http://www.mdr.de/doku/1055301-hintergrund-1032684.html auf dieser Seite: John B. aus Charlottesville „erlebte“ ein NahtodEreignis Nahtod-Erfahrung – ein Problem seit dem Altertum Die Nahtod-Theorie der Arztes Raymond Moody Die Kritik der Nahtod-Forschung Psychologin Susan Blackmore seitens der Drogen als simulierter Nahtod? John B. aus Charlottesville „erlebte“ ein NahtodEreignis "Im letzten Moment meines Lebens wusste ich, dass ich dem Aufprall nicht entkommen konnte", so erinnert sich John B. aus Charlottesville in Virgina, USA. "Ich würde sterben. Dann traf mich ein harter Schlag. Ich lag auf der Straße. Mein Körper war durch den Unfall schrecklich entstellt, und ich blickte auf ihn herab. Der Anblick war fürchterlich. Menschen kamen herbei. Notarzt, Polizei und andere. Ich konnte sie hören, sehen was sie taten. Ich wollte mit ihnen reden, doch sie hörten und sahen mich nicht. Ich begriff, dass ich tot sein musste ... " Es war ein schwerer Unfall, der sich am frühen Abend auf der regennassen Landstraße ereignet hatte. Als der Notarzt eintraf, konnte er bei John B. keinen Herzschlag mehr feststellen. Der Puls war nicht mehr messbar. "Es ist zwecklos. Wir kommen zu spät!" waren die Sätze, die in dieser Situation gesprochen wurden. Doch der Motorradfahrer wurde gerettet. Sein Herz wurde reanimiert. Später – viel später erzählte er von seiner Begegnung mit dem Tod: "Die Sanitäter sagten, dass es zu spät sei und zwecklos. Ich konnte alles mit ansehen und hören, doch keiner wollte mir zuhören." "Nichts ist seither so, wie es früher einmal war." Seitdem John B. die Erfahrungen mit dem Tod machte, ist er ein anderer Mensch geworden. "Ein besserer", urteilt er selbst. "Ein ruhiger, verschlossener", meinen seine Freunde. Der Mittfünfziger hat es aufgegeben, anderen von seinen "Erlebnissen im Jenseits" zu berichten. Er fühlt, dass seine Zuhörer ihn heimlich innerlich belächeln; für ihn aber ist das Erlebte zu bedeutsam, um es dem Hohn seiner Mitmenschen preiszugeben, denn es veränderte ihn und sein Leben grundsätzlich. Früher, so erklärt John B., habe er über das Gute oder Bösee seiner Handlungen kaum jemals nachgedacht. Der Moment an der Schwelle zum Tod, an dem sein gesamtes bisheriges Leben wie in einem Film vor seinem inneren Auge ablief, nahm ihm seine Angst vor dem Sterben und gab ihm den Respekt vor dem Leben und vor anderen Menschen zurück. "Der kurze Tod war das beste, was mir im Leben passiert ist." Nahtod-Erfahrung – ein Problem seit dem Altertum In jeder Sekunde sterben auf der Erde zwei Menschen. In derselben Zeit werden drei Kinder geboren. Sie kommen in einem Körper zur Welt, der aus 60 Trillionen Zellen besteht und dessen sämtliche Atome in einem Zyklus von etwa sieben Jahren durch Stoffwechselprozesse einmal ausgetauscht werden. Unsere Hülle unterliegt demzufolge einer ständigen Veränderung, und trotzdem bleibt der Mensch Zeit seines Lebens er selbst, unverkennbar und unverwechselbar für seine Mitmenschen. Der Geist, der Charakter, das Wesen – seine Seele bleibt immer dieselbe. Was passiert also, wenn die Hülle stirbt, die den Geist umgibt? Was geschieht mit unserem Bewusstsein, dass sich in Einheit mit dem menschlichen Körper bereits mit der Frage nach einem Leben im Jenseits beschäftigt hat? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Nahtod-Erfahrungen (im Englischen: Near Death Experiences, abgekürzt: NDE) werden von Männern, Frauen und Kindern jeglicher sozialer Herkunft oder Religion erlebt. Die Berichte derer, die auf der Schwelle des Todes standen, sind einander – unabhängig von Kultur oder Zeit – erstaunlich ähnlich. Sind Nahtod-Erfahrungen der Schlüssel zum Tor ins Jenseits? Schon in Überlieferungen alter Kulturen der Ägypter, Azteken, Griechen oder Tibeter finden sich Berichte, die – in Teilen – denen von heute verblüffend gleichen. Zwei Beispiele: - Der griechische Philosoph Platon (427–347 v. Chr.) beschrieb in zahlreichen Werken den Tod als Loslösung der Seele vom Körper. Platons Beschreibungen von der Art und Beschaffenheit des Jenseits und dem Übergang der Seele in ein anderes Leben ähneln den Beschreibungen der Menschen unseres Jahrhunderts, die NahtodErlebnisse hatten. - Erstaunliche Parallelen finden sich auch in den Schriften des "Tibetanischen Totenbuches", einer Dokumentensammlung alt-tibetischer Weisheitslehren, die aus verschiedenen Jahrhunderten zusammengetragen und überliefert worden sind. Sind diese Berichte aus vergangenen Zeiten ein Beweis für ein