Psychiatrie ein vertiefender Exkurs

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Lehrbuch:
http://books.google.de/books?id=QDN495LD3jwC&pg=PA762&lpg=PA762&dq=Huber++Psychiatrie&source=bl&ots=Og20zvkSsC&sig=KdyJqap_Xi81WMrzwQ6_5AYt6nU&hl=d
e&ei=tFweS_mfJdPF_gaM1d3kDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=5&ved=0C
BoQ6AEwBA#v=twopage&q=&f=false
Psychiatrie ein vertiefender Exkurs (Nebenfachvorlesung WiSe 2009/2010)
Prüfung: Drei offene Fragen; 2 Stunden Zeit
Vorlesung 1 : 20.10.09
Grundlagen des diagnostischen Gesprächs – Exploration

Grundlagen der Psychiatrie: Gespräch und Beobachtung

Diagnosen: Persönlichkeitsspezifisch; unterschiedliche diagnostische Angehensweisen

Behandlung: richtet sich nach der Diagnose => erst Diagnose danach Therapie (oft ist
es schwierig eine passende Diagnose zu finden)
1.Voraussetzungen zum Gespräch:

Raumgestaltung: - Bereich wählen in dem Andere anwesend sind (vor allem am
Anfang einer Therapie; unkomplizierter bei mehr Erfahrung; Ausraster der Patienten müssen
eingeplant werden)
- Distanzgefühl achten! => bei jedem Menschen unterschiedlich angemessene Distanz
- Gegenüber sitzen, nebeneinander oder über Eck (oft wichtig um den gesamten Körper
beobachten zu können) => Distanz muss in den Möbeln veränderbar sein

Aufzeichnung: - Bei neuem Patient keine Aufnahmen => Natürliches Klima soll
beibehalten werden
- Mitschriften sind wichtig! => Nachvollziehung des Krankheitsbildes; - Nachweis, falls
Patient Schaden davongetragen hat (z.B. Frage nach Suizidalität)
- Z.B.: Frage: (Jetzt) => Wie geht es Ihnen jetzt? Antwort: „Es geht“
- Bei Mitschriften darauf achten, wie Patient darauf reagiert
- Erklärungen wichtig, was/ warum mitgeschrieben wird
 Zustimmung des Patienten: - Auch im Gespräch kann der Patient verletzt werden,
muss Einwilligungsfähig sein => vor Gesprächsbeginn muss dem Patienten erklärt werden,
was man für Ziele im Gespräch hat => spricht der Patient, kommt dies einer Zustimmung
gleich
- Falls der Patient nicht sprechen will: Herausfinden ob der Patient für sich selbst oder für
Andere eine Gefahr darstellt => Diagnose trotzdem finden, durch andere Art mit dem
Patienten zu kommunizieren

-
Gesprächsführung: - Eine Frage – eine Antwort!
einfache, kurze, gut verständliche Fragen, einfache Worte (für alle verständlich),
eindeutig formuliert
nicht jede lange Exploration ist gut, jede gute Exploration ist lang => Zeit nehmen! (vor
allem im Erstgespräch) ca. 1 Stunde bei Erstuntersuchung
-
-
spricht der Patient sehr viel; kein Ende des Gesprächs => deutet auf inneren Druck und
Zwang hin => Zeit nehmen! Kann in anderen Situationen helfen; verschafft z.B.
Vertrauen etc.
eine offene, ungerichtete Frage ist besser => möglichst weite Antwortmöglichkeiten, erst
später konkreter werden z.B. „Was steht im Vordergrund?“
Bei Stocken des Patienten: Gedanken des Patienten wieder aufgreifen => Patient kann so
den gerade geführten Gedanken auch wieder aufnehmen; Schlüsselworte => Wichtige
Wendungen immer wieder aufgreifen (z.B. Saaleufer => Suizidgedanken?), auf
Körpersprache achten
2. Struktur der Exploration:
-
-
-
 Aktueller Zustand: - „Wie ist es jetzt?“ => unklare Fragen
oft sind in den ersten Worten die wichtigsten Themen versteckt
Achtung: Was wird nicht ausgesprochen? Wo wird ausgewichen?
Bei offensichtlichen Widersprüchen (Patient krank, sagt trotzdem es geht ihm gut) =>
kann auch später noch häufiger vorkommen => muss gedeutet werden
Suizidalität befragen: „Wie ist der Lebenswille?“ => bei komplexer Antwort weiterfragen
=> „Besteht das Leid, sich selbst etwas antun zu wollen?“ => Handlungen oder konkrete
Vorstellungen?; „Anderen ein Leid anzutun?“ => Aggressivität
 Verlauf: - Vorgeschichte und Verlauf der Krankheit beachten => enorm wichtig!
Kommt Krankheit von Ereignis B oder geht Ereignis B aus vorher bereits bestehender
Krankheit A hervor?
Gab es früher schon Anzeichen von Krankheit A?
Z.B. Waren schon als Kind Ängste vorhanden?, artiges/schwieriges Kind etc.
 Biographie: - Wie ist der Mensch in seinem sozialen Verhalten? Z.B. häufig
wechselnde Partnerschaften, Berufe, schwierige Freundschaften; Ängste etc.
Gedächtnisprüfung! => unverfängliche Daten abfragen z.B. Hochzeitsdatum, Geburtstage
der Kinder => Patient muss nachrechen; Rechnung richtig? => unverfänglich, nicht so
stark beschämend für den Patienten => Rechnung kann erheblich sein für den Befund
 Familienanamnese: - Seelische/ Psychische Krankheiten innerhalb der erblichen
Verwandtschaft => Nur bei Nachweis, kann dies zur Diagnose herangezogen werden
3. Körperliche Untersuchung:
 Körperliche Untersuchung: - Internistisch: z.B. Blutdruck (Bluthochdruck =>
Alkohol?); Niere; Leber (vergrößert?); allgemeiner Zustand; Abmagerung
(Magersucht erst erkennbar bei freigemachtem Körper; sonst oft Vertuschung);
Vernachlässigungen des Körpers und der Kleidung? – Arme und Beine: Narben? =>
Suizidversuch; - gerötetes Gesicht => Alkoholiker?
Neurologisch: - Kopf (Augenbewegungen, Pupillengröße etc.); - Motorik
(Kraftprüfung z.B. Handdrücken, Reflexe => Differenzen beobachten => können z.B.
auf psychogene Lähmung hindeuten => Beobachtungen in „unbeobachteten Situationen“
durchführen; - Sensorik: Schmerzprüfungen z.B. Nadelstiche; Berührungen;
- Koordination: Gang, Nachfolgebewegungen, Stand, Zeigeversuche, Zeigefinger-NaseVersuch

-
 Vegetativ, toxische Untersuchung: - Schlaf; - Appetit (Magersucht etc.);
toxisch => Sucht; => viele Lügen bei toxischer Anamnese z.B. „Wann zuletzt Alkohol“?
=> Antwort z.B. gestern deutet auf Alkoholproblem hin
„Wann war die letzte Abstinenz“?
14 tägige Einnahme von Suchtmitteln => Wie viel/Wie häufig?
4. Befund und Diagnose, Abschlussgespräch:
-
 Diagnose: - Bei unklarer Diagnose, eher offen lassen
Befunde so darlegen, dass der Patient sie für sich annehmen kann, versteht etc. => für
weitere Therapie enorm wichtig => Krankheit muss hierfür anerkannt sein
Oft mehrere Diagnosen möglich; erst das schwerste (in der Therapie wird auch
dementsprechend vorgegangen) z.B. Suizidalität, Depression, Angststörung…
2.Vorlesung: 27.10.2009
Testuntersuchungen in der Psychiatrie:
(siehe Testbögen)
1.
2.
3.
4.
Grundsätze der Testpsychologie
Mini-Mental-Status-Test (MMST)
Münchner Alkoholismus Test (MALT)
Beck-Depressions-Inventar (BDI)
1. Grundsätze der Testpsychologie:
Verhaltensuntersuchungen z.B. in der Inneren Medizin (z.B. Zahlenverbindungstest =>
Schnelligkeit => sagt etw. über Gehirnleistung aus), Notfallmedizin…
- Problem: Es soll mit den Patienten gesprochen werden; Exploration => Danach überlegen
ob Fragebogen angebracht; falls andere Reihenfolge: Patient fühlt sich nicht ernst
genommen
Eine Diagnose aus einem Gespräch heraus ist viel sicherer und stabiler; Tests sind
vieldeutiger z.B. kann eine Sehschwäche oder Hirnschädigungen in solche Tests mit rein
spielen; manchmal kann auch ganz auf Tests verzichtet werden
Jedoch sind sie Wichtig in: - der Forschung z.B. Medikamente => Zahlen und Statistiken
werden benötigt
- bei der klinischen Arbeit: hier sind versch. Items wirklich wichtig
Tests: Gütekriterien: (Wolfran et. al)
- Validität: Zuverlässigkeit des Tests; in Psychiatrie kein Referenzinstrument => Kann nur
aus der Einsichtigkeit und anderer Tests überprüft werden
- Reliabilität: durch Wiederholungen desselben Tests sollten immer wieder gleiche
Ergebnisse hervor kommen => Unterschiede dürfen nicht besonders groß sein; mind. 70
% müssen übereinstimmen
- Spezifität + Sensitivität: Test soll trennen können zwischen gesunden und kranken
Menschen; falsch positiv oder negativ => richtig bewerten (falsch positiver: Kranker
erscheint gesund; falsch negativer: Gesunder erscheint krank)
5Phasen:
1. Klinik => Materialsammlung
2. Filtern für Testfragen
3. Überprüfen nach Reliabilität, Validität…
4. Abgespeckte Version an der alten Stichprobe testen
5. Validierung an großer Stichprobe
2. Mini-Mental-Status-Test (MMST)
-
Überwiegend in Heimen oder Geriatrie => Gedächtnisgestörte => Stärke der
Gedächtnisstörung herausfinden
Kurzes, leicht einsetzbares, allgemeines Verfahren, dass auch von Nicht-Fachleuten
durchgeführt werden kann
Durchführung: 10 – 15 Minuten
Derzeitiger Zustand, nicht Verlauf wird erfragt
Im Gespräch; Gütekriterien sind wissenschaftlich bearbeitet
Objektivität: 0,83 (andere Untersucher, zu 83% gleiche Ergebnisse)
Reliabilität: 0.8/ 0.9
Validität: 0.6 – 0.8
Normwerte: 30 = Gesamtzahl => Gesunder; 30-24 = leicht Kranker; 0 = schwer
beeinträchtigt
Bewertung: 0 = nicht bestanden; 1 = bestanden
3. Münchner Alkoholismus Test (MALT) – (Feuerlein 1977)
-
Voraussetzung: klinische Diagnose für Alkoholismus
Untersuchung:
Abstinenz,
Kontrollverlust,
Behandlungsbedürftigkeit,
soziale
Beziehungen
Fragebogen muss beantwortet werden => Aus 1000 wurden 250 Items gewählt und dann
wurde der Test durch eine Studie überprüft (Gesund vs. Krank)
Höchste Punktzahl: Krankhaft!; es gibt aber auch gewisse Überschneidungen zwischen
Kranken und Gesunden
24 Eigenbeurteilungen (jeweils 1 Punkt)
7 Fremdbeurteilungen z.B. durch Arzt ( jeweils 4 Punkte)
Validität: 0,85
Reliabilität: 0.94
4. Beck-Depressions-Inventar (BDI) von Hamilton 1960
-
Prüfung depressiver Störungen (Häufig bei Medikamentenforschung)
21 Symptomkomplexe / Einzelkomplexe in versch. Schweregraden
Punkte zw. 0 und 64 => Schweregrad der Depression
Voraussetzung: Erwachsener, Depression diagnostiziert
Freie Exploration (Interviewer kodiert), zuverlässiger bei häufigerer Durchführung
Objektivität: 0.7; Reliabilität nach 4 Tagen: 80 %
Problem: Körperliche Phänomene: z.B. Antriebslosigkeit von Schlaganfall oder
Depression?
