Kampagne "Schweigen schützt die Falschen"

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Kampagne "Schweigen schützt die Falschen"
Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt hat keine Grenzen: Sie findet in allen gesellschaftlichen Bereichen statt
und beschränkt sich nicht auf einzelne Nischen.
Sie wird an Mädchen und Jungen jeden Alters verübt, und überwiegend von Männern, aber
auch von Frauen begangen. Erwachsene sind gleichfalls Opfer sexualisierter Gewalt.
Sexualisierte Gewalt - Was ist gemeint?
Der Landessportbund NRW und die Sportjugend NRW verwenden den Begriff „Sexualisierte
Gewalt“ als Oberbegriff für verschiedene Formen der Unterwerfung mit dem Mittel der
Sexualität.1 Sexualisierte Gewalt verletzt das Recht auf Intimität, altersgemäßer und sexueller
Selbstbestimmung. Dazu zählt die sexuelle Gewalt im engeren und im weiteren Sinne. Im
engeren Sinne beziehen wir uns auf das Strafgesetzbuch (Paragraf 177, Absatz 1), das
sexuelle Gewalt definiert als Nötigung zu sexuellen Handlungen mit Gewalt, als Drohung mit
gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder als Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer
dem Täter oder der Täterin schutzlos ausgeliefert ist. Darunter fallen Vergewaltigung,
versuchte Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, bei denen das Opfer gezwungen wird,
sexuelle Handlungen des Täters oder der Täterin oder eines Dritten an sich zu dulden oder an
dem Täter oder der Täterin oder einem Dritten vorzunehmen.
Die Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" hat
ermittelt, dass nach dieser engen Definition in Deutschland 13 Prozent der Frauen über 16
Jahre sexuelle Gewalt erfahren haben, das ist jede siebte Frau. In 99 Prozent der Fälle üben
Männer diese Form von Gewalt aus.2/3 Ähnlich umfangreiches Datenmaterial über sexuelle
Gewalt gegen Männer ist nicht vorhanden. Die Pilotstudie "Gewalt gegen Männer in
Deutschland"4 ermittelt, dass acht Prozent der befragten Männer über 18 Jahre in ihrer
Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt erfahren haben. Darunter fällt zum Beispiel, dass
sie gegen den eigenen Willen von Älteren sexuell berührt, belästigt oder bedrängt worden
sind.
Wenn über sexuelle Gewalt im weiteren Sinne gesprochen wird, dann ist damit in der Regel
die sexuelle Belästigung gemeint, das heißt geschlechtsbezogene oder sexualisierende
Übergriffe durch Worte, Gesten, Bilder oder Handlungen mit oder ohne direkten
Körperkontakt. Dazu zählen sexistische Witze, anzügliche Bemerkungen, das Zeigen
pornografischer Abbildungen oder unerwünschte Berührungen intimer Körperbereiche.5 In
Deutschland haben 58 Prozent der Frauen über 16 Jahre solche Erfahrungen gemacht.6
Vergleichbare Zahlen für Männer sind nicht bekannt.
Die Diskussion um sexualisierte Gewalt ist nicht neu. Der Umgang mit diesem Thema wird
zunehmend transparenter und trägt so zur Enttabuisierung bei. In der Praxis existieren
Begrifflichkeiten wie zum Beispiel sexueller Missbrauch, sexuelle Ausbeutung, sexuelle
Misshandlung, Inzest, sexueller Übergriff, sexuelle Belästigung oder sexualisierte Gewalt7.
Diese Begriffe spiegeln die Vielzahl der Formen sexueller Grenzüberschreitungen wider und
dienen vor diesem Hintergrund zuallererst dem Zweck, eine Sprache für das
Unaussprechliche zu finden. Indem wir in die Lage versetzt werden, möglichst
unmissverständlich und frei von manipulativen Absichten über Formen sexualisierter Gewalt
zu sprechen, können wir diese auch leichter identifizieren, entlarven und somit bekämpfen.
Manchmal ist die Handlung gemäß der Definition ganz offensichtlich ein strafrechtlicher
Tatbestand, beispielsweise wenn es um vollzogenen Geschlechtsverkehr durch Erwachsene an
Kindern gegen deren Willen geht. Doch der Umgang mit einigen der dargestellten
Definitionen lässt immer einen Interpretationsspielraum Dritter durch Abwehr und Unwille
zu. Zum Beispiel wenn:
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das Problem von den Handelnden verharmlost wird („War doch nicht so gemeint.“).
die übergriffigen Handlungen von der Umwelt als nicht so schwerwiegend bewertet
werden und die Wahrnehmung von übergriffigen und grenzverletzenden Situationen
durch Außenstehende verharmlost wird („War doch nicht so schlimm.“, oder „Stell
dich nicht so an.“).
das Macht-, Erfahrungs- und Altersgefälle zwischen den Personen nicht so groß ist,
und die Handlungen als normal in der Phase bezeichnet werden („So etwas machen
die, wenn sie groß werden.“, oder „Das gehört dazu.“).
eine grundsätzliche Verneinung, dass so was im eigenen Umfeld passieren kann („So
etwas passiert doch bei uns nicht!“, „Doch nicht der XY, der ist doch so ein lieber
Kerl!“).
