Begleitinfos zu „grasgrün“ Kurzbeschreibung des Projektes Ausgangslage des Projektes „grasgrün“ Rund die Hälfte aller Jugendlichen kifft (SFA 2003). So sind Schule und Jugendarbeit immer wieder mit dem Thema Cannabis konfrontiert. Die Konsummotive der Jugendlichen sind dabei vielfältig und auch unterschiedlich gefährlich und müssen unbedingt differenziert werden. Viele Jugendliche konsumieren aus Neugier, andere aus Gruppendruck. Das Kiffen gibt ihnen ein besonderes Gemeinschaftsgefühl, auch besondere Sinneserfahrungen. Für andere gehört Cannabis wiederum zum Lifestyle. Viele Jugendliche bleiben beim Experimentier- und Freizeitkonsum und geben sich klare Konsumregeln (z.B. Konsum nur am Wochenende, nie in der Schule oder vor wichtigen Terminen). Andere verlagern ihren Konsum in den Alltag, konsumieren täglich- auch während der Schulzeit! Mit Joints wird regelmässig entspannt oder Probleme, Unsicherheiten, Hemmungen und fehlende Zukunftsperspektiven verdrängt. Hier fällt eine gewisse Resignation oder Überforderung mancher Jugendlicher auf, Alltagsanforderungen und Schwierigkeiten aktiv anzugehen. Ziele von „grasgrün“ Die offene und differenzierte Auseinandersetzung zu Cannabis wird oft durch Pauschalmeinungen auf beiden Seiten erschwert. Auch ein transparentes Aushandeln von klaren, persönlichen Grenzen mit den Jugendlichen ist durch die Illegalität des Konsums sehr schwierig. So bleiben Jugendliche in ihren Cannabiserfahrungen meist ohne kritische Begleitung durch Erwachsene. „Grasgrün“ möchte konsumierenden Jugendlichen ihre Konsummotive bewusster machen, sie zur kritischen Reflexion über Cannabis anregen und den offenen Austausch erleichtern. Auch nicht konsumierende Jugendliche werden zur Auseinandersetzung angeregt. Entstehungsgeschichte des Videos „grasgrün“ Jugendliche aus den Gemeinden Adligenswil, Dagmersellen, Luzern, Menznau, Sempach und Wolhusen waren im 2003 mit Mikrofon dem Kiffen auf der Spur: Welche Erlebnisse haben unterschiedliche Leute mit Cannabis gemacht? Welche Vorteile und welche Nachteile hat für sie das Kiffen? Was gefällt ihnen am Kiffen und was nicht? Wie wirkt sich Cannabis auf sie aus? Warum kiffen sie oder warum kiffen sie nicht? So beleuchteten sie verschiedene Standpunkte. Im Video kommen ganz unterschiedliche Personen zu Wort und erzählen von ihren Erfahrungen mit und ohne Cannabis. Zu diesen Aussagen haben die Jugendlichen ihre Eindrücke in symbolischen Bildern auf Kamera festgehaltendenn alle interviewten Personen bleiben im Video anonym. Begleitet durch eine Videokünstlerin und professionellen Filmemachern entstand ein Video von Jugendlichen für Jugendliche, das zeigt: Kiffen ist nicht gleich Kiffen. Während der Projektarbeit entstanden in den mitmachenden Gemeinden viele offene und kontroverse Gespräche. Die Interview- und Dreharbeit hat immer wieder neue Fragen zum Kiffen aufgeworfen. „Das Mitmachen am Projekt hat mein Verhältnis zum Kiffen verändert“, sagt der 15-jährige Elias Ineichen. „Ich bin nachdenklicher geworden.“ Besonders das Schicksal eines Jugendlichen, der sich wegen starken Cannabiskonsums in ein psychisches Loch manövrierte, habe ihn sehr berührt. Die Jugendlichen zeichnen im Video überraschenderweise ein sehr kritisches Bild zu Cannabis- ohne dabei zu moralisieren. Die 16-jährige Fabia Eglin meint dazu: „Nur ein kleiner Teil ist wirklich süchtig. Für diese sieht die Realität jedoch nicht allzu gut aus. Wir wollten deshalb weder einen Werbe- noch Abschreckungsfilm, sondern einen möglichst ehrlichen Film drehen.