Handelsblatt vom Dienstag, 11.7.2000, Nr 131, Seite 49 (Themen und Trends) (dies ist die vollständige Abschrift des Textes, Fehler oder Irrtum vorbehalten) Der Staat muss den Zuzug von Ausländern in eigener Souveränität bestimmen können Asyl ist kein Menschenrecht Vorwort der Redaktion: Das Asyl speist sich aus menschlichem Mitgefühl. Das verträgt sich nicht mit der staatlichen Garantie eines subjektiven Grundrechts in der Verfassung. Deshalb sollte man das Grundrecht - nicht zuletzt im Sinne der politisch Verfolgten - durch eine institutionelle Garantie ersetzen. Von Sibylle Tönnies (die Verfasserin ist Professorin für Rechtswissenschaft an der Hochschule Bremen) “Asyl ist ein Menschenrecht!” Hier irrt Geisler, von dem dieser Ausspruch stammt. Weder in der Rechtsphilosopie noch im Völkerrecht wird das Asyl als Menschenrecht angesehen. Nur Deutschland hat ein subjektives Recht auf Asyl eingerichtet und ihm dadurch einen Status gegeben, der es mit den Menschenrechten auf eine Stufe stellt. (11) Der Grund dafür ist bekannt. Man wollte eine Kompensation für das Nazi-Unrecht bieten, das so viele Menschen in die verzweifelte Lage der vergeblich Asylsuchenden gebracht hatte. (7) Wäre es nun richtig, von allen anderen Staaten - jedenfalls den europäischen - zu verlangen, dass sie nachziehen und das Asyl in der gleichen Weise aufwerten? (12) Das wäre nicht nur aussichtslos, sondern auch in der Sache falsch. Deutschland sollte im Gegenteil auf das internationale Niveau zurückkommen und dem Asyl den Charakter einer institutionellen Garantie geben.(8) Mit dieser Verfassungsänderung könnte das historische Motiv erhalten bleiben: Ein neuer Artikel 16 sollte eingeführt werden, in dem Deutschland verspricht, in Verantwortung für seine historische Schuld in besonders großzügiger Weise Asyl zu gewähren. Das wäre - nebenbei - auch eine Gelegenheit, diese Verantwortung einmal in der Verfassung zu dokumentieren. (7) Was spricht aber - außerhalb von ausländerfeindlichen Motiven - dagegen, das Asyl in ein Menschenrecht umzuwandeln? Die Struktur des Asylrechts ist mit der Struktur der Menschenrechte nicht zu vereinbaren. Das Asyl ist etwas ganz anderes und viel Älteres als die Menschenrechte. Es kommt aus einer Zeit, als diese noch gar nicht erfunden waren. Denn das Menschenrechtskonzept ist modern. Es ist die geistige Grundlage der Französischen Revolution und regelt das Verhältnis zwischen dem modernen Staat und seinen Bürgern. Das Asyl hingegen gab es schon in der Urgeschichte. Schon die ersten schriftlichen Zeugnisse sprechen von Asyl. Die mosaische Bibel fordert ebenso seine Gewährung wie der Koran. (6) Die unterschiedliche Herkunft allein müsste nicht schaden. Die beiden Traditionslinien lassen sich aber nicht vermischen. Man hat es in Deutschland versucht, die Folge war eine heillose Verwirrung. Die Struktur des Asyls hat die Umformung in ein subjektives Recht nicht vertragen und ist in ihr zerbrochen. Denn das archaisch gegründete Asyl hat eine soziologische Grundlage, die durch die Verrechtlichung zerstört wird. (2) Es speist sich, genau wie das Gebot der Gastfreundschaft gegenüber dem reisenden Fremden, aus dem menschlichen Mitgefühl und - noch solider - aus der Befriedigung, die diese Betätigung verschafft. Wird das Gefühl der Gönnerhaftigkeit gemeinsam empfunden, so ist es Teil der kollektiven Identität und garantiert dem Asylsuchenden einen guten Status. In den alten Zeugnissen zeigt sich Asyl immer als stolze Pose der gewährenden Gemeinschaft. Ohne diese Grundlage muß Ausländerfeindlichkeit die Folge sein. Auch das mit dem Asyl eng verwandte