Sexualisierte Gewalt wird entweder über physische Gewaltanwendung oder über psychischen
Druck erzwungen. Ist ein Kind das Opfer, so ist es aufgrund seines Entwicklungsalters und
des Abhängigkeitsverhältnisses, in dem es sich normalerweise befindet, oftmals nicht in der
Lage, die Situation angemessen zu beurteilen. Bei erwachsenen Opfern muss davon
ausgegangen werden, dass Gewalt ausgeübt und die Tat durch Einschüchterung erzwungen
worden ist.
Sexualisierte Gewalt ruft sehr unterschiedliche Gefühle hervor: Abwehr. Ekel, Mitgefühl,
Angst oder die Sorge um eigene Angehörige. Sexualisierte Gewalt impliziert die Absicht des
Täters oder der Täterin, ein Mädchen oder einen Jungen, eine Frau oder einen Mann für die
eigenen sexuellen Wünsche zu benutzen.
Das Strafgesetzbuch leistet einen wesentlichen Beitrag zur Begriffsklärung. Es stellt sexuelle
Handlungen an Kindern unter 14 Jahren (sowie in bestimmten Fällen an Jugendlichen unter
16 beziehungsweise 18 Jahren) unter Strafe. Der dreizehnte Abschnitt des Strafgesetzbuches,
Paragraf 174 bis 184c, definiert sexuelle Handlungen an Kindern als Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung. Mit Ausnahme des Exhibitionismus im Paragraf 183 und der
Verführung, Paragraf 182, sind alle Taten sogenannte Offizialdelikte. Das heißt, die Polizei
oder Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, solche Delikte zu verfolgen, sobald sie davon
Kenntnis hat – unabhängig davon, ob die oder der Betroffene damit einverstanden ist oder
nicht.
Zur Einordnung der rechtlichen Konsequenzen wird in der Regel nach der Art des
Körperkontaktes unterschieden. Hierbei gibt es diverse Kriterien zur Beurteilung der
Übergriffe über die Art des Körperkontaktes8. Diese Kriterien sind:
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Sexueller Gewalt ohne Körperkontakt (Pornos, Exhibitionismus, beim Baden
beobachten)
Sexueller Gewalt mit „geringem“ Körperkontakt (Zungenküsse, Brust anfassen,
Versuch die Genitalien zu berühren)
Sexueller Gewalt mit intensivem Körperkontakt (Masturbation von Täter oder Täterin
vor dem Opfer; Anfassen lassen der Genitalien)
Sexueller Gewalt mit sehr intensivem Körperkontakt (anale, orale oder genitale
Vergewaltigung)
Sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Jungen ist nicht die Ausnahme, sondern Alltag in
Deutschland. Bei einer jährlichen Zahl von circa 20.000 Opfern muss mit einer zehn- bis
fünfzehn Mal höheren Dunkelziffer gerechnet werden.9
Sexualisierte Gewalt im Sport
Die Formen sexualisierter Gewalt im Sport unterscheiden sich nicht von den Formen in
anderen Bereichen10. Im Sport gibt es jedoch Faktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigen
können:
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Sportliche Aktivitäten sind sehr körperzentriert,
oftmals ist Körperkontakt nötig,
die spezifische Sportkleidung,
die "Umziehsituationen",
die Rahmenbedingungen, zum Beispiel Fahrten zu Wettkämpfen mit Übernachtungen
etc.
Das Besondere an Sportvereinen ist darüber hinaus die Tatsache, dass es oft abgeschirmte
Situationen gibt, in denen zum Beispiel Trainer und Sportlerinnen alleine sind, beispielsweise
nach dem Spiel in der Halle oder bei zusätzlichem Einzeltraining. Durch diese abgeschirmten
Situationen ohne Zeugen kann der Täter die Handlung einfach leugnen oder die „Schuld“ dem
Opfer zuweisen.
Macht und sexualisierte Gewalt
Die Beziehungsstrukturen im Sport, wie die zwischen Trainer/ Trainerin und Athlet/ Athletin
sowie die Tatsache, dass viele der sportlich Aktiven, Kinder oder Jugendliche sind,
implizieren darüber hinaus Hierarchien und Machtverhältnisse. Dies begünstigt besondere
Aspekte der sexualisierten Gewalt, die verbunden sind mit Machtausübung, Unterwerfung
oder Demütigung mit dem Mittel der Sexualität. Hier steht nicht die gewalttätige Sexualität
im Vordergrund, sondern die Ausübung von Macht durch sexuelle Handlungen oder
sexualisierende Bemerkungen, Berührungen und Gesten.
Erscheinungsformen sexualisierter Gewalt im Sport sind:11
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Verbale und gestische Übergriffe
Grenzverletzung bei Kontrolle der Sportkleidung
Übergriffe exhibitionistischer Art
Übergriffe bei der Hilfestellung
Verletzungen der Intimsphäre durch Eindringen in Umkleiden und Duschen bis hin zu
direkten Formen sexueller Gewalt wie Vergewaltigung
Blickpunkt: Sportvereine
Täter und Täterinnen suchen gezielt Situationen, in denen sie auf leichte und unkomplizierte
Weise (körperliche) Kontakte mit Kindern und Jugendlichen eingehen und aufbauen können.
Es besteht also die Gefahr, dass sich Täter und Täterinnen genau mit dieser Intention in
Sportvereine begeben. Wichtig ist deshalb eine hohe Sensibilität und Wachsamkeit gegenüber
jeglichen Vorkommnissen, die auf mögliche sexualisierte Grenzüberschreitungen schließen
lassen.
