaben der sozialen Dienste auch dann weiterhin beim Jugendamt bzw. bei der Organisationseinheit für Jugendhilfe liegen ......" (Van der Santen/ Zink 2003, S. 26). 3.1.3. Organisationsform Da das Aufgabenspektrum gesetzesübergreifend ist (KJHG, BSHG, JGG etc.) und sowohl Jugend-, Sozial- als auch Gesundheitshilfe streift bzw. miteinbezieht, ist es bis heute zu keiner einheitlichen organisatorischen Zuordnung gekommen und auch die Aufgabenzuteilung nicht genau festgelegt. "Während beispielsweise die Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17 KJHG) und der Familiengerichtshilfe (§ 50 KJHG) in vielen Kreisen und Kommunen wie selbstverständlich zum Arbeitsalltag des ASD gehören ....., werden in anderen Städten und Kreisen dieses Landes beispielsweise die Angebote nach § 17 KJHG nur durch freie Träger formuliert, wohingegen sich der ASD auf Familiengerichtshilfe konzentriert ....." (Güthoff 1993, S. 31). Dazu kommt, unterstützt durch ASD-immanente Unsicherheiten der betreffenden SozialarbeiterInnen, dass die konkrete Praxis von den PraktikerInnen völlig unterschiedlich gestaltet wird. "Und so passiert es, daß in der einen Kommune ein Team von 6 Professionellen bei einer bestimmten Fallzahl jedwede Form lebensweltorientierter Zugangsweisen zum sozialen Raum verweigert ('Die Einzelhilfe frißt uns auf.'), während in einer anderen Kommune, ..... ein ähnlich ausgestattetes Team bei gleicher Fallbeslastung in einem durchaus vergleichbaren Bezirk seine Regelarbeit in eine Vielzahl lebensweltlicher Zugänge einbettet (von einer aktivierenden Befragung bis hin zu systematischer Gruppenbegleitung und Teilnahme an politischen Gremien)" (Hinte 1993, S. 10). Wie sieht nun die konkrete Zuordnung des ASD in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten aus? Feldmann eruierte 1988 im Rahmen einer Tagung mit Teilnehmern aus 22 Städten und 16 Landkreisen die Situation des ASD in den beteiligten Kommunen: - "In den meisten Kommunen (53 %) ist der ASD dem Jugendamt zugeordnet. In 11 % der Kommunen ressortiert er beim Sozialamt, in 8 % bei einem Sozial- und Jugendamt. Bei 22 % 18 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien der beteiligten Kommunen ist er als quasi eigenes Amt organisiert". - "Sonderdienste gibt es in allen beteiligten Kommunen. Am häufigsten vertreten sind Jugendgerichtshilfe, Adoptions- und Pflegekinderwesen, Erziehungsbeistandschaft; es kommen aber auch noch z.B. Behindertenhilfe, Altenhilfe, Schuldnerberatung, Beratung von Asylbewerbern, sozialpädagogische Familienhilfe, Hilfe zur Arbeit nach BSHG, Schwangerschaftsberatung vor". - "In 81 % der beteiligten Kommunen gibt es Teamarbeit. 63 % der Kommunen, die Teamarbeit vorsehen, haben Teams mit Entscheidungsbefugnis. Von diesen 63 % haben 33 % Teams sowohl mit als auch ohne Entscheidungsbefugnis". - "In 60 % der Kommunen ist der ASD in irgendeiner Weise an der Sozialplanung der Kommune beteiligt". - "In 50 % der bei der Tagung vertretenen Kommunen arbeitet der Allgemeine Sozialdienst stadtteilorientiert" (Feldmann 1991, S. 64 f). Dass die überwiegende Zahl der Allgemeinen Sozialdienste beim Jugendamt organisiert ist, ist auch heute noch so (vergl. Krieger 1994, S. 32 f).. Die große Zahl von Jugendhilfeaufgaben und die gesetzlich vorgeschriebene Fachaufsicht über Jugendhilfeaufgaben (vergl. Van der Santen/ Zink 2003, S.27)9 ist wohl einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die ASD organisatorisch hauptsächlich bei den Jugendämtern angesiedelt sind. Die hier zugrunde liegende Untersuchung von Van der