“ Das Projekt wurde von der Fachstelle für Suchtprävention DFI Luzern gemeinsam mit der Jugendarbeit Region Luzern (JaRL) lanciert und von funtasy projects, pro juventute Zentralschweiz, der Luzerner Jugendstiftung und vom Kanton Luzern finanziell unterstützt. Jugendliche haben das Projekt von der Projektidee bis zur Umsetzung aktiv mitgeprägt. Der partizipative Prozess war genauso wichtig wie das Produkt. Bestellung und weitere Informationen zum Projekt: Das Video „grasgrün“ kann für Fr. 30.- plus Versandspesen bestellt werden bei: Fachstelle für Suchtprävention DFI Luzern, Rankhofstrasse 3, Postfach, 6000 Luzern 7, [email protected] Einsatz von „grasgrün“ an Veranstaltungen mit Jugendlichen Gesprächsrunden mit Jugendlichen Das 20-minütige Video „grasgrün“ kann als Impuls für Gesprächsrunden eingesetzt werden. Die Zitate lassen sich weiterspinnen und mit den eigenen Erfahrungen in Beziehung setzen. Die authentischen Aussagen im Film erleichtern die offene und differenzierte Auseinandersetzung in der Klasse oder Jugendgruppe. Im Folgenden sind Ideen für die Arbeit mit den Zitaten zusammengefasst. (Zitate vgl. Seite 4 ff.) Einzelne Zitate diskutieren Wähle eine Aussage aus: mit welcher du einverstanden bist. mit welcher du nicht einverstanden bist. welche dich besonders berührt hat. welche dich zum Lachen gebracht hat. welche dich überrascht oder sogar schockiert hat. welche du gut verstehen kannst. welche du nicht verstehen kannst. Erkläre, warum du dieses Zitat ausgewählt hast. Einzelne Zitate befragen Wähle eine Aussage aus, die dich neugierig macht. Warum denkt oder fühlt diese Person wohl so? Was hat diese Person wohl sonst noch erlebt? Was würdest du diese Person gerne fragen? Was würdest du dieser Person raten? Was würdest du dieser Person gerne mitteilen? Wie würdest du dieser Person begegnen? Teile deine Ideen den anderen mit. Einzelne Zitate mit eigenen Erfahrungen vergleichen Wähle eine Aussage aus, die dich beeindruckt hat. Kennst du Personen die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder ähnliche Einstellungen haben? Welches sind deine eigenen Erlebnisse? Was hast du selbst ähnlich erlebt? Was hast du anders erlebt? Was möchtest du gerne auch so erleben? Was möchtest du auf keinen Fall so erleben? Tauscht eure eigenen Erfahrungen aus. Rolle der Gesprächsleitung Um ein Gespräch nicht im Keim zu ersticken, muss die Gesprächsleitung unbedingt folgende Punkte beachten. Den Jugendlichen genügend Raum geben für persönliche Meinungen und Einschätzungen. Einzelne Zitate nicht zu früh als richtig oder falsch bewerten. 