Hilflosigkeit und Überforderung sind oftmals die Gründe dafür, dass Beschwerden oder
Verstöße innerhalb des Vereins nicht bearbeitet und manchmal sogar abgeblockt werden.
Doch dies erleichtert Tätern und Täterinnen den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen.
Was begünstigt diesen Faktor?12
Die in der Institution arbeitenden Personen sind in ihrer persönlichen Identität stark an den
Verein gebunden. Sie übernehmen oft ungeliebte, aber unverzichtbare Aufgaben, die gering
honoriert werden oder ehrenamtlich sind. Diese Bedingungen erschweren die Aufdeckung
eines Missbrauchs („Nestbeschmutzer-Problem“).
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Ein Missbrauch im Rahmen der Verletzung der Aufsichtspflicht ist in der Regel
schwer aufzudecken, da die Verantwortlichen in so einem Fall häufig die
Vorkommnisse decken. Grund ist die Angst vor negativer Publicity, wenn ein solcher
Fall öffentlich gemacht wird. („In den Verein lass’ ich mein Kind nicht mehr rein,
wenn da so was geschieht“).
Es bestehen persönliche Beziehungen und Freundschaften, wo jede und jeder viel über
die anderen weiß. Viele glauben dann nur was sie sehen und können oder wollen sich
nicht vorstellen, dass diese gute Bekanntschaft Täter oder Täterin sein soll. Eine
typische Reaktion ist dann: „Der XY doch nicht, den kenne ich!“.
Oftmals fehlt es an Sensibilität für die Thematik in den Vorständen und im
Gesamtverein.
Des Weiteren13:
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Bestimmte Organisationsstrukturen und -kulturen erleichtern es den Tätern und
Täterinnen, langsam und unmerklich die Grenzen von angemessener und
professioneller Nähe und Distanz zu verschieben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn
sexistische Anzüglichkeiten gepaart mit männlicher Kumpanei „zum guten Ton“
gehören und diejenigen Frauen und Männer, die sich gegen eine solche Kultur
wenden, Gefahr laufen, als verklemmt und humorlos sanktioniert zu werden.
In Organisationen mit unklaren Entscheidungswegen und wenig Transparenz ist das
Aufdecken sexualisierter Gewalt besonders schwierig.
Das Gleiche gilt für Strukturen, in denen Themen wie Sexualität, Gewalt und Macht
tabuisiert sind, so dass es den Opfern und Mitwissern besonders schwer fällt, ihr
Schweigen zu brechen.
Was können Sportvereine tun?
„Nicht die Tatsache, dass es in der eigenen Organisation zu Übergriffen kommen kann,
diskreditiert eine soziale Einrichtung oder den Sportverein, sondern allenfalls ein
unprofessioneller Umgang damit“.14
Es sind bestimmte Handlungsvorgaben innerhalb einer Organisation nötig, um
Verantwortliche zu befähigen, auf Übergriffe und Verdachtsmomente zügig und in der
gebotenen Sachlichkeit und Fachlichkeit reagieren zu können:15
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Leitungskräfte und Vorstände müssen dafür Sorge tragen, dass entsprechende
Verdachtsmomente zu ihrer Kenntnis gelangen und Täter nicht aus falsch verstandener
Kollegialität gedeckt werden.
Jeder Verdachtsmoment muss ernst genommen und sachlich überprüft werden. Ein
entsprechendes Beschwerdemanagement mit Handlungsleitlinien und klar geregelte
Zuständigkeiten ermöglichen es der Organisation, im Bedarfsfall alle notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen, um Verdachtsmomenten nachzugehen. Nur so können sie
die Betroffenen vor weiteren möglichen Übergriffen schützen. Diese sachliche
Herangehensweise minimiert gleichzeitig das Risiko, dass Verdachtsmomente in
Falschverdächtigungen, Überreaktionen und blinden Aktionismus münden.
Dabei ist zu beachten16:
Es stellt noch keine Vorverurteilung eines Tatverdächtigen dar, wenn man Verdachtsmomente
ernst nimmt, überprüft oder zur Überprüfung die Ermittlungsbehörden einschaltet.

Es ist nicht die Aufgabe und Kompetenz des Vorstands oder einer Geschäftsführung,
“Tatermittlungen" durchzuführen, um am Ende über Schuld und Unschuld des Täters
zu entscheiden. Dies ist Sache der Justiz. Soziale Organisationen und Sportvereine
müssen und können nur dafür Sorge tragen, dass es innerhalb ihrer Strukturen keinen
Raum für Erniedrigung und Gewalt gibt.
Sportvereine können Strukturen schaffen
In Sportvereinen ist es schwierig, eine fachliche Aufsicht auszuüben, weil sie größtenteils aus
ehrenamtlichem Engagement ihrer Mitglieder getragen werden. Doch Sportvereine können
vieles tun. Sie können
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Qualifizierungen und Seminare für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
anbieten. Im Rahmen dieser Seminare kann ein Handlungsleitfaden für den eigenen
Sportverein zum Umgang mit Verdachtsmomenten entwickelt werden.
eine Vertrauensperson einsetzen, die auf diese Aufgabe gezielt vorbereitet wird.
für Mädchen und Jungen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsangebote
einrichten.
Ombudsleute einsetzen oder Besucherkommissionen unabhängiger Fachleute
einrichten. Letztere können Trainingseinheiten besuchen oder eine externe
Beschwerdestelle einrichten, an die sich Mitglieder richten können.
