Bonding Psychotherapie

Werbung
Gert Lyon
Bonding Psychotherapie
aus der Sicht eines Psychoanalytikers
Jeff habe ich kennen gelernt als ich vor mehr als 25 jahren an einer von ihm
geleiteten Gruppe teilgenommen habe. Das damalige Thema lautete: „enlightment
intensive“, - das nicht gerade bescheidene Ziel: Erleuchtung, also die unmittelbare,
direkte Erfahrung der Wirklichkeit.
Bald danach war ich im Zusammenhang mit meinen Verletzungen nach dem
Scheitern meiner ersten Ehe auf der Suche nach Hilfe. Da wurden Seminare unter
dem Titel „new-identity-process“ angeboten. Aus meiner psychoanalytischen Sicht
war das natürlich jenseits von Gut und Böse, ein höchst fragwürdiges Unternehmen,
wenn nicht gar Scharlatanerie. Aber es war mir egal wie esotorisch auch immer das
geklungen hat. Inzwischen nehme ich an Jeffs und Julias Bonding-workshops nun
schon seit über 20 Jahren mehr oder weniger regelmäßig teil. Aus analytischer Sicht
könnte man sagen, es handelt sich um eine unaufgelöste, positive, idealisierende
Übertragung.
Was Julia + Jeff machen, nennen sie BP und sie berufen sich vor allem auf
D. Casriel, der seine Therapie NIP nannte. Was sie tatsächlich machen, ist eine
einmalige, unverwechselbare Praxis. Sie hat aus meiner Sicht wenig mit dem zu tun,
was ich in K. Stauss Buch beschrieben finde bzw. in diesem Buch finde ich kaum
etwas, von dem, was hier im Zentrum im Kraichgau gelebt wird. Die Praxis hier hat
viel zu tun mit Julia + Jeff’s Stil, Haltung, Welt- und Menschenbild, persönlicher
Lebenspraxis, dem Zur-Verfügung-Stellen eines Schutz-, Lern-, ExperimentierRaumes.
Beim Bondig-workshop werden wir eingeladen, zu üben, zu experimentieren:
 mit unseren Gefühlen: wahrnehmen, laut ausdrücken
 mit unserem Verhalten: wahrnehmen, machbare Änderungen vorzunehmen
 mit unseren Bedürfnissen: wahrnehmen, bejahen, erfahren dass sie in
Ordnung sind, in der Gemeinschaft lernen, sie nicht GEGEN andere
einzulösen
 mit unseren Einstellungen: wahrnehmen, identifizieren, klären woher sie
kommen, wie sie sich auswirken.
In der Gemeinschaft mit den anderen Teilnehmerinnen haben wir Gelegenheit, das
„Grundbedürfnis“ nach bonding, - also das Bedürfnis nach emotionaler Offenheit +
körperlicher Nähe - zu erfüllen. Wir werden ermutigt Jemanden in den Arm nehmen
und uns in den Arm nehmen zu lassen. Wir können üben, uns abzugrenzen, also
auch nein zu sagen und wir werden ermutigt, unsere Gefühle, wenn nötig, auch
ziemlich laut auszudrücken. Und wir üben zwischen Zärtlichkeit und sexueller
Annäherung sorgfältiger zu unterscheiden, als im Alltag, wo es oft verwechselt und
vermischt wird.
1
Gert Lyon
Was mich am Bonding fasziniert und viele Jahre lang immer wieder im
Zentrum im Kraichgau hat auftanken lassen:
1. Die Gemeinschaft;
in einer Atmosphäre „ansteckender seelischer Gesundheit“ (W. Lechler) kann
man die kostbare Erfahrung machen, in der Gemeinschaft von Gleichen mit
seinen Schwächen, seinen Mängeln, auch den eigenen neurotischen und
Sucht-Anteilen willkommen zu sein.
 das quasi-stationäre setting, das Zusammenleben auf relativ engem Raum
für 3, 5, 7 mal 24 Stunden, das gemeinsame Essen, die alltäglichen
„Dienste“ wie aufdecken, abwaschen, Milch holen, ...