Gastrecht, das ja kein Recht des reisenden Fremden ist, ließe sich nicht in einen Anspruch umwandeln. Gastlichkeit würde sich in Einquartierung umwandeln und ihren Kern verlieren. Das Schicksal hat gezeigt, dass man sich über diese soziologische Grundlage nicht hinwegsetzen kann. “Asylbewerber” ist heute ein Schimpfwort. Wer dazu gehört, kann sich in manchen Gegenden Deutschlands seines Lebens nicht mehr sicher sein. Das deutsche Volk sieht es nicht als Ehre an, Asyl zu gewähren, sondern als Pflicht, der es sich zähneknirschend unterworfen und letztenendes entzogen hat. (10) Denn das unbesonnen gewährte Recht wurde in einem unwürdigen Kompromiss, dem Artikel 16a, völlig ausgehöhlt und steht nur noch als grinsende Fassade dar. Es hatte sich als unpraktikabel erwiesen. Das Seite 1 von 5 falsche Versprechen hatte zu einem Massenandrang von Fremden geführt, die auf Staatskosten die Jahre abwarteten, bis sich letztinstanzlich entschieden hatte, dass sie kein Asyl erhielten. (9) Um die Staatskosten niedrig zu halten und eine abschreckende Wirkung zu erzielen, hatte man durch Arbeitsverbot und unwürdige Kasernierung dafür gesorgt, dass es ihnen in dieser Zeit möglichst schlecht ging. Mit dem faulen Asylkompromiss war dann ein Weg gefunden, sie erst gar nicht hereinzulassen. Da wir von “sicheren Drittstaaten” umgeben sind, können Asylsuchende nur noch auf dem Luftweg einreisen; die Luftfahrtgesellschaften wiederum dürfen nur solche Reisenden aufnehmen, die ein Visum haben - was gerade für politisch Verfolgte besonders schwierig zu erreichen ist. Wenn man jetzt die Verhandlungen vor den Verwaltungsgerichten verfolgt, in denen es um die Gewährung von Asyl geht, stellt man fest, dass von politischer Verfolgung nur noch selten die Rede ist. Es geht fast nur noch darum, ob der Bewerber auf dem Luftweg gekommen ist, und da alle Bewerber das natürlich behaupten, befasst sich die Beweisaufnahme hauptsächlich mit Fragen, die unter dem humanitären Aspekt des Asyls völlig nebensächlich sind: “Wo ist die Rolltreppe auf dem Frankfurter Flughafen? Rechts oder links?” Nicht nur, dass die auf freiwillige Gewährung angelegte inhaltliche Struktur des Asyls die Umformung in einen Rechtsanspruch nicht verträgt. Die Menschenrechte haben ihrerseits eine bestimmte Struktur, die sich nicht mit jedem Inhalt - und sei er noch so humanitär- füllen läßt. Das Asyl passt nicht hinein. Denn die Menschenrechte regeln das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen eigenen Bürgern. Das sind nicht notwendig Staatsangehörige. Es sind - nach der Auffassung der Französischen Revolution - alle auf dem nationalen Territorium Lebenden. Zum Konzept der Menschenrechte gehört zwar auch die Idee, dass diese ewiger und vorstaatlicher Natur seien. Das ist aber eine fromme Fiktion. Die Menschenrechte greifen nämlich nur da, wo sie Abwehrrechte und Ansprüche der Bürger gegen den eigenen Staat sind. (1) (Deshalb sprengt übrigens auch die neue Neigung, sie militärisch international durchzusetzen, das gesamte Völkerrecht): Die Menschenrechte bestimmen nicht, wie man gerne meinen möchte, die Rechte des Menschen unter dem Firmament, sondern regeln - wenn auch mit dem Anspruch auf universale Gültigkeit - das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern. (1) Dieses Verhältnis hat exklusiven Charakter: Es schließt die außerhalb des Territoriums Lebenden aus. Der moderne Nationalstaat ist als Ergebnis eines (fiktiven) Gesellschaftsvertrages konzipiert, in dem die Bürger auf die Ausübung eigener Gewalt verzichtet und dem Staat erlaubt haben, ein Gewaltmonpol einzurichten. Dafür