Insgesamt gilt: Wenn der Verein als Gruppe sich mit dem Thema auseinandersetzt, dann sind
die Chancen besser als wenn eine Einzelperson aktiv wird. Denn dann heißt es schnell: „Der
oder die macht nur Probleme“. Auch zeigen die Erfahrungen, dass eine Bearbeitung mit
externen Fachkräften leichter ist.
Wichtig ist für die Vereine, nicht erst zu handeln, wenn es einen konkreten Verdacht gibt,
sondern im Vorfeld Strukturen zu schaffen. Zunächst einmal sollten sie die
Beratungseinrichtungen kennenlernen, die über die Fachkompetenz im Umgang mit dem
Thema verfügen. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten:
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In die Vorstandsitzung können Fachkräfte aus Beratungseinrichtungen eingeladen
werden, die einen Einstieg in das Thema sexualisierte Gewalt geben.
Da es sich bei dem Verdacht um sexualisierte Gewalt meist um Minderjährige handelt,
ist es wichtig, Kontakte zur Jugendhilfe herzustellen.
Es können mit Beratungsstellen Kooperationsvereinbarungen getroffen werden.
Das Jugendamt kann einen Infoabend darüber machen, welche Aufgaben im Falle
eines Verdachtes erwachsen und wie gehandelt werden muss, wenn ein Verdacht
geäußert wird.
Wichtig ist auch, die Fachkräfte kennenzulernen, die im Bereich Migration und
Integration tätig sind, zum Beispiel die örtlichen RAAs, die Regionalen Arbeitsstellen
zur Förderung von Kindern aus Zuwandererfamilien.
Interkulturelle Kompetenzen aneignen
Kinder und Jugendliche, die die Angebote der Sportvereine in Anspruch nehmen, kommen
aus allen sozialen Schichten, haben unterschiedliche ethnische Herkünfte und leben in
unterschiedlichen Wertesystemen. Dieses bringen sie mit. Es ist wichtig, dass Sportvereine
sich damit auseinandersetzen.
Viele Sportvereine streben es heute an, zunehmend Mädchen und Jungen mit
Zuwanderungsgeschichte für ihre Angebote zu gewinnen. Deshalb empfiehlt sich die
Beschäftigung mit ihren kulturellen Hintergründen und die Aneignung interkultureller
Kompetenzen. Zu den interkulturellen Kompetenzen gehört auch das Wissen über die Haltung
der jeweiligen Herkunftskultur zur Sexualität und zum Umgang mit Körperlichkeit. Dies ist
insbesondere wichtig bei der Beschäftigung mit dem Thema sexuelle Gewalt. Eines ist jedoch
in allen Kulturen gleich: Sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen ist ein Tabu und wird
geächtet.
In westlichen Kulturen gehört die möglichst frühe Sexualaufklärung zum Standard in der
Erziehung. In anderen Kulturen gibt es die Auffassung, dass Sexualität nur ein Thema für
Erwachsene ist und Kinder nicht über Wissen hierzu verfügen müssen. In Migrantenfamilieninsbesondere mit islamischem Hintergrund kann es die Einstellung geben, dass das offene
Umgehen mit dem Thema Sexualität sexuelle Gewalt begünstigt. Hier wird von den Mädchen
Zurückhaltung und Anpassung verlangt und Nein-Sagen gegenüber Erwachsenen kann im
Widerspruch zum anerzogenen Respekt vor dem Alter stehen. Auch die Familienehre und das
Ansehen in der jeweiligen Community können eine wichtige Rolle spielen. Sexuelle
Unberührtheit und die Jungfräulichkeit der Mädchen ist ein hoher Wert.
In diesem Zusammenhang können im Sportverein Signale falsch gedeutet werden. Wenn
beispielsweise ein Mädchen, das in die Pubertät kommt, auf einmal nur noch weite
Sportkleidung tragen will, muss dies nicht ein Hinweis auf sexuellen Missbrauch sein.
In diesem Zusammenhang ist immer auch ein kultursensibles Hinsehen und Handeln sowohl
in der Präventionsarbeit als auch in der Intervention notwendig.
Prävention
Zur Prävention gehören alle Maßnahmen, die ein Klima für sexualisierte Gewalt gar nicht erst
entstehen lassen. Maßnahmen, die Frauen und Mädchen, Männer und Jungen stärken, damit
sie lernen, sich zu wehren, und die dafür sorgen, dass bestehende Gewaltverhältnisse
aufgedeckt und beendet werden.
Formen der Prävention17
Primäre Prävention: Sexuelle Gewalt unmöglich machen
Bei der primären Prävention geht es um die Aufklärung und um die Vermittlung von
Handlungsstrategien, um sexueller Gewalt gegen Mädchen und Jungen, Frauen und Männer
vorzubeugen.
Vorrangiges Ziel ist es, über sexualisierte Gewalt aufzuklären und den Opfern
Handlungskompetenzen zu vermitteln, wie sie sich wehren oder Hilfe organisieren können.
Das übergreifende Ziel ist jedoch, langfristig darauf hinzuwirken, dass gesellschaftliche
Strukturen, die sexuelle Gewalt begünstigen, grundlegend verändert werden.
Sekundäre Prävention: Damit sexuelle Gewalt aufhört
Sekundäre Prävention umfasst die Beratung und Krisenintervention, um bestehende
Übergriffe und Grenzverletzungen an Mädchen zu beenden.
