Religion und Praxis der EZA. Die Sicht einer kirchlichen EZA

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Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
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Religion und Entwicklung
WS 2006/2007 Ringvorlesung 140 319
6.11.2006
Heinz Hödl
Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale
Entwicklung und Mission
Religion und Praxis der EZA. Die Sicht einer kirchlichen EZA-Einrichtung
Begrüßung
Vorbemerkung
Vor etwa 50 Jahren begann in Österreich das, was wir heute
Entwicklungszusammenarbeit, Internationale Solidarität und Entwicklungspolitik nennen.
Kirchliche Organisationen starteten sehr erfolgreich Sammelaktionen gegen den
„Hunger in der Welt“. Die Katholische Jungschar führte mit dem „Sternsingen“ die größte
österreichische Sammelaktion für Mission und Entwicklungshilfe ein. Die Katholische
Frauenbewegung startet den „Familienfasttag“, die Katholische Männerbewegung die
Aktion „Bruder in Not“, die Katholische Landjugend den ersten Freiwilligendienst für die
Mitarbeit in Entwicklungsländern, um einige wichtige Beispiele zu nennen.
Wie neu dieses Thema und wie bahnbrechend diese Aktionen waren wird schon von der
Tatsache unterstrichen, dass erstmals 1952 die FAO in ihrer Studie „Die Geographie
des Hungers“ auf das Problem von Unterernährung und extremer Not in weiten Teilen
der Welt aufmerksam machte.
Die kirchliche Entwicklungsszene ist rasch gewachsen. Mit etwa 15 Organisationen
wurde 1963, also vor mehr als 40 Jahren, die „Koordinierungsstelle der österreichischen
Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission1“ gegründet. Heute hat sie
24 Mitglieder, die sowohl aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit als auch
der Mission/Internationalen Pastoralarbeit und der Humanitären Hilfe kommen. Die KOO
ist damit die einzige kirchliche Dachorganisation in Europa, die das Spektrum der NordSüd-Zusammenarbeit in dieser Breite aufweist.
1. Einleitung
Entwicklungsarbeit ist zu einem großen Teil interkulturelle Arbeit und diese Dimension
hat häufig mit Religion zu tun. Vielen Menschen und Gesellschaften ist die Trennung
von Sakralem und Säkularem fremd2.
1
Die Koordinierungsstelle ist eine Facheinrichtung der Österreichischen Bischofskonferenz, der
Mitgliedsorganisationen sowie der weiblichen und männlichen Missionsorden, die das entwicklungspolitische und
missionarische Engagement fördert, koordiniert und kontrolliert.
2
Walter Fust, Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA – Schweiz).
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Uns muss daher klar sein, dass es in der Entwicklungspolitik nicht allein ums Geld geht,
sondern zuallererst um die Schaffung entwicklungsförderlicher interner Strukturen und
weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die die Eigenanstrengungen vieler
Entwicklungsländer nicht konterkarieren. Der sozio-religiöse Kulturkontext ist sehr
wichtig und es braucht solide Kenntnis davon, um gute Entwicklungsarbeit zu leisten.
Die entwicklungsfördernden Werte von Religion und Spiritualität äußern sich auf der
Ebene des individuellen und des kollektiven Verhaltens.
Diese Erkenntnis ist für eine kirchliche Einrichtung eine ganz wichtige, die in Zukunft
noch intensiver in unsere Überlegungen und Strategien einfließen wird.
1. 2. Das Entwicklungsziel ist daher entscheidend
Wir müssen uns zuallererst über das Ziel der Entwicklung im Klaren sein:
Das Ziel der Entwicklung ist ein "Leben in Fülle" für jeden Menschen und für alle
Menschen. Dazu gehören das Verfügen über das Lebensnotwendige, das Freisein von
jeglicher Unterdrückung, die Erkenntnis und das Wissen um die Würde und die Ziele
seines Lebens, die Fähigkeit und Möglichkeit, sein Leben selbst zu gestalten und das
Leben in der Gemeinschaft mitzubestimmen, sowie die Freiheit und die Öffnung auf das
Absolute hin.
1.3. Die Situation
Wer kennt sie nicht, die erschreckenden Zahlen über die weltweit wachsende Kluft
zwischen Arm und Reich. In den letzten 40 Jahren hat sich der Abstand zwischen den
ärmsten und den reichsten Ländern verdreifacht. Aber auch innerhalb der armen Länder
öffnet sich die Einkommensschere immer weiter.
Die Ungerechtigkeit, dass Hunger in der Welt existiert, ist wahrlich eine Herausforderung
für uns alle. Ist Hunger in der Welt notwendig? Nein, denn die Erde könnte gegenwärtig
den Nahrungsbedarf jedes Menschen decken.
Die Welt des dritten Jahrtausends ist für die Reichen dieser Erde „grenzenlos“:
geografische Distanzen werden mühelos überwunden, digitale Medien ermöglichen
jederzeit jegliche Informationen und alltägliche Dinge bis hin zum Pizzaservice, „ewige“
Werte sind morgen schon „Schnee von gestern“. Die Welt des dritten Jahrtausends wird
für die Armen dieser Erde immer enger: Mehr als eine Milliarde Menschen lebt von
weniger als einem Euro täglich, 800 Millionen Menschen hungern. Neoliberale
Wirtschaftsmodelle, Naturkatastrophen und Pandemien wie HIV/AIDS bedrohen das
tägliche Überleben.
1. 4. Armutsbekämpfung - das primäre Ziel?
Armutsbekämpfung ist das primäre Ziel der internationalen Geber im neuen
Jahrtausend. Armutsbekämpfung wird immer öfter in unmittelbaren Zusammenhang mit
Sicherheitsaspekten bzw. Friedenssicherung gebracht. Daher stellen wir fest, dass
immer mehr auch militärische Interventionen als möglicher Bestandteil internationalen
Handelns akzeptiert werden. Dies wirft aus unserer Sicht grundsätzliche und zusätzliche
Fragen auf:
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Können wir es zulassen, dass die Armen im Süden zunehmend als Bedrohung
wahrgenommen werden?
Finden wir es richtig, dass der Sicherheitsgedanke zur zentralen Bezugsgröße wird und
Entwicklungszusammenarbeit gleichsam in sicherheitspolitische Überlegungen
"eingebettet" wird?
Nicht Angst darf uns bewegen, sondern die Überzeugung, dass eine andere Welt
notwendig und möglich ist.
Ist es angesichts dieser Tatsachen noch zeitgemäß von „Entwicklung“ zu sprechen?
Was heißt in dieser Situation „Entwicklung“? Wer muss hier wen „entwickeln“? Wie kann
Kirche den Prozess der Globalisierung mitgestalten?
2. Religion und Spiritualität in der Entwicklungszusammenarbeit
2.1. Religion und Spiritualität als Tabu in der EZA
In Fachzeitschriften zur Praxis der Entwicklungszusammenarbeit sind Religion und
Spiritualität als essentielle kulturelle Faktoren bis heute kaum ein Thema.
Dieses Tabu hat schwerwiegende Konsequenzen, denn viele Akteure unserer
Entwicklungsvorhaben kennen die Trennung von Säkularem und Sakralem und damit
die Dominanz der zweckrationalen Vernunft nicht, welche die westliche Moderne und
damit auch ihre Konzepte der Entwicklungszusammenarbeit geprägt hat. Die
Entscheidungen, wie und durch wen ein krankes Kind behandelt werden soll, wann und
wie Äcker zu bestellen sind und wie soziales Handeln zu planen ist, sind neben dem,
was wir als rationale Entscheidungen bezeichnen, ganz selbstverständlich auch von
ihrer Spiritualität beeinflusst3.
