Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -1- Religion und Entwicklung WS 2006/2007 Ringvorlesung 140 319 6.11.2006 Heinz Hödl Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission Religion und Praxis der EZA. Die Sicht einer kirchlichen EZA-Einrichtung Begrüßung Vorbemerkung Vor etwa 50 Jahren begann in Österreich das, was wir heute Entwicklungszusammenarbeit, Internationale Solidarität und Entwicklungspolitik nennen. Kirchliche Organisationen starteten sehr erfolgreich Sammelaktionen gegen den „Hunger in der Welt“. Die Katholische Jungschar führte mit dem „Sternsingen“ die größte österreichische Sammelaktion für Mission und Entwicklungshilfe ein. Die Katholische Frauenbewegung startet den „Familienfasttag“, die Katholische Männerbewegung die Aktion „Bruder in Not“, die Katholische Landjugend den ersten Freiwilligendienst für die Mitarbeit in Entwicklungsländern, um einige wichtige Beispiele zu nennen. Wie neu dieses Thema und wie bahnbrechend diese Aktionen waren wird schon von der Tatsache unterstrichen, dass erstmals 1952 die FAO in ihrer Studie „Die Geographie des Hungers“ auf das Problem von Unterernährung und extremer Not in weiten Teilen der Welt aufmerksam machte. Die kirchliche Entwicklungsszene ist rasch gewachsen. Mit etwa 15 Organisationen wurde 1963, also vor mehr als 40 Jahren, die „Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission1“ gegründet. Heute hat sie 24 Mitglieder, die sowohl aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit als auch der Mission/Internationalen Pastoralarbeit und der Humanitären Hilfe kommen. Die KOO ist damit die einzige kirchliche Dachorganisation in Europa, die das Spektrum der NordSüd-Zusammenarbeit in dieser Breite aufweist. 1. Einleitung Entwicklungsarbeit ist zu einem großen Teil interkulturelle Arbeit und diese Dimension hat häufig mit Religion zu tun. Vielen Menschen und Gesellschaften ist die Trennung von Sakralem und Säkularem fremd2. 1 Die Koordinierungsstelle ist eine Facheinrichtung der Österreichischen Bischofskonferenz, der Mitgliedsorganisationen sowie der weiblichen und männlichen Missionsorden, die das entwicklungspolitische und missionarische Engagement fördert, koordiniert und kontrolliert. 2 Walter Fust, Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA – Schweiz). Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -2- Uns muss daher klar sein, dass es in der Entwicklungspolitik nicht allein ums Geld geht, sondern zuallererst um die Schaffung entwicklungsförderlicher interner Strukturen und weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die die Eigenanstrengungen vieler Entwicklungsländer nicht konterkarieren. Der sozio-religiöse Kulturkontext ist sehr wichtig und es braucht solide Kenntnis davon, um gute Entwicklungsarbeit zu leisten. Die entwicklungsfördernden Werte von Religion und Spiritualität äußern sich auf der Ebene des individuellen und des kollektiven Verhaltens. Diese Erkenntnis ist für eine kirchliche Einrichtung eine ganz wichtige, die in Zukunft noch intensiver in unsere Überlegungen und Strategien einfließen wird. 1. 2. Das Entwicklungsziel ist daher entscheidend Wir müssen uns zuallererst über das Ziel der Entwicklung im Klaren sein: Das Ziel der Entwicklung ist ein "Leben in Fülle" für jeden Menschen und für alle Menschen. Dazu gehören das Verfügen über das Lebensnotwendige, das Freisein von jeglicher Unterdrückung, die Erkenntnis und das Wissen um die Würde und die Ziele seines Lebens, die Fähigkeit und Möglichkeit, sein Leben selbst zu gestalten und das Leben in der Gemeinschaft mitzubestimmen, sowie die Freiheit und die Öffnung auf das Absolute hin. 1.3. Die Situation Wer kennt sie nicht, die erschreckenden Zahlen über die weltweit wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. In den letzten 40 Jahren hat sich der Abstand zwischen den ärmsten und den reichsten Ländern verdreifacht. Aber auch innerhalb der armen Länder öffnet sich die Einkommensschere immer weiter. Die Ungerechtigkeit, dass Hunger in der Welt existiert, ist wahrlich eine Herausforderung für uns alle. Ist Hunger in der Welt notwendig? Nein, denn die Erde könnte gegenwärtig den Nahrungsbedarf jedes Menschen decken. Die Welt des dritten Jahrtausends ist für die Reichen dieser Erde „grenzenlos“: geografische Distanzen werden mühelos überwunden, digitale Medien ermöglichen jederzeit jegliche Informationen und alltägliche Dinge bis hin zum Pizzaservice, „ewige“ Werte sind morgen schon „Schnee von gestern“. Die Welt des dritten Jahrtausends wird für die Armen dieser Erde immer enger: Mehr als eine Milliarde Menschen lebt von weniger als einem Euro täglich, 800 Millionen Menschen hungern. Neoliberale Wirtschaftsmodelle, Naturkatastrophen und Pandemien wie HIV/AIDS bedrohen das tägliche Überleben. 1. 4. Armutsbekämpfung - das primäre Ziel? Armutsbekämpfung ist das primäre Ziel der internationalen Geber im neuen Jahrtausend. Armutsbekämpfung wird immer öfter in unmittelbaren Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten bzw. Friedenssicherung gebracht. Daher stellen wir fest, dass immer mehr auch militärische Interventionen als möglicher Bestandteil internationalen Handelns akzeptiert werden. Dies wirft aus unserer Sicht grundsätzliche und zusätzliche Fragen auf: Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -3- Können wir es zulassen, dass die Armen im Süden zunehmend als Bedrohung wahrgenommen werden? Finden wir es richtig, dass der Sicherheitsgedanke zur zentralen Bezugsgröße wird und Entwicklungszusammenarbeit gleichsam in sicherheitspolitische Überlegungen "eingebettet" wird? Nicht Angst darf uns bewegen, sondern die Überzeugung, dass eine andere Welt notwendig und möglich ist. Ist es angesichts dieser Tatsachen noch zeitgemäß von „Entwicklung“ zu sprechen? Was heißt in dieser Situation „Entwicklung“? Wer muss hier wen „entwickeln“? Wie kann Kirche den Prozess der Globalisierung mitgestalten? 2. Religion und Spiritualität in der Entwicklungszusammenarbeit 2.1. Religion und Spiritualität als Tabu in der EZA In Fachzeitschriften zur Praxis der Entwicklungszusammenarbeit sind Religion und Spiritualität als essentielle kulturelle Faktoren bis heute kaum ein Thema. Dieses Tabu hat schwerwiegende Konsequenzen, denn viele Akteure unserer Entwicklungsvorhaben kennen die Trennung von Säkularem und Sakralem und damit die Dominanz der zweckrationalen Vernunft nicht, welche die westliche Moderne und damit auch ihre Konzepte der Entwicklungszusammenarbeit geprägt hat. Die Entscheidungen, wie und durch wen ein krankes Kind behandelt werden soll, wann und wie Äcker zu bestellen sind und wie soziales Handeln zu planen ist, sind neben dem, was wir als rationale Entscheidungen bezeichnen, ganz selbstverständlich auch von ihrer Spiritualität beeinflusst3. 