Ziel und zugleich zentrale Aufgabe ist die Beratung und die Vorbereitung von Maßnahmen
zur Krisenintervention. Es muss ein differenziertes Beratungsangebot für betroffene Mädchen
und Jungen, die Mütter und Väter beziehungsweise die unterstützenden Familienmitglieder
sowie die professionellen Vertrauens- und Kontaktpersonen zur Verfügung stehen.
Tertiäre Prävention: Schutz und Hilfe für Betroffene
Schutz und Zuflucht sowie Hilfen zur Aufarbeitung sind die Aufgaben der tertiären
Prävention. Es gilt, den Schutz der Betroffenen sicherzustellen und Unterstützung bei der
Aufarbeitung sexualisierter Gewalterfahrungen zu leisten. So können weitere
Opfererfahrungen verhindert werden.
Es gibt zwei Aufgabenfelder der tertiären Prävention:
Zum einen die konkreten Maßnahmen der Krisenintervention, wie zum Beispiel eine
kurzfristige auswärtige Unterbringung, zum anderen weiterführende Maßnahmen, damit
Betroffene langfristig Schutz und Hilfe zur Aufarbeitung finden können.
Merkmale von Präventionsarbeit
Präventionsarbeit benötigt sowohl einen langen Atem als auch eine zielstimmige Kooperation.
Vor allem darf Präventionsarbeit die Kinder nicht überfordern. Je nach ihrem
Entwicklungsstand haben Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten,
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Beziehungssituationen eindeutig zu erkennen und einzuschätzen;
sich dem Sachverhalt entsprechend auszudrücken und mitzuteilen;
sich bei hierarchischen Machtstrukturen selbst zu behaupten und zur Wehr zu setzen.
Wer glaubwürdig präventiv arbeitet18,
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ermutigt Mädchen und Jungen, eigene Interessen zu vertreten und sowohl zu fordern
als auch zu verweigern:
nimmt Gefühlsäußerungen von Mädchen und Jungen ernst und ist auch bereit, eigene
Gefühle zu äußern:
ist entschlossen, für Mädchen und Jungen Partei zu ergreifen, ihnen
unvoreingenommen zu glauben und ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen;
ist in der Lage, sich auf die Mentalität und Sprache von Mädchen und Jungen ihrem
Entwicklungsstand entsprechend einzustellen;
bemüht sich ernsthaft, auch Geschichten von Mädchen und Jungen zu verstehen, die
der eigenen Erfahrungswelt fremd sind.
Prävention fordert Eltern und Bezugspersonen auf, Kindern und Jugendlichen
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zuzuhören,
mit ihnen zu empfinden,
für sie Partei zu ergreifen,
sich schützend vor sie zu stellen,
zu glauben.
Intervention
Zu Intervention gehören alle Maßnahmen, die bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt
genauso wie bei aufgedeckter sexualisierter Gewalt angewandt werden. Dabei sind einige
Maßnahmen zur Intervention gleichermaßen auch Maßnahmen zur Prävention und
umgekehrt. Hierzu gehören auch die Kenntnisse über die zugrunde liegenden gesetzlichen
Rahmenbedingungen.
Intervention bei sexualisierter Gewalt19
Jede Intervention bei sexualisierter Gewalt muss gründlich geplant und vorbereitet werden,
denn es ist wichtig, weiteren Schaden vom Opfer abzuwenden. Dabei ist Aktionismus
natürlich fehl am Platze. Intervention bedeutet ebenso wenig, dass bei einem Verdacht sofort
eingeschritten wird. Es gilt zunächst, sich selbst Unterstützung zu suchen und über die
eigenen Beobachtungen zu berichten. Auch ist es wichtig, mit dem Opfer zu sprechen, um
einen Verdacht näher zu ergründen und eine Vertrauensbasis zum Opfer zu schaffen. Wer ein
Vertrauensverhältnis mit einem Opfer – sei es Mädchen, Junge, Frau oder Mann – herstellen
und erhalten will, darf keinen Druck ausüben und muss das weitere Vorgehen mit dem Kind
absprechen.
Ein Patentrezept für die „ideale Intervention“ gibt es nicht. Welche Hilfen im Einzelfall die
richtigen sind, hängt vom Alter des Opfers, von der Dauer und der Schwere des Missbrauchs,
von der Beziehung des Opfers zum Täter/zur Täterin und von den übrigen Lebensumständen
des Opfers ab. Auch die Reaktion aus dem Umfeld des Opfers hat Einfluss auf die
Intervention.
Bei Interventionsstrategien muss unterschieden werden nach Verdacht und konkreter
Mitteilung von Seiten des Mädchens oder Jungen, der Frau oder des Mannes oder aber nach
einer vermuteten Täter-/innenschaft, zum Beispiel im eigenen Verein.
Alle Maßnahmen der Intervention müssen das Ziel verfolgen, den Schutz des Mädchens oder
des Jungen, der Frau oder des Mannes sicherzustellen.
Eine genaue Dokumentation aller Beobachtungen, Informationen und Äußerungen des Opfers
ist dabei die Grundlage professionellen Handelns. Darin muss deutlich zwischen objektiven
Informationen und persönlichen Einschätzungen und Bewertungen differenziert werden.