2.2. kirchlicher Auftrag und Selbstverständnis
Grundlage des Selbstverständnisses der kirchlichen Hilfswerke ist die Hoffnung auf eine
in Verantwortung vor Gott gestaltete gerechtere und friedensfähige Welt. Entwicklung ist
für uns ein Prozess der Befreiung von Hunger, Armut, Krankheit und Unterdrückung, der
darauf abzielt, den Armen und an den Rand Gedrängten zu ihrer Würde und ihrem
Recht zu verhelfen.
3
Anne-Marie Holenstein 2005
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2.3. Einer „integralen Evangelisierung“ verpflichtet4
Die Katholische Kirche leitet ihre weltweite Sendung aus dem Glauben an Jesus
Christus her, der gekommen ist, damit wir „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh
10,10). Er ist gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk 4,18) Jesu
Ansage dieses „Reiches Gottes“ lässt die Welt und ihre Verhältnisse nicht wie sie sind.
Darum verbindet er den Ruf, an dieses Reich zu glauben, mit dem Appell zur Umkehr.
Sie ist nicht bloß eine individuelle Bekehrung, sondern die Einladung, als seine
Jüngerinnen und Jünger am Aufbau dieses Reiches in allen seinen Dimensionen
weltweit mitzuwirken.
Der Kirche ist das Engagement für die Mission und die Entwicklungszusammenarbeit
aufgetragen. Es stellt die unverzichtbare Brücke zwischen unserer Ortskirche und der
weltweiten Kirche dar.
Teil der Weltkirche zu sein bedeutet auch, Mitverantwortung und Sorge für die gesamte
Weltkirche zu tragen. Ein Christentum, das sich in den eigenen Diözesan- oder
Pfarrgrenzen abkapselt, hätte die universale Sendung der Kirche noch nicht erkannt.
2.4. Segen und Last der Geschichte
In vielen Teilen der Welt ging die Vermittlung des Glaubens Hand in Hand mit dem
Einsatz für die Bildung und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Menschen.
Immer wieder haben Menschen durch die Jahrhunderte in allen Teilen der Welt die
Frohe Botschaft in Wort und Tat verkündet. Durch Schulen, Spitäler und andere Sozialwerke standen auch Missionarinnen und Missionare seit jeher im Dienste des
Menschen. Wir müssen allerdings bekennen und bedauern, dass auch viele Fehler
begangen wurden und die Verkündigung des Evangeliums auch anderen Interessen
gedient hat.5
2.5. Hoffnung und Neubeginn
Der christliche Glaube beinhaltet die Hoffnung auf Vergebung und Neubeginn. Jeder
einzelne Mensch und auch die Kirche ist fähig, aus positiven Erfahrungen und Fehlern
der Vergangenheit zu lernen und das eigene Handeln zu erneuern. Der kritische Blick in
die Vergangenheit macht uns auch sensibler für die Beschränktheit des eigenen
Horizontes und die Unvollkommenheit unseres heutigen Handelns. Wenige Jahrzehnte
liegt es zurück, dass (auch kirchliche!) „Dritte-Welt“-Organisationen mit einem großen
Entwicklungsoptimismus westliche Technologie und Modelle des Wirtschaftens in
andere Kontinente exportierten, ohne genügend wahrzuhaben, dass diese Modelle auf
einen Raubbau an der Natur und eine Zerstörung der Lebensräume auf der Erde
hinauslaufen.
4
Leitlinien für die Zusammenarbeit der Katholischen Kirche in Österreich mit den Partnerinnen und
Partnern in der „Dritten Welt“
5 PP Nr. 12, TMA Nr. 35 (Leitlinien für die Zusammenarbeit der Katholischen Kirche mit der Dritten Welt,
1996 Kenntnisnahme durch die Bischofskonferenz)
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So ist es in keiner Zeit den Menschen erspart, ihre „blinden Flecken“ zu haben und
Fehler zu machen.
3. Selbstverständnis und Leitlinien der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit
Die Einheit von Körper und Geist, Seele und Leib wurde in den Missionsinitiativen durch
die umfassende Entwicklungshilfe erweitert und beispielhaft verwirklicht.
Die Entwicklungszusammenarbeit verdankt ihre Entstehung neben anderen
Faktoren wesentlichen Impulsen aus dem Umbruch des traditionellen christlic hen
Missionsverständnisses. Seit den 50er Jahren begannen Missionsgesellschaften
ihren Auftrag neu zu formulieren. Mission wurde mehr und mehr als Partnerarbeit
mit den jungen Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika verstanden.
Gleichzeitig verknüpften nun führende Missionsgesellschaften ihre Tätigkeit mit
einem religiös motivierten Entwicklungsverständnis, das von den Kirchen ein
politisches, soziales und ökologisches Engagement einforderte.
Konfrontiert mit der Tatsache, dass heute viele Menschen unter menschenunwürdigen
Lebensbedingungen leiden und Strukturen der Sünde6 die Umsetzung von Gerechtigkeit
für alle verhindern, hört die Kirche nicht auf, sich für gerechte Strukturen einzusetzen
und mitzuwirken, dass sich die ganze Menschheitsfamilie zu einer geschwisterlichen
Gemeinschaft hin entwickelt.
Wesentliche Impulse gaben die Vollversammlungen des Oekumenischen Rates
der Kirchen (OeKRK) und das zweite Vatikanische Konzil in den sechziger Jahren
wo sich auch die jungen Kirchen und Theologien des Südens zum Wort meldeten.
So propagierten die päpstlichen Enzykliken „Pacem in Terris 7" und „Populorum
Progressio" das Prinzip der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen
Solidarität. 8
3.1.Über die Entwicklung der Völker „ Populorum progressio“ (1967)
"Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan": die Heilige Schrift lehrt uns auf ihrer
ersten Seite, dass die gesamte Schöpfung für den Menschen da ist.( ……) Wenn aber
die Erde da ist, um jedem die Mittel für seine Existenz und seine Entwicklung zu geben,
dann hat jeder Mensch das Recht, auf ihr das zu finden, was er nötig hat. (…)
Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien
Tausches, sind diesem Grundgesetz untergeordnet.
Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser
wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen
6
Enzyklika „Sollicitudo rei socialis (SRS) – Über die soziale Sorge der Kirche (Johannes Paul II.), 1987
7
1963 Über den Frieden unter allen Völkern
8
Vergleiche die umfassende Darstellung in: Rene Holenstein, Was kümmert uns die Dritte Welt. Zur
Geschichte der internationalen Solidarität in der Schweiz, Chronos Verlag, Zürich 1998.
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des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen
Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im
Wege steht. Das Konzil hat das ganz klar gesagt.
Beispiele für die Projektarbeit unserer Organisationen knüpfen da an, so z.B. die
Landlosenbewegung und die Landpastoral in Brasilien.
3.2. Die Güter der Erde sind für alle da.
Auch Kapital und durch Arbeit geschaffener Reichtum müssen einer wahren
Entwicklung der Menschheit dienen. Johannes Paul II war erfüllt von der Überzeugung,
dass Visionen für die Zukunft der Menschheit und konkrete Solidarität notwendig sind.
