Position der USA: Die U.S.-Außenhandelspolitik des letzten Jahrhunderts kann vereinfacht in drei Phasen unterteilt werden 1. in die Zeit der Isolation und der Autonomiebestrebungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg, obwohl oder gerade weil der Welthandelsanteil der Vereinigten Staaten damals auf Kosten der europäischen Staaten ständig stieg und 1913 fast 30% erreichte 2. in die Periode der Koordinationsbemühungen und der außenhandelspolitischen Hegemonie vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und letztlich 3. in die jüngsten Jahrzehnte der handelspolitischen Neuausrichtung, welche nicht zuletzt eine Reaktion auf die Verschiebung der Machtverhältnisse aufgrund der zunehmend harten Konkurrenz Japans, des wieder erstarkten vereinten Europas und der aufblühenden OPEC-Länder14 war (vgl. Senti, 1996, S.9 ff.). gute geographische Lage Kanadas und Mexikos immer große Bedeutung der Beziehungen für die USA außerdem repräsentieren Kanada (mit ca. 20% der Importe und Exporte) und Mexiko (mit 7% Import- und 10% Exportanteil im Jahr 1994) den größten bzw. den drittgrößten Handelspartner der Vereinigten Staaten Die Hauptursache für das Interesse der USA an der NAFTA lag sicherlich in dem Umstand, daß die USA seit den späten 80er Jahren bemüht ist, auf der Grundlage von regionalen Freihandelszonen unter amerikanischer Führung schneller und effizienter auf kleiner Ebene zu verwirklichen, was im Rahmen des GATT langfristig auf großer Ebene geplant ist. Ein spezieller Vorteil der NAFTA wurde auch in den unterschiedlichen Entwicklungsstandards der drei Volkswirtschaften vermutet, da diese die Kombination von billiger mexikanischer Arbeitskraft und amerikanischem Kapital erlauben sollten. Für die amerikanischen Unternehmen wurde, ähnlich wie für die japanischen in Asien, die Möglichkeit zu integrierten, nordamerikanischen Produktions- und Vermarktungsstrategien erhofft, welche sie in der Konkurrenz mit asiatischen Billiganbietern wettbewerbsfähiger machen sollten Neben den angeführten wirtschaftlichen Interessen waren aber auf der Seite der USA auch politische Motive für die NAFTA ausschlaggebend. So stellten die Hoffnung auf eine politische und ökonomische Stabilisierung Mexikos durch die NAFTA und dadurch verbunden eine Dämpfung des Einwanderungsdruckes auf die USA entscheidende Beweggründe dar (vgl. Borrmann et al., 1995, S.85). Immerhin arbeiteten 1992 schätzungsweise 2,1 Millionen Mexikaner legal und weitere 2,2 Millionen illegal in der USA, was etwa 15% der mexikanischen Arbeitskräfte und fast 4% jener der USA entsprach (vgl. Senti, 1996, S.32). Die Position Kanadas: Die Freihandelsgespräche zwischen der USA und Kanada reichen bis ins letzte Jahrhundert zurück. Bereits vor der kanadischen Unabhängigkeitserklärung 1867 handelte Großbritannien 1854 für seine nordamerikanische Kolonie einen Freihandelsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika aus. In den folgenden Jahrzehnten kam die Idee einer Freihandelszone immer wieder auf, scheiterte jedoch stets aus verschiedenen Gründen. Maßgeblich war hier vor allem die Furcht Kanadas, durch ein solches Abkommen und die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung in die Abhängigkeit seines großen Nachbarn zu geraten.