 eine Mischung von:
Einzeltherapie in der Gruppe
Therapie der Gruppe
Therapie durch die Gruppe
 „Lateral-übertragungen“ oder polyvalente Übertragungen und deren
Bearbeitung. Dabei kommt es zu intensiven Prozessen von
wechselseitigen Identifizierungen und Abgrenzungen, von projektiven und
identifikatorischen Prozessen, von mutuellen Rollen-übernahmen (zB von
„ausreichend guter“ Bemutterung, Trösten, Halten, - siehe Winnicott) und
von Rollen-wechseln (zB im Sinn von: „jetzt bin ich dran“ bis zu: „du bist
willkommen“), von formellem und informellem feedback der
Gruppenteilnehmerinnen untereinander; von induktiven Prozessen.
2. Die Mattenarbeit
die Arbeit auf der Matte mit wechselnden Partnerinnen unterschiedlichen
Geschlechts, Alters, Reifegrades fördert einen intensiven Austausch der
Teilnehmerinnen, ein Geben und Nehmen, wenn abwechselnd „gearbeitet“
bzw. begleitet wird. Dabei tauchen wir häufig ein in eine synchrone Vielfalt
unterschiedlicher Gefühlsausdrücke von Trauer, Angst, Wut, Verzweiflung,
Neid und Hass bis zu Glück, Freude, Zufriedenheit und Genießen ....
in eine Art polyphones Konzert intensiver Gefühle, das konkordant oder
diskordant, kontrapunktisch oder harmonisch zu den je eigenen emotionalen
Vorgängen, Themen, inneren Landschaften „passt“, in denen ich mich jeweils
gerade bewege. Die Gleichzeitigkeit der laut ausgedrückten Gefühle bringt
eindrucksvoll zu Gehör, wie nah die Gegensätze liegen - Freude und Trauer,
Verlust und Gewinn, Verzweiflung und wohlige Zufriedenheit. (coincidentia
opositorum; siehe Freud, S. „Über den Gegensinn der Urworte“)
3. Der Umgang mit Konflikten,
die angesichts so vieler Menschen, die um ihre seelische Gesundheit
kämpfen, auf relativ kleinem Raum unvermeidlich sind. Die Art der AlltagsKonfliktaustragung, die Kultur der Einfachheit, des Benennens, des Zuhörens
und des Anerkennens der Wahrnehmungen und der Gefühle des jeweils
anderen Konfliktpartners ....
4. Die Einstellungsarbeit
2
Gert Lyon
Einstellungen
Es geht um die Wahrnehmung, den Ausdruck und die Bearbeitung von SelbstRepräsentanzen, inneren Bildern, Haltungen, Grundstimmungen, Einstellungen, die
uns zunächst nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Sie sind meist mit anhedonistischen Gefühlen (Angst, Schuld, Scham, Schmerz,
Depressivität, innere Leere, Neid ...) verknüpft und meist, zumindest teilweise
unbewusst. Und zwar entweder im Sinn des verdrängten Unbewußten oder „nur“
deskriptiv unbewusst aber nicht verdrängt, weil sie noch gar nicht bewußt gewesen
sind, weil sie das sogeannte „implicite Wissen“ betreffen, deren Wurzeln in der ganz
frühen Lebenszeit, präverbal, also vor dem Spracherwerb liegen.
Und es geht bei diesen signifikanten Sätzen zunächst darum, implizites Wissen,
implizite Erfahrungen zu verbalisieren. D. Stern würde sagen: eine narrative Hülle für
das deskriptiv unbewusste Erleben zu entwickeln und diese präverbalen, sehr frühen
und tief engrammierten Erfahrungen auf diese Art bearbeitbar zu machen.
Es geht bei den Einstellungssätzen darum, den alten dysfunktionalen, neurotischen
Einstellungen etwas Wirksames entgegenzusetzen.
Ich bin unerwünscht, bin zu viel
ich bin nichts Wert.
Ich bin auch hier,
ob euch das passt oder nicht!
Ich bin wertvoll
Ich habe kein Recht, hier zu sein.,
Ich bin berechtigt
Ich bin schuld daran, dass ...