So wie der Papst den Kommunismus abgelehnt hatte, warnte er auch vor der Ideologie
des liberalen Kapitalismus. Das ist Globalisierungskritik aus christlicher Sicht:
"Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon"
Jesus von Nazareth (Mt 6,24; Lk 16,13)
3.3. Wir müssen uns als Zivilgesellschaft einmischen.
Der Papst fordert uns9 ausdrücklich auf, uns nicht abseits zu halten angesichts eines
voraussichtlichen ökologischen Zusammenbruchs, oder im Hinblick auf die Probleme
des Friedens, oder angesichts der Verachtung der menschlichen Grundrechte.10
Ein solches Engagement wird für manche ein Ärgernis sein
und zu Kontroversen herausfordern – aber auch Fragen wecken, die uns Gelegenheiten
bieten können, eine Rechenschaft aus dem Glauben zu geben.
Johannes Paul II. hat bereits 1979 gesagt: „Der Umfang des Problems führt uns zur
Prüfung der Strukturen und Mechanismen
 im Bereich der Finanzen,
 der Produktion und des Handels, die die Weltökonomie beherrschen:
insbesondere in der Landwirtschaft
sie zeigen sich unfähig, die aus der Vergangenheit überkommenen Ungerechtigkeiten
aufzufangen oder den Herausforderungen und ethischen Ansprüchen der Gegenwart
standzuhalten. 11
in NMI –Novo Millenio Ineunte, Apostolisches Schreiben vom 6. Jänner 2001
NMI 51
11 In dem sie den Menschen selbst verursachten Spannungen aussetzen, im beschleunigten Tempo die Reserven an
Rohstoffen und Energie vergeuden und den geophysischen Lebensraum schädigen, bewirken sie, dass sich die
Zonen des Elends mit ihrer Last an Angst, Enttäuschung und Bitterkeit unaufhörlich weiter ausdehnen . . . Man wird
auf diesem schwierigen Weg der unbedingt notwendigen Veränderung der Strukturen des Wirtschaftslebens nur dann
Fortschritte machen, wenn eine wahre Umkehr der Mentalität des Willens und des Herzens stattfindet. Die Aufgabe
erfordert den entschlossenen Einsatz der Menschen und Völker in Freiheit und Solidarität (Redemptor Hominis 1979
Nr. 16).
9
10
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Hunger ist kein Schicksal, er wird von der Weltwirtschaft gemacht!
3.4. Option für die Armen
Da in vielen Gebieten der Kirche des Südens, der Großteil der Menschen von Armut
geplagt wird, ist die Sorge um die Armen vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einem
wesentlichen Teil der kirchlichen Arbeit geworden. Der Grund für diese Option ist die
Überzeugung, Gott in den Armen zu begegnen. Jesus selbst identifiziert sich mit den
Hungernden und Durstenden, den Fremden und Obdachlosen und bezeichnet den
Dienst an ihnen als Dienst an ihm selbst. Der Einsatz für die Armen und
Ausgeschlossenen ist also ein zentrales Kennzeichen der Jüngerschaft Jesu
Die Diskussion um die viel zitierte Option für die Armen zielt nicht nur auf die Frage,
wie nahe oder ferne die Kirche jeweils den Armen ist und was sie dort für sie tut,
sondern ob sie auch vor und in der Gesellschaft Partei für die ergreift, die in der
globalisierten Welt von heute systematisch und systembedingt zu Millionen von einem
menschenwürdigen Leben ausgeschlossen werden.
Papst Johannes Paul II. hat in seiner Soziallehre und in vielen anderen seiner
Stellungnahmen zum einen keinen Zweifel an der Verbindlichkeit der vorrangigen Option
für die Armen für jeden Christen gelassen.
Er hat zum anderen aber auch den Neoliberalismus als ein „System, das ( . . . ) den
Gewinn und die Gesetze des Marktes als absoluten Maßstab betrachtet“ 12 massiv in
Frage gestellt.
Distanz und Nähe, Abscheu und Zuneigung, Abstand und Solidarisierung, bloßes
Almosengeben und Parteinahme für die Armen charakterisieren den Weg der Kirche
durch die Zeit und ihr Ringen um glaubwürdige Optionen und ihr Scheitern an deren
Verwirklichung.
Und trotzdem ist und bleibt die Frage, ob die christlichen Kirchen eine Option oder keine
Option für die von globalen Wirtschaftssystem Ausgeschlossenen haben
von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung.
4. Ziele und Konzepte der Entwicklung
Die Einheit von Körper und Geist, Seele und Leib wurde in den Missionsinitiativen durch
die umfassende Entwicklungshilfe erweitert und beispielhaft verwirklicht.
4.1. Das Ziel der Entwicklung
ist ein Leben in Fülle für jeden Menschen und für alle Menschen. Dazu gehören das
Verfügen über das Lebensnotwendige, das Freisein von jeglicher Unterdrückung, die
und zu „einer ideologischen Rechtfertigung von ( . . . ) Verhaltensweisen im sozialen und politischen Bereich
geworden ist, die die Marginalisierung der Schwächsten hervorruft“
12
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Erkenntnis und das Wissen um die Würde und die Ziele seines Lebens, die Fähigkeit
und Möglichkeit, sein Leben selbst zu gestalten und das Leben in der Gemeinschaft
mitzubestimmen, sowie die Freiheit und die Öffnung auf das Absolute hin.
Für uns steht der Mensch im Zentrum aller Entwicklungsbemühungen. Menschen
können nicht entwickelt werden, sie können sich nur selbst entwickeln. Aufgabe der
Gesellschaft ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer Entwicklung
möglich wird.
Das Ziel des entwicklungspolitischen Handelns ist für uns, Hemmfaktoren abzubauen
und Freiräume zu schaffen, um damit besonders die Entwicklungschancen der am
meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern - aber auch
in den Industrieländern - zu verbessern.
Unsere Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern geht von einer ganzheitlichen
Sicht des Menschen aus, in der die spirituelle und die materielle Dimension untrennbar
zusammengehören. Ungeachtet dessen kann in der konkreten Arbeit die Setzung
eigenständiger Schwerpunkte sinnvoll sein.
4.2. Konzept einer „nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung“
Die Wirtschaftswissenschaft hatte bis vor kurzen weder theoretische Konzepte noch
empirische Indikatoren zur Verfügung, um eine nichtnachhaltige Entwicklung zu
diagnostizieren: Der Ökonom Hermann Daly, Kritiker der neoklassischen
Umweltökonomie, bemerkte mit beißenden Spott, Ökonomen seien Menschen, die sich
auf der Titanic Gedanken über die optimale Nutzung der Liegestühle machten –
beschäftigt mit drittrangigen Fragen statischer Allokation, seien sie blind für die Gefahr
des drohenden Untergangs. Seither hat die Wirtschaftswissenschaft dazugelernt und
sowohl theoretische als auch empirische Konzepte der Nachhaltigkeit entwickelt, die
nicht nur bei der Entdeckung von Eisbergen helfen, sondern auch das Wissen
bereitstellen wollen, um den Tanker Wirtschaft an diesem Eisbergen vorbeizusteuern13.
Vieles, was die Weltbank in früheren Zeiten als Kostensenkung im Gesundheits- und
Bildungswesen gefordert hat, wird nun von ihr selbst als unterlassene Investitionen und
damit als Substanzverzehr gewertet.14
Für uns kommen daher nur Entwicklungskonzepte in Frage, die die Mängel
herkömmlicher Wachstumsstrategien vermeiden. Insbesondere orientieren wir uns am
Konzept einer „nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung“, die die Bedürfnisse in
der Gegenwart befriedigt, ohne jedoch künftigen Generationen die Lebensgrundlagen
zu entziehen. Entwicklungsmaßnahmen, an denen wir uns ideell und materiell
beteiligen, dürfen nur unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte gesetzt werden. Es
geht darum, Entwicklung so zu gestalten, dass sie sowohl für den Menschen als auch
für die Umwelt verträglich ist. (es geht um die Umwelt und um die Mitwelt 15).