Grenzen: unter 15 keine Depression; assymptomatisch; über 20 symptomatisch
3.Vorlesung: 3.11.2009
Grundlagen des therapeutischen Gesprächs:
1. Klassische Gesprächsformen:
a) das analytische Gespräch
b) das dynamische Gespräch
c) das freie Gespräch
2. Begleiten und Lindern
3. Bestimmte Gesprächssituationen
1. Gespräch:
Diagnostischer Anteil (suche nach Sachverhalten) + therapeutischer Anteil (auf Patienten
eingehen) => Schwerpunkte setzen
a) Analytisches Gespräch: Patient und Therapeut haben keinen visuellen Kontakt =>
Patient liegt, Therapeut sitz seitlich => Patient soll frei assoziieren; erzählt was ihm
gerade einfällt; Therapeut sorgt dafür, dass der Gesprächsfluss nicht stockt, gibt gewisse
Hinweise
- Dauer: 1 Stunde - Häufigkeit: mehrere/ ein Gespräch pro Woche => Langfristig!
- Aufgabe des Therapeuten: deuten, interpretieren, Zusammenhänge auftun… => Patient
zur Änderung im Wesen führen => Änderung, Verbesserung, Erleichterung kommt vom
Patient selbst! Therapeut unterstützt nur
- Geeignet für: ambulant betreuungsfähige Patienten
- Theoretische Überlegungen: Besserung kommt durch bewusst-werden seelischer
Konflikte; gelingt erst über längere Zeit
- Warum genau sie wirkt, ist etwas unklar
b)dynamisches Gespräch: => etwas Beschleunigendes
- mehrere Patienten (8-10) + ein Therapeut
- Es wird im Kreis gesessen => alle können miteinander in Kontakt treten, alle sind gleich,
visueller und verbaler Kontakt möglich
- Dauer: 1 Stunde; Häufigkeit: mehrere / eine Sitzung pro Tag
- Geeignet für: stationäre / ambulante Patienten => 4-6 Wochen; ambulant länger; Gut bei
Patienten mit Angststörung, Depression… Nicht bei Paranoia => bringt zu viele
Spannungen in die Gruppe
- Aufgabe des Therapeuten: Dynamik fördern => Katalysator; Meinungen miteinander
konfrontieren, Gespräche fördern/ regulieren => Gruppe muss miteinander arbeiten;
=> Vergleiche, Besonderheiten, Gemeinsamkeiten herausarbeiten => Änderungen
hervorrufen; Versuch Beruhigung und Besserung beizuführen
- Theoretische Überlegungen: Fehlverhalten kann in der Gruppe erkannt und verändert
werden
c) freies Gespräch: - keine äußere Form/ Ort vorgegeben; kann überall stattfinden z.B.
Krankenbett, freies Feld…
- Zweiersituation, manchmal auch mit Angehörigen
- Dauer: sehr unterschiedlich => Form sehr variabel; kann 1malig sein oder auch häufiger
- Patient soll Gesprächsstoff frei wählen => Therapeut ermutigt, mit Vorsicht sollte
kommentiert werden, Zurückhaltung! => sorgt für Entlastung des Patienten und innere
Ruhe
- Geeignet für: Alle Patienten möglich, auch Gezwungene => Ähnlichkeiten zwischen den
einzelnen Formen
2. Begleiten und Lindern: => wichtigste Bestandteile eines Gesprächs
-
-
-
-
-
Begleiten: - kann viel vom Therapeut abverlangen
Patient kann nicht immer gesund werden => Therapeut kann nicht immer heilen => keine
Genesungsgarantie!!! Aber: Patient erwartet dies meist auch nicht
Patient muss jedoch die Bemühungen des Therapeuten sehen können => Hilfe! Pflicht
des Therapeuten
Patient merkt ob der Therapeut sich bemüht, deshalb: Zeit investieren, eigene Person
zurückstellen
Bemühung: Patienten ins Gesunde führen, Aber: der Wille des Patienten führt nicht
immer ins Gesunde => Therapeut muss versuchen herauszufinden, was Patient will =>
nur sprechen? Stationäre Aufnahme? Krankmeldung? => Suchtkranke z.B. suchen selten
direkt Hilfe
Das Einverständnis des Patienten ist Pflicht!!!
Patient erhofft sich immer Besserung, aber was wenn er nicht dazu befähigt ist? Was
passiert wenn er nicht behandelt wird? Welche mögliche Therapie?
Therapeut muss sich stets überlegen: Wie weit will ich dem Wille des Patienten folgen?
Was ist vernünftig? => eigene Meinung muss begründbar sein und Ansicht muss
vertreten werden
Was wenn Patient nicht will (nicht so will wie Therapeut)? – Therapeut muss es
akzeptieren! ; Nichts dem Patient vorwerfen; Patient ist der Hilflose, ihm nicht
irgendwelche Schäden vorwerfen; auch wenn der Patient die Therapie ablehnt, versichern
er kann immer wieder zurückkommen
Verantwortung: geteilt zwischen beiden Seiten => Jeder Mensch hat gewissen Teil
Lebensrisiko, sonst wäre ihm völlig die Freiheit genommen => gewisses Risiko kann
nicht genommen werden (auch nicht vom Therapeut)
Wenn das Risiko zu groß ist: Patienten schützen, Risiko nehmen z.B. bei Suizidalität =>
richtiges Maß finden => oft kommt es auch zu anderen Einschätzungen der Situation zu
einem späteren Zeitpunkt (z.B. Dankbarkeit im Nachhinein für Einweisung in
geschlossene Abteilung) => Komplikationen müssen gemeinsam getragen werden z.B.
bei Entscheidung über Einweisung in geschlossene Abteilung bei erhöhter Suizidalität
wird die Verantwortung z.T. vom Patienten, Familie und Therapeut getragen
Lindern: von Phänomenen => einzelne seelische Krankheiten; Diagnose des Zustandes (vor
jedem Gespräch) z.B.: Minderwertigkeitsgefühl und Leid lindern, Mitgefühl, Hoffnung
geben (nicht zu viel!), auf verschiedene Ängste einzeln eingehen => viel darüber sprechen
wirkt entängstigend
- Beispiel: Paranoider Patient: falsche Welt ist ihm nicht bewusst => Wahn lindern (nicht
Realität nahe legen) => jedoch nicht direkt auf seine Welt eingehen => Wahn nicht
bestätigen, aber auch nicht zu stark an Wirklichkeit festhalten => verschiedene
Vorgehensweisen möglich
3.Bestimmte Gesprächssituationen:
Schuld: eigene auf andere verteilen etc.
- Therapeut ist kein Richter! Wahrheit? Schuld ist hier nicht prüfbar; nicht entschuldbar
etc.; Schuld bleibt bestehen
- Patient möchte sich mit Schuld auseinandersetzen! => hilfreich; Patient muss Schuld
tragen => Patient wird dies eher akzeptieren; Patient hat oft auch andere Ansichten zur
Schuld etc.
Distanz: im Gespräch: Patienten oft distanzlos z.B. wollen Therapeut duzen => beim ersten
Gespräch zurückweisen => Distanz bewahren
- plötzliches Schimpfen etc. muss nicht übergangen werden z.B.: „Scheiße sagt man nicht“
=> Patient fühlt sich wahrgenommen, merkt er muss etwas an sich und seiner Art ändern
- Beschwerden über andere Mediziner, Psychologen etc. dürfen nicht kommentiert werden!
Aggression: z.B. im Rausch => Distanz beibehalten nicht zu nah an Patient herantreten z.B.
möglicher Faustschlag etc. kann so verhindert werden; Auch bei Unbekannten Patienten:
immer dafür sorgen, dass Andere in der Nähe sind (zur Hilfe in Notsituation)
- Versuch Patient zu sprechen zu bringen, im Gespräch entgegenkommen, Forderungen
akzeptieren, aber gewisse Bedingungen beibehalten
- Kompliziert: z.B. Nachstellen oder sexuelle Belästigungen durch Patienten => Therapeut
muss sich hier abgrenzen!!
Weinen: Beachten des Weinens: Schluchzen? Tränen? Z.B. Taschentuch reichen =>
Beachtung des Patienten und seiner Lage, Patient fühlt sich wahrgenommen => nicht
herunterreden; manchmal hilft auch das Thema zu wechseln, wenn das Weinen z.B. für
Patient nicht förderlich oder unangenehm => aus Traurigkeit herausholen
Rat geben: z.B. Scheidung? => Wie sind die Überlegungen des Patienten? Würde der Patient
es alleine durchstehen?
=> Rat vorsichtig geben; Stütze sein, vernünftiges mit begleiten, Entscheidungen im
Miteinander; Aber: Bei fachlichem Rat muss eine Entscheidung durch den Therapeut
getroffen werden (z.B. welches Medikament soll verabreicht werden?)