2.2. kirchlicher Auftrag und Selbstverständnis Grundlage des Selbstverständnisses der kirchlichen Hilfswerke ist die Hoffnung auf eine in Verantwortung vor Gott gestaltete gerechtere und friedensfähige Welt. Entwicklung ist für uns ein Prozess der Befreiung von Hunger, Armut, Krankheit und Unterdrückung, der darauf abzielt, den Armen und an den Rand Gedrängten zu ihrer Würde und ihrem Recht zu verhelfen. 3 Anne-Marie Holenstein 2005 Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -4- 2.3. Einer „integralen Evangelisierung“ verpflichtet4 Die Katholische Kirche leitet ihre weltweite Sendung aus dem Glauben an Jesus Christus her, der gekommen ist, damit wir „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Er ist gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk 4,18) Jesu Ansage dieses „Reiches Gottes“ lässt die Welt und ihre Verhältnisse nicht wie sie sind. Darum verbindet er den Ruf, an dieses Reich zu glauben, mit dem Appell zur Umkehr. Sie ist nicht bloß eine individuelle Bekehrung, sondern die Einladung, als seine Jüngerinnen und Jünger am Aufbau dieses Reiches in allen seinen Dimensionen weltweit mitzuwirken. Der Kirche ist das Engagement für die Mission und die Entwicklungszusammenarbeit aufgetragen. Es stellt die unverzichtbare Brücke zwischen unserer Ortskirche und der weltweiten Kirche dar. Teil der Weltkirche zu sein bedeutet auch, Mitverantwortung und Sorge für die gesamte Weltkirche zu tragen. Ein Christentum, das sich in den eigenen Diözesan- oder Pfarrgrenzen abkapselt, hätte die universale Sendung der Kirche noch nicht erkannt. 2.4. Segen und Last der Geschichte In vielen Teilen der Welt ging die Vermittlung des Glaubens Hand in Hand mit dem Einsatz für die Bildung und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Menschen. Immer wieder haben Menschen durch die Jahrhunderte in allen Teilen der Welt die Frohe Botschaft in Wort und Tat verkündet. Durch Schulen, Spitäler und andere Sozialwerke standen auch Missionarinnen und Missionare seit jeher im Dienste des Menschen. Wir müssen allerdings bekennen und bedauern, dass auch viele Fehler begangen wurden und die Verkündigung des Evangeliums auch anderen Interessen gedient hat.5 2.5. Hoffnung und Neubeginn Der christliche Glaube beinhaltet die Hoffnung auf Vergebung und Neubeginn. Jeder einzelne Mensch und auch die Kirche ist fähig, aus positiven Erfahrungen und Fehlern der Vergangenheit zu lernen und das eigene Handeln zu erneuern. Der kritische Blick in die Vergangenheit macht uns auch sensibler für die Beschränktheit des eigenen Horizontes und die Unvollkommenheit unseres heutigen Handelns. Wenige Jahrzehnte liegt es zurück, dass (auch kirchliche!) „Dritte-Welt“-Organisationen mit einem großen Entwicklungsoptimismus westliche Technologie und Modelle des Wirtschaftens in andere Kontinente exportierten, ohne genügend wahrzuhaben, dass diese Modelle auf einen Raubbau an der Natur und eine Zerstörung der Lebensräume auf der Erde hinauslaufen. 4 Leitlinien für die Zusammenarbeit der Katholischen Kirche in Österreich mit den Partnerinnen und Partnern in der „Dritten Welt“ 5 PP Nr. 12, TMA Nr. 35 (Leitlinien für die Zusammenarbeit der Katholischen Kirche mit der Dritten Welt, 1996 Kenntnisnahme durch die Bischofskonferenz) Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -5- So ist es in keiner Zeit den Menschen erspart, ihre „blinden Flecken“ zu haben und Fehler zu machen. 3. Selbstverständnis und Leitlinien der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit Die Einheit von Körper und Geist, Seele und Leib wurde in den Missionsinitiativen durch die umfassende Entwicklungshilfe erweitert und beispielhaft verwirklicht. Die Entwicklungszusammenarbeit verdankt ihre Entstehung neben anderen Faktoren wesentlichen Impulsen aus dem Umbruch des traditionellen christlic hen Missionsverständnisses. Seit den 50er Jahren begannen Missionsgesellschaften ihren Auftrag neu zu formulieren. Mission wurde mehr und mehr als Partnerarbeit mit den jungen Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika verstanden. Gleichzeitig verknüpften nun führende Missionsgesellschaften ihre Tätigkeit mit einem religiös motivierten Entwicklungsverständnis, das von den Kirchen ein politisches, soziales und ökologisches Engagement einforderte. Konfrontiert mit der Tatsache, dass heute viele Menschen unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen leiden und Strukturen der Sünde6 die Umsetzung von Gerechtigkeit für alle verhindern, hört die Kirche nicht auf, sich für gerechte Strukturen einzusetzen und mitzuwirken, dass sich die ganze Menschheitsfamilie zu einer geschwisterlichen Gemeinschaft hin entwickelt. Wesentliche Impulse gaben die Vollversammlungen des Oekumenischen Rates der Kirchen (OeKRK) und das zweite Vatikanische Konzil in den sechziger Jahren wo sich auch die jungen Kirchen und Theologien des Südens zum Wort meldeten. So propagierten die päpstlichen Enzykliken „Pacem in Terris 7" und „Populorum Progressio" das Prinzip der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Solidarität. 8 3.1.Über die Entwicklung der Völker „ Populorum progressio“ (1967) "Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan": die Heilige Schrift lehrt uns auf ihrer ersten Seite, dass die gesamte Schöpfung für den Menschen da ist.( ……) Wenn aber die Erde da ist, um jedem die Mittel für seine Existenz und seine Entwicklung zu geben, dann hat jeder Mensch das Recht, auf ihr das zu finden, was er nötig hat. (…) Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Tausches, sind diesem Grundgesetz untergeordnet. Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen 6 Enzyklika „Sollicitudo rei socialis (SRS) – Über die soziale Sorge der Kirche (Johannes Paul II.), 1987 7 1963 Über den Frieden unter allen Völkern 8 Vergleiche die umfassende Darstellung in: Rene Holenstein, Was kümmert uns die Dritte Welt. Zur Geschichte der internationalen Solidarität in der Schweiz, Chronos Verlag, Zürich 1998. Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -6- des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht. Das Konzil hat das ganz klar gesagt. Beispiele für die Projektarbeit unserer Organisationen knüpfen da an, so z.B. die Landlosenbewegung und die Landpastoral in Brasilien. 