Ich brauche
Ich darf nicht laut sein
und nicht nein sagen
Ich muss mich unterwerfen,
um geliebt zu werdenIch
Ich muss unauffällig-angepasst sein.
meine Gefühle sind in Ordnung
Ich bin nicht liebenswert.
Ich bin stinknormal und liebenswert
Ich bin der Zwerg meiner Ängste
und der Riese meiner Größenphantasien
Ich bin gut so wie ich bin
3
Ich bleib’ bei mir und bleib’ dir treu
Ich zahle keinen Preis für Liebe
Gert Lyon
Einstellungsarbeit in der BPT aus pa Sicht
Die rigiden, hemmenden, verbietenden, bestrafenden Elemente des erwachsenen
Über-Ich (und eines über-fordernden Ich-Ideals) sind INTROJEKTE:

dysfunktionale Einstellungen, die sich im Unbewussten verankert haben,
mit denen das Ich auf Kriegsfuss steht,
um die es in der Einstellungsarbeit der BPT vor allem geht.

deren Entwicklung mit dem ANSPRUCH des Anderen
(– im Unterschied zum BEGEHREN des Anderen) zu tun haben
„ich sage nein, wenn ich will“

denen es sich unterwirft – in der Hoffnung auf Anerkennung + Liebe
„Ich zahle keinen Preis für Liebe“

mit denen sich das Ich secundär identifiziert, sich aufgibt
sich schuldig, ungenügend, wertlos, nicht liebenswert fühlt
„ich bin wertvoll, liebenswert, ...“
Die Introjekte und die secundäre Identifizierung mit ihnen sind zentraler Bestandteil
der Neurosen, bilden den depressiven Anteil jeder Neurose. Man kann die Neurose
als Kampf mit den Introjekten verstehen.
4
Gert Lyon
Bonding = Einübung von Ambivalenz
Ambivalenz = die Fähigkeit, ein und dasselbe Objekt libidinös und aggressiv
besetzen zu können, ohne die Beziehung zu zerstören.
Eine nicht ambivalente Liebe, die jeden Hass ausschließt, gibt es nicht – oder nur im
Phantasma. Ambivalenz, also die libidinöse und aggressive Besetzung ein und
derselben inneren Objekt-repräsentanz, ertragen und fruchtbar machen zu können,
gehört zum Wesen der Liebe.
In der Differenz zwischen zwei Subjekten mit ihren verschiedenen Wünschen, Zielen,
Zu- und Abneigungen entsteht erst das Begehren. Das Begehren des Einen ist nicht
immer das Begehren des/r Anderen.
Wenn Wut + Hass möglich ist, erlaubt und ausgedrückt werden darf , kann es
Auseinandersetzungen geben, mitunter auch heftigen Streit, aber nicht Mord,
Totschlag und Krieg.
Das Subjekt muss sich auf dem Weg zu sich selbst mit dem geliebten und dem
ungeliebten, „gehassten“ Objekt identifizieren und davon Gebrauch machen können.
Zur reifen Liebe gehört auch, sich mit den Wünschen, Eigenheiten des/r Anderen
identifizieren können, die ihm nicht passen, die es „hasst“. Nicht um sie zu
introjizieren und sich zu unterwerfen, sondern um das Fremde anzuerkennen.
Das ist Voraussetzung der Symbolisierung und Mentalisierung, also der Fähigkeit, zu
anderen Menschen, Dingen, Sachverhalten unterschiedliche Sichtweisen
einzunehmen und bei anderen anzuerkennen.
Das ist die Voraussetzung einer „konstanten Besetzung“,
die Ambivalenz erträgt,
die Konflikt-Spannung psychisch zu halten,
die Denken und Phantasieren in den Dienst der Auseinandersetzung, des
Ausarbeitens von Konflikten stellt, ohne das „Liebe“ schwer möglich ist.
5
Gert Lyon
BPT = üben + spielen
Die Einübung von Ambivalenz braucht ein Spielfeld, um ohne Angst vor
Liebesverlust, alle möglichen Gefühle - auch Wut, Hass, Neid erleben, anerkennen
und ausdrücken zu können.