Santen u. a. ergibt, dass es eine deutliche Tendenz der Zuordnung des ASD zum Jugendamt gibt. "Bei fast allen Jugendämtern ist der ASD ... dem Jugendamt zugeordnet." (van der Santen/ Zink 2003, S.28). Unterschiede gibt es bei den unterschiedlichen Jugendamtstypen. "Alle regionalisierten Jugendämter geben an, dass der ASD ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet ist. Auch bei Landkreisen ist dieser Anteil mit 95 % hoch, wohingegen bei Jugendämtern kreisfreier Städte dies nur in 82 % der Fall ist" (van der Santen/ Zink 2003, S. 28). Sind die ASD dem Jugendamt zugeordnet, so ist die oben bereits thematisierte Allzuständigkeit nur bei 29 % konstatiert (43 % bei kreisfreien Städten, 23 % bei Kreisjugendämtern und 26 % bei regionalisierten Jugendämtern). 25 % der befragten Jugendämter gibt an, dass es getrennte ASD für Aufgaben nach dem KJHG und dem BSHG gibt. (van der Santen/ Zink 2003, S. 29).10 Die Allzuständigkeit wiederum ist ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Stellung der ASDLeitung auf der Hierarchieebene des Organisationszusammenhanges. Diese Stellung ist relativ hoch, wenn der ASD nicht dem JA zugeordnet ist: "39 % dieser Jugendämter geben an, dass die Leitung des ASD auf einer tieferen Ebene angesiedelt sei, 58 % geben‚ auf der gleichen Ebene’ an und lediglich bei einem Jugendamt ist die Leitung auf "Auch wenn der ASD organisatorisch nicht dem Jugendamt zugeordnet ist, verlangt der Gesetzgeber, dass ‚dem Leiter des Jugendamts die Fachaufsicht für die Wahrnehmung aller Aufgaben nach diesem Gesetz erhalten bleibt und die Beteiligung des Jugendhilfeausschusses in vollem Umfang gesichert ist’" (BT-Drucks. 12/3711, S. 41, zit.n. Van der Santen/ Zink 2003 S.31). 10 "Die Daten der Vollerhebung zeigen, dass es bei einer Allzuständigkeit des ASD mit gesplitteten Aufgabenprofilen häufiger zu einer Zuordnung zu anderen Ämtern (18 %) kommt, doch in etwas mehr als vier Fünftel der Fälle ist der ASD auch hier dem Jugendamt zugeordnet. Das Jugendamt stellt also auch bei einem ASD mit Allzuständigkeit die mit Abstand häufigste Einheit dar, welcher der ASD zugeordnet ist" (Van der Santen/ Zink 2003, S. 29). 9 19 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien einer höheren Ebene angesiedelt. Das heißt, in den wenigen Fällen in denen der ASD nicht dem Jugendamt zugeordnet ist (was überproportional bei einer Allzuständigkeit vorkommt), ist die Leitung des ASD in der Mehrheit der Fälle auf der gleichen Ebene wie die Jugendamtsleitung und damit in der Hierarchieebene höher angesiedelt, als wenn der ASD dem Jugendamt zugeordnet wäre. Eine Allzuständigkeit führt also zu einem Bedeutungsgewinn des sozialen Dienstes, da dieser - vermutlich als eigenständige Organisationseinheit - dann häufig auf der gleichen Hierarchieebene eingegliedert wird wie das Jugendamt" (Van der Santen/ Zink 2003, S. 31). Hinte merkt zur Organisationsform des ASD an: "Den Allgemeinen Sozialdienst neu zu organisieren erweist sich als echter Konjunktur-Dauerbrenner. Vielleicht wollen sich manche Vorgesetzte in Jugend- und Sozialämtern damit ein Denkmal setzen, daß sie diese zentrale Abteilung der Jugendhilfe neu organisieren. Modelle gibt es dazu zuhauf: Daß der ASD nicht ins Sozialamt gehört, ist heute gängige Meinung, aber ob er nun Bestandteil des Jugendamtes sein soll oder aber ein eigenes Amt, darüber streitet man sich wort- und seitenreich, fast so, als ob es nichts wichtigeres zu tun gäbe. (Im übrigen: Selbstverständlich gehört der ASD in das Amt, das fälschlicherweise Jugendamt heißt" (Hinte 