Seminar bei Prof. G. Soldati Bernard Williams: Wahrheit und Wahrhaftigkeit Flavia Devonas 6.März 2008 Wahrheit und Wahrhaftigkeit Kapitel 3: Der Naturzustand – eine Skizze Ziel des 3. Kapitels: Abstraktion der Geschichte vom Naturzustand. Mit der (schlicht einleuchtenden) Geschichte soll unsere Auffassung von Wahrheit und Wahrhaftigkeit verstanden und erklärt werden, warum den Wahrheitstugenden einen Wert zugeschrieben wird. Williams ist sich aber bewusst, dass das daraus entstandene Bild ergänzt werden muss. Es besteht die Frage, ob unser Bild des Naturzustandes und unser Wert der Wahrheitstugenden allgemeingültig sind. Die Arbeitsteilung 1. Definition: Im Naturzustand gibt es eine Gesellschaft weniger Menschen mit gemeinsamer Sprache, aber ohne komplizierte Technik und ohne jede Form der Schrift. 1.1. Annahme: wir könnten lernen, diese Sprache zu verstehen und zu sprechen. Exakte Wiedergabe ist nicht möglich: Umschreibung und Interpretation nötig. 1.2. Der beschriebene Naturzustand wird so reduziert, dass seine funktionalen Elemente verdeutlicht werden, in denen die Erklärung der Wahrhaftigkeit steckt. Der Mensch hat eine nicht rein funktionale Neigung zur Wahrhaftigkeit. 2. Definition rein positionsbedingter Vorteil: Ein Sprecher weiss deshalb im Vergleich zu einer anderen Person etwas (besser), weil er für den Erwerb dieser Information besser gerüstet ist. Dieser Vorteil wird mittels der Kommunikation bemerkbar. 2.1. Wegen des rein positionsbedingen Vorteils ist eine Teilung der Erkenntnisarbeit nötig/nützlich. 2.2. Wichtig für Teilung der Erkenntnisarbeit: Möglichkeit des Menschen, sich in den anderen hineinzuversetzen, sich Meinungen zu bilden und abzuschätzen, wann diese wie ausgedrückt werden sollte. 2.3. Für die erfolgreiche Ausführung der Erkenntnisarbeit ist die Förderung der individuellen Neigungen wichtig. Zwei Arten von Dispositionen: - Richtige Meinung zum gemeinsamen Bestand zuführen oder aus sozialen Gründen die Meinung geheim halten - Das zu glauben, was man sagt 3. Termini technici dieser Dispositionen: Sorgfalt und Aufrichtigkeit, sind Tugenden der Wahrheit Aufrichtigkeit: gewisse Art von Spontaneität, die Überzeugungen auszudrücken Genauigkeit: Wille zum genauen Arbeiten Offenkundige Wahrheiten 1. Ausgangslage: Kommunikation (Sprache) muss gelernt werden. Kinder lernen die Sprache in Situationen, in denen der Satz offenkundig wahr ist. Sie lernen mittels der hinweisenden Definition. 1.1. Kritik an der Theorie der hinweisenden Definition: Dieses Prinzip ist nicht für alle Beobachter anwendbar, z.B. nicht für jemanden, der keine Vorstellung der Vergangenheit haben kann. 2. Durch Behauptung offenkundiger Wahrheiten kann das Lernen (eines Schülers) erleichtert werden 2.1. Um zu lernen muss klar sein, warum der Sprecher eine (offenkundige) Behauptung aufstellt. Der Sprecher muss also ein gewisses Wissen oder eine gewisse kognitive Fähigkeit annehmen. 3. Eigenschaft der offenkundigen Wahrheit: man muss sich nicht auf die Aufrichtigkeit und Genauigkeit des Sprechers verlassen, sondern die Behauptung ist beobachtbar. 1 Seminar bei Prof. G. Soldati Bernard Williams: Wahrheit und Wahrhaftigkeit Flavia Devonas 6.März 2008 Grundlage des Lernens: vorreflexives Vertrauen zum Sprecher 3.1. Offenkundigkeit einer Wahrheit muss nicht unbezweifelbar sein (vgl. Technik). Sie können komplexe Voraussetzungen haben. Aber im Naturzustand gibt es keine Technik, also gibt es dann auch keine technikrelative Wahrheit. 