Arbeit mit Angehörigen: - wichtigster Eingeweihter / Verbündeter im Kampf gegen die
Krankheit => Krankheit kann z.B. aber auch erblich sein => Angehörige können genauso
psychisch kompliziert sein => Verläufe können sehr unterschiedlich sein ( in einem Fall bei
dem die Angehörigen mit einbezogen werden)
Bei Niederlage in der Therapie nicht mutlos werden!!! Gespräche mit anderen suchen
(Therapeuten) Immer alles Ansichtssache
4.Vorlesung: 10.11.2009
Grundlagen der Psychopharmakotherapie
1. Historischer Abriss
2. Pharmakologische und klinischpraktische Gesichtspunkte
3. Rote Liste und Beipackzettel:
Neuroleptika
Thymoleptika
Benzodiazepine
Andere Medikamente
-
1. Seit ungefähr 5000 Jahren gibt es bereits Psyhopharmaka; vor ungefähr 3000 Jahren
wurde eine Statue erbaut, die die Gewinnung von Opium darstellt; Opium wurde
schon damals zur Ruhigstellung von Patienten genützt
Moderne Pharmakologie: Justus v. Liebich entdeckte Chloralhydrat => leicht
sedierend, macht süchtig => Schlafmittel
1860: Paraldehyd => Schlafmittel
1880: Somnifen => Sulfinyl – Harnstoffe entdeckt von Klaesi (Schweizer Psychiater)
50er/60er Jahre: Chlorpromazin
1962: Haloperidol ( v. Janzen)
1963: Antidepressiva, Benzodiazepine, Diazepan
Ab 1990: Neue / Atypische Medikamente
2. Wie kommt ein Medikament auf den Markt? => Zufälliges Entdecken einer bestimmten
Eigenschaft eines Stoffs (z.B. Blutdruckmittel haben eine beruhigende Wirkung) =>
Strukturuntersuchungen => unterschiedliche Medikamente mit teilweise unterschiedlichen
Wirkungen => Tierexperiment (ethisch vertretbar?) => klinische Experimente am Menschen
(oft die Forscher selbst)
- für eine klinische Erprobung ist eine enorm große Stichprobe nötig => Nebenwirkungen?
- internationale Prüfung => extreme Kosten!
- Z.T. können auch erst nach Jahren erhöhte Nebenwirkungen gezeigt werden z.B. 1970
Clozapin / Leponex => Todesfälle: Blutbildung zerstört, keine Blutplättchenbildung
- trotz internationalen Studien: Problem zwischen Hersteller und Arzt: Unterschiedliche
Ansichten vom Medikament
- Calabrese: Antidementinum => Medikament, dass die Demenz aufhält ; ADAS cop
- Medikamententests: Siehe Zeichnung in Aufschrieben
Wirkung von Medikamenten:
- Transmitterhypothese: Medikament ersetzt Stoffe im Gehirn, die zuvor aus dem
Gleichgewicht gekommen sind => dagegen spricht: z.B. nur Serotonin oder Adrenalin
Gabe erzielt keine Wirkung
- Nächste Hypothese: Stoff ersetzt nicht Transmitter, sondern schädigt z.T. gewisse
Gehirnstrukturen => kann zur Besserung führen
- Andere Hypothese: unterschiedliche Transmitter / Psychopharmaka, die unter
unterschiedlichen Transmittersystemen funktionieren, zeigen gleiche Wirkung
Klinisch-praktische Grundlagen:
- erst sprechen, Tagesstruktur gliedern, erst dann Medikament => wichtig, aber nicht
tragende Säule
- Medikament = Körperverletzung => Zustimmung des Patienten wird benötigt; z.T.
gewünscht, gleichgültig, süchtig, z.T. instinktiv/ wahnhafte Ablehnung
- Gegen den Willen Medikamentengabe sehr strittig; wenn Patient nicht urteilsfähig =>
-
-
Medikamentengabe nie ambulant!
Auch bei fixierten Patienten: immer mit ihnen sprechen!
Präparat „Lichtenstein“ => Placebo => ohne das Wissen des Patienten,
Vertrauensmissbrauch => Möglichkeit: Medikamentenstudie mit Möglichkeit einen
Placebo zu bekommen => Patient ist eingeweiht uns entscheidet selbst
Was muss beobachtet werden bei Medikamentengabe? :
- Diagnose: Medikation muss passen;
- Off-label Behandlungen: Medikamente werden außerhalb ihrem beschriebenen Wirkkreis
verwendet z.B.: Medikament gegen Unruhe, wirkt auch bei Schizophrenie => eigenes
Risiko, entgegen der Vorschriften und Erprobungen des Herstellers;
-
Gegenanzeichen: Bei bestimmten Bedingungen darf ein Medikament nicht gegeben
werden z.B. unter Alkoholeinfluss, Toxikation;
-
Anwendungsbeschränkungen: fürs Herz verträglich? Blutbild riskant? …;
-
Nebenwirkungen: unerwünschte Wirkungen z.B. Traumveränderungen, Impotenz,
Gehirnstörungen meist reversibel;
- Wechselwirkungen: Manche Psychopharmaka erwirken Wechselwirkungen, häufig
gebunden an Cytochrom P450 (Enzym); Abbau von verschiedenen Medikamenten nicht
mehr möglich => Anstauung von zu großen Mengen an bestimmten Stoffen;
- Schwangerschaft;
- Toxikologie: ab wann ist ein Medikament giftig? Manche Medikamente sind schon in
geringer Dosis giftig => Achtung bie Suizid gefährdeten; Gibt es ein Gegengift?;
-
Preis
3. Rote Liste und Beipackzettel:
- die Rote Liste enthält fast alle Medikamente auf dem Markt
Anwendung im klinischen Alltag:
- höchste Wirkung, mögliche Nebenwirkungen, Unverträglichkeit, Allergien, Dosis
(Hauptwirkung) => „anschleichen“ wenige, geringe Dosen => bei Nebenwirkungen
schneller Ausstieg möglich; bei älteren Patienten geringere Dosis, höhere möglichen
Nebenwirkungen
- Dauer: - bei absetzen: Krankheit kann wieder ausbrechen => Gedanken für und gegen
Medikament nachgehen, Symptomatik muss beobachtet werden!
- Hohe Anzahl von Wirkstoffen: auf wenige Medikamente beschränken, diese jedoch sehr
gut kennen
- Alle Medikamente sind ungefähr gleichwertig
- Nach Möglichkeit nur ein Medikament anwenden, Nebenwirkungen gering / übersichtlich
halten; höchstens drei Medikamente gleichzeitig
- Wirkung, Nebenwirkung und Verabreichungsart mit Patient besprechen!
- Preis: Tagesration: grob 3-5 € => in Deutschland täglich ungefähr 6-8 Mio. € für
Psychopharmaka
-
Medikamentengruppen:
Neuroleptika: => gegen Unruhe, Wahn, Sinnestäuschungen, Schlafstörungen,
Schizophrenie
27 chem. Substanzen unter 115 verschiedenen Namen
Anwendungen bei ca. 4 Symptomen
Gegenanzeichen: ca. 8 z.B. Asthma…
Anwendungsbeschränkungen: 30
Etwa 60 mögliche Nebenwirkungen
Beispiel: Haloperidol (alt) / Seroquel z.B. bei Manie, Tick, Delirium, erbrechen, akute
psychotische Syndrone; unterschiedliche Indikationen; Paliperidon (neu): nur
Schizophrenie => Gefahr bei bedrohlichen Situationen, z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall,
Atmung, Leber, Blut => alte Medikamente weniger schädlich bei Herzproblemen und
nach Schlaganfall, dafür neue weniger schädlich bei: Atmung, Leber, Blut => Immer auf
einzelne Schädigungen der Patienten achten!
-
Thymoleptika: Antidepressiva
26 verschiedene chemische Substanzen, unter 226 Namen im Handel
Anwendung bei ca. 1-2 Indikationen z.B. Depression und Angst
Gegenanzeichen: ca. 6; etwa 53 Nebenwirkungen
Beispiel: Anafranil (alt) z.B. bei Depression, Zwangsstörung, Phobien,
Schmerzbehandlungen, Panikstörungen; Mirtazapin (neu): Depressive Erkrankungen =>
bei breiterem Spektrum eher dieses Medikament; Vergleich Schädigungstendenzen:
(alt/neu): Herz: 91/85; Atmung: 25/28; Leber: 100/92; Blut: 82/42; Suizid: 58/78;
Schlaganfall: 16/0
-
Benzodiazepine: Spannung, Angst, Schlafstörungen
13 chemische Substanzen, 58 verschiedene Präparate
3 Anwendungen, 10 Gegenanzeichen: Atemstillstand, Muskelspannungen…), hohes
Suchtpotenzial
Beispiel: Diazepam (Faustan, Valium) (alt) z.B. bei Spannungszustände, erhöhter
Muskeltonus, chirurgische Eingriffe, Angst…; Alprazolam (neu) bei Angstzuständen =>
Nebenwirkungen: Atmung, Leber in 100 Fällen beeinträchtigt, ansonsten relativ niedrig;
Prophilaktika (vorbeugend): Licium, verschiedene Antineuroleptika, Carbamazepin,
Valproinsäure
-
Zusatzinfos: Kaufrausch = Zeichen für Manie
Risperdal: Neuroleptika => hauptsächlich bei Manie
5.Vorlesung: 17.11.2009
Die triadische Psychiatrie – Kritik eines Konzeptes
1. Die historische Entwicklung der triadischen Psychiatrie
2. Die Elemente der triadischen Psychiatrie und ihre Veränderungen in der ICD 10
(10. internationale Klassifikation)
1. Die historische Entwicklung der triadischen Psychiatrie:
- Erste Systematisierungen psychischer Krankheit im römischen Recht:
Psychisch Kranke => niedrigere Strafe
deshalb Klassifizierungen: - Furiosi = Rasende (heute z.B. manisch)
- Mente capti = Verblödete (z.B. Hieb auf Kopf im Krieg)
- Dementes = Toren (Demenz) von Geburt an eingeschränkt
- Renaissance: Zacchia 1621
- Fatuitas = Geistesschwäche
- Phrenitis = Wahn (Seelisches liegt in der Brust)
- Insania = Verlust des Verstandes (z.B. durch Unfall)
- Griesinger 1845: Depression, Manie (Tobsucht und Wahnsinn), Schwächezustand
(Demenz), Blödsinn (Schwachsinn => Heute noch im Gesetz)
- Cullen 1787: Neurose (Erkrankung der Nerven nicht entzündlicher Art) => z.B. Parkinson,
Epilepsie… => sehr weiter Begriff
- Ende des 19. Jh.: Freud und Charcot => Organische Anteile raus aus Neurose, nur noch
psychotisch; Freud sagt: Sie entsteht in der Kindheit, ist ein Konflikt zwischen dem Ich und
dem ES, eher leichtes Bild
- 1841: Canstatt: Psychose = Körperlich, erblich, schwerer Verlauf
- 1845: Feuchtersleben: gleich wie Canstatt
- um 1900: Kreapelin: Dementia präcox: schwere Krankheit, körperlich bedingt, genetisch;
Hauptsyptome: Verblödung => Verlust des Verstandes; Vorläufer des Schizophreniebegriffs
- Zirkuläres (Manie) Irresein (Depression) => Später Zyklotonie von Schneider
- Weygandt: Unterschiedliche Verläufe => eventuell nicht nur Depression/Gehobene
Stimmung und psychometrische Hemmung/ Erregung, sondern auch Mischformen möglich!