1 Persönliche Erfahrungen und nicht Lehrmeinungen oder Ideologien ins Zentrum stellen. Auch eigene persönliche Erfahrungen und Haltungen einbringen. Durchführung von eigenen Interviews Jugendliche können wie die FilmemacherInnen von „grasgrün“ selber Interviews mit unterschiedlichen Menschen zu Cannabis durchführen. Raster zur Entwicklung eigener Fragestellungen Folgendes Raster kann als Basis für die Entwicklung eigener Fragestellungen der Jugendlichen dienen. Es diente auch den Jugendlichen Filmemachenden bei der Arbeit an „grasgrün“. Interview-Tipps für Jugendliche Erkläre zuerst deinen GesprächsparterInnen, weshalb du ein Interview machen willst. Versuche nicht auszufragen, sondern ein Gespräch zu entwickeln. Beginne nicht mit der heikelsten Frage. Motiviere dein Gegenüber zum reden. Zeig, dass du die Antworten spannend findest. Mach keine abschätzigen Kommentare, auch wenn du anderer Meinung bist. Erzähl auch von dir, wenn jemand Hemmungen hat, zu antworten. Erkläre, dass die Antworten vertraulich sind. Frage nach, wenn du etwas nicht verstehst. Frage nach persönlichen Erfahrungen und Meinungen. und stelle konkrete Fragen. Frage nach, wenn’s zu allgemein wird: „Was findest oder fühlst du denn persönlich?“ Die Fragen sollten nicht mit Ja/Nein beantwortet werden können, sondern zum Erzählen anregen. „W-Fragen“ (warum, wie, was,...) eignen sich besonders gut. Nimm die Antworten nicht schon vorweg. z.B. „Du hast sicher wegen anderen angefangen zu kiffen?“ Besser: „Warum hast du angefangen zu kiffen?“ Wähle eine angemessene Dosis Provokation. z.B. „Jemand sagte, Kiffen mache blöd? Was denkst du darüber?“ Lass deinem Gegenüber Zeit, nachzudenken und abzuschweifen. Hilf jedoch immer wieder mit konkreten Fragen, auf den Punkt zu kommen. Weitere Unterrichtsideen zu Cannabis: SFA Lausanne 2000, Cannabis- Handbuch für Lehrkräfte SFA Lausanne, Cannabis- Flyer für Jugendliche Fragebogen für kiffende Jugendliche, vgl. Beilage 2 Einsatz von „grasgrün“ an Veranstaltungen mit Erwachsenen Von Elternabenden bis Podiumsveranstaltungen... Das Video Grasgrün kann an klassischen Elternabenden (z.B. Video als Impuls für eine Diskussion zwischen Eltern, kombiniert mit einem Infoblock durch eine Fachperson) eingesetzt werden. Besonders bewährt hat sich auch der Einsatz an Podiumsveranstaltungen. Grasgrün dient dabei als Einstieg für eine öffentliche Podiumsrunde zwischen Schlüsselpersonen der Gemeinde. Schlüsselpersonen auf dem Podium Besonders interessant wird das Podium, wenn verschiedene Rollen vertreten sind: Eltern, Schulleitung, Jugendarbeit, Lehrlingswesen, Polizei, Arzt und Jugendliche. Am besten wird das Podium durch eine gemeindeexterne Fachperson der Suchtprävention moderiert. Spannend wird auch der Beizug von kiffenden Jugendlichen, die sich den Podiumsauftritt zutrauen. Unbedingt zu beachten ist dabei, dass diese nicht aus der eigenen Gemeinde sind, da Vorurteile seitens des Publikums ungerechtfertigte Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Im Vordergrund muss der konsequente Schutz der Jugendlichen vor abwertenden Fragen stehen. Leitfragen für die Podiumsmoderation Konsummotive/ Konsumgründe Warum wird gekifft? Was ist der Reiz? Was ist positiv? Welches sind „harmlosere“ und welches sind „problematischere“ Konsumgründe? Haltungen zum Konsum Wann wird der Konsum problematisch? Oder: Wie häufig empfehle ich bzw. lasse ich das Kiffen zu: nie, einmal im Jahr, jeden Monat, jede Woche, jeden Tag? In welchen Situationen ist einmal kiffen bereits zuviel? (z.B. Prüfung, Vorstellungsgespräch, Strassenverkehr,...) Gibt es Personen, die nie kiffen sollten? (Alter, psychische Stabilität, körperliche Beschwerden,...) Wie schätze ich die Situation ein: Wie viele Jugendliche