1983, S. 18). Zu Hinte muss jedoch gesagt werden, dass die Allgemeinen Sozialdienste nicht nur die zentralen Abteilungen der Jugendhilfe sind, sondern die der Familienhilfe und darüber hinaus auch noch die für eine ganze Reihe anderer Lebenslagen. Die Statistik des Essener ASD für das Jahr 1991 macht das deutlich: "So waren von 9751 Haushalten, in denen der ASD tätig war, 4582 (47 %) ohne Kinder und von den 28930 Problemanzeigen hatte nur etwa die Hälfte etwas mit Kindern zu tun" (Greese 1994, S. 312). Von der sozialarbeiterischen Intention her wird wohl die Organisation in einem eigenen Amt die günstigste sein, wenngleich Effektivität nur dann erreicht werden kann, wenn dieses Amt für den ASD Entscheidungskompetenz in Bezug auf die rechtlich-materiellen Grundlagen hat und so nicht Gefahr laufen muss, zwischen den Ansprüchen verschiedener anderer Ämter (Sozialamt, Jugendamt) zerrieben zu werden (Gegenargumente vergl. Van der Santen/ Zink 2003). 3.1.4. Aufgaben des ASD Der ASD ist ein Basisdienst, man könnte ihn auch den "Allgemeinarzt der Sozialarbeit" nennen. Dorthin kommen die Menschen zunächst einmal mit ihren Problemen und Schwierigkeiten und dann wird entschieden, inwieweit Fachberatungsstellen oder anderweitige Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Im Idealfall bleibt der ASD mit der betroffenen Familie auch während anderweitiger Hilfsangebote verbunden und ist bereit, bei der Integration der fachlich spezialisierten Hilfe in den Alltag zu helfen. Die MitarbeiterInnen des ASD müssen also ihre Praxis als GeneralistInnen organisieren in Abgrenzung zu den SpezialistInnen der Fachberatungsstellen. Genauso ist die Klientel der Allgemeinen Sozialdienste eine umfassende. Textor fasst zusammen: "Die Klientel des ASD umfaßt also Männer und Frauen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen, Alleinstehende, Ehepaare, Familien und Alleinerziehende, Deutsche, Ausländer 20 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien und Asylanten sowie Randgruppenangehörige. Ihre Probleme liegen im - persönlichen Bereich: Einsamkeit, psychische Auffälligkeiten, Verhaltensstörungen, kriminelle Delikte, Tablettenmißbrauch, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus, Diskriminierung usw.; - gesundheitlichen Bereich: körperöliche oder psychische Krankheit, psychosomatische Leiden, Behinderung, Pflegebedürftigkeit usw.; - beruflichen Bereich: Probleme am Arbeits oder Ausbildungsplatz, (Jugend-) Arbeitslosigkeit usw.; - familiären Bereich: Eheprobleme, Trennung, Scheidung, Überlastung, Kinderreichtum, fehlende Kinderbetreuung usw.; - Erziehungsbereich: Erziehungsschwierigkeiten, Vernachlässigung, Kindesmißhandlung, sexueller Mißbrauch, Schulprobleme (Schulversagen, Leistungsverweigerung, Schulschwänzen), Ablösungsproblematik usw.; - materiellen Bereich: unzureichendes Einkommen, Verschuldung usw.; - Bereich des Wohnens: Mietrückstände, Wohnungssuche, Obdachlosigkeit, problematisches Mietverhalten usw. sowie - Wohngebiet: Bevölkerungssruktur (z.B. hoher Ausländeranteil), weitverbreitete soziale Probleme (z.B. Armut, Bandenbildung, Treffs von Drogenabhängigen), schlechte Lebensqualität, hohes Verkehrsaufkommen, Umweltverschmutzung, zuwenig Kinderbetreuungsangebote, Mängel in der psychosozialen Infrastruktur usw."