erhalten sie als Gegenleistung die Garantie, daß der Staat ihren Schutz übernimmt im Inneren und nach außen. Im Inneren geschieht das durch die Gewährung der Menschenrechte, nach außen durch das Versprechen, daß der Staat die Grenzen bewacht und den Zuzug von Fremden - kämen sie mit oder ohne Waffen reguliert. Überspitzt könnte man sagen: Bestandteil des Gesellschaftsvertrages ist das Versprechen des Staates, die Menschenrechte seinen Bürgern - und nur seinen Bürgern - zu garantieren. Nur auf dieser Grundlage sind Geben und Nehmen zwischen dem Staat und den Bürgern ausgeglichen. Durch demokratische Wahlen geben die Bürger dem Staat die Verantwortung für den Ausländeranteil in die Hand und verlassen sich auf die Richtigkeit seiner Regulierung, die unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls steht. An dieser Stelle tritt der Konflikt mit dem zu einem Rechtsanspruch der Fremden umgewandelten Asyl auf. Denn wenn der Staat keine souveräne Entscheidung über den Zuzug treffen kann, sondern einem Rechtsanspruch der Fremden gehorchen muß, kann er nicht mehr frei unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls entscheiden und insofern auch den Gesellschaftsvertrag nicht einhalten. (4) Zugegeben: Diese Überlegungen sind theoretischer Natur und scheinen sich jenseits der Wirklichkeit zu befinden. Denn ersten ist noch sehr die Frage, ob das Allgemeinwohl durch den bisherigen Ausländeranteil tatsächlich beeinträchtigt ist, und zweitens hat der deutsche Staat - wie gezeigt - entgegen seinem Versprechen sehr wohl Mittel und Wege gefunden, den Ausländerzuzug zu drosseln. Seite 2 von 5 Trotzdem kann die unter staatstheoretischen Gesichtspunkten eingetretene Schieflage eine praktische Bedeutung haben. Es kann sein, dass sie auf der unbewusst massenpsychologischen Ebene Schaden anrichtet. Die Gewalttaten gegenüber Ausländern in Gegenden, die keineswegs unter Überfremdung leiden, sind Ausbrüche aus dem bürgerlichen Gewaltverzicht. Sie können als Anzeichen für einen Mangel an Vertrauen in den Staat verstanden werden. Die Grundlage für diesen Mangel könnte die Tatsache sein, dass sich der Staat durch das Recht auf Asyl - jedenfalls dem Anschein nach - gegenüber einreisenden Ausländern die Hände gebunden hat und die Frage nach dem Allgemeinwohl gar nicht stellen kann. (5) Wenn diese Überlegung richtig ist, könnte die Rücknahme des Asylanspruchs massenpsychologisch vertrauensbildende Wirkungen haben. Sie wäre gleichzeitig ein Respekt gebietendes Signal für alle Ausländerfeinde, das besagt: Die Ausländerquote bestimmt nicht ihr, sondern der Staat! Unter dieser Maxime ließe sich der Ausländeranteil erhöhen, ohne dass die soziologischen Grundbedingungen für das Zusammenleben in Gefahr kämen. (3) Denn ich halte die Erhöhung des Ausländeranteils durchaus für wünschenswert. Diese Überlegungen sollten keineswegs der Abkehr von Ausländern das Wort reden. Im Gegenteil: Sie sollen sie abbauen. Die alten Kräfte, die das Asyl ursprünglich gespeist haben, sollen wieder frei fliessen. ------ ENDE DES ORIGINALTEXTES --------Kommentare Ansgar Schröder-Fujinari, Hamburg (1) Hier setzt die Frage an, welche Rechte die Bürger eines Staates außerhalb eben dieses haben sollen, wenn dieser die Menschenrechte nicht anerkennt. Die Logik der derzeitigen deutschen Regelung besagt, daß es der nächstliegende “sichere Nachbarstaat” sein muß, der die Lasten des Asyls tragen muß. Aber auch dieser Staat darf dies in nationaler Souveränität ablehnen oder begrenzen. Diese Logik ist nicht mit den (heute) weltumfassenden Gedanken Gerechtigkeit und Humanität vereinbar, da in