Intervention bei sexualisierter Gewalt
Jede Intervention bei sexualisierter Gewalt muss gründlich geplant und vorbereitet werden,
denn es ist wichtig, weiteren Schaden vom Opfer abzuwenden. Dabei ist Aktionismus
natürlich fehl am Platze. Intervention bedeutet ebenso wenig, dass bei einem Verdacht sofort
eingeschritten wird. Es gilt zunächst, sich selbst Unterstützung zu suchen und über die
eigenen Beobachtungen zu berichten. Auch ist es wichtig, mit dem Opfer zu sprechen, um
einen Verdacht näher zu ergründen und eine Vertrauensbasis zum Opfer zu schaffen. Wer ein
Vertrauensverhältnis mit einem Opfer – sei es Mädchen, Junge, Frau oder Mann – herstellen
und erhalten will, darf keinen Druck ausüben und muss das weitere Vorgehen mit dem Kind
absprechen.
Ein Patentrezept für die „ideale Intervention“ gibt es nicht. Welche Hilfen im Einzelfall die
richtigen sind, hängt vom Alter des Opfers, von der Dauer und der Schwere des Missbrauchs,
von der Beziehung des Opfers zum Täter/zur Täterin und von den übrigen Lebensumständen
des Opfers ab. Auch die Reaktion aus dem Umfeld des Opfers hat Einfluss auf die
Intervention.
Bei Interventionsstrategien muss unterschieden werden nach Verdacht und konkreter
Mitteilung von Seiten des Mädchens oder Jungen, der Frau oder des Mannes oder aber nach
einer vermuteten Täter-/innenschaft, zum Beispiel im eigenen Verein.
Alle Maßnahmen der Intervention müssen das Ziel verfolgen, den Schutz des Mädchens oder
des Jungen, der Frau oder des Mannes sicherzustellen.
Eine genaue Dokumentation aller Beobachtungen, Informationen und Äußerungen des Opfers
ist dabei die Grundlage professionellen Handelns. Darin muss deutlich zwischen objektiven
Informationen und persönlichen Einschätzungen und Bewertungen differenziert werden.
Tipps für den Alltag
1. Verdacht
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Ruhe bewahren.
Sich fragen, woher der Verdacht kommt.
Anhaltspunkte für den Verdacht aufschreiben (Verdachtstagebuch).
Gefühle, die durch den Verdacht ausgelöst werden, erkennen und benennen.
Wo kann ich mir Unterstützung holen?
Gegebenenfalls sich dem Kind als Gesprächspartnerin oder -partner zur Verfügung
stellen, allgemein und offen, ohne unabgestimmte Aufdeckung gegenüber Dritter.
Verbündete suchen, zum Beispiel bei Kolleginnen und Kollegen.
Auf keinen Fall sofort die Familie informieren.
Das weitere Vorgehen mit der oder dem Geschädigten abstimmen.
Auf keinen Fall den vermuteten Täter oder die vermutete Täterin informieren.
Sich professionelle Hilfestellung suchen.
Eigene Grenzen und Möglichkeiten erkennen und akzeptieren.
2. Konkrete Mitteilung/ Information
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Ruhe bewahren.
Dem Kind zuhören, Glauben schenken, es ermutigen.
Eigene Gefühle klären.
Nicht überstürzt handeln und nichts versprechen, was man anschließend nicht halten
kann.
Aussagen und Situationen protokollieren.
Beim weiteren Vorgehen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Entwicklung oder Kultur
berücksichtigen.
Keine Entscheidung über den Kopf des Kindes oder Jugendlichen hinweg fällen,
beispielsweise durch eine Strafanzeige aus eigener Motivation. Das wäre weitere
Gewalt.
Keine Informationen an den Täter oder die Täterin.
Professionelle Hilfe suchen.
Verbindliche Absprachen bei Kontakten mit Kindern über das weitere Vorgehen
treffen.
3. Vermutete Täter- und Täterinnenschaft
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Ruhe bewahren.
Sich fragen, woher der Verdacht kommt.
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Professionelle Hilfe suchen.
Beobachtungen genau dokumentieren.
Wenn möglich, Gruppenstärkung bei vertrauten Kolleginnen und Kollegen suchen,
ohne es vorschnell öffentlich zu machen.
Auf keinen Fall vorzeitig den Verdächtigen oder die Verdächtige informieren.
Auf keinen Fall vorzeitig die Polizei informieren.
Mit verantwortlichen Personen, zum Beispiel aus dem Vorstand, reden,
Verdachtsmomente benennen und gemeinsam weiteres Vorgehen abstimmen.
Anwältin oder Anwalt zurate ziehen.
Unterstützungsangebote vergleichen und den Geschädigten anbieten.
Vorrangiges Ziel: Übergriffe beenden.
Das Problem bleibt: Es besteht die Gefahr, dass der oder die Beschuldigte sich einen neuen
Wirkungskreis suchen kann, wenn die Sanktionen nicht weitreichend genug sind.
Hilfe für Helfende und Bezugspersonen
Wer Vorfälle sexualisierter Gewalt beobachtet oder davon erfährt, gerät oftmals in eine
Zwickmühle: Zum einen möchte die Person das Opfer schützen, zum anderen möchte sie den
Täter oder die Täterin nicht ohne Beweise anprangern. Ein Dilemma, das für
Sportorganisationen zum Problem wird: In dem Moment, wo Übungsleiterinnen oder -leiter,
beziehungsweise andere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter über Vorfälle sexualisierter Gewalt
informiert werden, werden sie zum Beobachter des Geschehens. Einer Anklage oder einem
Verdacht nachzugehen, bedeutet auch, ein bekanntes Mitglied des eigenen Verbandes oder
Vereins zu überprüfen, zu ermahnen und gegebenenfalls. sogar anzuklagen und
auszuschließen. Dies ist ein schwieriger Prozess, der oftmals dazu führt, dass
Verdachtsäußerungen und Beschwerden im Sande verlaufen.
