1 Lehrmaterialien/Blatt 4 Chinesische Philosophie und Religion(1)

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Vorlesung: Problematik der Kommunikation mit Chinesen
Prof. Dr. Zhu Xiaoxue
Chinesische Philosophie und Religion (1)
Stellung und Zuordnung der
Chinesischen Philosophie und
Religion


Teil der östlichen Philosophie und Religion (kein Gott mit
Schöpfungsgeschichte, vereinzelte Schöpfungsgeschichte nur als
Mythologie) als Gegensatz der westlichen Philosophie und Religion
deren Einfluss auf den ostasiatischen Kulturraum China, Japan,
Korea und Vietnam ist vergleichbar mit der antiken griechischen
Philosophie auf die europäische Denkweise
Geschichte
Entstehung der klassischen chinesischen Philosophie:
 In der Periode von der Zeit des Wetteiferns der Hundert Schulen 百
家争鸣 vom 6. bis 5. Jh. v. Chr. bis zum Beginn der Han-Dynastie
221 v. Chr.
 Bis etwa zum 6. Jh. n. Chr. verbreitete sich die chinesische
Philosophie zusammen mit der chinesischen Schrift über ganz
Ostasien und vermischte sich mit lokalen (Matriarchat) und
überregionalen (Buddhismus) Lehren.
Wesentliche Unterschiede zur
westlichen Philosophie der
Griechen
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Herkunft der chinesischen
Begriffe für Philosophie und
Religion
ganzheitliche (holistische) Wahrnehmung statt analytische, d. h. auf
Einzelteile orientierte Wahrnehmung
dynamisches und zyklisches statt statisches, lineares Denken
unterschiedliche Lehren werden als vereinbar angesehen, auch
wenn sie aus westlicher Sicht nach der aristotelischen Logik
widersprüchlich scheinen
eher dialektisch als formal-logisch
In China ergaben sich in der Philosophie andere Fragestellungen
und andere Antworten.
Im Chinesischen gab es in der Geschichte kein eigentliches Wort für
Philosophie und Religion.
Die chinesische Bezeichnungen Zhexue 哲学 (Philosophie) und
zongjiao 宗教 (Religion) sind Neubildungen unter abendländischem
Einfluss.
 Traditionell sprach man in China von einer xue 学 (Lehre,
Studium),
 einmal von dem gehobeneren xue 学, „Studium“, das die
anspruchsvollere Eigenarbeit einer konfuzianischen, taoistischen
oder buddhistischen Elite andeutete, und
 einmal von der als Verbreitung unter dem Volke verstandenen jiao
教 (Lehre, Lehren, Erziehung).
 Der klassische Begriff für Gruppen von Trägern bestimmter
religiös-philosophischer Ideen war jia 家 (Familie, Schule,
Experte), in der engeren Bedeutung „Familie“, in der erweiterten
„Schule“ im Sinne eines Lehrer-Jünger-Verhältnisses mit seinem
entsprechenden Loyalitätskomplex.
 Zum Zeichen xue 学 (Lehre, Studium) hat man das Zeichen zhe 哲
(für den Weisen / Denker) dazugestellt, um die Philosophie zu
bezeichnen. →Zhexue 哲学
 Aus der buddhistischen Tradition in China hat sich dann später noch
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das Wort zong 宗 (Ahnen, Sippe mit gleichem Familienname, Sekte
oder Fraktion) für den Religionsbegriff zum Zeichen jiao 教 (Lehre,
Lehren, Erziehung) dazugesellt. Das Zechen zong 宗 deutete
ursprünglich die für den Ahnenkult wichtige Sippenordnung an, und
bezeichnete dann die richtige Übertragung der Lehre. →zongjiao 宗
教
Begriffsbestimmung
Für Konfuzianismus z. B. stehen im Chinesisch drei Begriffe:
 ru xue 儒学 (Lehre der „Sanftmüdigen“ / Gelehrten bzw. des
Konfuzianismus)
 ru jia 儒家 (Konfuzianer, einschließlich der konfuzianistisch
gesinnten Intellektuellen oder Herrscher)
 ru jiao 儒教 (Erziehung oder Religion der Konfuzianismus) oder
kong jiao 孔教 (Erziehung oder Religion im Sinne von Konfuzius)
 ru 儒 ist die Bezeichnung für Gelehrte, vor allem in der
Richtung des Konfuzianismus
 kong 孔 ist Familienname von Konfuzius.
