AM ENDE DER OPFER

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STATIO
Am Morgen des vierten Advents leben wir schon auf den Abend, auf den Weihnachtsabend
hin. Die Liturgie spielt an diesem Morgen noch einmal Israels große Messias-Sehnsucht ein:
Zu ihm werden alle heimkehren; bei ihm werden sie Heimat haben. Er wird ihr Hirt sein in
der Kraft Jahwes, des Herrn. Versammeln auch wir uns heute Morgen in dieser
adventlichen Sehnsucht nach den Gesalbten und Gesegneten: Er möge in unser Leben
kommen und uns ein Segen sein. Er möge unser unruhiges Herz zuhause sein und ausruhen
lassen in der Lebens- und Wohngemeinschaft mit unserem Gott, die wir jetzt feiern.
AM ENDE D E R OPFER
Vor Weihnachten
Am Eingang dieses Tages, der uns zur Weihnacht hinführen wird, an die Krippe, in der der
Neugeborene liegt: Auf große theologische Gedanken sind wir jetzt nicht gestimmt. Aber
die Hebräerbrief-Lesung will unseren Blick weiten auf die großen Zusammenhänge, auf
die geradezu kosmischen Dimensionen, in denen Weihnachten gesehen werden soll. Was
uns da gezeigt wird, ist - auf den ersten Blick - wenig weihnachtlich. Christus wird uns im
Gespräch mit seinem Vater vorgestellt. Im Lobpreis des Vaters spricht er aus, was es zu
bedeuten hat, wenn er nun in die Welt eingeht, durch sie hindurchgeht, in alle Höhen und
Tiefen hinein, ins Leben und in den Tod.
Brand- und Sündopfer forderst du nicht
Wie überraschend, dass jetzt von Opfern die Rede ist. Der Vater hat keinen Gefallen an
Schlacht- und Speiseopfern, Brand- und Sündopfer fordert er nicht. Der Hebräerbrief lenkt
den Blick der Zeitgenossen auf die vielen Opfer der Religionsgeschichte: auf den Altar der
Brandopfer, die zu Gott und den Göttern - zum Himmel - aufsteigen sollen. In den Opfern
wollen die Menschen selbst mit ihren Bitten und ihrer Sehnsucht in die Sphäre des
Göttlichen Eingang finden. Im Blick sind auch die Speiseopfer: Gott wird zu Tisch geladen.
Er möge die Feier der Menschen mit seiner Anwesenheit segnen, möge mitten unter ihnen
wohnen, damit sie das gute Leben miteinander teilen.
So vielfältig ist die menschliche Sehnsucht, die in den Opferritualen ihren Ausdruck findet.
Noch in der Kerze, die wir vor Ihm entzünden, brennt unsere Sehnsucht, will sie aufsteigen
zu Ihm. Denken wir nicht zu gering von diesem Zeichen unserer Sehnsucht. Auch der Vater
im Himmel wird sie nicht gering schätzen. Aber er fordert sie nicht. Und es »gefällt« ihm
nicht, wenn die Menschen ihre Opfer als Tribut verstehen, den sie einem »gefährlichen«
Gott leisten müssen, damit dieser sie vor Unglück und Unheil verschont.
Gott kommt von sich aus
Jetzt erschließt sich das kosmische Gemälde des Hebräerbriefs als vorweihnachtliche Szene.
Nicht die Menschen müssen - mit ihren Opfern - in die Himmel hinaufzusteigen versuchen.
In Christus steigt Gott vielmehr »hinunter«. Er will von sich aus da sein, wo Menschen
leben, lieben und leiden. Er will ihnen nahe sein, damit sie sich - ihr Hab und Gut - nicht
verzehren müssen, ihn »herunterzuholen«. Nicht die Menschen müssen versuchen, Gott mit
ihren Gaben zum Wohlverhalten zu »motivieren«. Es gilt ihnen vielmehr von vornherein
sein guter Wille. In Jesus Christus kommt Gott zur Welt, damit in ihr - wie schon im
Himmel - sein guter Wille geschieht.
