Predigt_28.9.2014

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Predigt am 16. Sonntag nach Trinitatis
Gnade sei mit Euch.......
Predigttext: Hebräerbrief 10, 35 – 39
Dieser Hebräerbrief ist ein Kuriosum. Es sind weder der Verfasser noch der
Adressat bekannt – Hebräerbrief wurde er erst später genannt – , noch weiß man
genau, wann er geschrieben wurde. Er ist offensichtlich an Gemeinden gerichtet,
die bedroht sind, die unter Verfolgung leiden, die auseinanderzubrechen drohen.
Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das
Verheißene empfangt. Denn «nur noch eine kleine Weile, so wird kommen,
der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben. Mein Gerechter aber
wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein
Gefallen an ihm» (Habakuk 2,3-4).
Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden,
sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigttext verheißt uns Leben, wenn wir auf Gott vertrauen!
„Euer Vertrauen wird belohnt werden. Das Verheißene wird eintreten!“
Wer an Gott glaubt, lebt aus diesem Glauben und hat Gewinn für sein Leben –
schon jetzt, nicht erst im jenseitigen Leben. Wer aber im Glauben nachlässt,
nimmt Schaden!“ Das ist die Kurzfassung des Predigttextes mit meinen Worten.
Der Hebräerbrief bezieht sich vielfach auf Schriftstellen aus dem AT und
beschreibt darin eine Folge von göttlichen Verheißungen und Erfüllungen. Das
Erreichte ist nie endgültig. Die endgültige Erfüllung ist erst erreicht, wenn die
Heilszeit anbricht – das ist der Gegenstand der Verheißung.
Mit Christus beginnt unsere Heilsgeschichte
Was versteht die Bibel unter Heilszeit? Ist es eine Vertröstung auf das Jenseits?
Für uns Christen steht fest, dass Christi Tod und Auferstehung die Zeitenwende
in der Heilsgeschichte bedeuten. Gottes Zuwendung zu den Menschen und die
Vergebung der Schuld eröffnen den neuen Heilsweg.
Die Christen der damaligen Zeit erhofften sich die Vollendung des Heils in der
alsbaldigen Wiederkunft Jesu. Aber Christus ist nicht wiedergekommen und wir
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beschäftigen uns auch heute nicht mehr mit dem Gedanken, dass er bald
wiederkommen könnte. Was also bedeutet das: Mit Christus hat ein Heilsweg
für uns Menschen begonnen?
Was hat sich geändert seit damals? Unserer Welt mangelt es an Gerechtigkeit,
gleichberechtigter Teilhabe an den Gütern dieser Welt, Bildungschancen für
alle. – Krieg, brutaler Terror und Unterdrückung ethnischer und religiöser
Minderheiten haben ein unvorstellbares Ausmaß erreicht. Die Welt ist nicht heil.
Die Freiheit zu leben
Wir betrachten auf der einen Seite diese heillose Welt. Und überlegen: Was hat
sich geändert seit damals? Es war gesagt, dass Gott einen Neuen Bund mit den
Menschen schließen will – es ist „der Neue Bund in meinem Blut“, wie es in
den Abendmahlsworten heißt. Schuld soll vergeben sein. Damit ist ein neuer
Weg eröffnet, der Menschen verändert, ein Weg, der Menschen heil macht.
Wo Vergebung der Sünden möglich ist, da geschieht neues Leben, da ist immer
wieder Umkehr und Neuanfang möglich. Da eröffnet sich die Freiheit zu einem
verantworteten, selbstbestimmten Leben. Da kann Gerechtigkeit geschehen und
Hoffnung wachsen.
Für mich ganz persönlich ist die Zusage, immer wieder mein Versagen und
meine Schuld anschauen und Gott um Vergebung bitten zu können, das größte
Geschenk meines christlichen Glaubens. Ich muss nichts verdrängen, ich muss
mich nicht belügen, ich muss nichts unter den Teppich kehren, ich muss mein
Leben nicht schönreden, sondern kann es dankbar annehmen mit allen Höhen
und Tiefen, mit allem Glück, aber auch mit dem Versagen, das zu menschlichem
Leben gehört.
Durch diese Zeitenwende, durch dieses Gnadengeschenk Gottes, ist ehrliches,
vertrauensvolles Leben möglich, kann Leben heil werden.
Leben in einer heillosen Zeit
Liebe Gemeinde, ich fühle mich beheimatet in meinem christlichen Glauben,
fühle mich beschützt und gut geleitet. Ich lebe quasi in einem vertrauten und
vertrauensvollen Verhältnis mit meinem Gott. Was aber ist in dem Leben all der
Menschen geschehen – ich sage: falsch gelaufen – , die ihr Leben lieber durch
Konsum, Geld, Internet bestimmen lassen? Noch mehr bewegt und belastet mich
zunehmend die Frage – und das wollen wir uns ein wenig näher anschauen – :
Was ist in unserer Welt passiert, dass junge Menschen zum Salafismus – einem
radikalen Islamismus – konvertieren und in den Dschihad nach Syrien und den
Irak ziehen, wissend, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen?
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Verstehen wir, die wir hier sind, noch, was in diesen jungen Menschen vorgeht?
Nein, wir verstehen es ebenso wenig wie die Tatsache, dass junge Menschen
sich zu einem brutalen Rechtsextremismus hingezogen fühlen können.