der Regel diese Nachbarstaaten die Lasten gesellschaftlich noch weniger tragen können als mitteleuropäische Staaten. Die alte grundgesetzliche Regelung hatte die Auflösung dieses Dilemmas zum Ziel. Dieser Aspekt spielt in der öffentlichen Debatte derzeit (leider) noch keine Rolle. Dieses Thema scheint eng verbunden mit Punkt 4. (2) A) Die soziologische Grundlage scheint in der Tat zerstört. Die negative Besetzung des Themas Asylrecht und steigende Vorbehalte gegenüber Ausländern in der Bevölkerung sind deutlich. Grund hierfür scheint jedoch nicht die Anlage des Rechts ansich, sondern die mehrheitlich verbreitete Meinung, daß die Gewährung des Asylrechts über den bisherigen Stand hinaus das Gemeinwohl unakzeptabel beeinträchtigt - ob der Zuzug aus einer bewußten Entscheidung einer Regierung oder aus der passiven Hinnahme subjektiven Rechts resultiert. B) Hier scheint der gedanklicher Fehler von Frau Tönnies zu liegen: Der Bevölkerung ist mehrheitlich egal, wie das Asylrecht letztendlich ausgestaltet ist: Der Schwerpunkt der öffentlichen Meinung ist das Empfinden, daß zu viele Ausländer das Gemeinwohl negativ tangieren (Stichworte: Arbeitsplätze, Sozialhilfe, Kriminalität). Somit besteht in der Bevölkerung keine Akzeptanz für eine Erhöhung des Ausländeranteils - egal ob als souveräne Regierungsentscheidung oder als „Erleiden“ aufgrund des derzeitigen Asylrechts. Sollte jedoch die subjektive Einschätzung “das Boot ist voll” in der öffentlichen Diskussion als unzutreffend herausargumentiert werden, hätte dies einen enormen Einfluß auf die Akzeptanz der jetzigen Regelung. Eine Änderung des Grundgesetzes ändert somit nicht die gesellschaftliche Akzeptanz von Ausländern bzw. des Ausländerrechts.. (3) Das Asylrecht (besonders in der jetzigen “aufgeladenen” Atmosphäre) der fast vollständigen Disposition einer Regierung zu übertragen, wird in einer de-facto-Abschaffung enden, die unter dem dann stark steigenden öffenlichen Druck zustandekommt. Hier würde jede Regierung leicht verwundbar, das Thema „Ausländer“ würde stärker (leider negativ) als Wahlkampfinstrument mißbraucht werden. Die Folgen für das gesellschaftliche Klima sind schwerwiegend und müssen als sehr negativ angesehen werden. (siehe auch Punkt 2B) (4) Hier muß in der Tat noch öffentlich diskutiert werden, in wie weit eine Regierung rechtlich korrekt handelt, indem sie gesellschaftliche Entwicklungen zuläßt, die sich ZULASTEN der deutschen Gesellschaft, aber ZUGUNSTEN politisch Verfolgter (oder weitergehend: auch Wirtschaftsflüchtlingen) auswirken. Dies scheint verfassungsrechtlich klar zu sein, ist aber relevant für die öffentliche Diskussion, in der dies nach Auffassung extrem rechter Parteien ein klarer Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag ist. (5) Wenn hier die Bundesregierung glaubhaft darstellen kann, daß das Gemeinwohl NICHT unakzeptabel leidet, kann die Akzeptanz deutlich erhöht werden. Hier könnten klare Zahlen und klare Vergleiche Seite 3 von 5 die Proportionen des Problems wieder verdeutlichen: Ausländeranteil, Aufwendungen des Staates, Vergleich mit Problem der Steuerhinterziehung durch Wirtschaft o.