Im workshop gibt es ein reiches Angebot zu „spielen“ - im Sinn des ernsthaften
Spielens von Kindern; auch zum Spielen wie Kinder mit den „Übergangsobjekten“
(Übergang von der ersten oralen Beziehung (mit der Mutter) zur wirklichen
Objektbeziehung).
Ambivalenz
 gleichzeitige Anwesenheit entgegengesetzter Gefühle, Haltungen Strebungen,
zB Hass und Liebe in der Beziehung zu ein und demselben Objekt.
 ambivalente Triebbesetzung, die immer libidinöse und aggressive Aspekte
beinhaltet.
 ein Aspekt der ambivalenten Einstellung ist bewusstseins-näher, der andere –
ferner.
 M. Klein: Ambivalenz als Qualität des Objekts, mit der das Subjekt ringt, indem
es das Objekt in ein „gutes“ und ein „böses“ spaltet, weil es das ambivalente
Objekt = zugleich wohlwollend-liebevoll und zutiefst bedrohlich-zerstörerisch
(noch) nicht ertragen kann.
„Ich bin stinknormal und liebenswert!“
Wenn das Subjekt „erkennt“ – im hebräischen ist erkennen mit Liebe verknüpft –
dass es immer schon durch die primären Objekte erkannt und anerkannt worden ist,
kann sich die Gewissheit etablieren, liebenswert zu sein.
Sich vom Anderen erkannt und anerkannt zu fühlen, ist kräftige Nahrung für das
Selbstwertgefühl.
D. Winncott: Existenzgefühl
E. H. Erikson : Urvertrauen
A. Green: Beziehungsgefühl
Neurose = immer auch ein Kampf um die Liebe und Anerkennung des Anderen
L. Israel: den Anderen als Anderen zu lieben ist gefährlich: wir können enttäuscht
werden und scheitern, birgt aber auch die Chance: den Anderen zu entdecken,
ihn/sie für uns zu gewinnen „ihn zu lieben für das, was er uns an Unbekanntem
enthüllt, ihn zu lieben wegen seiner Verschiedenheit“. Erst durch die Differenz, die
das Fantasma durch die Realität des Anderen ersetzt, „wird die Überschreitung der
narzisstischen Liebe“, wird die Liebe des Anderen „jenseits der narzisstischen Liebe
möglich“.
Was die Liebe behindert ist nicht so sehr die Versagung der Befriedigung von
Wünschen – was unvermeidlich ist – sondern die Versagung der Anerkennung des
Wunsches und des wünschenden Subjekts (siehe Versagung und Konflikt).
6
Gert Lyon
Die Kindheit ist nie einfach nur glücklich, sondern notwendig gepflastert sowohl mit
Verlust als auch mit Neuentdeckung.
„Alle meine Gefühle sind in Ordnung. Auch meine Wut ist gut!“
Es gehört vielleicht zum Schwierigsten der menschlichen Entwicklung, die
Aggression und das so genannte Böse im eigenen Inneren anzuerkennen, die damit
verbundenen Gefühle von Neid, Wut, Abneigung, Hass, Schuld, Scham, Verlust,
Trauer wahrzunehmen und zu verarbeiten.
Externalisierung und Projektion unerträglicher Selbstanteile und ihr Deponieren im
Anderen ist das große Thema der Kleinianischen PA. Die Bösen, das sind vor allem
die Anderen. Das funktioniert aber nicht, oder nur dann, wenn der/die Andere das
akzeptiert oder die „Opferrolle“ gar wünscht. (siehe „projektive Identifikation“)
Der kleine Bub zielt mit der Spielzeugpistole auf den Vater: „Peng, jetzt bist Du tot!“
Der Vater fällt getroffen um, steht nach angemessener Frist wieder auf.
In der folgenden Nacht erwacht der Bub aus einem Albtraum, braucht Trost, ruft nach
dem Papa und schläft beruhigt wieder ein, nachdem er ihn gesehen hat.
In der Phantasie vom Vortag hat der Bub den Vater tatsächlich zerstört,
im unbewussten Vertrauen darauf, dass der Papa die Zerstörung überlebt, sich nicht
zerstören lässt.