Neben der Hilfe für die betroffenen Kinder selbst, spielt auch die beraterische Unterstützung
weiterer Personen, zum Beispiel der Eltern oder Bezugspersonen, eine wichtige Rolle.
Welche Handhabe habe ich als Vorstand, um beispielsweise einen auffälligen
Übungsleiter oder eine Trainerin aus dem Verein auszuschließen?
Grundsätzlich regelt die Satzung eines Vereins den Ausschluss von Vereinsmitgliedern. Wenn
bestimmte Ausschlussgründe und ein bestimmtes Ausschlussverfahren geregelt sind, kann der
Vorstand oder die Mitgliederversammlung (je nach Regelung in der Satzung) gegen das
Mitglied entsprechend vorgehen.
Beinhaltet die Satzung ein Ausschlussrecht, so ist anerkannt, dass der Verein ein Mitglied bei
Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließen kann. Hierfür muss ein Ereignis eingetreten
sein, das eine Fortführung der Mitgliedschaft im Verein unzumutbar macht. Der Verein muss
den Ausschlussgrund konkret bezeichnen, der der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ein
Verschulden ist nicht erforderlich. Wenn die Satzung kein Ausschlussrecht vorsieht, kann der
Vorstand diese Aktion nicht ausüben und der Ausschluss ist im Zweifel von der
Mitgliederversammlung vorzunehmen. Es greift dann die Regelung des Paragrafen 32 BGB:
Im Zweifel entscheidet die Mitgliederversammlung mit der Mehrheit der erschienenen
Mitglieder.
Nach diesen Grundsätzen dürfte – falls nicht die jeweilige Vereinssatzung etwas anderes
regelt oder zulässt – bei hinreichendem Verdacht auf sexuelle Gewalt, ein Ausschluss mit
entsprechender Begründung möglich sein, wenn das zerstörte Vertrauen zum auffälligen
Mitglied eine weitere Zusammenarbeit im Verein unzumutbar macht.
Bei Vereinsausschlüssen handelt es sich immer um Einzelfälle. Verallgemeinerungen sind
kaum möglich und nicht empfehlenswert, da es eben auch immer auf den Einzelfall und die
konkreten Umstände ankommt, was „zumutbar“ ist und was nicht. Allerdings muss der
verdächtigten Person immer die faire Möglichkeit zur Einsicht und Stellungnahme gegeben
werden. Das Recht auf Gehör ist gesetzlich zwar nicht konkretisiert, jedoch eine Art
prozessuales Grundrecht und sollte in jedem Verfahren berücksichtigt sein. Immer enthalten
sein sollte Folgendes:





dem Mitglied muss mitgeteilt werden, welche Vorwürfe konkret erhoben werden.
Allgemeine Mutmaßungen sind nicht ausreichend.
Entlastende Anhaltspunkte dürfen nicht verschwiegen werden.
Werden Zeugen aufgeführt oder vernommen, so muss auch das beschuldigte Mitglied
die Möglichkeit zu einer Befragung der Zeugen erhalten.
Das Mitglied muss hinreichend Möglichkeit zu einer Stellungnahme erhalten.
Das Mitglied darf sich rechtlichen Beistand einholen, entlastende Indizien oder
Beweise sind zu berücksichtigen.
Überblick über die in Betracht kommenden Sexualstraftatbestände aus dem
Strafgesetzbuch
Paragraf 174 StGB (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen)
Abs. 1 lautet:
„Wer sexuelle Handlungen
1. an einer Person unter 16 Jahren, die ihm (…) zur Betreuung in der Lebensführung
anvertraut ist,
2. (…)
3. (…)
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Abs. 2 lautet:
„Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 (…)
1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder
2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Grundlage dieses Sexualstraftatbestandes ist das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses
zwischen dem Täter oder der Täterin und dem Opfer. Es ist anerkanntes Recht, dass ein
solches Abhängigkeitsverhältnis auch zwischen einem Trainer und der ihm anvertrauten
Schüler- oder Jugendmannschaft gegeben ist. Es liegt also ein sexueller Missbrauch von
Schutzbefohlenen vor, wenn der Trainer oder die Trainerin an einem dieser Mannschaft
angehörenden Jungen oder Mädchen sexuelle Handlungen vornimmt oder an sich von diesem
vornehmen lässt.
Paragraf 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern) und Paragraf 176a StGB (Schwerer
sexueller Missbrauch von Kindern)
Der Straftatbestand des Paragrafen 176 StGB ist recht unübersichtlich und die unter Strafe
gestellten Tathandlungen sehr verästelt. Wichtig ist, dass grundsätzlich jede sexualbezogene,
erhebliche Handlung zwischen dem Täter und einer Person unter 14 Jahren (= Kind) sowohl
mit unmittelbarem Körperkontakt als auch ohne körperliche Berührung unter Strafe stellt (vgl.
