Als nun der Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten

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Das Haus auf dem Felsen
Lesejahr A – Mt 7, 24-27
am 28./29 Mai 2005
Liebe Schwestern und Brüder,
„Als nun der Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem
Haus rüttelten...“
Da kam sie – die Arbeitslosigkeit – herein wir ein Wolkenbruch. Da arbeitet jemand schon einen großen
Teil seines Lebens in dieser Firma und plötzlich ist alles aus. Kein Job mehr, zu alt für einen Neuanfang.
Am Lebenshaus wird nun heftig gerüttelt. Der gewohnte Alltag ist mit einem Mal durchbrochen; die
wohltuende Bestätigung für das eigene Können wird quasi weggespült. Langeweile und trübe Gedanken
machen sich breit. Unzufriedenheit. Aussichtslosigkeit. Das, was man sich im Leben aufgebaut,
geschaffen hat, ist erschüttert. Ein Wolkenbruch im Lebenshaus.
„Als nun der Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem
Haus rüttelten...“
„Plötzlich und unerwartet starb ...“ Lieb gewordene, uns anvertraute Menschen sind mit einem Schlag
nicht mehr da. Sie verlassen uns, meist viel zu früh. Nur das eine wollte man noch sagen, dies und jenes
wollte man noch gemeinsam tun. Aber es blieb keine Zeit mehr. Ohnmächtig und manchmal ganz neben
sich stehen Angehörige da, sie können es nicht begreifen. Die Tränen der Trauer strömen wie
Wassermassen herein. Das Lebenshaus wird regelrecht überflutet. Es schwimmt sozusagen alles
davon: die gemeinsamen Pläne, die Ideale, die Wünsche und Hoffnungen. Die Warum-Frage kreist
durch’s Lebenshaus, und findet doch keine Antwort. Das Lebenshaus gerät wegzuschwimmen, kein Halt
scheint mehr da zu sein.
Ich behaupte einmal: Sie kennen diese und viele andere Stürme des Lebens. So vielfältig unsere
Biographien sind, so unterschiedlich stellen sich auch die Wolkenbrüche und Stürme im Leben jedes
und jeder einzelnen dar.
„Das Haus stürzte nicht ein, denn es war auf Fels gebaut.“
So ein Sturm am und im Lebenshaus kann durchaus sehr heftig sein und lange andauern. Und wir
werden wohl auch nicht nur einmal davon betroffen sein. Dennoch: Sie und ich säßen wohl alle nicht
hier, wenn es uns nicht gelungen wäre, unser Lebenshaus wieder ins Lot zu bringen. Sprich: unser
Fundament wieder frei zu legen und zu merken, es taugt für einen Umbau oder Wiederaufbau, es ist
noch fest, es wurde vom Sturm nicht zerstört.
Was kann das sein? Was ist unser Fels? Menschen, die uns wirklich begleiten, die auch schwere
Wege mitgehen. Der Glaube an Gott, der im Leid die Gebeugten tröstet. Werte und Prinzipien, die uns
Halt geben, die uns immer wichtig waren und sind. Die Liebe, die wir schenken und die uns geschenkt
wird, die auch über den Tod hinaus bleibt. Was ist ihr Fundament gewesen? - Doch bis man zum
Fundament durchdringt, ist es möglicherweise ein langer und steiniger Weg.
„Als nun der Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem
Haus rüttelten...“
Da wird den Gemeinden verkündet, ihr sollt euch verändern. Ihr sollt euch noch zwei, drei andere
Gemeinden suchen, mit denen ihr seelsorglich zusammenarbeiten wollt/könnt. Ihr müsst mit weniger
Personal auskommen. Auch bei Kirchenräumen, Gemeindezentren und Kindergärten sollt ihr sparen,
sollt Nicht-Rentables schließen. Und außerdem müsst ihr das recht bald tun.
Am Lebenshaus der einzelnen Gemeinde wird heftig geblasen. Die Grundpfeiler ihrer Struktur stehen
auf dem Spiel.
Ein Sturm der Entrüstung macht sich bei einigen breit. „Wo soll das hinführen? Was kommt da auf uns
zu?“ - „Wir als einzelne Gemeinde gehen in den Fluten dieser „Grundreinigung“ ja unter – Was müssen
wir denn da alles aufgeben?“, befürchten die anderen. „Und wer soll die ganze Arbeit dann machen“,
fragen sich die ganz Aktiven und die Angestellten. Und dieser verordnete Sturm soll dazu in alle Ecken
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blasen, um zu schauen, ob es nicht etwas gibt, was man nicht mehr braucht, was man weglassen
kann...