Die entscheidende Erfahrung, die viele von uns und von unseren Patienten nicht
ausreichend gemacht haben:
 dass man Menschen die man liebt und von denen man geliebt wird, hassen
kann, ohne sie zu zerstören;
 dass man sie „zerstören“, zum Verschwinden bringen, sich von ihnen
abwenden, sie zurückweisen, sich von ihnen abgrenzen kann, ohne sie zu
hassen.
Zerstörung = nicht Vernichtung, - dazu hat das Kind die psychischen und
körperlichen Mittel nicht.
Umgekehrt kann aber die Vergeltung (Liebesentzug, ...) des (erwachsenen) Objekts
durchaus vernichtend wirken.
D. Winnicott betont die Bedeutung der Aggression im Dienst der Trennung und des
Aufbaus der Objektbeziehungen, er spricht vom Objektgebrauch.
Erst die Aggression schafft „das äußere Wesen“.
Das Subjekt „zerstört“ zwar das Objekt, weil es sich seiner omnipotenten Kontrolle
entzieht, aber erst dadurch wird es zu etwas Äußerem; erst dadurch und jetzt kann
das Subjekt das Objekt als Anderen, als unabhängiges Wesen mit eigenem Recht
anerkennen.
Nur wenn und weil „das Objekt überlebt, kann das Subjekt ein Leben in der
Objektwelt beginnen“.
„ Das Subjekt sagt gewissermaßen zum Objekt: ’Ich habe Dich zerstört’, und das
Objekt nimmt diese Aussage an. Von nun an sagt das Subjekt: ’Hallo, Objekt! Ich
habe Dich zerstört! Ich liebe Dich! Du bist für mich wertvoll, weil Du überlebt hast,
obwohl ich Dich zerstört habe! Obwohl ich Dich liebe, zerstöre ich Dich in meiner
(unbewussten) Phatasie’ „.
7
Gert Lyon
Oder: Obwohl / weil ich dich liebe, hasse ich dich, und weil du dich nicht rächst, liebe
ich dich.
Damit gewinnt das Subjekt enorm viel für seine Fähigkeit zu lieben.
Aspekte der Anerkennung:
 das Objekt als Andere/n
 sich selbst als Subjekt
 die eigenen ambivalenten Gefühle dem Objekt gegenüber
Erst mit dieser Ambivalenz-toleranz damit kann das Leben lustig werden.
Corrective Emotional Experience
Die Praxis im ZiK hat viel zu tun mit dem Konzept der „corrective emotional
experience“. Dieses Konzept der „korrigierenden emotionalen Erfahrung“ taucht
ideengeschichtlich schon früh (1923) bei Sandor Ferenczi und Otto Rank auf und
wird später (1946) von Franz Alexander und Thomas French aufgegriffen und
ausgebaut. Wie viele andere Innovationsversuche auch wird es zunächst von der
main-stream-pa abgelehnt.
die Kritik daran:
 die rückwirkende Veränderung der (traumatischen) Vergangenheit sei eine
Illusion,
 sie verspreche nicht Einhaltbares,
 sie verhinderte die Entwicklung der negativen Übertragung und deren
Bearbeitung,
 sie verhindere den notwendigen Trauerprozess
Die Übertragungsreaktionen verweisen darauf, dass die gegenwärtige Beziehung
des Patienten zum Therapeuten von unerledigten Konflikten der Vergangenheit
gefärbt sind. Die therapeutische Arbeit aktiviert Erwartungen auf Wiedergutmachung
dessen, was in der Vergangenheit ungelöst blieb.
Wer wünscht sich nicht die Heilung von Verletzungen und Entbehrungen, die in der
Vergangenheit erlitten wurden?
Die neue Erfahrung im Hier und Jetzt der therapeutischen Situation kann aber nicht
verändern, was in der Vergangenheit objektiv geschehen ist. Es muss also Enttäuschungs-arbeit geleistet werden. Wenn die passiert ist, kann die neue Erfahrung
aber helfen, neue Einstellungen zur eigenen Lebensgeschichte zu finden, die auch
angesichts der real erlittenen Entbehrungen, Verletzungen und traumatischen
Erfahrungen, ein liebevolles und erfülltes Leben ermöglichen.