13
Der Klimawandel: deutsche Bischofskonferenz 2006
J. D. Sachs, Das Ende der Armut. Ein ökonomisches Programm für eine gerechtere Welt (Bonn 2005)
15 Bischof Erwin Kräutler, Brasilien
14
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Dazu gehört ein Handeln aus der Einsicht, dass Wirtschaftswachstum Grenzen hat und
nicht automatisch mit einer Steigerung der Lebensqualität gleichzusetzen ist.
4.3. Eigeninitiative fördern
Von Anfang an will kirchliche Entwicklungszusammenarbeit wesentliche Unterstützung
zur Eigeninitiative sein. Sie soll die Armen befähigen, ihre Anliegen und Vorstellungen
selbst mit Nachdruck vorbringen zu können, selbst stark genug zu werden, um die
notwendigen Veränderungen durchzusetzen, die ihnen ein menschenwürdiges Leben
ermöglichen. Dies geht von der Einsicht aus, dass die Veränderung der Zustände nicht
vorrangig durch ausländische Hilfe, sondern vor allem durch eigenes Handeln erreicht
werden kann.
4.4. Partnerschaft und Partizipation
In der Entwicklungszusammenarbeit sind Partnerschaft und Partizipation die
Gegenbegriffe zu bloß paternalistischer oder assistentialistischer Hilfe. Sie zielen darauf
ab, die Zusammenarbeit mit den Organisationen der Armen von aller Bevormundung
und Besserwisserei wie auch von passiven Empfängermentalitäten freizuhalten.
Dezentralisierung, demokratische Entscheidungsprozesse und Transparenz zählen zu
ihren Kennzeichen.
Projektverantwortliche sollten immer wieder die Möglichkeit haben, in die
Lebenswirklichkeit der Akteure/ Begünstigten einzutauchen, an Ritualen teilzunehmen,
ihre Agrar- und Esskultur zu verstehen suchen, die materielle und spirituelle
Dimensionen hat. Das scheitert leider meistens an unseren überladenen
Reiseprogrammen. Warum nehmen wir uns die nötige Zeit nicht? Warum verhindern die
Reiseprogramme die geduldige Annäherung? Hat das mit quasi-religiösen
Wertvorstellungen der Entwicklungszusammenarbeit von Effizienz zu tun?
4.5. Subsidiarität
Sowohl die Arbeit in den Industriestaaten wie in den Entwicklungsländern als auch die
Zusammenarbeit zwischen beiden soll dem Grundsatz der Subsidiarität folgen: Was
der/die Einzelne oder eine kleine Gemeinschaft aus Eigeninitiative oder aus eigenen
Kräften leisten kann, soll ihnen nicht durch die übergeordnete Einheit entzogen werden.
Die größere Gemeinschaft darf und muss aber unterstützend eingreifen, wenn die
kleinere die Aufgaben, die für das Wohl ihrer Mitglieder erfüllt werden müssen, nicht
mehr leisten kann.
5. Die Bereiche unserer Arbeit
Projekte und Programme sind so anzusetzen, dass sie nicht nur kurzfristig wirken,
sondern auch die Strukturen beeinflussen, sodass die erreichte Veränderung auf Dauer
wirken kann.
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Solange die derzeitigen Weltwirtschaftsstrukturen bestehen, ist die Förderung unserer
PartnerInnen notwendig und sinnvoll, weil sie wenigstens im lokalen Bereich hilft,
Veränderung zu initiieren. Wir sind uns bewusst, dass unsere Projektförderung nur
kleinräumige Veränderungen bewirkt. Mit Blick auf die globale Situation setzen wir uns
für Veränderungen im individuellen und gesellschaftlichen Bereich auf der ganzen Welt
ein.
5.1. Bildungs- und Informationsarbeit, Anwaltschaft und Lobbyarbeit
Neben unserer Förderung konkreter Entwicklungsprojekte gewinnen die
entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit sowie Anwaltschaft und
Lobbyarbeit eine immer größere Bedeutung. Es wird heute immer wichtiger, bei
politischen Entscheidungen in Österreich oder in internationalen Gremien, in denen
Österreich vertreten ist, die Interessen der Menschen in den Entwicklungsländern
einzubringen. Dazu ist die Vermittlung von Wissen und die Förderung eines kritischen
Bewusstseins sowie eine darauf beruhende Einflussnahme auf
EntscheidungsträgerInnen notwendig.
Unsere Bildungs- und Informationsarbeit will das Bewusstsein fördern, Teil einer
Weltgesellschaft und einer Weltkirche zu sein.
Sie will dazu motivieren, für die Verwirklichung einer gerechteren Weltordnung und für
die Ermöglichung eines spirituell-religiösen Lebens Mitverantwortung zu tragen. Daraus
soll eine Bereitschaft zu solidarischem Handeln erwachsen. Durch gemeinsames
politisches Engagement (Anwaltschaft/Lobbyarbeit) soll den Anliegen der
Benachteiligten mehr Gewicht verliehen werden.
5.2. Die Entwicklungszusammenarbeit
Unsere Entwicklungszusammenarbeit hat sich die Befriedigung der menschlichen
Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, Arbeit, politische
Menschenrechte) vor allem der Armen und Unterdrückten zum zentralen Anliegen
gemacht. Das bedeutet, dass das In-die-Lage-Versetzen - die „Ermächtigung“
(empowerment) - der Armen, ihre Lebensbedingungen selbst zu verbessern, und die
Beeinflussung von Rahmenbedingungen gleichermaßen Ziele unserer Arbeit sein
müssen.
Daneben verlangt auch die Situation der Kinder und Jugendlichen weltweit ein
verstärktes Eintreten für ihren erhöhten Schutz, die Durchsetzung ihrer Rechte und die
Förderung ihrer Lebenschancen.
Die fortdauernde Diskriminierung und Lebensbedrohung der Nachkommen der
UreinwohnerInnen und ethnischen Gruppen erfordern ebenfalls Schutzmaßnahmen und
eine wirksame Minderheitenförderung, damit sie ihre soziokulturelle Eigenständigkeit
bewahren und ihr traditionelles Erbe pflegen können.
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6. Die Partnerinnen und Partner unserer Arbeit
PartnerInnen als TrägerInnen ihrer Entwicklung
Wir arbeiten mit organisierten Gruppen von Frauen und Männern zusammen, die das
Elend, die Ausgrenzung und die Armut bekämpfen und sich gewaltfrei für Frieden,
Gerechtigkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung einsetzen.
Unser Angebot steht grundsätzlich allen Menschen guten Willens offen, unabhängig von
Rasse, Geschlecht und Religionszugehörigkeit.
Partnerschaft beruht auf gemeinsamen Zielvorstellungen, die im Dialog konkret
ausgestaltet werden müssen. Wichtige Kriterien dafür sind für uns eine wirksame
Armutsminderung sowie die entwicklungspolitische Effektivität. An ihnen hat sich sowohl
das Handeln unserer PartnerInnen als auch die Förderpraxis der Organisationen der
Katholischen Kirche in Österreich zu bewähren.