haben es im Griff? Wie viele kiffen zuviel? Wo und wann setze ich Grenzen? Wie ist die persönliche Haltung zum Cannabiskonsum? Risiken/ Auswirkungen bei häufigem Konsum Wie kann sich häufiges (tägliches) Kiffen auf Körper und Psyche auswirken? Welche Risiken hat häufiges Kiffen? Wie verändern sich starke Kiffer? Wie zeigt sich das im Alltag, in der Schule und im Beruf? Reaktionen des Umfeldes auf kiffende Jugendliche Wie merkt man überhaupt, ob jemand kifft? Wie sollen Eltern/ Lehrpersonen/ weitere Bezugspersonen/ Freunde auf kiffende Jugendliche reagieren? Welche Gefühle, Bedürfnisse, gegenseitige Erwartungen haben Betroffene und ihre Bezugspersonen? Wo und wann sollen Eltern/ Lehrpersonen/ andere Bezugspersonen klare Grenzen setzen? Welche Regeln sollen daheim/ in der Schule/ am Arbeitsplatz gelten? Wann braucht jemand professionelle Hilfe und wie erkennt man dies? Wie kann jemand motiviert werden, Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wo kann Hilfe geholt werden? Entkriminalisierung/ Liberalisierung Ist die Illegalität von Cannabiskonsum heute noch gerechtfertigt ( Vergleich zu Alkohol/Tabak, Konsumverbreitung)? Welche Auswirkungen hat die Repression? Welches sind die Vor- und Nachteile einer Liberalisierung? Wie ist die eigene Haltung dazu? Podiumsregeln für PodiumsteilnehmerInnen In der Kürze liegt die Würze Gefragt sind kurze und prägnante Statements. Möglichst nur eine Aussage in ein Statement zu packen und nicht alles auf einmal sagen wollen. Die Moderation kann aus Zeitgründen ausufernde Aussagen, abschweifende Beispiele oder reine Selbstdarstellung abbrechen. Erfahrungen und nochmals Erfahrungen... Es geht auf dem Podium um Erfahrungen, Ich-Botschaften und subjektive Statements und nicht um Theorien, Leitsätze, Belehrungen, Intellektualisierungen. Keine ausgefeilten, endgültigen Kurzvorträge Gefragt sind Meinungsbruchstücke, lautes Denken und Beiträge die vorangehende ergänzen. Die Voten können durchaus holzschnitzartig bis kantig sein. Aufeinander Bezug nehmen Wenn immer möglich an den Vorredner/ die Vorrednerin anknüpfen- ohne unnötig zu wiederholen. Und ab und zu auch passende Fragen anderen PodiumsteilnehmerInnen zuspielen. Mithelfen, den roten Faden zu spinnen. Provozieren und zum Widerspruch reizen Das kämpferische Moment darf im Podium Raum einnehmen. Es darf ein heftiges Ping-pong entstehen, das die Zuhörer auf Trab hält. Unfaire Taktiken wie Personen blosstellen, abwerten, angreifen oder lächerlich machen sind jedoch kontraproduktiv. Widersprüche stehen lassen Ein Podium dient nicht v.a. der Konsensbildung, sondern es soll ein Thema in viele Richtungen ausleuchten und zum Denken anregen. Es geht darum, verschiedene Aspekte und Schlüsselbegriffe aufzugreifen und das Thema von unterschiedlichen Perspektiven anzuschauen. Weitere Informationsmaterialien zu Cannabis für Eltern: Fachstelle für Suchtprävention DFI Luzern 2002, Haschisch und Marihuana, Infobroschüre für Eltern SFA Lausanne 2002, Cannabis richtig einschätzen, Broschüre mit Fragen und Antworten zum Cannabiskonsum SFA Lausanne 2001, Cannabis- Was Eltern wissen sollten. Infobroschüre für Eltern Leo Gehrig, Kiffen- Was Eltern wissen müssen, Verlag pro juventute 2001, 112 Seiten ©Fachstelle für Suchtprävention DFI Luzern, Dezember 2003 3