Immer mehr Menschen lernen Fremdsprachen - KGH auf lo-net

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Immer mehr Menschen lernen Fremdsprachen — Zweisprachige Erziehung birgt unzählige individuelle
Vorteile
Bist Du zufällig bilingual?
Schon auf der Urlaubsreise oder bei der Recherche im Internet kommen wir ohne Fremdsprachenkenntnisse
kaum an unsere (Kommunikations-)Ziele heran. Wenn man beruflich etwas erreichen will und ein
interessantes und facettenreiches Leben führen möchte, sollte man eine oder mehrere Fremdsprachen in
jedem Fall beherrschen. Einige von uns sind dabei ‚glücklich geboren': sie sind zwei- oder sogar dreisprachig
aufgewachsen, was vor allem eine persönliche Bereicherung und ebenfalls einen Vorsprung in der heutigen
Wissensgesellschaft bedeutet. Natürlich erworbene zwei oder drei Sprachen schaffen zudem eine sehr gute
Basis für weiteren Fremdsprachenerwerb. Von Katarzyna Opielka
Im heutigen Alltag kann man abertausende Beispiele beobachten, wo Bilingualität allgegenwärtig ist. Unter
Mehrsprachigkeit oder Bilingualität versteht man dabei die Fähigkeit, mehrere Sprachen gut zu sprechen.
Bilingualismus bedeutet aber nicht, wenn jemand einen Dialekt einer Sprache spricht. Faktoren, die heutzutage
zur Bilingualität beitragen, sind vor allem die Globalisierung und die Vereinfachung der Mobilität der Menschen in
großen (leider nicht allen) Teilen der Welt. Daraus folgen immer zahlreichere nationalgemischte Ehepaare, daraus
wiederum häufig Kinder, die mit zwei oder mehr Sprachen natürlich aufwachsen und die beide Sprachen noch
ausgereifter beherrschen können - vorausgesetzt, die Eltern legen einen bewussten und dezidierten Wert auf eine
bilinguale Erziehung.
Wie definiert man Mehrsprachigkeit?
Wissenschaftler der Universität York (Großbritannien) fanden heraus, dass zweisprachig aufgewachsene Personen
bis ins hohe Alter leistungsfähiger sind als Monolinguale. Bei Menschen, die in ihrer frühen Jugend zwei Sprachen
gelernt haben, sind viele Gehirnleistungen besser als bei Personen mit nur einer Muttersprache. Eine wichtige
Eigenschaft der Bilingualität ist die Erwartung der Eltern und ihr Wissen über die Sprachentwicklung des Kinds in
der bilingualen Situation. Es existieren jedoch gänzlich unterschiedliche Formen der Bilingualität:
1.
2.
3.
Erstsprachenerworben: zwei Sprachen werden von Anfang an gesprochen, wobei beide Elterteile
unterschiedliche Muttersprachen haben und das Kind somit zwei Sprachquellen hat. Es gibt aber auch
dreisprachige Erziehungsfälle, wenn etwa die Mutter und der Vater unterschiedliche Muttersprachen
haben und in noch anderer Sprachumgebung wohnen. So kommt es zu erstaunlichen Fällen, dass etwa
bereits 4jährige Kinder in drei unterschiedlichen Sprachen sprechen - und das keinesfalls gebrochen,
sondern dem Alter entsprechend gut.
Migrationsituation: beide Eltern haben die gleiche Muttersprache aber leben mit ihrem Nachwuchs in
einem anderen Land. Dieses ist in Westeuropa millionenfache Realität, in Deutschland sind dies vor allem
die Nachkommen in Deutschland lebender (ehemaliger) Gastarbeiter, meist aus der Türkei. Diese
Bilingualität ist nicht unproblematisch, beinhaltet sie doch auch soziokulturelle und
integrationspolitische Aspekte und Schwierigkeiten. Die Probleme entstehen dabei aber primär nicht aus
der Zweisprachigkeit selbst, sondern vielmehr aus der nicht adäquaten Vermittlung beider oder einer der
beiden Sprachen.