3.2. Die Güter der Erde sind für alle da. Auch Kapital und durch Arbeit geschaffener Reichtum müssen einer wahren Entwicklung der Menschheit dienen. Johannes Paul II war erfüllt von der Überzeugung, dass Visionen für die Zukunft der Menschheit und konkrete Solidarität notwendig sind. So wie der Papst den Kommunismus abgelehnt hatte, warnte er auch vor der Ideologie des liberalen Kapitalismus. Das ist Globalisierungskritik aus christlicher Sicht: "Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" Jesus von Nazareth (Mt 6,24; Lk 16,13) 3.3. Wir müssen uns als Zivilgesellschaft einmischen. Der Papst fordert uns9 ausdrücklich auf, uns nicht abseits zu halten angesichts eines voraussichtlichen ökologischen Zusammenbruchs, oder im Hinblick auf die Probleme des Friedens, oder angesichts der Verachtung der menschlichen Grundrechte.10 Ein solches Engagement wird für manche ein Ärgernis sein und zu Kontroversen herausfordern – aber auch Fragen wecken, die uns Gelegenheiten bieten können, eine Rechenschaft aus dem Glauben zu geben. Johannes Paul II. hat bereits 1979 gesagt: „Der Umfang des Problems führt uns zur Prüfung der Strukturen und Mechanismen im Bereich der Finanzen, der Produktion und des Handels, die die Weltökonomie beherrschen: insbesondere in der Landwirtschaft sie zeigen sich unfähig, die aus der Vergangenheit überkommenen Ungerechtigkeiten aufzufangen oder den Herausforderungen und ethischen Ansprüchen der Gegenwart standzuhalten. 11 in NMI –Novo Millenio Ineunte, Apostolisches Schreiben vom 6. Jänner 2001 NMI 51 11 In dem sie den Menschen selbst verursachten Spannungen aussetzen, im beschleunigten Tempo die Reserven an Rohstoffen und Energie vergeuden und den geophysischen Lebensraum schädigen, bewirken sie, dass sich die Zonen des Elends mit ihrer Last an Angst, Enttäuschung und Bitterkeit unaufhörlich weiter ausdehnen . . . Man wird auf diesem schwierigen Weg der unbedingt notwendigen Veränderung der Strukturen des Wirtschaftslebens nur dann Fortschritte machen, wenn eine wahre Umkehr der Mentalität des Willens und des Herzens stattfindet. Die Aufgabe erfordert den entschlossenen Einsatz der Menschen und Völker in Freiheit und Solidarität (Redemptor Hominis 1979 Nr. 16). 9 10 Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -7- Hunger ist kein Schicksal, er wird von der Weltwirtschaft gemacht! 3.4. Option für die Armen Da in vielen Gebieten der Kirche des Südens, der Großteil der Menschen von Armut geplagt wird, ist die Sorge um die Armen vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einem wesentlichen Teil der kirchlichen Arbeit geworden. Der Grund für diese Option ist die Überzeugung, Gott in den Armen zu begegnen. Jesus selbst identifiziert sich mit den Hungernden und Durstenden, den Fremden und Obdachlosen und bezeichnet den Dienst an ihnen als Dienst an ihm selbst. Der Einsatz für die Armen und Ausgeschlossenen ist also ein zentrales Kennzeichen der Jüngerschaft Jesu Die Diskussion um die viel zitierte Option für die Armen zielt nicht nur auf die Frage, wie nahe oder ferne die Kirche jeweils den Armen ist und was sie dort für sie tut, sondern ob sie auch vor und in der Gesellschaft Partei für die ergreift, die in der globalisierten Welt von heute systematisch und systembedingt zu Millionen von einem menschenwürdigen Leben ausgeschlossen werden. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Soziallehre und in vielen anderen seiner Stellungnahmen zum einen keinen Zweifel an der Verbindlichkeit der vorrangigen Option für die Armen für jeden Christen gelassen. Er hat zum anderen aber auch den Neoliberalismus als ein „System, das ( . . . ) den Gewinn und die Gesetze des Marktes als absoluten Maßstab betrachtet“ 12 massiv in Frage gestellt. Distanz und Nähe, Abscheu und Zuneigung, Abstand und Solidarisierung, bloßes Almosengeben und Parteinahme für die Armen charakterisieren den Weg der Kirche durch die Zeit und ihr Ringen um glaubwürdige Optionen und ihr Scheitern an deren Verwirklichung. Und trotzdem ist und bleibt die Frage, ob die christlichen Kirchen eine Option oder keine Option für die von globalen Wirtschaftssystem Ausgeschlossenen haben von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung. 4. Ziele und Konzepte der Entwicklung Die Einheit von Körper und Geist, Seele und Leib wurde in den Missionsinitiativen durch die umfassende Entwicklungshilfe erweitert und beispielhaft verwirklicht. 4.1. Das Ziel der Entwicklung ist ein Leben in Fülle für jeden Menschen und für alle Menschen. Dazu gehören das Verfügen über das Lebensnotwendige, das Freisein von jeglicher Unterdrückung, die und zu „einer ideologischen Rechtfertigung von ( . . . ) Verhaltensweisen im sozialen und politischen Bereich geworden ist, die die Marginalisierung der Schwächsten hervorruft“ 12 Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -8- Erkenntnis und das Wissen um die Würde und die Ziele seines Lebens, die Fähigkeit und Möglichkeit, sein Leben selbst zu gestalten und das Leben in der Gemeinschaft mitzubestimmen, sowie die Freiheit und die Öffnung auf das Absolute hin. Für uns steht der Mensch im Zentrum aller Entwicklungsbemühungen. Menschen können nicht entwickelt werden, sie können sich nur selbst entwickeln. Aufgabe der Gesellschaft ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer Entwicklung möglich wird. Das Ziel des entwicklungspolitischen Handelns ist für uns, Hemmfaktoren abzubauen und Freiräume zu schaffen, um damit besonders die Entwicklungschancen der am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern - aber auch in den Industrieländern - zu verbessern. Unsere Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern geht von einer ganzheitlichen Sicht des Menschen aus, in der die spirituelle und die materielle Dimension untrennbar zusammengehören. Ungeachtet dessen kann in der konkreten Arbeit die Setzung eigenständiger Schwerpunkte sinnvoll sein. 4.2. Konzept einer „nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung“ Die Wirtschaftswissenschaft hatte bis vor kurzen weder theoretische Konzepte noch empirische Indikatoren zur Verfügung, um eine nichtnachhaltige Entwicklung zu diagnostizieren: Der Ökonom Hermann Daly, Kritiker der neoklassischen Umweltökonomie, bemerkte mit beißenden Spott, Ökonomen seien Menschen, die sich auf der Titanic Gedanken über die optimale Nutzung der Liegestühle machten – beschäftigt mit drittrangigen Fragen statischer Allokation, seien sie blind für die Gefahr des drohenden Untergangs. Seither hat die Wirtschaftswissenschaft dazugelernt und sowohl theoretische als auch empirische Konzepte der Nachhaltigkeit entwickelt, die nicht nur bei der Entdeckung von Eisbergen helfen, sondern auch das Wissen bereitstellen wollen, um den Tanker Wirtschaft an diesem Eisbergen vorbeizusteuern13. Vieles, was die Weltbank in früheren Zeiten als Kostensenkung im Gesundheits- und Bildungswesen gefordert hat, wird nun von ihr selbst als unterlassene Investitionen und damit als Substanzverzehr gewertet.14 Für uns kommen daher nur Entwicklungskonzepte in Frage, die die Mängel herkömmlicher Wachstumsstrategien vermeiden. Insbesondere orientieren wir uns am Konzept einer „nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung“, die die Bedürfnisse in der Gegenwart befriedigt, ohne jedoch künftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen. Entwicklungsmaßnahmen, an denen wir uns ideell und materiell beteiligen, dürfen nur unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte gesetzt werden. Es geht darum, Entwicklung so zu gestalten, dass sie sowohl für den Menschen als auch für die Umwelt verträglich ist. (es geht um die Umwelt und um die Mitwelt 15). 