Leben nach dem Tod? Die Nahtod-Theorie der Arztes Raymond Moody Als junger Arzt stieß der Amerikaner Raymond Moody vor mehr als 30 Jahren auf das Phänomen Nahtod und war fasziniert von den Berichten der Patienten. So fasziniert, dass er seine Arbeit fortan auf die Erforschung der sogenannten "Near Death Experiences" konzentrierte. Und zwar mit großem, vor allem auch öffentlichem Erfolg. Sein erstes Buch erschien 1975 und beschrieb die Erfahrungen von rund 150 Personen an der Schwelle des Todes: "Ein Mensch liegt im Sterben. Während seine körperliche Bedrängnis sich dem Höhepunkt nähert, hört er, wie der Arzt ihn für tot erklärt. Mit einem Mal nimmt er ein unangenehmes Geräusch wahr, ein durchdringendes Läuten oder Brummen, und zugleich hat er das Gefühl, dass er sich rasch durch einen langen, dunklen Tunnel bewegt. Danach befindet er sich plötzlich außerhalb seines Körpers, jedoch in derselben Umgebung wie zuvor ..." Das Buch wurde zum Klassiker. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es der Gesellschaft einen Zugang zu einem bis dahin weitgehend tabuisierten Thema ermöglichte. Doch seine Studien und Befragungen beeindruckten Raymond Moody mehr, als Wissenschaftler-Kollegen für gut befanden. Obwohl der Arzt, Philosoph und Psychologe nicht müde wird, immer wieder den wissenschaftlichen Ansatz seiner Studien zu betonen, zählt er mittlerweile in Fachkreisen zu den "Esoterikern" und gilt damit als einer derjenigen, die den Abstieg in die Sphären der "Glaubenden" gewählt haben. Die Kritik der Nahtod-Forschung seitens der Psychologin Susan Blackmore Die britische Psychologin Susan Blackmore gehört zu den schärfsten Kritikern der Nahtod-Forschung. Heute. Doch vor über 20 Jahren war das einmal anders. Nachdem sie selbst im Zusammenhang mit Drogenkonsum eine Art Nahtod-Erfahrung erlebte, wurde sie zunächst zur engagierten Befürworterin des jenseitigen Lebens. Sie avancierte sogar zur Präsidentin der parapsychologischen Gesellschaft in Oxford und wollte das Phänomen als Wissenschaftlerin genauer untersuchen. Fünfundzwanzig Jahre eigener Forschung führten sie jedoch zu einem radikal gegenteiligen Fazit: "Ich kann nicht länger an die Seele und einen höheren Geist glauben. Ich denke, sie sind nur dumme Ideen des Gehirns." Im Gegensatz zu ihrem amerikanischen Kollegen Raymond Moody führte sie ihr Weg zur Ernüchterung. Nicht jenseitige Kräfte, sondern das noch diesseitig funktionierende Sehzentrum im Gehirn gerät durcheinander und liefert "Fehlbilder". Grelles Licht oder absolute Schwärze seien Reizungen der Sehrindenneuronen. Und auch das Gedächtnis spielt verrückt, wenn der Sauerstoff knapp wird. Aus diesem Grund würden – so die These der Britin – schlagartig Erinnerungen freigesetzt, die dazu führen, dass der Betroffene sein Leben wie im Film vor sich vorüberziehen sieht. Drogen als simulierter Nahtod? Ein weiteres Erklärungsmodell kommt aus der Arzneimittelforschung: Der inzwischen verstorbene LSD-Papst Timothy Leary bezeichnete einen Drogen-Trip mit einem Mittel namens Ketamin als ein "Experiment mit dem vorübergehendem Tod". Tatsächlich stellt der in England lebende Psychiater Karl Jansen fest: "Die intravenöse Injektion von 70 bis 150 Milligramm Ketamin kann alle Aspekte der Nahtod-Erfahrung reproduzieren. Ketamine und natürliche, so genannte Endopsychosine, wie der Stoff Cyclohexanon, wirken als Schutzkappe, mit der alle Sinneskanäle abgekoppelt und nahtodähnliche Erfahrungen erlebt werden. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Die Nahtod-Erfahrung könnte eine Art Schutzmechanismus sein, der dem sterbenden oder todesnahen Menschen ermöglicht, seine Angst zu beherrschen. Die Realität kann erfasst werden, ohne dass sich Panik ausbreitet. Eine Schutzfunktion des Körpers, der um sein Leben ringt. Das Wissen um diese chemischen Prozesse im Körper ist nicht neu. Sind Nahtod-Erfahrungen demnach nichts weiter als neuronale Muster, die unserem Hirn helfen mit Ereignissen umzugehen, die andernfalls nicht zu bewältigen wären? Oder findet man im Grenzbereich zwischen Leben und Tod doch die ersehnten Antworten auf ungelöste Fragen unserer Existenz? Das Erklärungsmodell Sauerstoffmangel ist inzwischen von vielen Wissenschaftlern in zahlreichen Studien angezweifelt worden. Der neurologische Ansatz liefert einleuchtende Theorien über das, was beim Sterben in unserem Gehirn passiert - und dennoch: Sind solche Erkenntnisse tatsächlich schon der eindeutige Beweis für die Nichtexistenz des Jenseits?