6.1. Katholische Ortskirchen, Ordensgemeinschaften und andere
Als organisierte VertreterInnen der Katholischen Kirche sehen wir in den Ortskirchen
(Bischöfe, Priester, Ordensleute und LaienchristInnen) und Ordensgemeinschaften
vorrangige Partnerinnen unserer Zusammenarbeit. Ihre Entwicklungs- und
Pastoralprogramme sind zentraler Bezugspunkt für unsere Maßnahmen, auch wenn
dies unter Umständen einen für beide Seiten mühsamen Dialog mit sich bringt. In der
Förderung pastoraler und missionarischer Anliegen kooperieren wir eng mit den
offiziellen kirchlichen Stellen.
Entwicklungs- und Pastoralzusammenarbeit bedeutet für uns aber auch die
Zusammenarbeit mit anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Für uns ist der
interreligiöse und interkulturelle Dialog ein wichtiges Anliegen.
6.2. Nichtregierungsorganisationen in den Entwicklungsländern
Unsere PartnerInnen in der Zusammenarbeit sind vorrangig organisierte Gruppen,
Gemeinschaften und Institutionen, die sich als Nichtregierungsorganisationen verstehen.
Sie streben soziale Veränderungen gewaltfrei an und beteiligen die Betroffenen an den
Entscheidungsprozessen. Wir sind aber auch zur Zusammenarbeit mit öffentlichen
Stellen bereit, wo sich dies aufgrund der besonderen Umstände als sinnvoll erweist.
6.3. Öffentliche Stellen in Österreich und internationale Organisationen
Wir bemühen uns um eine gute Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen in Österreich,
die für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig sind, weiters mit der Europäischen
Union und mit anderen internationalen Einrichtungen. Die Ergebnisse einer solchen
Zusammenarbeit dürfen unseren Grundsätzen nicht widersprechen. Auch darf durch
unsere Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen in Österreich unsere Unabhängigkeit
nicht beeinträchtigt werden.
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Wir streben für die Projekte unserer PartnerInnen eine Kofinanzierung mit Bund und
Ländern in Österreich an. Dabei betrachten wir uns nicht als
SubventionsempfängerInnen, sondern als VermittlerInnen von finanziellen Förderungen
an Partnerorganisationen. Wir erfüllen damit eine Funktion, die der österreichische Staat
bzw. die EU nicht unmittelbar erfüllen kann.
6.4. Nichtregierungsorganisationen in Österreich
Bei unseren Tätigkeiten im eigenen Land wollen wir mit allen Menschen
zusammenarbeiten, die sich wie wir gegen Hunger, Armut, Ausgrenzung und
Unterdrückung einsetzen. Wir bemühen uns auch um eine verstärkte Vernetzung und
Koordination mit allen kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen, die in gleichen
oder ähnlichen Bereichen tätig sind, allein schon deswegen, weil viele Ziele nur
gemeinsam erreicht werden können.
7. Solidarisches Handeln als christlicher Auftrag
Die katholischen Organisationen für Mission und Entwicklung sehen ihren Auftrag nicht
nur in der Betreuung von Projekten und in der Spendenrequirierung, sondern in ganz
besonderer Weise in der Bildungsarbeit und Anwaltschaft. Hierbei werden
entwicklungspolitische Themen aufgegriffen, die in Schulen, außerschulischer Kinderund Jugendarbeit und Erwachsenenbildung eingebracht werden. Darüber hinaus
werden unterschiedlichste Formen der missionarischen Bewusstseinsbildung praktiziert.
Diverse Veranstaltungen, Publikationen und festliche Aktivitäten bringen diese Anliegen
zur Geltung.
Oftmals kommt es sowohl bei der Bildungsarbeit als auch beim anwaltschaftlichen
Engagement zu einem geplanten gemeinsamen Auftreten der katholischen
Organisationen. Innerhalb der KOO werden Schwerpunktthemen abgestimmt und zu
gemeinsamen Kampagnen verdichtet. So geschehen beim Lobbying zur
Verschuldung/Entschuldung/Finanzierung von Entwicklung oder bei der
„nullkommasieben“ Kampagne für eine ausreichende, nachhaltige und
partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit.
Vielfach engagieren sich einzelne Organisationen zusammen mit anderen NichtRegierungsorganisationen für ein bestimmtes Anliegen.
7.1. Handlungsansätze
Der Mensch steht im Zentrum der Entwicklungsbemühungen der Kirche. Es geht daher
um die




Schaffung von Erfahrungsmöglichkeiten für gelebte Solidarität mit den Armen
Bildung von Gruppen, die ihren Lebensstil weltgerecht leben wollen
Entwicklung von Modellen für Menschen, die sich für eine gerechtere Welt
engagieren wollen
einladen, missionarisches Bewusstsein in Gemeinschaft einzuüben
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Wir müssen voneinander lernen
In vielen Pfarrgemeinden leiden Menschen unter nicht erlebbarer Solidarität mit den
Armen der Welt und sind bereit,
über die Unterstützung von Spendenaktionen hinaus
weltweite Geschwisterlichkeit zu üben, um das durch Jesus
für die Menschen erwirkte Heil nicht nur zu feiern,
sondern ins Leben zu übertragen.
„Global denken – lokal handeln!“ muss daher für uns ChristInnen erweitert werden zu
„Weltkirche denken – in der Pfarre handeln!“ Die Pfarren in Österreich sind jetzt schon
führend im „Eine Welt“-Engagement. Doch es gibt weiterhin noch viel zu tun, um zu
einer gerechteren Welt und zu einem friedlichen Zusammenleben aller Menschen
beizutragen.
Das Bewusstsein, in „Einer Welt“ zu leben und weltweit mit unseren Geschwistern zu
teilen – kulturell, sozial, spirituell, materiell – entwickelt sich in der Pfarre nicht von
selbst: Wir müssen uns dafür einsetzen, wir müssen Entwicklungspolitik und Weltkirche
regelmäßig zum Thema machen!
7.2. Beispiele
a. Eine Welt Bewusstsein fördern
Entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist darauf ausgerichtet, den eigenen Horizont zu
erweitern, vom kulturellen und sozialen Reichtum anderer Völker zu lernen, die üblichen
Klischees zu durchbrechen, Kommunikation zu ermöglichen und Einblicke in globale
Zusammenhänge zu erhalten.
Die vertiefte Auseinandersetzung mit Weltkirche und Entwicklungspolitik umfasst eine
ganze Reihe an Bildungsaktivitäten: Vom Erlebnisbericht von Menschen, die aus
Entwicklungsländern kommen oder dort gelebt haben, bis hin zu einer thematischen
(Foto) – Ausstellung; von einer informativen Diashow bis hin zu einem Planspiel; von
einer Filmvorführung bis hin zu einem entwicklungspolitischen Workshop.
b. Mit Kindern und Jugendlichen pädagogisch tätig werden
Inhalte zu Weltkirche und Entwicklungspolitik müssen für Jugendliche anders
„verpackt“ werden, damit sie auf fruchtbaren Boden fallen. Die Jugendlichen mit der
speziellen Gestaltung dort abholen, wo sie stehen, ihre eigene Jugend-Kultur zu
berücksichtigen, das ist die Herausforderung dieser Angebote.
Bei Kindern geht es vor allem darum, bei der kindlichen Neugier und Offenheit
anzusetzen und auf spielerische Weise einen positiven und lustvollen Zugang zu
anderen Kulturen zu finden. Je früher das Bewusstsein der „Einen Welt“ geweckt wird,
desto besser und nachhaltiger werden die üblichen Klischees durchbrochen.