13 Der Klimawandel: deutsche Bischofskonferenz 2006 J. D. Sachs, Das Ende der Armut. Ein ökonomisches Programm für eine gerechtere Welt (Bonn 2005) 15 Bischof Erwin Kräutler, Brasilien 14 Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 -9- Dazu gehört ein Handeln aus der Einsicht, dass Wirtschaftswachstum Grenzen hat und nicht automatisch mit einer Steigerung der Lebensqualität gleichzusetzen ist. 4.3. Eigeninitiative fördern Von Anfang an will kirchliche Entwicklungszusammenarbeit wesentliche Unterstützung zur Eigeninitiative sein. Sie soll die Armen befähigen, ihre Anliegen und Vorstellungen selbst mit Nachdruck vorbringen zu können, selbst stark genug zu werden, um die notwendigen Veränderungen durchzusetzen, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Dies geht von der Einsicht aus, dass die Veränderung der Zustände nicht vorrangig durch ausländische Hilfe, sondern vor allem durch eigenes Handeln erreicht werden kann. 4.4. Partnerschaft und Partizipation In der Entwicklungszusammenarbeit sind Partnerschaft und Partizipation die Gegenbegriffe zu bloß paternalistischer oder assistentialistischer Hilfe. Sie zielen darauf ab, die Zusammenarbeit mit den Organisationen der Armen von aller Bevormundung und Besserwisserei wie auch von passiven Empfängermentalitäten freizuhalten. Dezentralisierung, demokratische Entscheidungsprozesse und Transparenz zählen zu ihren Kennzeichen. Projektverantwortliche sollten immer wieder die Möglichkeit haben, in die Lebenswirklichkeit der Akteure/ Begünstigten einzutauchen, an Ritualen teilzunehmen, ihre Agrar- und Esskultur zu verstehen suchen, die materielle und spirituelle Dimensionen hat. Das scheitert leider meistens an unseren überladenen Reiseprogrammen. Warum nehmen wir uns die nötige Zeit nicht? Warum verhindern die Reiseprogramme die geduldige Annäherung? Hat das mit quasi-religiösen Wertvorstellungen der Entwicklungszusammenarbeit von Effizienz zu tun? 4.5. Subsidiarität Sowohl die Arbeit in den Industriestaaten wie in den Entwicklungsländern als auch die Zusammenarbeit zwischen beiden soll dem Grundsatz der Subsidiarität folgen: Was der/die Einzelne oder eine kleine Gemeinschaft aus Eigeninitiative oder aus eigenen Kräften leisten kann, soll ihnen nicht durch die übergeordnete Einheit entzogen werden. Die größere Gemeinschaft darf und muss aber unterstützend eingreifen, wenn die kleinere die Aufgaben, die für das Wohl ihrer Mitglieder erfüllt werden müssen, nicht mehr leisten kann. 5. Die Bereiche unserer Arbeit Projekte und Programme sind so anzusetzen, dass sie nicht nur kurzfristig wirken, sondern auch die Strukturen beeinflussen, sodass die erreichte Veränderung auf Dauer wirken kann. Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 10 - Solange die derzeitigen Weltwirtschaftsstrukturen bestehen, ist die Förderung unserer PartnerInnen notwendig und sinnvoll, weil sie wenigstens im lokalen Bereich hilft, Veränderung zu initiieren. Wir sind uns bewusst, dass unsere Projektförderung nur kleinräumige Veränderungen bewirkt. Mit Blick auf die globale Situation setzen wir uns für Veränderungen im individuellen und gesellschaftlichen Bereich auf der ganzen Welt ein. 5.1. Bildungs- und Informationsarbeit, Anwaltschaft und Lobbyarbeit Neben unserer Förderung konkreter Entwicklungsprojekte gewinnen die entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit sowie Anwaltschaft und Lobbyarbeit eine immer größere Bedeutung. Es wird heute immer wichtiger, bei politischen Entscheidungen in Österreich oder in internationalen Gremien, in denen Österreich vertreten ist, die Interessen der Menschen in den Entwicklungsländern einzubringen. Dazu ist die Vermittlung von Wissen und die Förderung eines kritischen Bewusstseins sowie eine darauf beruhende Einflussnahme auf EntscheidungsträgerInnen notwendig. Unsere Bildungs- und Informationsarbeit will das Bewusstsein fördern, Teil einer Weltgesellschaft und einer Weltkirche zu sein. Sie will dazu motivieren, für die Verwirklichung einer gerechteren Weltordnung und für die Ermöglichung eines spirituell-religiösen Lebens Mitverantwortung zu tragen. Daraus soll eine Bereitschaft zu solidarischem Handeln erwachsen. Durch gemeinsames politisches Engagement (Anwaltschaft/Lobbyarbeit) soll den Anliegen der Benachteiligten mehr Gewicht verliehen werden. 5.2. Die Entwicklungszusammenarbeit Unsere Entwicklungszusammenarbeit hat sich die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, Arbeit, politische Menschenrechte) vor allem der Armen und Unterdrückten zum zentralen Anliegen gemacht. Das bedeutet, dass das In-die-Lage-Versetzen - die „Ermächtigung“ (empowerment) - der Armen, ihre Lebensbedingungen selbst zu verbessern, und die Beeinflussung von Rahmenbedingungen gleichermaßen Ziele unserer Arbeit sein müssen. Daneben verlangt auch die Situation der Kinder und Jugendlichen weltweit ein verstärktes Eintreten für ihren erhöhten Schutz, die Durchsetzung ihrer Rechte und die Förderung ihrer Lebenschancen. Die fortdauernde Diskriminierung und Lebensbedrohung der Nachkommen der UreinwohnerInnen und ethnischen Gruppen erfordern ebenfalls Schutzmaßnahmen und eine wirksame Minderheitenförderung, damit sie ihre soziokulturelle Eigenständigkeit bewahren und ihr traditionelles Erbe pflegen können. Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 11 - 6. Die Partnerinnen und Partner unserer Arbeit PartnerInnen als TrägerInnen ihrer Entwicklung Wir arbeiten mit organisierten Gruppen von Frauen und Männern zusammen, die das Elend, die Ausgrenzung und die Armut bekämpfen und sich gewaltfrei für Frieden, Gerechtigkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung einsetzen. Unser Angebot steht grundsätzlich allen Menschen guten Willens offen, unabhängig von Rasse, Geschlecht und Religionszugehörigkeit. Partnerschaft beruht auf gemeinsamen Zielvorstellungen, die im Dialog konkret ausgestaltet werden müssen. Wichtige Kriterien dafür sind für uns eine wirksame Armutsminderung sowie die entwicklungspolitische Effektivität. An ihnen hat sich sowohl das Handeln unserer PartnerInnen als auch die Förderpraxis der Organisationen der Katholischen Kirche in Österreich zu bewähren. 