ä.. (6) Dies ist Beleg für die Wichtigkeit des Asyls. Eine De-Facto-Abschaffung, die derzeit in Deutschland besteht, ist hiermit nicht zu vereinbaren. Ebensowenig die Disposition des Asyls durch temporäre Regierungen. Da in früheren Zeiten Regierungen den Nimbus der “Unendlichkeit und Unauswechselbarkeit” hatten, war es eine folgerichtige Entwicklung, daß das Asylrecht aus damals kultivierten gesellschaftlichen Kreisen als außergesetzliche Institution geschaffen wurde. Die Regierung konnte dies akzeptieren, da sie dies nicht vor der Bevölkerung aktiv vertreten mußte. Da sich heute aber Regierungen (und auch Gesellschaften) und deren Meinungen aufgrund demokratischer Verhältnisse verändern, bedarf es einer Regelung, die oberhalb der Freiwilligkeit einer Regierung liegt. Dieser Punkt scheint eng verwandt mit Punkt 1. Desweiteren haben die Gesellschaften früher nicht auf ihre Nachbarn geschaut, ob auch die genügend Bewerber annahmen (fehlende Kommunikation). So wurde einfach aufgrund lokaler ethischer Einstellungen heraus entschieden. So funktionierte das System. (7) A) Grundlage für diese Regelung im Grundgesetz ist nicht eine Kompensation für vergangenes Unrecht, sondern die in diesem Jahrhundert gereifte Erkenntnis, dass das Asylrecht nicht zur Disposition einer temporären Regierung(smeinung) stehen darf. Dafür steht mit der Existenz (den Lebensgrundlagen) von Individuen ein zu hohes Rechtsgut auf dem Spiel. B) Desweiteren läuft eine sog. Kompensation entstandenen Unrechts irgendwann durch Abtragung aus. Zu irgendeinem Zeitpunkt wäre ein Artikel im Grundgesetz, der sich auf Verpflichtungen aus der Vergangenheit beruft, nicht mehr haltbar. Nur Regelungen, die einen objektiven (langfristig haltbaren) Wert beinhalten, sollten Bestandteil einer Verfassung sein. (8) Eine im gesellschaftlichen Konsens (oder auch durch mehrheitliche Abstimmung) entstandene Regelung kann durchaus auch neben anderen Regelungen unser Nachbarstaaten bestehen bleiben, solange gewährleistet bleibt, daß die Gesellschaft diese Entscheidung in ihrer Mehrheit trägt (siehe Punkt 5). Hier ist die staatliche Courage gefragt, eine gewonnene Erkenntnis offensiv nach innen als auch gegenüber anderen Staaten zu vertreten. Darüber hinaus machen die illegalen Einwanderungen in jedem Land eine Lösung notwendig, bei der jeder Staat der EU seinen gerechen Anteil an den Lasten trägt (durch Einzahlungen in einen Fonds oder durch Tragen der Kosten durch Aufnahme von Asylbewerbern in die eigene Gesellschaft). Dies ist - unabhängig von den jeweiligen gesetzlichen Regelungen in den Einzelstaaten - eine Frage der Gerechtigkeit innerhalb der EU. Solange nicht auf EU-Ebene eine Lösung gefunden wurde, bei denen KEIN Asylantragsteller aus quantitativer Limitierung heraus abgelehnt wird, sollte für Deutschland die bisherige Regelung (abgesehen von der Abschaffung des Artikels 16a) weiter Bestand haben, um unseren eigenen Ansprüchen auf Humanität und christlichen Eigenschaften gerecht zu werden. Wir sind leider gerade im Begriff, die hohen Ansprüche, die das Grundgesetz an unsere Gesellschaft stellt (und denen die Gesellschaft bislang auch mehr oder weniger gerecht geworden ist), zu senken. Diese Entwicklung scheint gesellschaftspolitisch falsch. Eine Regierung hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Gesellschaft die im Grundgesetz festgehaltenen Ansprüche erfüllen kann, und nicht, das Grundgesetz (= die Ansprüche der Gesellschaft an sich selbst) wegen mangelhaftem Regierungshandeln zu ändern. Das mangelhafte Regierungshandeln bezieht sich hier vorrangig auf mangelhafte Aktivitäten zur Schaffung eines guten gesellschaftlichen Klimas zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern und die fehlende öffentliche Verdeutlichung des inneren Wertes des Asylrechts. (9) Falsch. Denn: Nicht das deutsche Asylrecht, sondern die Verhältnisse in den jeweiligen Herkunftsund deren Nachbarländern führten zu dem “Massenandrang”. A) Der “Massenandrang” in Deutschland muß mit dem Andrang in den direkten Nachbarländern der Herkunftsstaaten