Das ähnliche parallele Bezeichnungen gibt es auch für Taoismus
 dao xue 道学 (Lehre des Taoismus)
 dao jia 道家 (Taoisten als Gelehrte)
 dao jiao 道教 (Religion des Taoismus)
und für den ab 1. Jh. in China eingeführten Buddhismus
 fo xue 佛学 (Lehre des Buddhismus)
 fo jia 佛家 (Buddhisten als Gelehrte)
 fo jiao 佛教 (Religion des Buddhismus)
Andere Beispiele der
„Hunderten Schulen“
fa jia 法家 (Legalisten)
bin jia 兵家 (Denker der militärischen Strategemen)
mo jia 墨家 (Moisten)
yin yang jia 阴阳家 (Denker der Yin-Yang-Theorie)
usw.
Hauptströmung der
chinesischen Philosophie
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Lebensphilosophie der
Chinesen
Die meisten Chinesen haben unbewusst die beiden Philosophien parat.
Wenn man Erfolg hat, verwendet man die Philosophie der
Weltzugewandtheit, wenn nicht der Fall ist, richtet man sich im Leben
fast automatisch nach der Philosophie der Weltabgewandtheit und
Genügsamkeit.
Gesellschaftliche
Besonderheiten der
chinesischen Religion
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Konfuzianismus: Philosophie der Weltzugewandtheit 入世哲学
Taoismus: Philosophie der Weltabgewandtheit 出世哲学
Überwiegende Toleranz: Pluralität von „Lehren“ und „Schulen“,
auch innerhalb einer Glaubensrichtung.
Keine gesellschaftliche Organisation der Gläubigen bis auf Mönche
und Taoisten, die im Tempel oder Kloster leben. Es gab innerhalb
der chinesischen Gesellschaft keine religiössozialen Abgrenzungen
im Sinne des westlichen Religionsbegriffes. Die normalen
Menschen können gleichzeitig verschiedene Glauben haben, ohne
dass sie der Sache bewusst sein müssen.
Statistiken von Anhängern bestimmter Schule und Religionen waren
und sind daher für das traditionelle sowie das moderne China
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Konfuzianismus
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Hauptwerke
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unmöglich und auch völlig sinnlos.
Der glaube ist höchste private Angelegenheit der einzelnen
Menschen.
Kein „Kirchensteuer“.
Die verschiedenen religiösen Erscheinungsformen haben meist das
ganze Gewebe der chinesischen Gesellschaft durchzogen. Deshalb
ist es der gesellschaftlichen Wirklichkeit des traditionellen China
eher gerecht, wenn wir nicht von Religionen, sondern von Religion
sprechen.
Keine Organisationsform in der traditionellen chinesischen
Gesellschaft ist ganz frei von Religion:
 Das Dorf hatte seinen Dorftempel, sei er mehr daoistisch,
buddhistisch oder für andere Volksglauben bestimmt gewesen,
 die Gilde hatte ihren religiösen Treffpunkt in einem Tempel
oder Gildehaus (Citang 祠堂) mit entsprechendem
Andachtsraum, und
 sogar Schulen und konfuzianische Akademien (shuyüan 书院)
gruppierten sich um einen Raum, der der Abhaltung
konfuzianischer Riten gewidmet war.
 Am ausgeprägtesten war die Rolle der Religion in den
Geheimgesellschaften.
Eigene unterschiedliche Formen der Organisation, aber niemals die
Form einer kirchlichen Organisation
Ausnahme: Christum, Moslem
Konfuzius (eigentlich Kong Fuzi 孔夫子, auch Kong Zi 孔子,
Kong der Meister) ist eigentlich eine Ehrungsbezeichnung für Kong
Qu 孔丘.
Beruf von Konfuzius: Politikberater ohne viel Erfolg und
Privatlehrer mit vielen Schülern
Chinesischer Philosoph und Begründer des Konfuzianismus.
Religionsstifter? Ist der Konfuzianismus eine Religion?
Gelebt vermutlich von 551 v. Chr. bis 479 v. Chr. Geboren in der
Stadt Qufu im chinesischen Staat Lu (鲁 in der heutigen Provinz
Shandong). Seine Familie gehörte dem niederen Adel an, im Alter
von zehn Jahren wurde er Waise.
Die Familie des Konfuzius besteht angeblich weiterhin in gerader
Linie und dürfte damit eine der ältesten nachgewiesenen Familien
der Welt sein. Die Nachfahren der 75. Generation leben heute noch.