Paragraf 176 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1. StGB). Weiterhin handelt auch derjenige
tatbestandsmäßig, der ein Kind dazu bestimmt, sexuelle Handlungen mit einem Dritten oder
an sich selbst vorzunehmen (vgl. Paragraf 176 Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 2. StGB). Auch die
sexualbezogene Einwirkung des Täters auf ein Kind, zum Beispiel durch Vorlage einer
pornografischen Darstellung, ist strafbar (vgl. Paragraf 176 Abs. 4 Nummern 3. und 4. StGB).
Weitere Voraussetzungen enthält der Tatbestand des Paragrafen 176 StGB nicht, sodass hier –
anders als bei Paragraf 174 StGB – ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Täter und Opfer
nicht bestehen muss.
Paragraf 176a StGB legt unter bestimmten strafschärfenden Voraussetzungen bei Vorliegen
eines sexuellen Missbrauchs von Kindern ein höheres Strafmaß fest. Insbesondere liegt ein
schwerer sexueller Missbrauch im Sinne des Paragrafen 176a StGB bei dem Vollzug des
Beischlafes oder sonstigen sexuellen Handlungen mit einem Kind, die mit dem Eindringen in
den Körper verbunden sind, vor.
Paragraf 177 StGB (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung)
Dieser Straftatbestand ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter gegen den Willen des
Opfers zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung insbesondere durch Gewalt
oder Drohungen gezwungen wird. Demgegenüber sind die vorstehend dargestellten
Tatbestände (Paragrafen 174, 176, 176a StGB) sowie der nachfolgend erläuterte Tatbestand
(Paragraf 180 StGB) auch dann erfüllt, wenn die sexuellen Handlungen mit dem
Einverständnis des Jungen oder des Mädchens erfolgen.
Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung im Sinne des Paragraf 177 StGB ist im Bereich des
Sportbetriebes beispielsweise zum Nachteil junger Frauen oder Männer über 16 Jahre
vorstellbar. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Täter und Opfer ist wiederum nicht
erforderlich. Von Vergewaltigung spricht man regelmäßig dann, wenn die sexuellen
Handlungen mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind.
Paragraf 180 StGB (Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger)
Im Verhältnis zwischen dem Übungsleiter und der minderjährigen Athletin oder dem
minderjährigen Athleten kann die Strafnorm des Paragrafen 180 Abs. 3 StGB zum Tragen
kommen. Diese lautet:
„Wer eine Person unter 18 Jahren, die ihm (...) zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut
(...) ist, unter Missbrauch einer mit dem (...) Betreuungsverhältnis (...) verbundenen
Abhängigkeit bestimmt, sexuelle Handlungen an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder
von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft.“
Wie bei der Strafnorm des Paragrafen 174 StGB (s.o.) ist das Vorliegen eines
Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Täter und dem minderjährigen Opfer „zur Betreuung in
der Lebensführung“ erforderlich. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist zwischen dem
Trainer einer Mannschaft oder einer Sportgruppe und dem minderjährigen Mitglied dieser
Mannschaft oder Sportgruppe regelmäßig gegeben.
Paragraf 180 Abs. 1 StGB stellt allgemein, das heißt ohne dass es eines
Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Täter und Opfer bedürfte, die Förderung sexueller
Handlungen zum Nachteil einer Person unter 16 Jahren unter Strafe. Hierunter fällt zum
Beispiel die Vermittlung eines Bordellbesuchs eines Jungen unter 16 Jahren oder das
Zurverfügungstellen von Räumen zum Zwecke der Vornahme sexueller Handlungen
zwischen einem Mädchen oder Jungen und einem Dritten.
Dieser kurze Abriss ist keine abschließende Darstellung der Sexualstraftatbestände, sondern
soll aufzeigen, dass sexuelle Gewaltausübung auch anlässlich des Sportbetriebes sehr
vielfältig sein kann. Wichtig ist, ein entsprechendes Problembewusstsein zu schärfen. Konkret
heißt dies: Wer Kenntnis von sexuellen Handlungen zum Nachteil einer Athletin oder eines
Athleten erlangt, sollte nicht aus Verunsicherung untätig bleiben, sondern dem Opfer wirksam
helfen.
[1] vgl. Rulofs, Bettina (2006), S. 150-162
[2] BMFSFJ (2005a), S. 65
[3] Heiliger, A. et al (2005), S. 623
[4] vgl. BMFSFJ (2005b)
[5] BMFSFJ, 2005a, S. 92
[6] BMFSFJ, 2005a, S. 92
[7] Im Folgenden beziehen wir uns auf die Ausführungen von „kibs - Kinderschutz und
Mutterschutz e.V“ http://www.kibs.de (Abruf vom19.10.06)
[8] ebenda
[9] vgl. Dunkelziffer, http://www.dunkelziffer.de/de/aufklaerung_1_2.html (Zugriff vom
19.10.06)
[10] Informationen hierfür in: Palzkill, Birgit/ Klein, Michael (1998), S. 55-59
11] ebenda, S.55
[12] ebenda, S.57
[13] Vgl. Zinsmeister, Julia (2007), S. 34
[14] ebenda, S. 34
[15] vgl. Zinsmeister, Julia (2007)
[16] ebenda, S. 34
[17] Grundlegende Literatur: Sportjugend NRW (1999), S. 14-17
[18] siehe Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1998)
[19] Grundlegende Literatur: Sportjugend NRW (1999), S. 18-21
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