- 1911: Bleuler: Schizophrenie: Verblödung gehört nicht in den Ansatz; Spaltung der
einzelnen seelischen Bereiche; Grundsymptome: 1. Assoziationsstörung => psychische
Sprachblockade; 2. Affektstörung => Paratomie = Gefühl wie aus der Spur; 3. Ambivalenz:
Gleichzeitig Gefühle, die sich widersprechen z.B. Hass und Liebe zugleich für eine Person;
- 4 Klinische Bilder der Schizophrenie: 1. paranoide, halluzinatorische => Wahn und
Sinnestäuschung; 2. katatonische => Bewegungsstörungen; 3. Hebephrenie => Jugendliche
psychische Erkrankungen z.B. albern etc.; 4.Simplex => einfach, versandet, kein Interesse
mehr
- 1890, Koch: Psychopathie – Persönlichkeitsstörung: Psychopathische Minderwertigkeiten,
Wahn, Depression, Halluzination => keine klare Abgrenzung
- 1925, Schneider: psychopathische Persönlichkeiten
- 10 Bilder: Psychopathy: Hyperthymi (= Manisch, leichtere Form), deprssive Störung,
Astheneische Störung (zu depressiv, Somatisierung), Stimmungslabile Störung (manisch,
depressiv),
Explosive Störung, Selbstunsichere Störung, Fanatische Störung, Geltungsbedürftige
Störung, Gemütlose Störung => dissoziale Störungen; geht zurück auf: moral insanity (aus
englischer Lehre) => fanatisches, unsoziales Verhalten
=> Persönlichkeitsstörungen keine Krankheiten => in der Psyche begründet, Spielarten des
normalen psychischen Seins => Abgrenzung Psychopathie und Psychose
- Selbst leiden, oder andere darunter leiden lassen => Persönlichkeitsstörung; Trennung nicht
möglich!
- 1917: Bleuler: Organische Psychosyndrome (unspezifisch => z.B. Schlaganfall, Hirntumor,
Vergiftung, Entzündung, Unfallschlag) => nachweisliche Schädigung des Gehirns
Psychosyndrome: Gedächtnisstörung, Delieren, Dammerzustand, Angst
- 30er Jahr: aufgegriffen von Scheid
2.Triadische Psychiatrie:
- organische Psychosen => Hirnschädigungen (einschließlich Alkoholfolgen)
- endogene Psychosen => eventuell Hirnschäden ( Schizophrenie und Zyklothymie =
Depression und Manie)
- Neurosen und Persönlichkeitsabartigkeiten => keine Hirnschädigungen nachweisbar
(einschließlich Sucht, Sexualstörungen, Reaktionen „Spielarten der Persönlichkeit“)
- Lennert: bei 30 – 40 % aller Schizophren Kranker ändert sich die Diagnose im laufe der
Zeit, z.B. kommt Depression, Manie, etc. dazu. Das Bild ändert sich. Endogene Formen
müssen verschiedene Ausdrucksformen haben, Teil der einzelnen Prozesse =>
Einheitspsychose => einheitlicher Ursprung (über 100 Jahre)
- Schepank: Konkordanzraten bei Zwillingen: Umwelt / Genetik
Diskonkordante
1. EE
Konkordan
te
109
2. ZE
46
117
75
Konkordanz = Übereinstimmungen
1. 59,24% Übereinstimmungen: 100 EE und einer hat eine Neurose, dann hat der Zwilling
zu 59% auch eine => Neurose ist nicht nur Umwelt bedingt, sondern kann auch genetisch
bedingt sein
2. 28,22%
=> Bei verschiedenen Krankheiten erkennbar.
ICD 10:
- bis 1980 ICD 9, danach Erweiterung zu ICD 10. => triadische Formen aufgelöst,
übernommen etc.
F0: Organisch psychische Schädigungen => z.B. Hirnschädigung
F1: Störung durch psychotrope Substanzen => z.B. Rausch, Gedächtnisstörung etc. => durch
Drogenkonsum
F2: Schizophrenie => endogene Störung
F3: Affektive Störung => endogene Störung
F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störung
F5: Verhaltensauffälligkeiten
F6: Persönlichkeitsstörungen
F7: Intelligenzminderung (von Kindheit an) => z.B. Komplikationen bei der Geburt
=> triadische Psychiatrie z.T. erhalten
Diadisches System:
Hypothese: klare Trennung von Depression, Manie etc. nicht möglich =>
-konstitutionelle Störung (nach Schweregrad) => z.B. Paranoya leichter, mittlerer oder
schwerer Form
- Schädigungsbedingte Störungen (durch Hirnschäden, reine Gedanken oder
Vigilanzzustand)
- Kombination beider mit der Sonderform der Reaktion => schlecht einordbar; nicht durch
Schädigung sondern durch Wahrnehmung
6.Vorlesung: 24.11.2009
Was muss eine psychiatrische Diagnose leisten?
1. Elemente der psychiatrischen Diagnose
a) Lokalisation
b) Symptom / Syndrom
c) Verlauf, Ursache
2. Eigenschaften einer Diagnose
3. Erarbeitung einer Diagnose
Arbeit von Möbius; Mit der Diagnose verständigen sich Ärzte, Patienten, Angehörige,
Mitarbeiter etc.
„Die Götter haben die Diagnose vor die Therapie gesetzt“ => Erst Diagnose, dann Therapie!
=> Diagnose ist etwas sehr wichtiges, das weitere Vorgehen darauf aufbauen
1. Elemente der psychiatrischen Diagnose
a) Lokalisation: z.B. Niereninsuffizienz => Niere
Alle seelischen Störungen liegen im Gehirn = Lokalisation => wurde schon zu viel früherer
Zeit angenommen
b) Symptom / Syndrom: Symptom: Kleinster Baustein einer Diagnose, beschreibend erfasst,
nicht deutend bewertet => z.B. Antriebsarmut + Suizidalität + vermindertes Selbstwertgefühl
=> Depression => nach Gespür Einzelteile zusammensetzen
Syndrom: Symptomkomplex => Annäherung an Diagnose
Mehrere Symptome => Syndrom => Diagnose
- Birnbaum: Ermessenssache, wie die einzelnen Symptome zu einer Diagnose
zusammengesetzt werden; aus Erfahrung heraus, kein Vergleichsparameter vorhanden
etc.
- Unschärfe: Einzelsymptome können nicht immer klar voneinander getrennt/abgegrenzt
werden z.B. Unruhe, Aggression => können in fast alle Krankheitsdiagnose mit eingebaut
werden => Spekulation, nicht klar fassbar
c) Verknüpfung von Verlauf und Ursache:
3 Verlaufstypen:
1. Spontanverlauf: (am häufigsten) Beginn, Zunahme und Abnahme ohne besonderen Anlass;
auch endogener, konstitutioneller oder ideopatischer Verlauf genannt => Konstitutionelle
nimmt Schwankungen und die Wesensart des Patienten mit rein
2. Schädigungsbedingte Verläufe: Schäden von außen => enden
Bsp.: Alkoholisches Delirium: beginnt in bestimmten Ausmaß der Alkoholsucht, wenn es
einmal ausgelöst wurde
Bsp.: Rausch => Auslösen von Phänomenen => Abklingn unabhängig davon, ob
Rauschmittel noch im Körper vorhanden, oder nicht
- Dosis- Wirkungs-Beziehung: Je Stärker die Schädigung, desto stärker die Wirkung / der
Verlauf
- Residualsymptomatik: Bsp.: Schlaganfall: Erholung der geschädigten Zellen => Schaden
konnte „repariert“ werden vs. Bleibender Schaden; kompensatorische Regulation =
Andere Hirnregionen übernehmen die Aufgaben der geschädigten Zellen; Wenn der
Schaden zu groß und schwerwiegend: Restschaden bleibt bestehen
3. Physikalische Veränderung, z.B. Nachricht erhalten über schlimmen Unfall etc. =>
Wahrnehmung von bestürzender Nachricht; hier ist keine Dosis-Wikungs-Beziehung
möglich, da jeder Mensch anders reagiert
- Zeitlichen Verlauf im Bezug auf bestimmte Ereignisse
Kann Ursache auf Verlauf bezogen werden?
- Conditio sine qua non = Bedingung ohne die es nicht geht:
Bsp.: Erdbeben, danach schwere Depression => war Erdbeben der Auslöser/Ursache für die
Depression? => Wenn ich das Erdbeben wegdenken kann und die Depression dennoch
weiterhin besteht, war diese nicht die Ursache => Eigenständigkeit!
- Zusatzgedanke: Wenn Therapie gut gewirkt hat, heißt dies im Umkehrschluss nicht
automatisch, dass die Diagnose somit begründet war
- Aus der Diagnose müssen auch rückwärts die Symptome, Ursachen und der Verlauf erkannt
werden können
2. Eigenschaften einer Diagnose:
1. Verständlichkeit:
für Patienten und Behandelnden
z.B. gut gelungen bei Depression (setzt sich zusammen aus pressare = Bedrückung)
auch gut bei Angststörung: Enge in Angst
- kompliziert: Fachbegriffe z.B. Borderline Persönlichkeitsstörung => hierunter versteht
jeder etw. anderes, einzige Gemeinsamkeit: sich körperliche Leiden zufügen => im ICD 10
nachschauen: emotionale Instabilität, unklares eigenes Selbstbild, unbeständige Beziehungen,
Androhung von Suizid und Selbstverletzungen, Verlauf bereits in Kindheit jedoch sollte die
Störung nicht vor dem 16ten Lebensjahr diagnostiziert werden.