6.1. Katholische Ortskirchen, Ordensgemeinschaften und andere Als organisierte VertreterInnen der Katholischen Kirche sehen wir in den Ortskirchen (Bischöfe, Priester, Ordensleute und LaienchristInnen) und Ordensgemeinschaften vorrangige Partnerinnen unserer Zusammenarbeit. Ihre Entwicklungs- und Pastoralprogramme sind zentraler Bezugspunkt für unsere Maßnahmen, auch wenn dies unter Umständen einen für beide Seiten mühsamen Dialog mit sich bringt. In der Förderung pastoraler und missionarischer Anliegen kooperieren wir eng mit den offiziellen kirchlichen Stellen. Entwicklungs- und Pastoralzusammenarbeit bedeutet für uns aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Für uns ist der interreligiöse und interkulturelle Dialog ein wichtiges Anliegen. 6.2. Nichtregierungsorganisationen in den Entwicklungsländern Unsere PartnerInnen in der Zusammenarbeit sind vorrangig organisierte Gruppen, Gemeinschaften und Institutionen, die sich als Nichtregierungsorganisationen verstehen. Sie streben soziale Veränderungen gewaltfrei an und beteiligen die Betroffenen an den Entscheidungsprozessen. Wir sind aber auch zur Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen bereit, wo sich dies aufgrund der besonderen Umstände als sinnvoll erweist. 6.3. Öffentliche Stellen in Österreich und internationale Organisationen Wir bemühen uns um eine gute Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen in Österreich, die für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig sind, weiters mit der Europäischen Union und mit anderen internationalen Einrichtungen. Die Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit dürfen unseren Grundsätzen nicht widersprechen. Auch darf durch unsere Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen in Österreich unsere Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt werden. Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 12 - Wir streben für die Projekte unserer PartnerInnen eine Kofinanzierung mit Bund und Ländern in Österreich an. Dabei betrachten wir uns nicht als SubventionsempfängerInnen, sondern als VermittlerInnen von finanziellen Förderungen an Partnerorganisationen. Wir erfüllen damit eine Funktion, die der österreichische Staat bzw. die EU nicht unmittelbar erfüllen kann. 6.4. Nichtregierungsorganisationen in Österreich Bei unseren Tätigkeiten im eigenen Land wollen wir mit allen Menschen zusammenarbeiten, die sich wie wir gegen Hunger, Armut, Ausgrenzung und Unterdrückung einsetzen. Wir bemühen uns auch um eine verstärkte Vernetzung und Koordination mit allen kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen, die in gleichen oder ähnlichen Bereichen tätig sind, allein schon deswegen, weil viele Ziele nur gemeinsam erreicht werden können. 7. Solidarisches Handeln als christlicher Auftrag Die katholischen Organisationen für Mission und Entwicklung sehen ihren Auftrag nicht nur in der Betreuung von Projekten und in der Spendenrequirierung, sondern in ganz besonderer Weise in der Bildungsarbeit und Anwaltschaft. Hierbei werden entwicklungspolitische Themen aufgegriffen, die in Schulen, außerschulischer Kinderund Jugendarbeit und Erwachsenenbildung eingebracht werden. Darüber hinaus werden unterschiedlichste Formen der missionarischen Bewusstseinsbildung praktiziert. Diverse Veranstaltungen, Publikationen und festliche Aktivitäten bringen diese Anliegen zur Geltung. Oftmals kommt es sowohl bei der Bildungsarbeit als auch beim anwaltschaftlichen Engagement zu einem geplanten gemeinsamen Auftreten der katholischen Organisationen. Innerhalb der KOO werden Schwerpunktthemen abgestimmt und zu gemeinsamen Kampagnen verdichtet. So geschehen beim Lobbying zur Verschuldung/Entschuldung/Finanzierung von Entwicklung oder bei der „nullkommasieben“ Kampagne für eine ausreichende, nachhaltige und partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit. Vielfach engagieren sich einzelne Organisationen zusammen mit anderen NichtRegierungsorganisationen für ein bestimmtes Anliegen. 7.1. Handlungsansätze Der Mensch steht im Zentrum der Entwicklungsbemühungen der Kirche. Es geht daher um die Schaffung von Erfahrungsmöglichkeiten für gelebte Solidarität mit den Armen Bildung von Gruppen, die ihren Lebensstil weltgerecht leben wollen Entwicklung von Modellen für Menschen, die sich für eine gerechtere Welt engagieren wollen einladen, missionarisches Bewusstsein in Gemeinschaft einzuüben Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 13 - Wir müssen voneinander lernen In vielen Pfarrgemeinden leiden Menschen unter nicht erlebbarer Solidarität mit den Armen der Welt und sind bereit, über die Unterstützung von Spendenaktionen hinaus weltweite Geschwisterlichkeit zu üben, um das durch Jesus für die Menschen erwirkte Heil nicht nur zu feiern, sondern ins Leben zu übertragen. „Global denken – lokal handeln!“ muss daher für uns ChristInnen erweitert werden zu „Weltkirche denken – in der Pfarre handeln!“ Die Pfarren in Österreich sind jetzt schon führend im „Eine Welt“-Engagement. Doch es gibt weiterhin noch viel zu tun, um zu einer gerechteren Welt und zu einem friedlichen Zusammenleben aller Menschen beizutragen. Das Bewusstsein, in „Einer Welt“ zu leben und weltweit mit unseren Geschwistern zu teilen – kulturell, sozial, spirituell, materiell – entwickelt sich in der Pfarre nicht von selbst: Wir müssen uns dafür einsetzen, wir müssen Entwicklungspolitik und Weltkirche regelmäßig zum Thema machen! 7.2. Beispiele a. Eine Welt Bewusstsein fördern Entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist darauf ausgerichtet, den eigenen Horizont zu erweitern, vom kulturellen und sozialen Reichtum anderer Völker zu lernen, die üblichen Klischees zu durchbrechen, Kommunikation zu ermöglichen und Einblicke in globale Zusammenhänge zu erhalten. Die vertiefte Auseinandersetzung mit Weltkirche und Entwicklungspolitik umfasst eine ganze Reihe an Bildungsaktivitäten: Vom Erlebnisbericht von Menschen, die aus Entwicklungsländern kommen oder dort gelebt haben, bis hin zu einer thematischen (Foto) – Ausstellung; von einer informativen Diashow bis hin zu einem Planspiel; von einer Filmvorführung bis hin zu einem entwicklungspolitischen Workshop. b. Mit Kindern und Jugendlichen pädagogisch tätig werden Inhalte zu Weltkirche und Entwicklungspolitik müssen für Jugendliche anders „verpackt“ werden, damit sie auf fruchtbaren Boden fallen. Die Jugendlichen mit der speziellen Gestaltung dort abholen, wo sie stehen, ihre eigene Jugend-Kultur zu berücksichtigen, das ist die Herausforderung dieser Angebote. Bei Kindern geht es vor allem darum, bei der kindlichen Neugier und Offenheit anzusetzen und auf spielerische Weise einen positiven und lustvollen Zugang zu anderen Kulturen zu finden. Je früher das Bewusstsein der „Einen Welt“ geweckt wird, desto besser und nachhaltiger werden die üblichen Klischees durchbrochen. Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 14 - Die Schule bietet von ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag her optimale Möglichkeiten, sich mit anderen Kulturen, mit globalen Zusammenhängen, mit der Geschichte, mit anderen Religionen, ... zu beschäftigen – entsprechend der Lehrinhalte der jeweiligen Fächer oder (noch besser) als übergreifender Projektunterricht. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung bis hin zu Schulpartnerschaften, unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten in der Schule und im Umfeld oder der finanziellen Unterstützung für bestimmte Hilfsprojekte vertieft werden. KOO-Mitgliedsorganisationen bieten für den pädagogischen Bereich zahlreiche Ideen, Beratung und Materialien. c. An Begegnungsreisen teilnehmen Das beste Verständnis von anderen Kulturen wird dann erreicht, wenn man die Menschen vor Ort besucht und eine Zeit lang mit ihnen lebt. Voraussetzungen sind neben einer guten Vorbereitung soziale Kompetenzen. Erlebnisse abseits der Touristenpfade machen direkte und authentische Erfahrungen möglich, als wertvollen Kontrast zur eigenen Kultur. Wenn der/die Reisende dann zu Hause von seinen Erfahrungen berichtet (z.B. mit Dias), werden diese für die ganze Pfarre fruchtbar. Begegnungsreisen werden von den KOO-Mitgliedsorganisationen für unterschiedliche Destinationen, Dauer und Zielgruppen angeboten. Andere bieten Gruppen und Einzelreisenden im Vorfeld eine Beratung an. Begegnungsreisen finden auch in „umgekehrter Richtung“ statt, wenn Menschen aus Entwicklungsländern Menschen in Österreich besuchen und Begegnung hier stattfindet. 8. Die Leistung der Katholischen Kirche für Mission und Entwicklung 2005 8.1. Der Jahresbericht wurde aus der Zusammenfassung von insgesamt 3.731 Projekten (Vorjahr: 3.836 Projekte) in 108 Ländern erstellt. Die Gesamtleistung von € 90 Mio. ist um 4,7 % höher als die Gesamtleistung des Jahres 2004 (€ 86 Mio.). Die öffentlichen Mittel sind von € 14,7 (2004) auf € 16,5 Mio., das sind 12,2 %, gestiegen. Die Eigenmittel (privaten Mittel) sind gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % auf € 73,5 Mio. gestiegen (2004: € 71,3 Mio.). Dass Projekte wirksam und verantwortungsvoll unterstützt werden können, verlangt jedoch auch: Projektvorbereitung, Projektbegleitung und Verwaltung. Weiters fallen Kosten an für Spendenwerbung und Spendensammlung. Für die Projektvorbereitung und -begleitung wurden € 4,6 Mio. aufgewendet, das sind 5,1 % der Gesamtleistung, auf den Verwaltungsaufwand entfielen € 3,2 Mio. oder 3,6 %. Die Aufwendungen für Spendenwerbung und Spenderbetreuung lagen bei € 3,1 Mio. (3,4 %) und entsprechen ziemlich genau denen des Vorjahres. Auf die Leistungen der Projektarbeit entfielen € 79,13 Mio., davon wurden: € 15,3 Mio. für internationale Pastoralarbeit, das sind 19,32 % - ausschließlich Eigenmittel, Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 15 - € 45,3 Mio. für Entwicklungshilfe, das sind 57,2 % – davon 39,6 % Eigenmittel und 17,6 % öffentliche Mittel); € 14,6 Mio. für die Katastrophenhilfe, das sind 18,44 % – davon 17,25 % Eigenmittel und 1,19 % öffentliche Mittel und € 3,99 Mio. für die Bildungsarbeit, das sind 5,0 % – 4,37 % Eigenmittel und 0,63 % öffentliche Mittel - aufgewendet. Der Grund für die starke Verschiebung zugunsten der Katastrophenhilfe liegt bei der Flutkatastrophe Tsunami Ende 2004, die auch für die kirchlichen Organisationen nicht nur eine Steigerung der Katastrophenhilfe, sondern auch eine stärkere Konzentration ihrer Mittel im Katastrophengebiet nach sich zog. Neun Millionen Euro, das ist fast die gesamte Erhöhung der Katastrophenmittel, wurden im Berichtszeitraum in Indien, Indonesien und Sri Lanka, drei stark vom Tsunami betroffene Länder, eingesetzt. Die öffentlichen Mittel wurden auch 2005 wie in den Vorjahren vorwiegend für Kofinanzierung eingesetzt, also zusammen mit Eigenmitteln. 8.2. Entwicklungspolitische Inlandsarbeit: Bildungsarbeit, Anwaltschaft und Information Schwerpunkte der Bildungsarbeit 2005 waren die „Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) und ihre Umsetzung“. Wir haben die Millenniumsziele der UNO auf ihre Realisierbarkeit überprüft und mögliche Handlungsspielräume und Alternativen aufgezeigt bzw. erarbeitet. a. Die nullkommasieben Kampagne bekam im Jahr 2005 neuen Schwung. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die internationale Vernetzung v.a. im Rahmen der CIDSE. Das Engagement der KOO und ihrer Mitgliedsorganisationen trug entscheidend zum Erfolg der Kampagne bei: durch das Sammeln von mehr als 31.000 Unterschriften im Rahmen einer Postkartenaktion an Bundeskanzler Schüssel und durch Einladung von Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga aus Honduras, der als Stimme des Südens wertvolle Arbeit im Lobbying leistete und die Medien aufmerksam machte. Erreicht wurde ein Bekenntnis der Österreichischen Bundesregierung 0,7 % des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 zur Verfügung zu stellen. b. Entwicklungsfinanzierung und Entschuldung: Neben der Debatte um eine Erhöhung der EZA Mittel standen unter dem Stichwort „Effektivität der Hilfe“ auch neue Finanzierungsmodalitäten im Zentrum. Die KOO beteiligte sich daher federführend an der Erarbeitung einer Position zum Thema Budgethilfe auf Basis einer Befragung in Partnerländern und dem Dialog dazu mit dem Außen- und Finanzministerium. Das Jahr 2005 war durch die Vorbereitungen zur 6. WTO-Ministerkonferenz geprägt, die Ende des Jahres in Hong Kong stattfand. Die KOO hat im Zuge dessen ein Grundsatzpapier zu den Agrarverhandlungen erstellt, das auch vom österreichischen Bauernbund, der Landwirtschaftskammer, den Rübenbauern und der AGEZ unterstützt wurde (“Gemeinsame Erklärung zu den WTO Agrarverhandlungen“). Daraus entwickelte Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 16 - sich eine Kooperation, die versuchte die Betroffenen an der Basis zu informieren und Stimmung für einen gerechten Handel zu machen. Zu diesen Themen kooperierte die KOO international mit den verschiedensten Netzwerken und Nichtregierungsorganisationen – am intensivsten im Rahmen der katholischen Dachorganisation CIDSE. 