(vgl. Senti, 1996, S.12 f.). In den achtziger Jahren machte sich in Kanada allerdings eine gewisse Bereitschaft zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten bemerkbar. Drei Gründe mögen diesem Gesinnungswandel zugrunde liegen: Die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften (EG), die Sorge um eine gesicherte Erdölversorgung mit Blick auf die Bedrohung durch die OPEC-Staaten und die Wirtschaftsrezession in den Jahren 1981/82, welche Kanada viel härter als andere Industriestaaten getroffen hatte. Ein Wiederaufschwung ohne offene U.S.Absatzmärkte war nicht denkbar. Da der Regierung der USA der kanadische Vorschlag zu bilateralen Verhandlungen (aus oben genannten Gründen) gelegen kam, wurde infolge das am 1. Jänner 1989 in Kraft getretene Canada-U.S. Free Trade Agreement ausgearbeitet. Es öffnete beidseitig den Güter- und Dienstleistungsmarkt unter Wahrung länderspezifischer Sonderinteressen und der politischen Entscheidungsfreiheit der Vertragsstaaten und bildete später die Ausgangsbasis für die NAFTA-Verhandlungen (vgl. Senti, 1996, S.14 f.). Dabei erschien den Kanadiern die NAFTA zu Beginn relativ unwesentlich, weil die Handelsbeziehungen zu Mexiko von jeher bescheiden waren. So nahmen 1989 lediglich 1,3 % der kanadischen Importe ihren Ursprung in Mexiko und gar nur 0,5% der kanadischen Exporte waren für Mexiko bestimmt. Letztlich entschied sich Kanada aber doch für eine volle Mitgliedschaft in der NAFTA, weil erkannt wurde, daß ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen der USA und Mexiko indirekte negative Implikationen für Kanada mit sich brächte. So hätte Kanada nicht nur keinen freien Zugang zum mexikanischen Markt erhalten, sondern sogar Nachteile im Vergleich zu der USA erlitten. Dabei war natürlich nicht die Bedrohung des aktuellen, geringfügigen kanadischen Handels mit Mexiko ausschlaggebend, sondern die Regierung war über die künftigen Exporte nach Mexiko, einem Land mit einem rasch expandierendem Markt und großen Entwicklungsmöglichkeiten, beunruhigt. Außerdem hätten die kanadischen Unternehmen nicht die Möglichkeit erhalten, von den relativ billigen, zollfreien mexikanischen Produktionsmitteln zu profitieren, welche ihre Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt verbessern sollten. Die Unternehmen wären im Gegenteil einer größeren Konkurrenz von Seiten der USA, welche diese kostengünstigen Rohstoffe und Zwischenprodukte sehr wohl hätte beziehen können, gegenübergestanden (vgl. Frisch, 1994, S.55 f.). Weiters war Kanada besorgt, daß spezielle Abmachungen zwischen der USA und Mexiko die nichttarifären Handelshemmnisse für Mexiko in einem größeren als dem für Kanada geltenden Ausmaß reduzieren könnten, wodurch Mexiko einen besseren Zugang zum U.S.-Markt hätte und Kanada dort benachteiligt wäre. Schlussendlich erwartete Kanada, im Zuge der Verhandlungen über die Nordamerikanische Freihandelszone jene Punkte zu bereinigen, die im CUFTAVertrag noch nicht zur Zufriedenheit Kanadas geregelt waren. Schließlich repräsentiert die USA den eindeutig wichtigsten Wirtschaftspartner Kanadas, das 1994 ca. 80% seiner Exporte an die Vereinigten Staaten lieferte und etwa 67% seiner gesamten Einfuhren aus dem südlichen Nachbarland bezog (vgl. Senti, 1996, S.29). Die Position Mexikos Die außenhandelspolitischen Beziehungen zwischen Mexiko und der USA und Kanada können zeitlich in vier Phasen gegliedert werden: In der Zeit nach dem USA-Mexiko-Krieg vom Jahr 1847 bis zur Revolution und dem Bürgerkrieg im Jahr 1910 blieben die Beziehungen zwischen Mexiko und der USA zwar gespannt, doch der Handel intensivierte sich trotzdem vor allem in Hinsicht auf unverarbeitete Produkte wie Kaffee, Zucker und Baumwolle. Während der anschließenden Periode der ersten Industrialisierung bis zum Zweiten Weltkrieg verfolgte Mexiko analog zu anderen lateinamerikanischen Staaten wie Argentinien, Brasilien und Chile eine Politik der Importsubstitution, um von den Industrieländern unabhängig zu sein. Die Zölle wurden von ihrem bisherigen niederen Niveau zum Schutz der eigenen Industrien angehoben und die Exporte auf jene Menge beschränkt, die erforderlich war, um über die notwendigen Devisen zum Kauf nicht selbst hergestellter Güter zu verfügen. Innenpolitisch fand zu dieser Zeit die „New Revolution“ statt, als deren Folge das mexikanische Einparteiensystem eingeführt und sowohl das Eisenbahnwesen als