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Die Schule bietet von ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag her optimale
Möglichkeiten, sich mit anderen Kulturen, mit globalen Zusammenhängen, mit der
Geschichte, mit anderen Religionen, ... zu beschäftigen – entsprechend der Lehrinhalte
der jeweiligen Fächer oder (noch besser) als übergreifender Projektunterricht. Darüber
hinaus kann die Auseinandersetzung bis hin zu Schulpartnerschaften, unterschiedlichen
Aktionsmöglichkeiten in der Schule und im Umfeld oder der finanziellen Unterstützung
für bestimmte Hilfsprojekte vertieft werden.
KOO-Mitgliedsorganisationen bieten für den pädagogischen Bereich zahlreiche Ideen,
Beratung und Materialien.
c. An Begegnungsreisen teilnehmen
Das beste Verständnis von anderen Kulturen wird dann erreicht, wenn man die
Menschen vor Ort besucht und eine Zeit lang mit ihnen lebt. Voraussetzungen sind
neben einer guten Vorbereitung soziale Kompetenzen. Erlebnisse abseits der
Touristenpfade machen direkte und authentische Erfahrungen möglich, als wertvollen
Kontrast zur eigenen Kultur. Wenn der/die Reisende dann zu Hause von seinen
Erfahrungen berichtet (z.B. mit Dias), werden diese für die ganze Pfarre fruchtbar.
Begegnungsreisen werden von den KOO-Mitgliedsorganisationen für unterschiedliche
Destinationen, Dauer und Zielgruppen angeboten. Andere bieten Gruppen und
Einzelreisenden im Vorfeld eine Beratung an.
Begegnungsreisen finden auch in „umgekehrter Richtung“ statt, wenn Menschen aus
Entwicklungsländern Menschen in Österreich besuchen und Begegnung hier stattfindet.
8. Die Leistung der Katholischen Kirche für Mission und Entwicklung 2005
8.1. Der Jahresbericht
wurde aus der Zusammenfassung von insgesamt 3.731 Projekten (Vorjahr: 3.836
Projekte) in 108 Ländern erstellt. Die Gesamtleistung von € 90 Mio. ist um 4,7 % höher
als die Gesamtleistung des Jahres 2004 (€ 86 Mio.).
Die öffentlichen Mittel sind von € 14,7 (2004) auf € 16,5 Mio., das sind 12,2 %,
gestiegen. Die Eigenmittel (privaten Mittel) sind gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % auf €
73,5 Mio. gestiegen (2004: € 71,3 Mio.).
Dass Projekte wirksam und verantwortungsvoll unterstützt werden können, verlangt
jedoch auch: Projektvorbereitung, Projektbegleitung und Verwaltung. Weiters fallen
Kosten an für Spendenwerbung und Spendensammlung. Für die Projektvorbereitung
und -begleitung wurden € 4,6 Mio. aufgewendet, das sind 5,1 % der Gesamtleistung, auf
den Verwaltungsaufwand entfielen € 3,2 Mio. oder 3,6 %. Die Aufwendungen für
Spendenwerbung und Spenderbetreuung lagen bei € 3,1 Mio. (3,4 %) und entsprechen
ziemlich genau denen des Vorjahres.
Auf die Leistungen der Projektarbeit entfielen € 79,13 Mio., davon wurden:
€ 15,3 Mio. für internationale Pastoralarbeit, das sind 19,32 % - ausschließlich
Eigenmittel,
Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
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€ 45,3 Mio. für Entwicklungshilfe, das sind 57,2 % – davon 39,6 % Eigenmittel und 17,6
% öffentliche Mittel); € 14,6 Mio. für die Katastrophenhilfe, das sind 18,44 % – davon
17,25 % Eigenmittel und
1,19 % öffentliche Mittel und € 3,99 Mio. für die Bildungsarbeit, das sind 5,0 % – 4,37 %
Eigenmittel und 0,63 % öffentliche Mittel - aufgewendet.
Der Grund für die starke Verschiebung zugunsten der Katastrophenhilfe liegt bei der
Flutkatastrophe Tsunami Ende 2004, die auch für die kirchlichen Organisationen nicht
nur eine Steigerung der Katastrophenhilfe, sondern auch eine stärkere Konzentration
ihrer Mittel im Katastrophengebiet nach sich zog. Neun Millionen Euro, das ist fast die
gesamte Erhöhung der Katastrophenmittel, wurden im Berichtszeitraum in Indien,
Indonesien und Sri Lanka, drei stark vom Tsunami betroffene Länder, eingesetzt. Die
öffentlichen Mittel wurden auch 2005 wie in den Vorjahren vorwiegend für
Kofinanzierung eingesetzt, also zusammen mit Eigenmitteln.
8.2. Entwicklungspolitische Inlandsarbeit: Bildungsarbeit, Anwaltschaft und Information
Schwerpunkte der Bildungsarbeit 2005 waren die „Millenniums-Entwicklungsziele
(MDGs) und ihre Umsetzung“. Wir haben die Millenniumsziele der UNO auf ihre
Realisierbarkeit überprüft und mögliche Handlungsspielräume und Alternativen
aufgezeigt bzw. erarbeitet.
a. Die nullkommasieben Kampagne
bekam im Jahr 2005 neuen Schwung. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die
internationale Vernetzung v.a. im Rahmen der CIDSE. Das Engagement der KOO und
ihrer Mitgliedsorganisationen trug entscheidend zum Erfolg der Kampagne bei: durch
das Sammeln von mehr als 31.000 Unterschriften im Rahmen einer Postkartenaktion an
Bundeskanzler Schüssel und durch Einladung von Kardinal Oscar Andres Rodriguez
Maradiaga aus Honduras, der als Stimme des Südens wertvolle Arbeit im Lobbying
leistete und die Medien aufmerksam machte. Erreicht wurde ein Bekenntnis der
Österreichischen Bundesregierung 0,7 % des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bis
2015 zur Verfügung zu stellen.
b. Entwicklungsfinanzierung und Entschuldung:
Neben der Debatte um eine Erhöhung der EZA Mittel standen unter dem Stichwort
„Effektivität der Hilfe“ auch neue Finanzierungsmodalitäten im Zentrum. Die KOO
beteiligte sich daher federführend an der Erarbeitung einer Position zum Thema
Budgethilfe auf Basis einer Befragung in Partnerländern und dem Dialog dazu mit dem
Außen- und Finanzministerium.
Das Jahr 2005 war durch die Vorbereitungen zur 6. WTO-Ministerkonferenz geprägt, die
Ende des Jahres in Hong Kong stattfand. Die KOO hat im Zuge dessen ein
Grundsatzpapier zu den Agrarverhandlungen erstellt, das auch vom österreichischen
Bauernbund, der Landwirtschaftskammer, den Rübenbauern und der AGEZ unterstützt
wurde (“Gemeinsame Erklärung zu den WTO Agrarverhandlungen“). Daraus entwickelte
Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
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sich eine Kooperation, die versuchte die Betroffenen an der Basis zu informieren und
Stimmung für einen gerechten Handel zu machen.
Zu diesen Themen kooperierte die KOO international mit den verschiedensten
Netzwerken und Nichtregierungsorganisationen – am intensivsten im Rahmen der
katholischen Dachorganisation CIDSE.
8.3. Die KOO als Serviceorganisation: Grundsatzarbeit, Statistik Austria,
Parlament
Schwerpunkte der Arbeit sind die Befassung mit dem Themen Mission (Beispiele:
Handbuch, Missionspapier, Studientagung mit den Bischöfen, Weiterbildung für
Mission), Entwicklung, Armutsbekämpfung, internationale Entschuldung,
Entwicklungsfinanzierung und globaler Handel und Landwirtschaft. Weitere konkrete
Beispiele sind: Spendenabsetzbarkeit, Spendengütesiegel, Jahresbericht,
Konsulargebührengesetz, Migration und Entwicklung, Statistik Austria/Devisengesetz,
u.a..