In seiner Heimatstadt Qufu sind heute die Residenz der
Kong-Familie, der Konfuziustempel und der Friedhof der
Kong-Familie (errichtet in den späteren Dynastien ab Song-Zeit aus
kulturpolitischen Interessen) ein Museum und zur Besichtigung frei
gestellt.
Fünf Klassiker
 Buch der Wandlungen (易经 Yijing )
 Buch der Lieder (诗经 Shijing )
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Grundidee der
konfuzianischen Philosophie
耳 Ohr、口 Mund、王
König/Herrscher
Philosophie als Herrschaft, zhe wang 哲王
Handelsbezogen, nicht nur Kenntnisbezogen
Ziel: das Heilige im Innern nach außen zur Herrschaft bringen
nei sheng wai wang 内圣(聖)外王
Aristoteles: Philosophie als Bemühung um Weisheit, Wissen und
Erkenntnis
Die Weisheit in China besteht nicht in ersten Linie in Wissen und
Erkenntnis, sondern in großartigem Handeln und nachwirkenden
Leistungen. Sie einigten das Reich und brachten dem Volk Frieden,
mehrten den Wohlstand und wurden in ihrer Person und ihrem Leben
selbst Vorbilder für alle.
Die Heiligen lehren nicht, sondern sie herrschten.
Fragestellung von Anfang an:
 Das praktische Wirken und insbesondere das Herrschen
Philosophen-Herrschaft als Gute Herrschaft:
1. die Herrschaft des guten Herrschers
2. die Herrschaft über sich selbst → Selbstbeherrschung
3. Die Herrschaft über Menschen → Menschenbildung zum guten
Menschen
4. die Herrschaft über die Herrscher selbst → Politikberatung
1.
格物、致知、诚意、正心、
修身、齐家、治国、平天下
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Li Ji, Da Xue《礼记•大学》
Buch der Urkunden (书经 Shujing )
Buch der Riten (礼記 Liji )
Frühlings- und Herbstannalen (春秋 Chunqiu )
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Acht-Phase-Programm, um
das Ziel zu erreichen
Zitat aus
Prof. Dr. Zhu Xiaoxue
ge wu 格物 – Arbeit am Ding, Dingen zuordnen, Befassung mit den
Dingen
zhi zhi 致知 – Erreichen von Erkenntnis, Begreifen der Sache,
Wissenserwerb
cheng yi 诚意 – Ehrliche Absicht, Wahrhaftigkeit des Willens,
eigene „Gewissenserforschung“
zheng xin 正心 – Gerader Sinn, Reinheit des Herzens,
Charakterbildung
xiu shen 修身 – Selbsterziehung, Ausbildung der Persönlichkeit
qi jia 齐家 – Bestellung des Hauses, Schaffung der Ordnung in der
Familie
zhi guo 治国 – Politik machen, den Staat ordnen
ping tianxia 平天下 – Befriedigung der Welt, Organisation des
Weltfriedens
„Ehe die Alten die ganze Welt darüber aufklären wollten, was die reine
Tugend (oder die politisch korrekte Gesinnung) ist, brachten sie erst
einmal ihren eigenen Staat in Ordnung. Ehe sie Ordnung im Staat
machen wollten, sorgten sie erst einmal für ihre Familie. Ehe sie
Ordnung in ihre Familieverhältnisse bringen wollten, arbeiteten sie erst
einmal an sich selbst. Ehe sie etwas für ihre Bildung tun wollten,
achteten sie auf einen gradlinigen Charakter. Ehe sie ihren Charakter
formen wollten, waren sie erst einmal ehrlich mit sich selbst. Und ehe sie
sich selbstkritisch prüfen wollten, verschafften sie sich Kenntnisse.
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Vorlesung: Problematik der Kommunikation mit Chinesen
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Kundig wird man nämlich nur durch Handanlegen an die Dingen.“
“古之欲明明德于天下者,先治其国。欲治其国者,先齐其家。欲齐
其家者,先修其身。欲修其身者,先正其心。欲正其心者,先诚其意。
欲诚其意者,先致其知,致知在格物。”
Wichtige Begriffe:
Beispiele deren Einfluss auf
heutige Politik
Harmonie he 和 → 和谐的社会主义 harmonischen Sozialismus
Tugend de 德 → de zhi 德治 Regieren mit Tugend
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