Klinikseelsorger Hans-Bernd Hagedorn über Nahtod - RPI

Werbung
Klinikseelsorger Hans-Bernd Hagedorn über Nahtod-Erlebnisse
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_allgemeinmedizin_psyche_nahtod-erlebnisse_1157643614.htm
Ähneln sich denn eigentlich die Nahtod-Erfahrungen der Betroffenen?
Reise an die Schwelle des Todes
,Ich habe ins Jenseits geblickt' lautet der Titel eines
neuen Buches, das sich mit sogenannten NahtodErfahrungen beschäftigt – mit den Erfahrungen von
Menschen also, die klinisch tot waren und ins Leben zurückgekehrt sind.
Der Tunnel und das Licht an dessen Ende tauchen
immer wieder in Erzählungen von Menschen mit
Nahtod-Erfahrung auf. Foto: stock.xchng
08.09.06 - Drei Klinikseelsorger des Universitätsklinikums Bonn haben es herausgegeben. ÄP-Mitarbeiterin Alexa Fuchswinkel sprach mit einem von
ihnen: Hans-Bernd Hagedorn. Der diplomierte katholische Theologe und Sozialpädagoge ist seit
1997 als Klinikseelsorger am Uniklinikum Bonn
tätig.
ÄP: Herr Hagedorn, gibt es ein Leben nach dem
Tod?
Hagedorn: Eine sehr große Frage, die ich als gläubiger Christ mit einem hoffenden "Ja" beantworte.
In meiner Arbeit als Klinikseelsorger erlebe ich,
dass diese Frage viele kranke Menschen bewegt
und eine oft unausgesprochene Suchbewegung für
diese Hoffnung - vielleicht zum ersten Mal - vollzogen wird.
In unserem Buch, in dem 38 Nahtod-Berichte im
Mittelpunkt stehen, ist häufig erzählt worden, dass
dieses Nahtod-Erlebnis eine große Gewissheit
eines Lebens nach dem Tod hinterlassen hat. Diese
Gewissheit nimmt dann auch die Angst vor dem
Tod - aber nicht unbedingt auch die Angst vor dem
Sterben!
Können Nahtod-Erlebnisse nicht einfach Hirngespinste der Betroffenen sein?
Hirngespinst - das klingt zunächst einmal abwertend, deutet aber auch gleichzeitig auf das hin, was
viele vermuten: dass durch physiologische Vorgänge im Sterben oder in der Narkose Bilder - ähnlich wie im Traum - aus unserem Inneren wachgerufen und manchmal auch erinnert werden können.
Ob es nun Hirngespinste oder der Blick ins Jenseits
ist, das wage ich nicht klar zu beantworten, da ich
davon ausgehe, dass unser Verstand oder unser
Bewusstsein immer nur begrenzt ist. Warum sollte
es nicht eine Dimension des Erlebens geben, die
wir nur in äußersten Grenzsituationen wahrnehmen
können - hier wird meines Erachtens auch eine
Grenze des Erforschbaren angedeutet.
Erstaunlich ist, dass unabhängig vom kulturellen
und religiösen Hintergrund sehr ähnliche Bilder
gesehen und erlebt werden: der Tunnel, das Licht
an dessen Ende, Gefühle von Frieden, Ruhe, Liebe,
Wärme, Geborgenheit und Glück.
Viele erzählen von Begegnungen mit bereits Verstorbenen, die auf unterschiedliche Weise andeuten, dass es jetzt noch nicht soweit sei, den Weg
bis zum Ende zugehen und damit auch den
Moment der Rückkehr ins Leben - in den kranken
und verletzten Körper - bestimmen.
Viele berichten auch von einem Lebensrückblick
oder von einem "universalen Wissen", das sie in
dieser Nahtod-Erfahrung erfüllt. Immer aber wird
angedeutet, dass es keine Worte gibt, das Erlebte
auch nur annähernd so zu schildern, wie es erlebt
wurde.
Gibt es Erkenntnisse darüber, welche chemischen
Reaktionen und biologische Prozesse bei einem
Sterbenden ablaufen?
Dies kann ich als Theologe sicher nur bedingt beantworten. Wir haben in unser Buch eine Abhandlung eingebunden, die sehr ausführlich auf die
Prozesse im Gehirn eingeht, wenn eine lebensbedrohliche Stoffwechsel- oder Sauerstoffkrise eintritt.
Dabei spielt der rechte Schläfenlappen eine zentrale Bedeutung.
Tunnel-Licht-Erfahrungen könnten, so wird berichtet, durch neuropharmakologische Medikamente
oder Reize künstlich ausgelöst werden. Zudem
spielt für viele wissenschaftliche Annäherungen an
das Phänomen der Nahtod-Erfahrungen die Ausschüttung von Endorphinen eine wesentliche Rolle,
die auch das Glücksgefühl der Betroffenen erklären
soll. Nur - wer kann mit Bestimmtheit ausschließen,
dass es sich bei diesen Erfahrungen nicht wirklich
um Bewusstseinserweiterungen - also um eine
Wahrnehmung sonst verborgener Dimensionen handeln kann?
Glauben Sie, dass alle Menschen, die sterben,
diese Erfahrung machen, oder gibt es auch Aussagen von Betroffenen darüber, dass sie nichts gefühlt oder sogar Schreckliches erlebt haben?
Ich denke, dass überwiegend nichts erlebt wird - so
wie eben auch Träume nur in geringem Maße und
von Menschen unterschiedlich erinnert werden
können. Es gab nur zwei der 38 Berichte, die auch
von negativen Gefühlen sprachen. In einem der
Berichte hatte der Blick auf den Abgrund des Todes
Angst und Kälte hervorgerufen, ein anderer Bericht
schildert eine negative Erfahrung: "Ich war nicht
glücklich, es war nur so schrecklich schön, so eiskalt, so einsam. Ich wünsche niemandem, so nackt
vor der Wahrheit zu stehen - aber ich hatte keine
Angst."
eigener Glaube dadurch Kraft gewinnt. Aber es gibt
da auch den kritischen Geist in mir, der sagt: Es
kann sein, dass dies alles Zeichen für eine sonst
verborgene Wirklichkeit Gottes sind, aber es sind
eben Zeichen, die den Glauben zwar stärken, aber
nicht beweisen können.
Fühlen Sie sich in ihrem Glauben noch mehr bestätigt, seitdem Sie die Erfahrungsberichte Sterbender
kennen?
Menschen, die uns von ihren Nahtod-Erfahrungen
berichten, sind eben nicht tot gewesen, waren nicht
"drüben", auch wenn sie schon eine Ahnung davon
zurück in ihr Leben genommen haben und davon
leben.
Manchmal fühle ich das, wenn mir Menschen am
Krankenbett von solchen Erlebnissen berichten und
selbst eine Glaubenskraft ausstrahlen, dass mein
2
Herunterladen