Folgende Grundsatz – und Positionspapiere wurden von der KOO federführend erstellt:
 Entschuldung
 Handbuch für Mission und Entwicklung
 Missionspapier in Erarbeitung
 Devisentransaktionssteuer (Tobin Tax)
 Gemeinsame Erklärung zu den WTO Agrarverhandlungen
 Kampagne: Faire Spielregeln für weltweiten Agrarhandel
 Gerechtigkeit statt Almosen – Grundsätze
 Der Global Marshall Plan – eine Position
 Schattenbericht zu den Millennium Entwicklungszielen
 Thema Budgethilfe in der EZA
 Forderungen an das Ausfuhrförderungsgesetz
 Mehr Kooperation, weniger Freihandel – anlässlich des EU-LA Gipfels
9. Projekt - Länderbeispiele16
9.1. Sri Lanka - Für den Frieden im „Paradies“
Die Geschichte Sri Lankas ist gekennzeichnet von Kriegswirren. Der Streit zwischen der
Bevölkerungsmehrheit der überwiegend buddhistischen SinghalesInnen (74%) und den
hinduistischen TamilInnen (18%) um die Aufteilung der Tropeninsel hat sich bereits in
der Kolonialzeit angebahnt. Die Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien führte zu
immer weiteren ethnisch motivierten Zusammenstößen und zur Absetzung der
Nationalsprache Englisch. Ab diesem Zeitpunkt wurde Sinhala zur Nationalsprache
erklärt, und somit waren die TamilInnen Analphabeten im eigenen Land und sahen sich
selbst als Bürger zweiter Klasse. Die hinduistischen TamilInnen, die vor allem im Norden
16
Dreikönigsaktion Bericht www.dka.at
Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
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und Osten von Sri Lanka leben, fühlen sich von der singhalesisch-buddhistischen
Bevölkerungsmehrheit religiös und kulturell unterdrückt.
Die heutigen ArbeiterInnen im Teeplantagensektor sind Nachfahren jener
„GastarbeiterInnen“, die von den Briten im 19. Jahrhundert aus Südindien für die Arbeit
auf den Teeplantagen Sri Lankas geholt wurden. Von Beginn an verhinderten die
Plantagenbesitzer den Aufbau guter Beziehungen zwischen den heimischen
SinghalesInnen und den zugewanderten TamilInnen. In der Zentralprovinz von Sri
Lanka gehören 85 % der Bevölkerung zu den PlantagenarbeiterInnen.
Die PlantagenarbeiterInnen waren und sind von den PlantagenbesitzerInnen abhängig
und haben kaum Rechte. Die Sozialleistungen für diese Menschen werden nicht vom
Staat erbracht, sondern liegen in der Hand des Plantagenmanagements (wie etwa
Schulbildung, Unterkunft und Gesundheitsleistungen). Viele der PlantagenarbeiterInnen
haben keine Staatsbürgerschaft und besitzen kein Land, sondern leben in von der
Plantage zugewiesen Gebäuden oder siedeln illegal auf ungenutztem Land.
Das Hochland Sri Lankas war zwar nicht unmittelbare Kriegsregion während der zwei
Jahrzehnte des Bürgerkriegs, aber da die ArbeiterInnen vorwiegend TamilInnen sind,
war die Situation in der Region von ständigem Terror aller Kriegsparteien
gekennzeichnet. Viele soziale Probleme – wie auch die Kinderarbeit – wurden während
der Kriegsjahre kaum thematisiert.
Der Bürgerkrieg, der in fast 20 Jahren 65.000 Menschen das Leben gekostet hat, wurde
2004 von einem Waffenstillstandsabkommen beendet. Seit den Präsidentschaftswahlen
im November 2005 ist dieses Waffenstillstandsabkommen jedoch mehr als brüchig
geworden. Die Situation in Sri Lanka eskaliert. Es gibt neue Attentate der LTTE
(Liberation Tigers of Tamil Eelam, tamilische Befreiungsarmee), und ihre Stellungen
werden von der srilankesischen Regierung beschossen. Der neue Präsident Mahinda
Rajapakse steht für die nationale Philosophie „Eine Sprache, eine Religion, ein Staat“
und für die Überzeugung, dass nur die buddhistische Sinhala sprechende Mehrheit
durch ihre Kontrolle über die Minderheit den Frieden garantieren kann. Heute gibt es
wieder fast täglich politische Morde und Anschläge. In dieser Situation des nicht
deklarierten Krieges arbeiten die ProjektpartnerInnen der Dreikönigsaktion für die
Rechte von Minderheiten und gegen Gewalt. Die Projektgebiete liegen daher auch
vorwiegend in diesen sensiblen Regionen, im Norden, Osten und in den
Plantagengebieten der Insel.
Die Dreikönigsaktion unterstützt dringend notwendige Vorhaben in Sri Lanka:




Friedenserziehung durch gemeinsame Friedenscamps für Jugendliche aller vier
Bevölkerungs- und Religionsgruppen: SinghalesInnen, TamilInnen, MuslimInnen
und BurgherInnen
Interreligiöser und interethnischer Dialog
Praktische Unterstützung im Friedensprozess im Norden und Nordosten durch
vertrauensbildende Maßnahmen
Rechsthilfe für PlantagenarbeiterInnen durch die Bildung von Basisgruppen und
Netzwerkarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen. Im Programm
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

- 18 -
„The village, the Estate and the Region“ (das Dorf, die Plantagen und die Region)
wird der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen (in den Dörfern
=SinghalesInnen, in der Plantage = TamilInnen) gefördert. Aufbau von ModellSiedlungen, wo SinghalesInnen und TamilInnen zusammen leben.
Arbeit mit Witwengruppen (Kriegswitwen und Witwen in folge des Tsunami)
Langfristige Wiederaufbaumaßnahmen
Die Dreikönigsaktion unterstützt in Sri Lanka 2006 8 Projekte mit einer Jahressumme
von 90.000,- €Euro, einige davon wurden durch die Flutwelle vom 26.12.2004 wieder
vor das Nichts gestellt. Die Dreikönigsaktion unterstützt daher auch 3
Tsunamiwiederaufbauprojekte mit einer Summe von 160.000,- Euro:

Friedens- und Menschenrechtsprogramme (Hauptzielgruppen Frauen, Kinder und
Jugendliche)

Peoples Association for Peace and Development, Batticaloa: Friedensworkshops
für Jugendliche, Einkommen schaffende Programme für Witwengruppen
Zivilrechts- und Menschenrechtstraining: Durch das Ausbildung von
Resourcepersonen von Polizei und lokalen VerantwortungsträgerInnen wird
versucht einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Menschenrechtssituation
in den ehemaligen Kriegsgebieten zu setzen.