8.3. Die KOO als Serviceorganisation: Grundsatzarbeit, Statistik Austria, Parlament Schwerpunkte der Arbeit sind die Befassung mit dem Themen Mission (Beispiele: Handbuch, Missionspapier, Studientagung mit den Bischöfen, Weiterbildung für Mission), Entwicklung, Armutsbekämpfung, internationale Entschuldung, Entwicklungsfinanzierung und globaler Handel und Landwirtschaft. Weitere konkrete Beispiele sind: Spendenabsetzbarkeit, Spendengütesiegel, Jahresbericht, Konsulargebührengesetz, Migration und Entwicklung, Statistik Austria/Devisengesetz, u.a.. Folgende Grundsatz – und Positionspapiere wurden von der KOO federführend erstellt: Entschuldung Handbuch für Mission und Entwicklung Missionspapier in Erarbeitung Devisentransaktionssteuer (Tobin Tax) Gemeinsame Erklärung zu den WTO Agrarverhandlungen Kampagne: Faire Spielregeln für weltweiten Agrarhandel Gerechtigkeit statt Almosen – Grundsätze Der Global Marshall Plan – eine Position Schattenbericht zu den Millennium Entwicklungszielen Thema Budgethilfe in der EZA Forderungen an das Ausfuhrförderungsgesetz Mehr Kooperation, weniger Freihandel – anlässlich des EU-LA Gipfels 9. Projekt - Länderbeispiele16 9.1. Sri Lanka - Für den Frieden im „Paradies“ Die Geschichte Sri Lankas ist gekennzeichnet von Kriegswirren. Der Streit zwischen der Bevölkerungsmehrheit der überwiegend buddhistischen SinghalesInnen (74%) und den hinduistischen TamilInnen (18%) um die Aufteilung der Tropeninsel hat sich bereits in der Kolonialzeit angebahnt. Die Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien führte zu immer weiteren ethnisch motivierten Zusammenstößen und zur Absetzung der Nationalsprache Englisch. Ab diesem Zeitpunkt wurde Sinhala zur Nationalsprache erklärt, und somit waren die TamilInnen Analphabeten im eigenen Land und sahen sich selbst als Bürger zweiter Klasse. Die hinduistischen TamilInnen, die vor allem im Norden 16 Dreikönigsaktion Bericht www.dka.at Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 17 - und Osten von Sri Lanka leben, fühlen sich von der singhalesisch-buddhistischen Bevölkerungsmehrheit religiös und kulturell unterdrückt. Die heutigen ArbeiterInnen im Teeplantagensektor sind Nachfahren jener „GastarbeiterInnen“, die von den Briten im 19. Jahrhundert aus Südindien für die Arbeit auf den Teeplantagen Sri Lankas geholt wurden. Von Beginn an verhinderten die Plantagenbesitzer den Aufbau guter Beziehungen zwischen den heimischen SinghalesInnen und den zugewanderten TamilInnen. In der Zentralprovinz von Sri Lanka gehören 85 % der Bevölkerung zu den PlantagenarbeiterInnen. Die PlantagenarbeiterInnen waren und sind von den PlantagenbesitzerInnen abhängig und haben kaum Rechte. Die Sozialleistungen für diese Menschen werden nicht vom Staat erbracht, sondern liegen in der Hand des Plantagenmanagements (wie etwa Schulbildung, Unterkunft und Gesundheitsleistungen). Viele der PlantagenarbeiterInnen haben keine Staatsbürgerschaft und besitzen kein Land, sondern leben in von der Plantage zugewiesen Gebäuden oder siedeln illegal auf ungenutztem Land. Das Hochland Sri Lankas war zwar nicht unmittelbare Kriegsregion während der zwei Jahrzehnte des Bürgerkriegs, aber da die ArbeiterInnen vorwiegend TamilInnen sind, war die Situation in der Region von ständigem Terror aller Kriegsparteien gekennzeichnet. Viele soziale Probleme – wie auch die Kinderarbeit – wurden während der Kriegsjahre kaum thematisiert. Der Bürgerkrieg, der in fast 20 Jahren 65.000 Menschen das Leben gekostet hat, wurde 2004 von einem Waffenstillstandsabkommen beendet. Seit den Präsidentschaftswahlen im November 2005 ist dieses Waffenstillstandsabkommen jedoch mehr als brüchig geworden. Die Situation in Sri Lanka eskaliert. Es gibt neue Attentate der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam, tamilische Befreiungsarmee), und ihre Stellungen werden von der srilankesischen Regierung beschossen. Der neue Präsident Mahinda Rajapakse steht für die nationale Philosophie „Eine Sprache, eine Religion, ein Staat“ und für die Überzeugung, dass nur die buddhistische Sinhala sprechende Mehrheit durch ihre Kontrolle über die Minderheit den Frieden garantieren kann. Heute gibt es wieder fast täglich politische Morde und Anschläge. In dieser Situation des nicht deklarierten Krieges arbeiten die ProjektpartnerInnen der Dreikönigsaktion für die Rechte von Minderheiten und gegen Gewalt. Die Projektgebiete liegen daher auch vorwiegend in diesen sensiblen Regionen, im Norden, Osten und in den Plantagengebieten der Insel. Die Dreikönigsaktion unterstützt dringend notwendige Vorhaben in Sri Lanka: Friedenserziehung durch gemeinsame Friedenscamps für Jugendliche aller vier Bevölkerungs- und Religionsgruppen: SinghalesInnen, TamilInnen, MuslimInnen und BurgherInnen Interreligiöser und interethnischer Dialog Praktische Unterstützung im Friedensprozess im Norden und Nordosten durch vertrauensbildende Maßnahmen Rechsthilfe für PlantagenarbeiterInnen durch die Bildung von Basisgruppen und Netzwerkarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen. Im Programm Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 18 - „The village, the Estate and the Region“ (das Dorf, die Plantagen und die Region) wird der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen (in den Dörfern =SinghalesInnen, in der Plantage = TamilInnen) gefördert. Aufbau von ModellSiedlungen, wo SinghalesInnen und TamilInnen zusammen leben. Arbeit mit Witwengruppen (Kriegswitwen und Witwen in folge des Tsunami) Langfristige Wiederaufbaumaßnahmen Die Dreikönigsaktion unterstützt in Sri Lanka 2006 8 Projekte mit einer Jahressumme von 90.000,- €Euro, einige davon wurden durch die Flutwelle vom 26.12.2004 wieder vor das Nichts gestellt. Die Dreikönigsaktion unterstützt daher auch 3 Tsunamiwiederaufbauprojekte mit einer Summe von 160.000,- Euro: Friedens- und Menschenrechtsprogramme (Hauptzielgruppen Frauen, Kinder und Jugendliche) Peoples Association for Peace and Development, Batticaloa: Friedensworkshops für Jugendliche, Einkommen schaffende Programme für Witwengruppen Zivilrechts- und Menschenrechtstraining: Durch das Ausbildung von Resourcepersonen von Polizei und lokalen VerantwortungsträgerInnen wird versucht einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in den ehemaligen Kriegsgebieten zu setzen. Kandy: Abschaffung von Kinderarbeit auf den Teeplantagen und Friedensprojekt durch die Förderung der Kinderrechte, Stärkung der Frauen, friedliches Zusammenleben und Friedenskultur CLC (Christian Life Community, Batticaloa): Ganzheitliches Trainingsprogramm Gesundheitsprogramm