Zeichen unserer Sehnsucht
Die Opfer sind Zeichen menschlicher Sehnsucht, es möge sich doch endlich etwas zum
Besseren ändern in meinem Leben; Zeichen unseres Bangens und Hoffens, das Unglück
möge uns nicht treffen, das uns bei so vielen anderen, in anderen Weltteilen, in unseren
Angstträumen vor Augen steht. Wir wollen etwas tun, damit sich etwas zum Guten ändert -
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damit das Üble uns nicht überfällt. Wir möchten »hinaufsteigen«, um das Gute zu uns
»herunterzuziehen« und das Böse abzuwenden. Denken wir auch nicht zu gering von
diesem urmenschlichen Impuls! Wundern wir uns nicht darüber, dass er immer noch in uns
ist. Und dann hören wir noch einmal auf die Botschaft des Hebräerbriefs: Gott müsst Ihr
nicht auf die Welt holen. Dafür müsst ihr nichts tun. Er ist euch in Jesus Christus
zuvorgekommen, zuvorkommend, wie es seinem Wesen entspricht.
Aber was ist das für eine Welt, in die er kommt? Es ist eben diese Welt, in der wir unsere
Sehnsucht und unsere Ängste so ohnmächtig zum Ausdruck bringen, dass wir durch Opfer
etwas abwenden oder herabrufen wollen. Gottes Gesandter kommt in diese Welt - und er
wird ihr zum Opfer fallen. Aber er wird Gott in sie einzeichnen, unauslöschlich. Er wird sie
öffnen, er wird den Himmel öffnen auf den Vater hin. Nichts und niemand wird diesen
Weg in den Himmel hinein wieder verschließen können.
Die Opfergabe kommt von oben, nicht von unten
Die Opfergabe, die den Himmel mit der Erde und die Erde mit dem Himmel verbindet,
kommt nicht von unten. Sie kommt »von oben«. Und sie heißt Jesus Christus, der zur
Weihnacht zur Welt Gekommene. Das ist die Glaubensperspektive - der GlaubensDurchblick - des Hebräerbriefs. Aber wie ist er diese Opfergabe? Da er den guten Willen des
Vaters in unserer Welt bezeugt und ihn lebt. Das ist sein Opfer: Er stellt sich dafür zur
Verfügung, dass Gottes guter Wille geschehen kann, dass die Menschen ihn glauben
können.
Er bezeugt ihn: Gottes Wille lässt sich wahrnehmen, wo immer das Leben aufblüht - uns
zur Freude, aber auch zur Herausforderung. Das Leben ist in unsere Hand gegeben, in
unsere Obhut gegeben. Wir müssen uns dazu bewegen lassen, ihm zu dienen. Das
weihnachtlich neu geborene Menschenleben des Gottessohnes stellt uns diese faszinierende
Forderung vor Augen. So kommt Gottes Mensch gewordener guter Wille in unsere Welt.
Gottes Mensch gewordener gute Wille
Herrscher bringen ihren Willen ganz anders in diese Welt hinein. Sie haben die Mittel, die
anderen unter ihren Willen zu zwingen. Und sie machen reichlich Gebrauch davon. Gnade
uns Gott, wenn ihr Wille in der Welt ungehemmt geschehen kann. Wir haben Erfahrung
mit dem gnadenlosen Willen der Herrscher und Konzerne, eines globalisierten Weltmarkts
und seiner Agenten. Es scheint so, als dürften sie gar keine Gnade kennen. Wenn einer
schwach wird, droht nichts weniger als die »feindliche Übernahme«.
Gottes guter Wille kommt als Kind zur Welt, als ein Mensch, der mit allen Gesten, mit
seinen Worten, mit seinem ganzen Herzen das Geheimnis des göttlichen Lebens in unserer
Welt offenbart - und uns dafür in Dienst nimmt, dass es blüht.
Sein »Opfer« bringt uns Gott nahe, so nahe, dass wir Gottes guten Willen mitfühlen
können; dass wir das Gute leibhaft spüren können, das Gottes Wille - mit uns und für uns will. So sind wir »durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt«
(Hebr 10,10). Heilige sind »angesteckt« von der Gegenwart Gottes, hineingezogen in seine
Vorhaben. Ihnen kann man ansehen, wie Gott ihnen nahegekommen ist, weihnachtlich,
karfreitäglich, österlich, pfingstlich. Sie sind davon befreit, Gott etwas oder sich selbst opfern
zu müssen. Sie sind dazu befreit, weiterzugeben, was sie empfangen haben: dem guten
Willen zu dienen, der ihnen im Gottes- und Menschensohn Jesus Christus nahegekommen
ist. Möge uns zu Weihnachten nahegehen, wie Gott uns nahekam und nahekommen will.
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