Kandy: Abschaffung von Kinderarbeit auf den Teeplantagen und Friedensprojekt
durch die Förderung der Kinderrechte, Stärkung der Frauen, friedliches
Zusammenleben und Friedenskultur
CLC (Christian Life Community, Batticaloa): Ganzheitliches Trainingsprogramm




Gesundheitsprogramm in 38 Dörfern in der ehemaligen Kriegsregion im Osten Sri
Lankas. Förderung traditioneller Medizin

Wiederaufbauarbeit nach der Tsunamikatastrophe. Wiederaufbau von 40
Häusern, Psychologisches Programm für Schulkinder und und Nachhilfe für
SchülerInnen im (ehemaligen) Kriegsgebiet nach dem Tsunami. (Christian Life
Community Batticaloa): Psycho-soziale Rehabilitation und Friedensprogramm für
Tsunamiopfer
Überall in Lateinamerika, in Afrika und Asien, wo die Dreikönigsaktion Projekte
durchführt, sind engagierte Projektpartner vor Ort für uns im Einsatz. Sie stehen in
unmittelbaren Kontakt mit den Menschen, kennen ihre Sorgen und Nöte und wissen, wo
Hilfe am nötigsten ist.
9.2. Philippinen: Entwicklung durch Bergbau?
Die philippinische Regierung hat die Nutzung (Ausbeutung?) der reichhaltigen
natürlichen Ressourcen (z.B. Gold, Kupfer) des Landes zu ihrer primären
Entwicklungsstrategie gemacht. Dabei setzt sie verstärkt auf ausländische Investoren,
meist Multinationale Konzerne. Vergangene Erfahrungen haben gezeigt, dass mit
derartigen Bergbauprojekten oft eine Vertreibung der lokalen Bevölkerung, ohne dass
diese angemessen entschädigt würde, und verheerende Folgen für die Umwelt und
Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
- 19 -
damit auch die Menschen (Beeinträchtigung der Gesundheit und Landwirtschaft)
einhergehen. Vom 19. – 23. Juli 2005 kamen 60 ProjektpartnerInnen der
Dreikönigsaktion zu einer Konferenz in Baguio City zusammen, um Erfahrungen
auszutauschen und gemeinsame anwaltschaftliche Maßnahmen für die betroffene
Bevölkerung zu entwickeln. Die philippinische Bischofskonferenz hat im Jänner 2006 die
Regierung dazu aufgerufen, alle Bergbaukonzessionen zurückzuziehen und keine
neuen mehr zu erteilen.
Vom eigenen Reisfeld leben - Informationen zum Projekt
Die Bauerfamilien im Norden der Philippinen leiden unter der dramatischen
Umweltzerstörung. Illegale Abholzung der Wälder und Ausbeutung der Bodenschätze
bedrohen die natürliche Lebensgrundlage der Menschen. Die Profitgier internationaler
Konzerne erzeugt Armut!
Umweltzerstörung trifft alle: Die Region St. Ana ganz im Norden der Philippinen könnte
leicht ihre BewohnerInnen ernähren. Es gibt große Reisfelder, ein fischreiches Meer,
Flüsse für die Bewässerung und waldreiche Berge. Trotzdem leben viele der Menschen,
Bauern- wie Fischerfamilien, in Armut. Die Schätze der Landschaft, die natürlichen
Ressourcen, sind nämlich für die Menschen vor Ort zum Fluch geworden.
Die illegale Abholzung der Wälder, gefragt ist v.a. das sehr teure Holz des NarraBaumes, hat fatale Folgen für die natürliche Umwelt. Durch die Erosion des Bodens wird
das Wasser in der Taifun-Saison nicht mehr zurückgehalten, es kommt immer wieder
und verstärkt zu dramatischen Überflutungen der Felder und Ortschaften.
Auch die Politik der Regierung wendet sich gegen Mensch und Umwelt. Begünstigt
werden große Konzerne, die ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung Bodenschätze
abbauen und fruchtbares Land für ihre Industrieanlagen in Beschlag nehmen: Profitgier
auf Kosten der lokalen Bevölkerung.
Von der Vision zur Tat: Die Bauernfamilien der Region eint eine Vision, die sie in
einem gemeinsamen Projekt realisieren: Die Kinder, Frauen und Männer von St. Ana
sollen sich auf ihrem Land mit allem, was zum Leben nötig ist, selbst versorgen können.
Projektleiterin Tina Genese bringt es auf den Punkt: „Durch das Sternsinger-Projekt
entdecken die Bauernfamilien wieder ihre Stärken - den Wert von indigenen
landwirtschaftlichen Techniken, die Bedeutung von organisierten Gruppen, ihre Würde
als Einzelpersonen und den Respekt vor der gesamten Schöpfung.“
Die lokale und regionale Vernetzung der BäuerInnen ist von großer Bedeutung. Nur
gemeinsam als Gruppe behaupten sie sich gegen die Profitinteressen der Konzerne und
gegen die Willkür der staatlichen Stellen. Die gegenseitige Unterstützung gibt ihnen
auch die Kraft, um für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu
kämpfen. Die BäuerInnen erhalten fundierte Unterstützung, um von chemischkonventioneller auf biologische Landwirtschaft umzusteigen. Mit Reisanbau, aber auch
mit Gemüse, Tierhaltung und Fischzucht können sich die Bauernfamilien selber
ernähren. Der Überschuss wird auf dem Markt verkauft, um sich mit allem
Lebensnotwendigen zu versorgen. Speziell für Frauen werden Workshops für
Vorlesung Heinz Hödl 6.11.2006
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Kinderhygiene und Gesundheit abgehalten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den
kulturellen Schatz der traditionellen Heilmethoden gelegt.
10. Abschluss
Die Praxis der Entwicklungszusammenarbeit hat mit viel komplexeren
Verhältnisbestimmungen von Religion und Kultur zu rechnen als dies die
westeuropäischen Konzepte und unser Sprachgebrauch suggerieren. In der
Zusammenarbeit mit Partnern 17 und Akteuren 18 sollten wir grundsätzlich nicht von
der Isolierbarkeit eines Faktors Religion vom allgemeinen Lebenskontext
ausgehen.
Hanspeter Finger19 stellt fest: „Für praktisches Handeln bleiben intellektuelle Disziplin
und Fachkenntnis die Grundlage, aber angereichert mit dem intuitiven Wissen um die
Grenzen des Machbaren und offen für eine umfassendere Realität, was uns befähigt,
mit einer Kombination von Effizienz und weichen` Qualitäten wie Geduld, Weisheit,
Liebe, Offenheit zu handeln. Die zu starke Zielorientiertheit, unter der die EZA heute
leidet, und die oft verhindert, im Hier und Jetzt das Richtige zu tun, wird dadurch
relativiert und die Motivation und Fähigkeit gestärkt, unser Methoden-Instrumentarium
entsprechend zu entschlacken. Be spiritual - act rational"`.
Mahatma Gandhi und Martin Luther King sprachen beide von einem spirituellen Gesetz,
das soziale Transformation (Änderung äußerer Strukturen) mit persönlichen Wachstum
(Änderung innerer Strukturen) verbindet. Da gibt es für die säkulare EZA ein immenses
Lernfeld.
Die Aufgabe, vor der die Welt heute steht, ist gigantisch. Die Kirche sollte aus ihrem
Glauben heraus – viel stärker als dies bisher geschehen ist – die Unhaltbarkeit der
Weltsituation anprangern und positive Modelle bieten, um sie zu überwinden.
Entscheidend für die Zukunft ist daher die umfassende Sicht des kirchlichen Auftrags,
das Evangelium vom Leben, Freiheit, Gerechtigkeit und Versöhnung bis an die Grenzen
der Erde zu tragen und es allen Menschen zu bezeugen.
Heinz Hödl
Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz
17
Partner = Partnerorganisationen vor Ort, d.h. sowohl NGOs wie Basisorganisationen.
Akteure = Beneficiaries, Zielgruppen von Entwicklungsvorhaben.
19 Swissaid in Rolle der Religion 2005
18
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