auch die überwiegend von der USA und Großbritannien beherrschte Erdölwirtschaft verstaatlicht wurde (vgl. Senti, 1996, S.15 ff.). In der Nachkriegszeit erlebte Mexikos Wirtschaft zwar einen Aufschwung, doch waren die Erfolge der staatlich geförderten und gelenkten Industriepolitik längerfristig enttäuschend. Erstens war Mexiko durch den Bedarf an Maschinen und neuen Technologien weiterhin von den Industriestaaten abhängig, und zweitens verursachte die Industrialisierung durch die Freisetzung der Arbeitskräfte eine hohe Arbeitslosigkeit. Schließlich wurden die Handelsschutzmaßnahmen nicht mehr aufgehoben und führten zu einer „Glashausindustrie“ mit hohen Preisen und Verwaltungskosten bei niederer Produktqualität. Die Folge war eine Einkommensumverteilung von den Konsumenten, Arbeitern und Bauern zu den Managern und Beamten, verbunden mit dem, was in Mexiko unter dem Begriff „mordidas“ bekannt ist, nämlich Bestechung und Korruption. Der Staat versuchte nun die Wirtschaft mit neuen Interventionen anzukurbeln, wodurch die Staatsausgaben von 13% des BIP im Jahr 1970 auf 39,6% im Jahr 1976 anstiegen. Da die staatlichen Investitionen durch Kredite finanziert wurden, erhöhten sich gleichfalls die Staatsschulden von 3 auf 19,6 Milliarden U.S.-Dollar. Weiters bewirkte das Vorgehen der Regierung eine Anhebung der Inflationsrate, da die zusätzliche staatliche Nachfrage nicht von einem steigenden Angebot auf der Güterseite des privaten Sektors begleitet wurde. Die wachsenden Erdöleinnahmen aufgrund der Entdeckung neuer großer Öllager zu Beginn der 80er Jahre übertünchten zwar den effektiven Wirtschaftsverlauf für einige Zeit, jedoch nur, um ihn nachher mit den sinkenden Erdölpreisen Mitte der 80er Jahre in seinem Niedergang um so spürbarer werden zu lassen (vgl. Bosworth et al., 1992, S.7 f.). Während der darauffolgenden Phase der Wirtschaftsreform verfolgte Mexiko eine drastische Sparpolitik. Außerdem wurde der Schutz der heimischen Unternehmen verstärkt, was Mexiko zur geschlossensten Wirtschaft der Welt werden ließ. So betrugen die Zölle 1985 beispielsweise bis zu 100%. In Folge rang sich die mexikanische Regierung allerdings zu einem Kurswechsel durch und trat 1986 dem GATT bei. Mit dem darauffolgenden Abbau von Zöllen und Importlizenzen signalisierte Mexiko eine weitere Marktöffnung und ebnete sich den Weg zu einer engeren Zusammenarbeit mit der USA und Kanada (vgl. Kehoe, Kehoe, 1995, S.XXVI f.). Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre warb der damalige mexikanische Präsident Carlos Salinas de Gortari in Europa und Japan um Unterstützung für sein Reformprogramm. Da diese Staaten aber nicht an einer stärkeren Handelsverflechtung mit Mexiko interessiert waren, wandte er sich an die USA. Diese war mit 80% Exportund 60% Importanteilen im Jahr 1993 Mexikos stärkster Handelspartner und hatte bereits mehrmals die Bereitschaft zu einer engeren Zusammenarbeit bekundet. Als 50 sich die USA 1990 tatsächlich zu Gesprächen über ein Freihandelsabkommen bereit erklärte, gelang es Salinas de Gortari innerhalb weniger Wochen, dank der Regierungstreue der Minister und der politisch beherrschten Medien, in Mexiko einen Gesinnungswandel zugunsten der USA zu bewirken, nachdem noch wenige Jahre zuvor Hetzkampagnen gegen den nördlichen Nachbarn stattgefunden hatten (vgl. Senti, S.18 f.). Zusammenfassend lagen also die Vorteile, welche die mexikanische Regierung in der Gründung einer Nordamerikanischen Freihandelszone sah, in der erwarteten Unterstützung und Institutionalisierung der neoliberalen Wirtschaftspolitik, in der Etablierung eines gesicherten und ungehinderten Zugangs zum amerikanischen Markt sowie in der Signalwirkung, welche die NAFTA hinsichtlich der Stabilität der mexikanischen Wirtschaft für mögliche ausländische Investoren darstellt (vgl. Boris, 1996, S.90).