verglichen werden. Hier scheint in vielen Fällen ein krasses Mißverhältnis im Sinne der Gerechtigkeit zu bestehen. B) Durch die Globalisierung bzw. die dadurch verstärkten Wanderungsbewegungen besteht ein dringender Handlungsbedarf, der die Rechte von Menschen gemäß obigem Punkt 1 festlegt. Eine Regelung kann nur darin münden, daß Staaten - mit Wissen um gesellschaftliche Kosten - oberhalb der Freiwilligkeit einer Regierung verpflichtet werden, Menschen aufzunehmen. Maßstab hierfür kann nicht eine einzelstaatliche Bewertung über die maximale Höhe von gesellschaftlichen Lasten sein. Eine solche Regelung stellt eine Einschränkung des Lebensstandards der Bevölkerung ab einer gewissen Höhe über die Existenzrechte eines Individuums. Dies ist nicht mit der heute in der westlichen Hemisphäre geltenden Auffassung über den Stellenwert des Individuums vereinbar; es sei denn, existenzielle Interessen der eigenen Gesellschaft sind bedroht. (10) Entscheidend für die Entwicklung dieser öffentlichen Meinung ist die Auffassung der letzten Bundesregierungen, daß die gesellschaftlichen Aufwendungen einer steigenden Anzahl von Asylbewerbern nicht mehr tragbar sind. Diese Auffassung entwickelte sich im Zuge des finanziellen Engpasses aufgrund der Wiedervereinigung in Form einer politischen Prioritätensetzung. Den Seite 4 von 5 Aufwendungen für die Gewährung des Asylrechts wurden trotz Verfassungsrangs der Stellenwert zu hoch für eine “freiwillige” Leistung der BRD für Nicht-Staatsangehörige eingestuft. Dies war (und ist noch) - nach Auffassung der ehem. Regierungsparteien - im Verhältnis zu sehen zu anderen notwendigen, aber ebenso schwer verkraftbaren Verpflichtungen der BRD und zu der hohen Zahl von Asylbewerbern, deren Ansprüche zwar abgelehnt wurden, die aber bis dahin sog. unnötige gesellschaftliche Aufwendungen verursacht haben. Hier kann man bei der in vielen Fällen sehr komplizierten Materie über die Bewertung “unnötig” streiten. Hätte hier die jew. Bundesregierung eine andere Prioritätensetzung bei der Liste der notwendigen öffentlichen Aufwendungen vorgenommen und ihren verfassungsmäßigen Auftrag wahrgenommen (die grundgesetzlichen Werte auch nach innen zu vertreten), wäre die öffentlichen Meinung hierüber anders und das gesellschaftliche Klima deutlich besser. Denn die Menge der Gewalttaten (die durch entsprechendes gesellschaftliches Klima erst möglich wurden) ist im Wesentlichen auf das fehlende öffentlichkeitswirksame Vertreten des verfassungsmäßigen Wertes des Asylrechts zurückzuführen. Statt dessen wurde das Thema seitens der Bundesregierungen fast nur aufgrund praktischer und finanzieller Argumente behandelt. (11) In Artikel 18 der geplanten europäischen Grundrechtscharta heißt es wörtlich, daß die EU Asyl “nach Maßgabe der GFK” (Genfer Flüchtlingskonvention) gewährleisten wird. Die GFK beinhaltet einen subjektiven Anspruch für Flüchtlinge auf Schutzgewährung. (12) Tatsache ist, daß Deutschland bereits heute eine der restriktivsten Zugangsbeschränkungen in Europa hat. Hinzu kommt eine sehr restriktiv gehandhabte Rechtsprechung. Deutschland ist nicht Spitzenreiter im Flüchtlingsschutz, sondern bestenfalls hinteres Mittelfeld. (13) Die Forderung nach Abschaffung des Grundrechts auf Asyl beinhaltet die Abschaffung der grundgesetzlichen Rechtswegegarantie (Artikel 19GG). Die Häufigkeit der Fälle, in denen eine Entscheidung durch eine höhere Instanz korrigiert wird, ist Beleg für die Notwendigkeit von Rechtsmitteln. Rechtsstaatliche Asylverfahren und deren gerichtliche Überprüfung sind Teil der Asylpraxis vieler europäischer Länder. Seite 5 von 5