So ein Gewitter kommt plötzlich, ohne lange Vorankündigung, es kommt, ohne uns zu fragen. Auch uns
als Pfarrgemeinde hat es sozusagen erwischt. Wir kommen nicht umhin uns zu fragen: was passiert mit
unserem „Lebenshaus Pfarrgemeinde“? Wird es einstürzen? Wer könnte uns davor bewahren, dass es
nicht einstürzt? Sollten wir uns darauf einstellen, dass dieses Rütteln am Haus einen kleineren oder
größeren Umbau mit sich ziehen wird? Und wer hat da den nötigen Baumeisterblick frei angesichts von
so vielen Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten?
„Das Haus stürzte nicht ein, denn es war auf Fels gebaut.“
Eine schnelle Tröstung? Nein, so soll es nicht sein. - Ich will nicht verschweigen, dass es uns als
einzelne und als Gemeinde Kraft und Mut kosten wird. Ich will nicht vortäuschen, dass alles so bleibt wie
es ist, ich will nicht sagen, dass nichts wegfallen wird – natürlich in keiner der zusammenkommenden
Gemeinden.
Egal wie die Entwicklung verlaufen wird, tragend für den Haus-umbau sind unsere jeweiligen
Fundamente. Wenn die marode sind, sieht es schlecht aus, um einen Einsturz zu verhindern. Aber sieht
es denn wirklich so schlimm mit unserem Fundament aus?
Ich glaube nicht. Uns Gemeinden verbindet doch alle (das nehme ich jetzt einmal an), dass es in ihnen
Menschen gibt, die versuchen, ihr Leben nach der Botschaft Jesu auszurichten. Da gibt es Frauen und
Männer, Kinder und Jugendliche, die still und leise einen Dienst am Nächsten tun oder die, die aktiv
voranschreiten. Es gibt die, die gegen Ungerechtigkeiten ihre Stimme erheben und die, die für die
Gemeinschaft einfach da sind uvm. Sie alle engagieren sich, weil sie auch Freude an diesem Tun
haben, weil sie die Gemeinschaft schätzen. Jeder und jede von uns bringt persönliche Glaubens- und
Lebenserfahrung mit. Jeder und jede hat Talente und Fähigkeiten, die in einer Gemeinde gebraucht
werden, auch und vor allem in Krisenzeiten.
Und dies ist in St. Martin/St. Josef nicht anders als in St. Otto oder St. Gangolf oder in welcher Pfarrei
auch immer.
Wenn wir unter dieser Annahme aufeinander zugehen, verbindet uns schon eine ganze Menge.
Wenn wir des weiteren überlegen,
- was uns als einzelne Gemeinde ganz speziell ausmacht,
- was uns geprägt und zu der gemacht hat, die wir nun sind,
- welche von unseren Aktivitäten, Gruppen und Kreisen wir öffnen könnten,
und dies in einen Seelsorgebereich einbringen, dann wird es nicht dazu kommen, dass das Haus
einstürzt. Dann wird es Gemeinsames geben, dann kann sich etwas Neues bilden, dann werden Kräfte
gebündelt, dann wird ein Kreis wieder lebendiger.
An dieser Stelle könnten wir das Szenario noch ausweiten – in die Richtung dessen, was es zu tun gibt,
in Richtung dessen, was alles entstehen könnte und natürlich in Richtung dessen, was alles nicht
funktionieren wird.
Alles ist wichtig, richtig und menschlich.
Als christliche Menschen, als Gläubige sollte uns dabei jedoch nicht das passieren, was Lothar Zenetti in
einem seiner Gedichte schreibt:
Von Programmen sprachen wir
und von Tagesordnungspunkten
von Aktionen sprachen wir
und von Sofortmaßnahmen
von Modellen sprachen wir
und neuen Perspektiven
von Problemen sprachen wir
und Meinungsäußerungen
von Strukturen sprachen wir
und von Gemeindebildung
Von Jesus Christus
sprachen wir nicht
und seine Meinung
war nicht gefragt
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so hing er still am Kreuz
aus Oberammergau
Amen.
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