3.2. Relativität der offenkundigen Wahrheiten kann auch im Verhältnis zu einer weniger komplexen Gesellschaft zum Vorschein kommen. 3.3. Offenkundige Wahrheiten anderer Kulturen können bei uns als falsch angesehen werden. (z.B. Gott/Religion: keine offenkundige Wahrheit). Wohlwollende Interpretation soll vermieden werden: diese führt zu einem geistigen Lernprozess. Raum, Zeit und Unbestimmtheit 1. Williams geht davon aus, dass die Menschen eine lokale Vorstellung von Raum und Zeit haben, diese aber in ihrer Geschichte nicht angegeben werden. Ihre Vorstellungen sind auf ihren Lebensraum und Lebenszeit ausgedehnt. Damit können sie Objekte „orten“ und eine Vorstellung der Vergangenheit haben. 1.1. Die Vorstellungen gehen bis zu einem gewissen Punkt, dahinter ist es verschwommen 1.2. Wir würden sagen, dass es Menschen mit dieser Vorstellung an Wissen mangelt und nur ein Gedanke diesen Menschen fehlt: Was ist hinter dem am weitesten entfernten bekannten Punkt? 1.3. Es ist aufgrund der Erkenntnisquellen natürlich, dass sie etwas wissen können und anderes nicht. 1.4. Wichtig: die lokale Vorstellung und der objektive Begriff involviert eine Auffassung der Vergangenheit. 1.5. Zum Naturzustand gehört (nur) eine lokal eingeschränkte/perspektivische Auffassung der Vergangenheit 2. Es muss nicht sein, dass andere Leute denselben objektiven Vergangenheitsbegriff haben wie wir. 2.1. Die Geschichte vom Naturzustand soll möglichst abstrakt sein. Deshalb muss man abschätzen, welche Vergangenheitsbegriffe dazugehören. Frage: Unterscheidet sich unsere Auffassung der Vergangenheit von anderen Menschen? Werte – was bisher erzählt wurde 2. 3. 4. 5. 6. 1. Die Geschichte vom Naturzustand soll erklären, warum den Wahrheitstugenden einen Wert zugeschrieben wird. Ist dieser Wert allgemeingültig? 1.1. Die Tugenden der Wahrheit haben einen unterschiedlichen Wert für den Träger der Eigenschaft und die Gesellschaft. 1.2. Die Gesellschaft und jeder einzelne will korrekte Informationen, deshalb wird Genauigkeit von jedem verlangt. 1.3. Aufrichtigkeit hat v.a. für die anderen einen Wert, nicht für sich selbst. Genauigkeit und Aufrichtigkeit können instrumentell aufgefasst werden. Williams will zeigen, dass eine rein instrumentelle Auffassung der Wahrheit von der Gesellschaft zur Begründung des Wertes nicht ausreicht. Soll die Wahrhaftigkeit instrumentell in den Naturzustand eingebracht werden? Gehört der Glaube an den Wert der Wahrhaftigkeit in den Naturzustand? Die Mehrheit der Menschen ist der Ansicht, dass die Wahrheit nicht nur einen instrumentellen Wert hat. Grundsätzlich halten die Menschen die Ehrlichkeit für besser als die Unehrlichkeit. Aufrichtigkeit und Genauigkeit sind etwas Gutes. Wir betrachten ausschliesslich die menschlichen Einstellungen (zur Wahrhaftigkeit) Versuch der Selbstverständigung des Menschen Williams vertritt nicht die Auffassung Platons, dass z.B. das Gute unabhängig von allen Einstellungen gut ist. Es gibt keine Geschichte des Wahrheitsbegriffs. Der Begriff der Wahrheit ist überall gleich, was sich unterscheidet sind die Wahrheitstheorien. 2