in 38 Dörfern in der ehemaligen Kriegsregion im Osten Sri Lankas. Förderung traditioneller Medizin Wiederaufbauarbeit nach der Tsunamikatastrophe. Wiederaufbau von 40 Häusern, Psychologisches Programm für Schulkinder und und Nachhilfe für SchülerInnen im (ehemaligen) Kriegsgebiet nach dem Tsunami. (Christian Life Community Batticaloa): Psycho-soziale Rehabilitation und Friedensprogramm für Tsunamiopfer Überall in Lateinamerika, in Afrika und Asien, wo die Dreikönigsaktion Projekte durchführt, sind engagierte Projektpartner vor Ort für uns im Einsatz. Sie stehen in unmittelbaren Kontakt mit den Menschen, kennen ihre Sorgen und Nöte und wissen, wo Hilfe am nötigsten ist. 9.2. Philippinen: Entwicklung durch Bergbau? Die philippinische Regierung hat die Nutzung (Ausbeutung?) der reichhaltigen natürlichen Ressourcen (z.B. Gold, Kupfer) des Landes zu ihrer primären Entwicklungsstrategie gemacht. Dabei setzt sie verstärkt auf ausländische Investoren, meist Multinationale Konzerne. Vergangene Erfahrungen haben gezeigt, dass mit derartigen Bergbauprojekten oft eine Vertreibung der lokalen Bevölkerung, ohne dass diese angemessen entschädigt würde, und verheerende Folgen für die Umwelt und Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 19 - damit auch die Menschen (Beeinträchtigung der Gesundheit und Landwirtschaft) einhergehen. Vom 19. – 23. Juli 2005 kamen 60 ProjektpartnerInnen der Dreikönigsaktion zu einer Konferenz in Baguio City zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame anwaltschaftliche Maßnahmen für die betroffene Bevölkerung zu entwickeln. Die philippinische Bischofskonferenz hat im Jänner 2006 die Regierung dazu aufgerufen, alle Bergbaukonzessionen zurückzuziehen und keine neuen mehr zu erteilen. Vom eigenen Reisfeld leben - Informationen zum Projekt Die Bauerfamilien im Norden der Philippinen leiden unter der dramatischen Umweltzerstörung. Illegale Abholzung der Wälder und Ausbeutung der Bodenschätze bedrohen die natürliche Lebensgrundlage der Menschen. Die Profitgier internationaler Konzerne erzeugt Armut! Umweltzerstörung trifft alle: Die Region St. Ana ganz im Norden der Philippinen könnte leicht ihre BewohnerInnen ernähren. Es gibt große Reisfelder, ein fischreiches Meer, Flüsse für die Bewässerung und waldreiche Berge. Trotzdem leben viele der Menschen, Bauern- wie Fischerfamilien, in Armut. Die Schätze der Landschaft, die natürlichen Ressourcen, sind nämlich für die Menschen vor Ort zum Fluch geworden. Die illegale Abholzung der Wälder, gefragt ist v.a. das sehr teure Holz des NarraBaumes, hat fatale Folgen für die natürliche Umwelt. Durch die Erosion des Bodens wird das Wasser in der Taifun-Saison nicht mehr zurückgehalten, es kommt immer wieder und verstärkt zu dramatischen Überflutungen der Felder und Ortschaften. Auch die Politik der Regierung wendet sich gegen Mensch und Umwelt. Begünstigt werden große Konzerne, die ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung Bodenschätze abbauen und fruchtbares Land für ihre Industrieanlagen in Beschlag nehmen: Profitgier auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Von der Vision zur Tat: Die Bauernfamilien der Region eint eine Vision, die sie in einem gemeinsamen Projekt realisieren: Die Kinder, Frauen und Männer von St. Ana sollen sich auf ihrem Land mit allem, was zum Leben nötig ist, selbst versorgen können. Projektleiterin Tina Genese bringt es auf den Punkt: „Durch das Sternsinger-Projekt entdecken die Bauernfamilien wieder ihre Stärken - den Wert von indigenen landwirtschaftlichen Techniken, die Bedeutung von organisierten Gruppen, ihre Würde als Einzelpersonen und den Respekt vor der gesamten Schöpfung.“ Die lokale und regionale Vernetzung der BäuerInnen ist von großer Bedeutung. Nur gemeinsam als Gruppe behaupten sie sich gegen die Profitinteressen der Konzerne und gegen die Willkür der staatlichen Stellen. Die gegenseitige Unterstützung gibt ihnen auch die Kraft, um für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu kämpfen. Die BäuerInnen erhalten fundierte Unterstützung, um von chemischkonventioneller auf biologische Landwirtschaft umzusteigen. Mit Reisanbau, aber auch mit Gemüse, Tierhaltung und Fischzucht können sich die Bauernfamilien selber ernähren. Der Überschuss wird auf dem Markt verkauft, um sich mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen. Speziell für Frauen werden Workshops für Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006 - 20 - Kinderhygiene und Gesundheit abgehalten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den kulturellen Schatz der traditionellen Heilmethoden gelegt. 10. Abschluss Die Praxis der Entwicklungszusammenarbeit hat mit viel komplexeren Verhältnisbestimmungen von Religion und Kultur zu rechnen als dies die westeuropäischen Konzepte und unser Sprachgebrauch suggerieren. In der Zusammenarbeit mit Partnern 17 und Akteuren 18 sollten wir grundsätzlich nicht von der Isolierbarkeit eines Faktors Religion vom allgemeinen Lebenskontext ausgehen. Hanspeter Finger19 stellt fest: „Für praktisches Handeln bleiben intellektuelle Disziplin und Fachkenntnis die Grundlage, aber angereichert mit dem intuitiven Wissen um die Grenzen des Machbaren und offen für eine umfassendere Realität, was uns befähigt, mit einer Kombination von Effizienz und weichen` Qualitäten wie Geduld, Weisheit, Liebe, Offenheit zu handeln. Die zu starke Zielorientiertheit, unter der die EZA heute leidet, und die oft verhindert, im Hier und Jetzt das Richtige zu tun, wird dadurch relativiert und die Motivation und Fähigkeit gestärkt, unser Methoden-Instrumentarium entsprechend zu entschlacken. Be spiritual - act rational"`. Mahatma Gandhi und Martin Luther King sprachen beide von einem spirituellen Gesetz, das soziale Transformation (Änderung äußerer Strukturen) mit persönlichen Wachstum (Änderung innerer Strukturen) verbindet. Da gibt es für die säkulare EZA ein immenses Lernfeld. Die Aufgabe, vor der die Welt heute steht, ist gigantisch. Die Kirche sollte aus ihrem Glauben heraus – viel stärker als dies bisher geschehen ist – die Unhaltbarkeit der Weltsituation anprangern und positive Modelle bieten, um sie zu überwinden. Entscheidend für die Zukunft ist daher die umfassende Sicht des kirchlichen Auftrags, das Evangelium vom Leben, Freiheit, Gerechtigkeit und Versöhnung bis an die Grenzen der Erde zu tragen und es allen Menschen zu bezeugen. Heinz Hödl Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz 17 Partner = Partnerorganisationen vor Ort, d.h. sowohl NGOs wie Basisorganisationen. Akteure = Beneficiaries, Zielgruppen von Entwicklungsvorhaben. 19 Swissaid in Rolle der Religion 2005 18