Bsp.: Helfersyndrom: keine Diagnose => in keinem Lehrbuch oder ICD 10 zu finden
1977: Schmitt- Bauer: „erfunden“ = - soziale Hilfe wird zur starren Form
- naive Motivation für helfende Berufe (Arzt,
Psychologe…) die zur Überforderung und Enttäuschung führt
2. Dem klinischen Wissen nicht entgegenstehen:
Bsp.: Entzugssyndrom/-störungen: z.B. Halluzination etc. => gleiche Symptomatik kann
auch ohne Entzug im Rausch gezeigt werden => entgegen klinischem Wissen
Bsp.: Störung durch Alkohol: => hier kann z.B. nur Lebererkrankung oder
Gedächtnisstörung etc. erkannt werden; richtiger: Alkohol durch Störung => innere Störung
die zum Alkoholismus führt; Störung also vor Alkohol
3. Keine Eigennamen enthalten:
z.B. Morbus Bleuler = Schizophrenie
Morbus / Mb. = Krankheit
=> solche Dinge entwickeln Eigenleben
Bsp.: Morbus Wernicke: nur bei drei Patienten von Wernicke selbst untersucht; => sehr
unterschiedliche Symptome im heutigen Verständnis
4. Nicht diskriminierend sein
=> Patient soll Diagnose annehmen können, akzeptieren, Wahrheit sagen, nicht täuschen
Bsp.: Demenz => in Klinik nur bei sehr schweren Verläufen, nicht leicht erkennbar =>
besser: Gedächtnisstörung
Bsp.: histerische (diskriminierend) / histronische („Schauspieler“ => nicht korrekt, noch
diskriminierender) Störung
3.Erarbeitung der Diagnose:
Möglichst viele Symptome erfassen => entscheidende herausgreifen => Spekulation
- Danach richten, was Patient wichtig ist, oft im ersten Explorationsgespräch erkennbar,
wenn Patient frei heraus erzählt, dazu sollte die eigene Beobachtung des Patienten mit
rein spielen
- Aufmerksamkeit: Gestörte Wachheit, Gedächtnisstörung => Schädigungen des Gehirns
abklären
- Mehrere Symptome in eine Diagnose? => höchstens drei verschiedene Diagnosen
- Bsp.: Angststörung, Depressivität, leichte Sucht; oder: Depression mit ängstlicher
Färbung
- Verläufe und Wichtigkeit der einzelnen Symptome beachten!
- Nach Bedrohlichkeit behandeln
- Eigene Unsicherheit im Bezug auf die Diagnose dem Patient ruhig mitteilen; Verlauf
muss beobachtet werden
7.Vorlesung: 01.Dezember 2009
Die Lokaldiagnose in der Psychiatrie:
1. Der neurologische Grundgedanke von Zentren. Läsionsbefunde.
2. Psychiatrische Versuche zur Lokalisation:
a) - die Laboralisation (WADA)
b) - die Leukotomie (Präfrontaler Cortex)
c) - Halluzinationen bei Läsion der "primären Sinneszentren"
d) - Volumenbestimmung
1. Der neurologische Grundgedanke von Zentren. Läsionsbefunde.
Grundgedanke: psychische Prozesse im Gehirn sind von Bedeutung
> neurologischer Grundgedanke: linke Hemisphäre: Sprachverlust + Störungen in der rechten
Körperhälfte etc. => Ursprung der Schädigung => Lokalisation des zuständigen Bereichs
Historischer Abriss:
> Gall: Entwicklung von Hirnlandkarten
> Brodmann: Brodmann-Areale => Zellverbände mit unterschiedlichen Funktionen
> Pfeiffer: 1916: missgebildetes Kind; ohne Großhirn geboren; es waren nur der Hirnstamm
und Gewebe vorhanden; dennoch war das Kind für kurze Zeit lebensfähig
Beispiel: Normaler Körper, normale Bewegungen, normale Haut und Tonus,
Schmerzreaktionen möglich
> Gauper 1926: ähnlicher Fall, bei dem das Kind länger überlebte; Tag-Nacht-Rythmus,
Gähnen, Lächeln, Saugen, Lutschen etc. war bei diesem Kind zu beobachten => Komplexe
Funktionen des Körpers sind auch ohne Großhirn möglich!
> Ehwald 1954: schwach begabter Mensch: Pneuencephalogramm: Luft wird über das
Rückenmark ins Gehirn gesendet => Luftgefüllte Räume können über das Röntgenbild
erkannt werden
> Basser 1962: Kinder mit schweren Hirnschäden, deren linke Hemisphäre (Sprachbereich)
entfernt wurde (wegen Epilepsie) => Hemisphärektomie
=> Nachuntersuchungen zeigten: die Sprache verschlechterte sich bei keinem der Kinder
Fall 28: einem 12 jährigen wurde ebenfalls die linke Hemisphäre entfernt; postoperativ war
die Sprachfähigkeit verschwunden, nach 2 Jahren war bereits eine Verbesserung zu erkennen
und nach 4 Jahren waren keine Beeinträchtigungen mehr zu erkennen.
> Willson 1970: In 20 Fällen wurde die linke Hemisphäre und in 30 Fällen die rechte entfernt.
=> 80 % hatten keine Sprachstörungen
> Borgstein 2002: Computertomographie: kleines 3 jähriges Mädchen; linke Hemisphäre
wurde entfernt; im Alter von 7 waren keine Beeinträchtigungen zu erkennen
=> Grundgedanke dahinter: Werden Zellen zerstört, fallen ihre Funktionen aus => es muss
jedoch nicht heißen das der zerstörte Bereich das Zentrum war, vllt. ist an dieser Stelle nur
eine Störung der Weiterleitung geschehen => das würde beispielsweise heißen: Im
Sprachzentrum sitz nicht die Sprache, sondern hier kann sie nur gestört werden
=> Bei gesunden Zellen, die nun durch die Störung oder Entfernung von anderen Zellen neue
Aufgaben mit übernehmen müssen, können Störungen in ihrem ursprünglichen Aufgabenfeld
auftreten
=> Hirnfunktionen sind variabel => Andere Areale können ausgefallene Funktionen
übernehmen
2. Psychiatrische Versuche zur Lokalisation:
a) - die Laboralisation (WADA) (1960)
Durchführung: Die Halsschlagader wird punktiert, ein Beruhigungsmittel wird gespritzt,
dadurch kann erst eine einzelne Hemisphäre lahmgelegt werden => später auch der ganze
Körper => einzelne Funktionen können überprüft werden
> Lee 1988: 92 Patienten, bei denen nacheinander die linke und rechte Grotis punktiert wurde
=> 5 waren direkt danach psychisch auffällig; ähnlich wie bei Rausch; bei einem Patient
konnte dies auf beiden Seiten ausgelöst werden, bei 3 nur rechts und bei einem nur links
> Kurthem 1991: 80 Patienten => 4 auffällige; Rauschzustand
b) - die Leukotomie (Präfrontaler Cortex) aus den 30er Jahren von Moniz
=> weiße Substanz (Leitungsbahnen) im Gehirn werden zerschnitten => Therapieform
- weiße Substanz des Frontalhirns wird entfernt, zur Therapie z.B. von Ängsten oder
Zwängen; sehr häufig durchgeführt
> Mc Lardy 1949: 5 Patienten denen fast die gesamte weiße Substanz im Frontalhirn entfernt
wurde: gute Besserung der Symptome (Vorwiegend Schizophrenie, Depression etc.) => klang
dann aber nach ca. 10 Monaten wieder ab, danach erschien wieder die selbe seelische
Erkrankung wie zuvor (waren alles sehr schwere Patienten)
=> Das Zusammenwachsen von frontalen Strukturen hat keinen Einfluss
=> Frontale Funktionen haben bei Depressionen etc. keinen großen Einfluss
> Häfner 1957: Frontalhirnsyndrom: gezogener Schluss: bestimmte psychische Leistungen
können nicht auf psychische Erkrankungen bezogen werden; betroffen hierbei z.B.:
Planungsvermögen, Durchhaltevermögen etc. => Ist mehr die Quantität oder die Art der
zerstörten Zellen entscheidend? => Laut Häfner die Quantität
c) - Halluzinationen bei Läsion der "primären Sinneszentren"
>Berger: Halluzinationen trotz Zerstörungen im entsprechenden Feld möglich; Patient: Felder
im Hinterhaupt zerstört = primäre Sehrinde => Patient ist blind, hat trotzdem Halluzinationen
im Bezug aufs Sehen => Halluzinationen können nicht dort entstehen!
> Dirx 1999: Halluzinationen hängen mit primärer Hörrinde zusammen => fMRT wurde
eingesetzt => es kam zu Signalveränderungen in diesem Bereich bei Zuständen des
halluzinierens
d) Volumenbestimmung:
> Jakoby 20er Jahre: Schizophrene Patienten: erweiterte Hohlräume im Gehirn; die Größe
bestimmter Hirnareale korreliert mit bestimmten seelischen Phänomenen (z.B. Sucht, Zwang,
dissoziales Verhalten, Depression etc.) => bis heute gibt es hierzu jedoch noch keine
genaueren Befunde => sehr schwere Messungen
> Lemke: Experiment: Fotographie der Gesichtern von Kranken - im Vergleich zu Gesunden
Gesund: Mund eher schmallippig, Augen geöffnet => verschiedene Störungen haben
symmetrische Lähmungen => Symmetrische Lokalisation
=> Neurologische Erkenntnisse dürfen nicht automatisch auf psychiatrische Schlüsse
bezogen werden!
1. Das gesamte Gehirn muss für Tod erklärt werden => keine direkte Lokalisation möglich
2. Störungen im Hirn: Vigilanz und Gedächtnisstörung => psychische Störungen sind anders
3. Halluzinationen sind auch in primären Hirnfeldern möglich
4. Symptome entstehen in nicht geschädigten Arealen
5. Regelkreise: nicht Gefühle ableitbar => Rückschlüsse sind nicht möglich
FAZIT: Bei Lokalisation besteht alles nur aus Hypothesen; daher kann man keine
direkten Rückschlüsse daraus ziehen!
8.Vorlesung: 08.12.2009 : Die Differentialdiagnose in der Psychiatrie
1. Die Differentialdiagnose der konstitutionell bedingten psychiatrischen Störungen
- a) 7 Formen der Angst
- b) Gleichzeitigkeit und Übergänge
- c) Differentialdiagnose und Differentialtypologie
2. Die Differentialdiagnose der schädigungsbedingten psychischen Störungen
- a) 6 Schädigungsarten
- b) Vigilanz und Gedächtnis
3. Die Differentialdiagnose der Kombinationen konstitutionell, schädigungsbedingter
und erlebnisbedingter psychischer Störungen
Differentialdiagnose: Abgrenzung zwischen verschiedenen Krankheitsbildern:
2 große Probleme (nicht gesichertes Wissen): 1. Wesensart des Patienten
(konstitutionell)
2. Schädigungsbedingte Störung
3. Kombination aus 1. und 2.
1. Die Differentialdiagnose der konstitutionell bedingten psychiatrischen Störungen
- a) 7 Formen der Angst:
Nach ICD X (1993):
F 40: Phobische Störung:
- Agoraphobie
- soziale Phobie
- spezifische Phobie
F 41: sonstige Angststörungen:
- Panikstörung
- generalisierte Angststörung
- Angst und depressive Störung, gemischt
- sonstige gemischte Angststörungen
1. Differentialdiagnose der Furcht und Angst:
Phobie: aus dem griechischen; klinischer Begriff, abgegrenzt zur Angst; Furcht
- Agoraphobie: Mensch im leeren Raum; Bestimmte Kriterien: 1. Furcht = primäres Symptom
Problem: Aus Bedrohung heraus kann sich eine Angst entwickeln; Wahn + Furcht kann
komorbid sein; aus Kausalgedanke miteinander verbunden
Wahn
=/=>
X
Phobie
Mensch der beides in sich hat
X= Andere Ursache für Wahn / Phobie
2. Differentialdiagnose von Manie und Sozialstörung:
Agoraphobie: Wenn mindestens 2 von 4 Kriterien zutreffen:
1. Angst in Menschenmengen
2. Angst vor Reisen in weite Entfernungen
3. Angst vor Reisen alleine
4. Angst vor freien/ großen Plätzen
 Meidung dieser Situationen
Soziale Phobie: Antrophobie = Wenn Kontakt zu anderen Menschen schwer fällt/ vermieden
wird; abzutrennen zu Agoraphobie
Weitere Phobien (mit offenem Verlauf):
- Höhenangst
- Klaustrophobie
- Prüfungsangst
- Angst vor Tieren
- Krankheitsfurcht
- Verarmungsangst…..