Ich bin verzweifelt und wütend und hilflos im Angesicht solcher Entwicklungen.
Ich möchte verstehen, was da passiert und wo vielleicht ein Ansatzpunkt wäre,
diese jungen Menschen vor sich selbst zu beschützen. Suchen sie etwas, das wir
– die Gesellschaft – ihnen nicht geben? Sind sie in unserer Gesellschaft
heimatlos?
Analyse:
Ich vermute, dass diese jungen Menschen bereits genügend Erfahrungen von
Ablehnung, Versagen und Scheitern erlebt haben, so dass sie verführbar sind für
eine Ideologie, die ihnen Anerkennung und Beheimatung oder sogar das
Paradies vorgaukelt.
Nach einer Analyse des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt es in
Deutschland ca. 5.000 Salafisten, 1.000 davon gewaltbereit. 400 junge Männer
sind bereits in den Dschihad nach Syrien gezogen, einige davon bereits tot.
Nur 12 % gingen vor der Ausreise einer Beschäftigung nach. Nur 6 % hatten
eine Ausbildung absolviert. Ein knappes Drittel hatte bereits Straftaten verübt,
bevor sie sich radikalisierten. Sie gehören nirgendwo richtig hin, weder zu den
Deutschen noch zu dem rückständigen Denken ihrer konservativen Eltern. Die
Salafisten mit ihrem geschlossenen Weltbild von gut und böse vermitteln ihnen:
„Du bist richtig, wenn dich beide Seiten ablehnen!“
Können wir etwas tun?
Können wir – die wir hier sind – etwas tun, um solche fatalen Lebenswege zu
verhindern? Yes, we can! Ja, ich weiß, ich bin ein Phantast und eine Utopistin!
Ich weiß, dass wir keinen direkten Einfluss auf das Geschehen haben.
Auch Maria und Martha waren Utopisten, als sie glaubten, dass Jesus den
Lazarus zum Leben erwecken kann.
Ich glaube an die Kraft der Veränderung. Ich glaube daran, dass sich eine
Gesellschaft verändern wird, je mehr die Liebe Gottes in ihr spürbar ist. Dann
wird nicht mehr Geld und Konsum und Leistung der alleinige Maßstab dafür
sein, was ein Mensch wert ist. Dann werden auch junge Menschen, die an diesen
Maßstäben zu zerbrechen drohen, mitgenommen und müssen ihr Heil nicht im
Extremismus, wie z.B. dem Salafismus, suchen, der übrigens mit dem Islam –
und somit mit Religion – nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Im
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Extremismus sammeln sich Menschen, die in unserer Gesellschaft keine
Wertschätzung erfahren, die verbittert und verhärtet sind, die keinen Lebenssinn
und kein Lebensziel für sich erkennen können.
Ermahnungen
„Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“
so beginnt unser Predigttext. Diese Ermahnung können wir uns auch heute
zurufen, wenn uns die Hoffnung abhanden kommen will, dass sich diese heillose
Welt wieder zum Guten wenden könnte. Ich vertraue auf die Zusage Gottes für
eine neue bessere Welt. Ich vertraue darauf, dass in unserer Gesellschaft die
Kraft der Liebe und Wertschätzung wieder spürbarer wird und sich dadurch
etwas verändert.
Gehe mit einem freundlichen Gesicht durch’s Leben und lächle Menschen zu,
die dir begegnen, insbesondere denjenigen, die anders aussehen und anders
gekleidet sind als du selbst! Vielleicht kommt man kurz ins Gespräch
miteinander.
Übernehmen Sie – wenn Sie können – eine Patenschaft für einen Flüchtling in
Ihrer Stadt!
Sag deinen Kindern und allen Menschen, was sie richtig machen, statt dauernd
darauf zu lauern, was sie falsch machen.
Schauen Sie sich in Ihrem Umfeld um, ob Jugendliche abzugleiten drohen. Es
gibt Beratungsstellen, wie Sie sich in einem solchen Fall verhalten können.
Schreiben Sie an Politiker, schreiben Sie Leserbriefe und erinnern Sie daran,
dass alle Menschen friedlich leben wollen. Unterschiede und Schwierigkeiten
müssen benannt werden. Durch Kriege werden sie nicht beseitigt, sondern nur
durch Annäherung, wachsendes Verständnis, Gerechtigkeit und schlussendlich
durch gegenseitiges Vertrauen.
Ein friedliches Miteinander kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten ein
Mindestmaß an Gerechtigkeit erfahren.
Ich vertraue darauf, dass jeder von uns immer wieder den eigenen Egoismus auf
den Prüfstand bringt und stattdessen den positiven Kräften von Wertschätzung
und Annahme Geltung verschafft. Ich vertraue darauf, dass Christen lautstark
ihre Stimme für Gerechtigkeit und Frieden erheben und das auch leben. Und ich
vertraue darauf, dass all das Kreise zieht und die Welt verändert. Und so trägt
jede/r dazu bei, Heil in eine heillose Welt zu tragen. Sind wir Utopisten? Sind
wir Träumer? Ja, vielleicht. Unsere Sehnsucht nach einer heilen Welt lässt uns
hoffen, dass Gerechtigkeit und Frieden möglich sind.
„Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“
Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als menschliche Vernunft
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