Pioniere der „“korrigierenden emotionalen Erfahrung“ und der pa Kurztherapie
Auffällig ist, daß das Interesse an ökonomischen Behandlungsverfahren wie
Gruppen- und Kurztherapie in Zeiten einschneidender gesellschaftlicher
Transformationsprozesse, zB jeweils nach den Weltkriegen, stark zunimmt.
So beginnt auch Sandor Ferenczi gegen Ende des 1. Weltkriegs mit einer „aktiven“
8
Gert Lyon
Behandlungstechnik zu experimentieren, mit Modifikationen zur Verkürzung der
Behandlungsdauer und um „Stagnationen in Analysen“ zu überwinden.
• Verbote, Gebote, zB zwanghafte Pat. sollen Rituale unterlassen, phobische
sich den gefürchteten Situationen aussetzen
• Terminsetzung für die Beendigung der Behandlung (was Freud zB im Fall des
Wolfsmann eingeführt hat, 1918)
• Verwendung „forcierter Phantasien“, ein themenbezogenes Assoziieren, um
seine Uferlosigkeit einzuschränken, um verborgene Konflikte schneller ins
Gespräch zu bekommen.
• Rollenübernahme des Analytikers zur Förderung der Ü.-Neurose
Sandor Ferenczi + Otto Rank (1923)
Darin wandten sie sich unter anderem gegen eine Überbetonung der
Lebensgeschichte in den Analysen,
räumten den emotionalen Erfahrungen des Analysanden in der pa Situation einen
zentralen Stellenwert ein,
nahmen in einigen Aspekten das Konzept der „corrective emotional experience“ von
Franz Alexander vorweg,
vertraten die Auffassung, daß diese Fokussierung auf die Gefühle des Pat. im Hier +
Jetzt eine Vereinfachung und Verkürzung pa Behandlungen ermöglichen werde.
Franz Alexander und Thomas French, (1946)
Das erste systematische Buch zur pa Therapie.
Sie greifen Ferenczis und Ranks Ansätze auf,
experimentierten mit Therapie-Unterbrechungen, mit dem setting (liegen oder sitzen)
variierten die Häufigkeit der Sitzungen,
üben Kritik an einer allzu intellektualisierten PA,
an der Überbetonung von Inhaltsdeutungen,
an der Methode der biographischen Rekonstruktion,
an der relativen Vernachlässigung emotionaler Erfahrung.
Von allen Innovationen wurde das Konzept der „corrective emotional experience“ am besten bekannt.
Dies“ corrective emotional experiece“ soll sich als Folge des Unterschieds zwischen ursprünglichem
Verhalten der Eltern und dem Verhalten des Analytikers im hier + jetzt der Analyse ergeben. Das
heilende Moment der PA liegt jetzt in der Wiederbelebung und –bearbeitung alter Konflikte in einem
neuen Kontext: der Analysand ist in der therapeutischen
Beziehung unter günstigeren Bedingungen emotionalen Situationen ausgesetzt, die er in der
Vergangenheit nicht bewältigen konnte.
1956 postulierte Alexander eine „Verbesserung der Standard-technik“: durch die
korrigierende emotionale Erfahrung, durch mehr Aufmerksamkeit für das
zwischenmenschliche Klima in der Behandlungssituation. Damit weckt er heftigen
Widerspruch, Kontroversen. Alexanders plädierte für ein Kontinuum:
Standard-Technik – pa Therapie – Fokaltherapie. Das wurde vom main-stream der ps community, der
pa Orthodoxie abgelehnt. Es kam im Gegenteil zu einer Verschärfung der Demarkation zwischen PA
und pa Therapie.
Literatur:
FERENCZI, S., RANK, O., (1923): „Entwicklungsziele der Psychoanalyse:
Zur Wechselbeziehung von Theorie und Praxis“
Leipzig
ALEXANDER, F., FRENCH, Th., (1946): „Psychoanalytic Therapy,
Priciples and Applications“
Ronald Press, New York
9
Herunterladen