=> Schwer abtrennbar zu Wahn
=> Furcht kann jeden Bereich des Lebens betreffen
- c) Differentialdiagnose und Differentialtypologie
Angstformen/ - Angststörungen:
- Panik: früher: reserviert für Situationen, wenn Menschenmassen in Aufregung/ Panik
geraten z.B. Todtreten eines Menschen.
- Heute: Schwere Angst, Anfallsartig, beim einzelnen Individuum oft grundlos, aus sich
heraus, z.T. plötzlich verschwindend und plötzlich auftretend => Verlaufselement
- Körperliche Kriterien: Herzbeschwerden, Kreislaufprobleme…
- Generalisierte Angststörung: ganzer Mensch ist davon erfüllt, Herzklopfen, Schwindel etc,
offener Verlauf, nur über Verlauf der Panik abgrenzbar
=> keine differentielle Trennung zu Phobie
- Angst und depressive Störung: bei schwerer Diagnose; kann am Anfang langsam,
schleichend verlaufen; am Anfang schwer zu trennen
- Verschiedene Formen können zur gleichen Zeit, im gleichen Menschen auftreten =>
Differentialdiagnose schwer zu erstellen und nicht sinnvoll zu trennen
- Differentialtypologie: Es gibt verschiedene Menschentypen, die zu bestimmten
Angstformen neigen.
- Angst und Furcht/ Phobie sollten nicht getrennt werden. => Sie haben alle etwas
Gemeinsames
=> Wahrscheinlich gibt es nicht verschiedene Krankheiten, sondern verschiedene Typen von
Menschen.
- b) Gleichzeitigkeit und Übergänge (Problem!):
Bsp.: Dissoziale Störung und Manie
- Dissoziale Störung äußert sich durch: Fehlverhalten, Aggression, Erregung, schnelle
Wechsel, Herablassende Haltung zu anderen, Schuldzuweisung auf andere, soziale
Kompliziertheit, Hochgefühle bei Dissozialität
- Manie äußert sich durch: Starkes Selbstbewusstsein, große Versprechungen, Gereiztheit,
Aggressivität, kann in verschiedenen Lebensaltern auftreten, viel Energie, Aufgedrehtheit
=> wahnhafte Überhöhung
=> Beide Störungsbilder ähneln sich, sind kaum trennbar, ein klares Trennungsmerkmal ist
kaum erkennbar
Übergang: Bsp.: vom Wahn zu Zwang
Beispiel eines Patienten: hatte Wahnvorstellungen, dass ihm ein Mord angehängt werden
sollte => Wahn legte sich nach einiger Zeit => Zwangsgedanke entstand daraus => Er hatte
nun Zwangsgedanken, dass er ein Mörder ist
FAZIT: Konstitutionell bedingte Definitionen lassen sich nur unscharf voneinander trennen
=> diese Unschärfe sollte nie vergessen werden
2. Die Differentialdiagnose der schädigungsbedingten psychischen Störungen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
a) 6 Schädigungsarten:
Toxisch: z.B. Alkohol, Stoffwechselbedingtes Leberversagen
Entzündungen z.B. Infektionen
Traumatisches Ereignis (Körperlich) z.B. Schädel-Hirn-Trauma
Degenerative Schädigung: Hirnteile geben ihre Funktion auf z.B. Alzheimer
Raumfordernde Prozesse z.B. durch Tumor
Cergovasguläre Schädigung (Durchblutungsstörung) z.B. Schlaganfall
> Zuordnung? Einmündung in zwei klinische Bilder: Vigilanz und Gedächtnisstörung
- b) Vigilanz und Gedächtnis :
Am Patient sieht man nur die Folgen, nicht die Ursachen!
-
plötzliches Ereignis spricht eher für: Durchblutungsstörung
allmähliches Ereignis spricht eher für: Tumor / Raumforderung
Kasuistik hierzu: Patient geb.1949, männl., nur Vorname konnte genannt werden, keine
Schmerzen, Unruhe, Sinnestäuschungen, empfand sein Gedächtnis als gut.
> Lag im Bett, wirkte teilnahmslos, krank, beeinträchtigt in Vigilanz
=> Vigilanz und Gedächtnis beeinträchtigt
> Vor 10 Jahren begannen seine Kopfschmerzen
=> Tumor in Hypophyse gewachsen; wurde entfernt, danach war der Patient stark
verlangsamt, mit schwerer Unruhe => durch die Entfernung der Hypophyse kam es zu
Hormonveränderungen, diese wurden medikamentös eingestellt; danach kam es zur starken
Verlangsamung des Patienten
Hier gibt es 4-5 Erklärungsmöglichkeiten; alles ist miteinander vermischt.
3. Die Differentialdiagnose der Kombinationen konstitutionell,
schädigungsbedingter und erlebnisbedingter psychischer Störungen:
Kausuistik:
- junge Frau, hatte Verkehrsunfall bei dem ihr 1-jähriges Kind verstarb; verschiedene
Frakturen; Blutungen im Gehirn; stand während des Unfalls unter Drogeneinfluss
- ihr körperlicher Zustand verbesserte sich
- plötzlich entwickelte sich eine Höhenangst und eine Angst allein in einem Raum zu sein
- dennoch war sie positiv und zukunftsorientiert eingestellt
- es stellte sich heraus, dass sie schon mit 2 Jahren panische Angst vor Ärzten und Spritzen
hatte
- Es wurde herausgefunden, dass sie vor 4 Jahren an Depressionen litt und davor viel
gekifft hatte, außerdem litt sie an Halluzinationen
- Sie wirkte unruhig und hatte schnelle Stimmungsschwankungen
- Viele Schädigungsformen können in Betracht gezogen werden: - Sucht; - früher mittlere
Depression; - vermutlich soziale Störung; - aktuell Angststörung; - Gedächtnisstörung
(durch Schädeltrauma); - Stimmungsschwankungen nicht erklärbar
 Keine deutliche Trennung möglich
 Schwierige Ereignisse häufiger bei seelisch komplizierten Menschen
Anforderungen an eine gute Differentialdiagnose:
- Klinische Bilder trennen; Verläufe beobachten; Ursache (oft nicht erkennbar)
Vorlesung 10
5.1.10
Thema: Forensische Psychiatrie: der 20 §StGB
-
Forensik leitet sich von Forum (=öffentlicher Platz) ab
Befasst sich mit Rechtsproblemen
In der Forensik gibt es Überschneidungen zwischen Juristen und Ärzten, Therapeuten,
Psychologen
Wichtigstes: diagnostisches Gebiet und Gutachten
1.diagnostischer Anteil
Vorgehen:
1. Seelische Störung bezogen auf Gutachtensfrage
2. Minderung von Fähigkeiten unabhängig von seelischen Störungen
3. Kausale Beziehung herstellen, um zu schauen, ob Minderung von Fähigkeiten durch
seelische Störung begründet ist
2.therapeutischer Anteil
- im Maßregelvollzug wird behandelt und therapiert. Hier treffen viele Berufsfelder
(Therapeut, Ärzte, Juristen…) aufeinander
3.beratende Funktion
-anderen Ärzten Rat geben oder Deutung/Anwendung von Gesetzeswerken
Wichtigste Gesetzeswerke
Strafrecht:
-StGB
-StPo (Strafprozessordung)
Bürgerliches Recht: -BGB
-FGG (freiwilliges Gerichtsbarkeitsgesetz)- Wann wird Gutachter tätig?
-ZPO
-Psych. KG – Wann Patient gegen Willen in Klinik kommt usw.
Sozialrecht:
-SGB 1-12 Wichtig vorallem 5 (Kranker), 6 (Erwerbsunfähigkeit) und 7
1. § 20 StGB und § 21 StGB
§ 20 1.Teil
-
Prüfen, ob jemand ohne Schuld ist
Schuld wird nicht eigenständig, sondern über eine Negation definiert
Was ist Schuld? - Unrecht Tun reicht nicht zur Schuld, sondern muss vorwerfbar sein
und daraus resultiert Schuld
Inwieweit ist ein Mensch schuldfähig?
-
o Determinismus: Mensch ist festgelegt im Handeln, d.h. er lernt auch nicht aus
Fehlern (am Tun nicht schuldhaft)
o Indeterminismus: Mensch ist nicht festgelegt und besitzt innere Freiheit
 Nach heutiger Annahme sind beide nicht bewiesen, doch das Schuldrecht in
Deutschland geht von dem Indeterminismus aus
Unter Umständen des Krankseins ist die Vorwerfbarkeit des Tuns oft nicht
gerechtfertigt
§ 20 2.Teil
-
4 diagnostische Kategorien: seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung,
Schwachsinn und Abartigkeit
 finden im klinischen Alltag kaum Verwendung. Histor. Hintergrund: Juristen
sagen, dass Diagnose vor der Tat bestehen muss
Kategorien haben Problematik: Krankhaft es gibt auch nicht krankhafte seelische
Störungen Bsp. dissoziale PSK
Diagnosen gehen mit Schweregrad einher
Bsp. Schizophrenie ist eine schwere Krankheit, dagegen hat eine
Persönlichkeitsstörung nicht so einen großen Schweregrad. Es ist nicht gerechtfertigt
so zu urteilen, weil die Krankheiten in schwerem oder leichten Ausmaß vorkommen
können. Es muss betrachtet werden, ob die Krankheit schwer oder leicht ausgeprägt ist
Gesetz geht dabei nicht so vor
In das Gutachten wird aufgenommen:
Krankhafte seelische Störungen
-
Konstitutionell bedingte Störungen: Schizophrenie, Paranoia..