Spätere Form: wenn man längere Zeit in einem Land bleibt und wohnt und die Sprache schnell und gut
beherrschen muss. Als Beispiel kann man etwa Auslandsarbeitsverträge oder längere
Austauschprogramme an Universitäten und Schulen nennen. So sind an der Marburger Universität mehr
als zweitausend ausländische Studierende eingeschrieben, die zum Teil mit keinen oder nur geringen
Deutschkenntnissen nach Deutschland kommen und die Sprache auf ein gutes Niveau bringen müssen,
um ihre Studien in Deutschland erfolgreich zu gestalten.
Pro und Kontra der Bilingualität
Noch in den 70er Jahren riet man Eltern ab, dem Kind mehr als eine Sprache beizubringen, da es, so das stärkste
Argument, für das Gehirn der kleinen Wesen nicht verarbeitbar sei und das Kind nur durcheinander bringen
könnte. Es kam zu der aus heutiger Sicht skurrilen Situation, dass sogar Kinder von Philologen, die ihrerseits
mindestens zwei Sprachen perfekt beherrschen, fast nie mehrsprachig aufgewachsen sind, obwohl das
Sprechpotenzial zuhause qualitativ hochwertig war. Heutzutage lehnt man diese Gedanken und Einstellungen
entschieden ab und popagiert Mehrsprachigkeit, zumindest in großen Teilen der informierten Gesellschaft.
Tatsächlich gibt es unzählige Vorteile des mehrsprachigen Aufwachsens. Zweisprachigkeit ist eine Bereicherung
des Lebens, der Persönlichkeit und der individuellen Fähigkeiten und auch Möglichkeiten. Häufig werden auch
bessere Chancen im beruflichen Leben genannt. Offenheit für andere Kulturen, Länder und Leute ist kein
Fremdwort für bilinguale Menschen, da man persönlich über die Sprache mit diesen Aspekten konfrontiert ist.
Dabei wird im allgemeinen von den Vorteilen ausgegangen, die ein bilinguales Kind im späteren Leben haben kann:
leichteres Erlernen weiterer Sprachen, die Möglichkeit, sich mehr Menschen verständlich zu machen bzw. sie zu
verstehen, als Monolinguale usw.. Wichtig scheint dabei aber dennoch, über die bloß funktionalen Vorteile von
Bilingualität hinaus-zugehen, das heißt nicht ausschließlich auf die Vorteile etwa am (sich globalisierenden)
Arbeitsmarkt zu schielen. Betrachtet man Sprache als einen integralen, bedeutenden Teil einer jeden Kultur, die
neben der Bedeutung der Wörter und Ausdrücke stets auch eine kulturelle Bedeutung inne trägt, so wird deutlich,
warum Bilingualität auch zum Abbau von Stereotypen und kulturellen Grenzen beitragen kann.
Nichtsdestotrotz bestehen auch entwicklungs-psychologische Nachteile der Bilingualität, die jedoch zeitlich
begrenzt sind. Es ist bewiesen, dass die praktische Sprachanwendung von bilingualen Kindern meistens erst mit
drei Jahren einsetzt, also später als bei Monolingualen, was vielen Eltern zum Teil viele Sorgen bereitet. Ebenfalls
bestätigen erwachsene Personen, die bilingual sind, dass Schwierigkeiten mit der eigenen Identität entstehen
können, die sich eventuell in Ausgrenzungen äußern können - in Deutschland geschieht dies vor allem bei den
Kindern türkischer Einwanderer sowie den deutschstämmigen Spätaussiedlern vor allem aus Polen und der
ehemaligen Sowjetunion. In vielen Fällen kann man zudem deutlich Sprachmischungen beobachten. Die Folge ist,
dass viele bilinguale Personen keine Sprache richtig kennen; ein Phänomen, das häufig bei den eben genannten
Gruppen zu beobachten sind.