(Textor 1994, S. 9 f.). Hier tut sich der gesamte Kosmos der sozialarbeiterischen Problemstellungen auf und man müßte meinen, es beim ASD und seinen MitarbeiterInnen mit einer großartig ausgebauten Behörde oder hoffnungslos überlasteten PraktikerInnen zu tun zu haben. Bei Durchsicht der Literatur zum Thema ASD fällt auf, dass es kaum empirisch gesichertes Material zur Praxis des ASD gibt. Was dazu geschrieben wird, sind meist Idealvorstellungen oder resignierende Berichte von PraktikerInnen. Um der Praxis des ASD gerecht zu werden, muss man zumindest differenzieren zwischen teilweise Sonntagsreden auf Kongressen und wohlmeinenden Empfehlungen und den wenigen empirischen Ergebnissen zur Praxis und Berichten aus der konkreten Praxis. 3.1.5. Idealvorstellungen vom ASD Die Idealvorstellungen bezüglich des Allgemeinen Sozialdienstes gehen vom Postulat der Ganzheitlichkeit aus. "Aufgrund der Allzuständigkeit des ASD haben alle Klienten (zunächst) nur einen Ansprechpartner, der auf die Gesamtheit ihrer Probleme ganzheitlich reagiert. Mehrfachzuständigkeiten, Zuständigkeitskonflikte und Doppeltätigkeit, zusätzliche Verwaltungsarbeiten, verzögerte Beratungsabläufe und Personalmehrbedarf oder die Segmentierung von Lebensbereichen, wie sie bei der Problembearbeitung durch mehrere Sozialdienste entstehen können, werden damit ausgeschlossen" (Textor 1994, S. 11 f.). SozialarbeiterInnen müssen damit GeneralistInnen sein. In der Tat wird das Aufgabenspektrum des ASD sehr weit definiert: 21 Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien – Skriptum zur Lehrveranstaltung Teil II: Grundüberlegungen zur Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien "- Beratung und Unterstützung in allgemeinen Lebensfragen funktionale Erziehungsberatung Hilfen für Familien in besonderen Situationen Beratung und Unterstützung von alleinerziehenden Elterntei Mitwirkung bei der Adoptionsberatung/ -vermittlung Mitwirkung im Pflegekinderwesen Mitwirkung in allen Bereichen der 'Hilfe zur Erziehung' einschließlich der Hilfe in Einrichtungen Familiengerichtshilfe Vormundschaftsgerichtshilfe Jugendgerichtshilfe Hilfe für Suchtgefährdete und Suchtkranke Hilfe zum Lebensunterhalt Eingliederungshilfe für Behinderte und Hilfe für psychisch Kranke Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten Altenhilfe sonstige Hilfen in besonderen Lebenslagen Mitwirkung bei der Sozialplanung Kooperation mit freien Trägern, Initiativen sowie sonstigen Diensten und Institutionen Hinweise auf Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen Kontaktvermittlung" (Humpe-Wassmuth 1993, S. 70) Humpe bezieht sich bei dieser Aufzählung auf die "Empfehlungen zur Organisation des kommunalen Allgemeinen Sozialdienstes" aus dem Jahre 1983 (vergl. Krieger 1994, S. 46-49). In den Empfehlungen werden die einzelnen Aufgaben auch mit dem Vermerk versehen, inwieweit und in wie enger Kooperation sie mit der Verwaltung und den Sonderdiensten erfüllt werden sollen. Bei der Betrachtung dieser Empfehlungen fällt auf, dass sozialpädagogische Fachkräfte von bestimmten Aufgaben in unterschiedlichem Maße ferngehalten werden. So soll z.B. die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem BSHG (HZL) Aufgabe der Verwaltung sein, bei der im Einzelfall eine Abstimmung zweckdienlich sein könnte. Die Beratung und Behandlung von Suchtgefährdeten ist Aufgabe des entsprechenden Sonderdienstes, der in der Aufzählung lediglich wegen der engen Verflechtung mit den Aufgaben des ASD aufgeführt sei (vergl. Krieger 1994, S. 46 ff.). Solche Kompetenzregelungen stehen eindeutig im Widerspruch zur postulierten Ganzheitlichkeit, zumal sich durch solche Kompetenzzuschreibungen im bürokratischen Alltag eines Amtes sehr bald konkrete Handlungszuweisungen und abgrenzungen für bestimmte Mitarbeiter herausbilden werden.