Schädigungsbedingte und Vigilanzstörungen, wenn sie schwer ausgeprägt sind
Mischung aus konstitutionell und schädigungsbedingten Störungen: Rausch,
Dämmerzustand
Problem: Zum Bsp. muss nicht jeder manische Mensch zur Straftat kommen, es gibt
auch Straftäter die nicht manisch sind
 konstitutionell bedingte Störungen gehen nicht zwingend mit Straffälligkeit einher,
auch nicht wenn sie sehr schwer sind
Komorbiditäten? Bsp. Straffällig geworden & Wahnsymptomatik
Tief greifende Bewusstseinsstörung
-
Bewusstsein darf nicht mit Wachheit gleichgesetzt werden
Gesetzgeber fordert tief greifende Bewusstseinsstörung, denn leichte
Bewusstseinsstörung kann beispielsweise schon nach 1h Uni auftauchen
Affekthandlung
o Bewusstsein engt sich durch Erregung ein
o Geschieht unvorbereitet aus Umständen heraus
o Übermüdung, Alkoholisierung
o Tat wird nicht herbeigeführt, sondern erlitten
o Starke, innere Erregung
o Physiolog. Reaktionen: blasse Haut, Schweißausbrüche, Zittern am Körper
o Kurzer Handlungsablauf gehört dazu
o Tun ist nicht bewusst. Betroffene reflektiert nicht und somit ist Handlung nicht
bewusst
o Unbeachtet äusserer Umstände
o Erinnerung im Nachhinein gestört wichtiges, aber weiches Kriterium, weil
jeder kann sagen, dass er keine Erinnerung mehr hat um Strafe zu mindern
Schwachsinn
-
Alter Begriff, umgangssprachlich
Betroffene ist schwachen Sinnes
Anlagebedingt oder durch Hirnschädigung verursacht (keine Trennung)
Gesetz setzt schweren Schwachsinn voraus
Abartigkeit
-
-
Problem: Trennung von Krankheit und Abartigkeit (gibt bestimmte Übergänge)
Verlauf, Prognose ist wichtiges Krankheitskriterium
Ähnliche Familienanamnesen verschiedene seelische Störungen in gleichen
Prozentsätzen
Ursprünglich statistischer Begriff etw. ist nicht häufig
Oft dissoziale PSK
o Süchtiger Mensch (auch in krankhafter seelischer Störung)
o Dissoziale PSK
o Sexualstörungen
o Monomanie (Kleptomanie, Pyromanie, Poriomanie, Kaufsucht/Spielsucht)
eine Abartigkeit kann nicht schwerer als eine andere sein
§ 21
-
-
Prüfung Minderung von Fähigkeiten unabhängig von Krankheit
Hätte Straftäter während seine Tat als unrecht empfunden?
Unterbricht Täter die Handlung? Einsicht in Unrecht
Drohung der Betroffenen Unrecht des Tuns bewusst
Verbergen Unrechtsbewusstsein
Unrechtsbewusstsein nicht erhalten nicht weiter prüfen
Unrechtsbewusstsein erhalten prüfen, ob Steuerungsunfähigkeit (Hätte der
Betroffene auch anders handeln können?)
Steuerungsunfähigkeit: - Handlung ungeordnet
-Handlungsablauf geordnet, wenn Ziel in Sicht
Verknüpfung von Diagnosen und Unfähigkeiten
Gedankliche Prüfung: seelische Störung wegdenken- Entfällt Unfähigkeit? Dann ist
Kausalzusammenhang daWegdenken einen Kausalfaktors. Entfallen andere
Bedingungen auch, dann Kausalzusammenhang da
§ 61
-
Ohne Schuld, keine Strafe
11. Vorlesung: Prognose im Gutachten - Prognose in der Klinik
(12.Januar.2010)
1. Prognostische Fehler
2. Einfluss auf die Prognosestellung
- Einflüsse des Gutachters
- Eigenschaften des Begutachteten
- Aktueller Zustand
- Betrachtung der Vergangenheit
- Möglichkeiten der Zukunft
3. Fallvorstellung
1. Prognostische Fehler:
>Die Prognose stellt einen sehr wichtigen Aspekt in der psychiatrischen Arbeit dar.
> Im Strafrecht: § 63 + 64 => Maßregelvollzug
§ 66
§ 125 A STGB
§ 154 => vorzeitige Entlassung
> Auch in der Klinik: Sozialstörung => ist eine seelische Störung; Kriterien im Strafrecht sind
auch übertragbar auf andere seelische Störungen
> Prognostische Fehler:
- Richtig positiv: Ergebnisteil tritt ein; Prognose war richtig
- Richtig negativ: Ergebnisteil tritt nicht ein; Prognose war richtig
- Falsch positiv: Ergebnisteil tritt ein; Prognose war falsch; Beispiel: Starftäter soll verurteilt
werden; Tat kann wieder eintreten, es kommt jedoch nicht zu einem Rückfall => Prognose zu
Lasten des Betroffenen (Straftäter)
- Falsch negativ: Ergebnisteil tritt nicht ein, Prognose war falsch; Beispiel: Straftäter soll
verurteilt werden; Prognose: Täter wird nicht rückfällig => Aber: wird doch rückfällig =>
Prognose zu Lasten der Allgemeinheit
=> Man irrt sich immer wieder, nähere Prognosen, für die nahe Zukunft sind einfacher als
die Vorhersage von weit in der Zukunft liegenden Ereignissen => Prognosen sind z.T.
unzuverlässsig
> Eine Prognose funktioniert besser als der Zufall, wenn sie in mehr als 50 % der Fälle richtig
liegt => schwer!
2. Einfluss auf die Prognosestellung:
- Einflüsse des Gutachters:
- Alter, Erfahrung, Genauigkeit, Sorfalt, Unvoreingenommenheit, Geschlecht (Männer sind
unsicherer bei Gefährlichkeitseinschätzung von Frauen und umgekehrt)
- Begutachteter selbst:
- Alter, Geschlecht (z.B. bei Gewalt- und Sexualdelikten ist die Prognose nach dem 40.ten
Lebensjahr positiver) Prinzipiell haben Männer negativere Prognosen, als Frauen
Aufteilung nach: 1. Aktueller Zustand
2. Vergangenheit
3. Zukunft
1. Aktueller Zustand:
- Alter, Geschlecht
- Ausprägung des gestörten Sozialverhaltens
- Wille zum erneuten Delikt => eher rückfällig
- Einsicht in die eigene Schuld: Bei geringer Einsicht => eher rückfällig (geringere
prognostische Kraft)
- Wille zur Hilfe: Therapiewilligkeit => bessere Prognose (höhere prognostische Kraft)
- Ausprägungen begleitender seelischer Störungen: Beispiel: Sucht kann zu Delinquenz,
Wahn etc. führen => Prognose bei aktuell bestehenden Störungen schlechter
2. Vergangenheit:
- Familienanamnese: Bei Auffälligkeit der Familienanamnese von Straftätern => eher
rückfällig => schlechtere Prognose (geringe prognostische Kraft)
- Frühes Einsetzen der Delinquenz / seelischen Störung: frühes Einsetzun + über langen
Zeitraum anhaltendes Fehlverhalten => schlechte Prognose (höhere prognostische Kraft)
- Widerruf früherer Bewährungsauflagen/ Rückfall in Bewährungszeit: schlechte Prognose
- Regelbrechen im Strafvollzug: schlechte Prognose
- Fluchtneigung: schlechte Prognose
- Zeit des Unentdecktseins: Keine Straftaten => bessere Prognose
- Basisrate des Delikts:
Basisrate = Anzahl Rückfälliger
Anzahl der Straftäter
Beispiel: 100 Pädophile; nach 10 Jahren werden 50 wieder rückfällig
Basisraten (Untersuchung von Beck): 108.000 Straftäter über 3 Jahre untersucht (Alle
Strafttaten) => 41,4% wurden wieder rückfällig
- Zu Sexualdelikten: (Viele versch. Untersuchungen) => häufig um ca. 50% Rückfall
- Kastration drückt die Rückfallquote auf ca. 3% => Ist in Deutschland nur im Einverständnis
mit dem Täter vom Gericht zu verlangen
- Basisraten sind immer abhängig vom entsprechenden Land und den zugehörigen Gesetzen
(kompliziert damit umzugehen) => Basisraten müssen regelmäßig erneuert werden => geben
nur eine ungefähre Sicherheit
Ausgangsdelikt:
Mord
Raub
Drogendelikt
Einbruch
Basisrate:
6,6%
19,6%
24,8%
31,9%
- Basisraten steigen mit den Jahren an (Je länger der Zeitraum, in dem der Täter straffrei war,
desto höher die Wsk., dass er rückfällig wird) Je größer der Zeitraum, desto größer die
Basisrate => Einfluss auf Prognose! (leichtere Voraussicht auf die nahe Zukunft)
- Unspezifische Vorhersage besser als Spezifische (genaue Verbrechensart)
- Seelische Störung in ihrem frühen Verlauf => bei schwerem Verlauf: negative Prognose
Schwankungen => eher positive Prognose
3. Zukunft:
- Wiederholbarkeit der Tat: Wiederherstellbar der bestimmten Konstellation => Negative
Prognose
- Möglichkeiten zur Lebensgestaltung und Wille => z.B. Arbeit => bei positiven
Möglichkeiten => positive Prognose
- Wohnen: Familie, Verband etc. Positive Prognose
- Soziale Kontrolle: vorhanden => positive Prognose
- Weitere Therapie => ambulante Betreuung etc. => positivere Prognose
Es bleibt: Prognosen sind schwierig zu stellen, vor allem wenn sie in die weite Zukunft
reichen sollen.
12. Vorlesung
26.01.2010
Einwilligungsfähigkeit und Bevollmächtigung
1. die freie Willensbestimmung
2. Die Nichtigkeit einer Willensbestimmung
§105 BGB
" Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig"
§104 BGB
"Geschäftsunfähig ist, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat; wer sich in
einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der
Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein
vorübergehender ist."
3. Einwilligungsunfähigkeit als Sonderfall
4. Bevollmächtigung und Betreuung
1. Die freie Willenbestimmung:
Bürgerliches Recht => Der menschliche Wille steht im Zentrum
Willensbestimmung: Lust auf Gegenstand (Kant)
Grenze der Vernunft
Willensbestimmungen im
Bereich der Freiheit
(durch nichts gehindert
innerhalb der Vernunft)
Willensbestimmungen nicht im Bereich der Freiheit
Bestimmtes Feld wird rausgesucht; außerhalb der Vernunft => unfrei
Beispiel: Blinder wird Bildhauer => kann in Vernunft sein
2. Die Nichtigkeit einer Willensbestimmung
§105 BGB
" Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig" => müssen nicht beachtet
werden
§104 BGB
"Geschäftsunfähig ist, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat; wer sich in
einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der
Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein
vorübergehender ist."