Das one-parent-one-language Prinzip wird am stärksten befürwortet und vielfach als ideale Ausgangsposition
angenommen, obwohl Studien mit gemischten Sprach-Input ebenfalls kaum Negativeffekte ans Licht bringen. Ob
und in welchem Ausmaß Kinder die involvierten sprachlichen Systeme - also etwa unterschiedliche Aussprache,
Satzbau, Redewendungen etc. - mischten, wird jedoch sicherlich von der Qualität des Inputs mitbestimmt. Bei der
Anfertigung einer eigenen kleinen Studie fand ich heraus, dass je besser die Einstellung gegenüber dem Land ist,
umso besser die entsprechende Sprache beherrscht wird. Auch diejenigen, die in einem Land die Schule besucht
haben, identifizieren sich grundsätzlich stärker als Bürger dieses Landes und daraus folgen eine positivere
Einstellung gegenüber der ‚neuen Heimat', bessere Integrationschancen und auch bessere Sprachkenntnisse. Auch
ist die Schriftsprache desjenigen Landes besser, in dem man die Schule besucht hat. Alle befragten Personen
bestätigen, dass es immer eine dominante(re) Sprache gibt. Bestimmter Wortschatz wird vorwiegend mit
bestimmten Leuten angewendet, z.B. nur mit der Mutter über den Alltag und mit Freunden über Schule und
Privatleben; dadurch ist der Wortschatz anderer Bereiche manchmal begrenzt.
Voneinander lernen
Durch die zunehmende Globalisierung sowie damit einhergehende Migrationsbewegungen wird es immer mehr
nationalgemischte Familien geben. Dabei kann das Wissen über die Vorteile der Bilingualität als Brücke zwischen
Migrantenfamilien und der mehrheitssprachigen Bevölkerung des jeweiligen Landes in Europa dienen. Immer
häufiger gibt es auch in Deutschland zweisprachige Fächer in Schulen oder Universitäten. Meist ist dies Englisch,
aber zunehmend werden auch in bestimmten Regionen, etwa Grenzregionen, die jeweiligen Sprachen der
Nachbarländer gelehrt, auch wenn sie in anderen Teilen des Landes noch nicht zur Geltung kommen. Vor allem in
kleineren Ländern, in Europa etwa Dänemark, Niederlande oder Schweden, spricht ein großer Teil der Bevölkerung
Englisch und werden diese Kenntnisse an den Schulen und Universitäten noch stärker gefördert als etwa in
Deutschland. In vielen Ländern lernen die Menschen auch indirekt, indem beispielsweise bei ausländischen zumeist natürlich englischen - Filmen nicht synchronisiert wird, sondern zusätzlich zum Originalton Untertitel
erscheinen. Vor allem bei Menschen, die eine Sprache schon teilweise beherrschen, ist diese Lernform sehr
förderlich.
Es bleibt hinzuzufügen, dass in vielen Ländern das Fremdsprachenlernen vor allem durch den und nach dem
Zweiten Weltkrieg unterdrückt wurde und nicht zuletzt dadurch eine frühere bilinguale Entwicklung verhindert
wurde. Eine von mir befragte Person war als Engländerin kurz nach dem Krieg in Deutschland aufgewachsen und
wurde nach eigener Aussage diskriminiert und hat folglich ihre Muttersprache etwas verlernt. Sie hat, obwohl sie
beim Interview nahezu ausschließlich Vorteile von Mehrsprachigkeit genannt hatte, ihre eigenen Kinder nicht
bilingual, sondern in deutscher Sprache erzogen. Offenbar waren die eigenen Erlebnisse noch tief im Bewusstsein
verankert, so dass sie ihren eigenen Nachwuchs vor eventuellen Diskriminierungen bewahren wollte. Ähnliche Fälle
sind heutzutage auch bei anderen Sprachen zu beobachten, die in der Gesellschaft nicht die Akzeptanz finden wie
englisch, französisch, oder spanisch. Erfreulicherweise erkennen dennoch immer mehr vor allem junge Menschen,
dass jede zusätzliche Sprache eine Bereicherung der Persönlichkeit ist, ganz gleich, was die Gesellschaft oder die
Eltern über eine Sprache denken. Und den Skeptikern sollte der folgende Hinweis weiterhelfen: je mehr Sprachen
eine Person lernt, desto schneller und nachhaltiger lernt sie weitere, neue Fremdsprachen - und damit
einhergehend noch vieles andere.
Wie ein tschechisches Sprichwort sagt: „Du hast so viele Leben, wie du Sprachen sprichst.“
Literatur:


Zangl, Renate: Dynamische Muster in der sprachlichen Ontogenese; Bilingualismus Erst- und Fremdsprachenerwerb, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1997.
Hamers, Josiane; Blanc Michel H.A. : Bilinguality and Bilingualism, Cambridge University Press,
Cambridge, 2000.
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