=> Willenserklärung ist unvernünftig
Im Medizinischen:
Maßnahmen einwilligen / ablehnen (rechtskräftig)
Ablauf:
1. Patient einwilligungsfähig => zunächst wird davon ausgegangen
2. Zweifel im Verlauf des Gesprächs etc.
3. Prüfung der Einwilligungsunfähigkeit (Nichtigkeit)
Zu überprüfen:
A: Seelische Störung
B: Einwilligungsunfähigkeit
C: Kausalzusammenhang zwischen A und B
A: Seelische Störung: - 1. Schädigungsbedingte Störungen:
Vigilanz und Gedächtnis
Bsp.: Koma, schwere Gedächtnisstörung
- 2. Konstitutionell bedingte - / Persönlichkeitsstörungen
- Schwere Depression, Manie, Wahn, Suizidalität
- 3. Kombination aus 1. und 2. : Rausch, Aphasien etc.
B: Einwilligungsunfähigkeit:
Muss unabhängig von der Diagnose sein!
- 1. Unfähigkeit ärztlichen oder therapeutischen Vorschlag zu erfassen => Patient muss
begreifen => Diagnose, (Komplikationen, keine Behandlung) Konsequenzen
=> Verständnis muss nachgefragt werden Bsp.: Was haben Sie für eine Diagnose? ; Was
passiert, wenn Sie nicht therapiert werden? => Das nur ein gewisser Teil verstanden wird,
muss akzeptiert werden!
- Orientiertheit zur Situation Bsp.: Weshalb sind Sie hier in der Klinik? => Desorientierung zu
Ort, Person und Zeit ist nicht ganz so wichtig, solange die Krankheit bekannt ist
-2. Ärztliche Dinge behalten/ erinnern => ausreichend stabile Erinnerung
Bsp.: Herzpatienten: Orientierungslosigkeit, Gedächtnisstörungen => Lucides Intervall:
Zeiten in denen der Patient klar ist, geht schnell vorbei/ schwankt schnell => Schwankungen
möglich => 14 tägige Stabilität muss gegeben sein
-
3. Unfähigkeit vernünftigen eigenen Willen zu haben und zu äußern => ist nicht so
einfach zuerkennen ob ein Wille vernünftig ist, oder nicht; der eigenen Wille ist nicht
klar nachweisbar, lässt sich schnell ändern; Äußerung des Willens kann erschwert sein
z.B. durch Depression oder Aphasie
C: Kausalzusammenhang zwischen Krankheit und Unfähigkeit:
Bedingung ohne die es nicht geht => Bsp.: Manie als kausale Grundlage für
Einwilligungsunfähigkeit
=> Patient Einwilligungsunfähig
=> Neuen Wille finden!
4. Bevollmächtigung und Betreuung
- Früherer eigener Wille des Patienten wird gesucht (z.B. durch Weitergabe des Willens durch
Ehefrau etc.)
- Vollmacht / Verfügung => zum Zeitpunkt der Verfügung muss der Patient
einwilligungsfähig sein! => keine standardisierten Formen (früherer Wille soll beachtet
werden)
Problematik der Vollmacht: Bei Unfähigkeit der Entscheidungsfindung Bsp.: Bestimmung
des Aufenthalts, Vermögen, Gesundheitssorgen, Behördenangelegenheiten => Für eine
vollständige, rechtlich anerkannte Vollmacht benötigt man die Unterschrift eines Arztes, der
die Einwilligungsfähigkeit bestätigt
=> Fälschungen und Missbrauch sind möglich
- Zentrale Verwaltung für Bevollmächtigungen: Bevollmächtigung offen halten und
Verwandten klarmachen
- Betreuung einrichten (keine früheren Aussagen vorhanden)
- § 1896 BGB und folgende
Betreuer für bestimmte Aufgaben (organisatorische), sollte der Patient beantragen; andere
können beim Vormundschaftsgericht Anregungen für Betreuung geben
Rücksicht auf Wunsch des Patienten!!!
- Vermögen, Verwaltung verschiedener Dinge, Gesundheit etc. => verschiedene
Betreuer sind möglich, sind auf bestimmte Zeit festgelegt, vorläufig 3 Monate, dann
längerfristig
- Meist sind Betreuer Angehörige, aber auch Vereinsbetreuer oder Behördenbetreuer
sind möglich
- Ops, Eingriffen etc. müssen zugestimmt werden; nur wenn bei dem Patient
Geschäftsunfähigkeit vorherrscht kann der Betreuer gegen seine Willen handeln /
entscheiden
- Der Betreuer ist unter der Vormundschaft des Gerichts z.B. bei Gehirn OP =>
Gutachten für Richter muss vorhanden sein
13. Vorlesung: 02.02.10 :
Die Freiheitsbeschränkung des psychisch Kranken
1.
2.
3.
4.
StGB § 34 – Rechtfertigender Notstand
BGB § 1903 – Einwilligungsvorbehalt
BGB § 1906 – Genehmigung… der Unterbringung
Psychiatrisches Krankengesetz (Thüringer Psychiatrisches
ThürPsychKG)
Krankengesetz,
Freie willentliche Bestimmung; darf nicht einfach so gebrochen werden, manchmal muss
dennoch dagegen vorgegangen werden => geht bei: Gefahr für Andere, Gefahr für sich selbst,
Ehre Freiheit, Eigentum und Gesundheit => Vorgehen gegen Freiheit?
1. StGB § 34 – Rechtfertigender Notstand:
Wenn in eine Gefahr eingegriffen wird (unmittelbar) muss geschütztes Interesse vor dem
beeinträchtigten überwiegen => muss intuitiv in der Situation entschieden werden; tritt
manchmal auch einfach so ein; ohne Zeit für Recht etc.
2. BGB § 1903 – Einwilligungsvorbehalt:
Betreuungsrecht: Wille eines anderen blockieren
 Ein Richter muss die Betreuung einwilligen; bei ca. 3-5% der Betreuten; Die
Willensbeschränkung muss von einem Gutachter bestätigt werden.
 Der Betreute kann seinen Willen äußern, der Betreuer muss aber am Ende zustimmen
Bsp.: Autokauf
 Im Gesundheitlichen: Ops => Bsp.: Schönheitsop kann durch Betreuer blockiert
werden etc. Problem: Betreuung nicht überall bekannt
 Verweigern eines ärtzlichen Rates: Bsp.: Patient weigert sich ein Medikament zu
nehmen => Der Wille des Patienten kann nur blockiert werden, nicht aber ein anderer
Wille durchgesetzt werden!
3. BGB § 1906 – Genehmigung… der Unterbringung
Bedeutet einen Eingriff in die Freiheit => Unterbringung gegen den Willen des Patienten
 Voraussetzung: Betreuung bereits vorhanden
 Der § 1906 schütz nur den Betreuten; nur zum Schutz des Betroffenen, nicht für
Allgemeinheit
 Betreuungsrecht: => Schutz der Einzelperson
 Strafrecht: => Schutz der Umwelt / Allgemeinheit
 Zwang bei Suizid und Selbstbeschädigungen (körperlich); Bsp.: Entlassung nach
Krankenhausaufenthalt wegen Lebererkrankung => Unterbringung aus Sorge vor
gefährlichem Verhalten
 Untersuchung, ärztlicher Eingriff oder Heilbehandlung => Bei Gefahr ohne die
Untersuchungen => Zwang => Nur Unterbringung nicht direkte Behandlung
 Hierbei handelt es sich nicht um ärztliches Recht, sondern um Hoheitsrecht =>
juristisch / richterlich
 Es kann zur Unterbringung in einer psychiatrischen oder einer normalen Klinik
kommen (fixiert durch Medikamente => Kritisch!!) => normale Fixierung => Nur bei
Gefahr und zum eigenen Wohl => muss gutachterlich beurteilt werden
(Krankheitsdiagnose etc.) => eine richterliche Zustimmung ist immer wieder
notwendig!! => vor allem bei Regelmäßigkeiten oder Fixierungen die über längeren
Zeitraum geht => Freiheitsbeschränkung!
 Im Notfall sollte lieber polizeiliche Unterstützung eingeholt werden um Patienten zu
fixieren bzw. vor Flucht zu hindern; nicht eigene Gefährdung eingehen!
4. Psychiatrisches Krankengesetz (Thüringer Psychiatrisches Krankengesetz,
ThürPsychKG)
 Über 100 Jahre alt; früher noch als Hausordnung bezeichnet
 Heute: Landesrecht von 1992; voriges Jahr erneuert; in jedem Bundesland etwas
unterschiedlich
 Mittelding: eigener Schutz und Schutz für Allgemeinheit
 Keine Betreuung notwendig => ermöglicht schnelleres handeln
 Es kann gegen den Willen des Patienten gehandelt werden, aber nur mit richterlicher
Zustimmung
 §1 Sinn: vorbeugend (vor Schaden) => Sozial psychiatrischer Dienst SPDi => vom
Amtsarzt organisiert => muss psychiatrisch erfahren sein
 Der SPDi wird tätig, wenn Personen aus der Bevölkerung auf bestimmte Personen
hinweisen => Vorbeugen!! (Gespräch mit dieser Person suchen und Gefahr
einschätzen) => Die Zustimmung der Person ist später sehr hilfreich und wird
zunächst angestrebt
 - Gefordert: Leben, Gesundheit des Betroffenen; Gefahr: Rechtsgüter Anderer
- Nachweis psychischer Krankheit muss erbracht werden
=> Kausaler Zusammenhang aus beidem
> Aufgaben des sozialen Dienstes: - Unbefangenheit in der Therapie zu gewährleisten =>
Therapeut muss nicht alles allein entscheiden
- Dient als weitere Kontrollinstanz
- Der Kranke wird in einer zweiten Instanz beredet => Einwilligung aus eigenem Wille
heraus möglich
=> Wenn Patient nicht einstimmt: Antrag bei einem Richter nur mit psychiatrischen
Gutachten möglich
> Sozialer psychiatrischer Dienst hat stellvertretende hoheitliche Macht => Einsperrung nur
für 24 Stunden möglich => gleichzeitig muss ein Richter informiert werden, auch wenn die
Möglichkeit besteht, dass der Patient am nächsten Tag wieder klar ist
> Die Rechte des Patienten müssen eingeschätzt werden: Untersuchung, Behandlung, Besuch,
Ausgang, Postverkehr
> Kontrollinstanzen: 1. Besuchskommission: routinemäßige Untersuchung von Personen aus
dem Ministerium, Klinikpsychiater von anderen Kliniken, Vertreter des Landesverbands
psychisch Kranker, sozial psychiatrischer Dienst => sprechen mit Patienten etc. => Dadurch
kann Missbrauch vermieden werden
2. Patientenfürsprecher: Sprecher für Patienten (z.B. berenteter Psychiater) => Beschwerden
und Wünsche werden aufgenommen und bearbeitet
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