Wirtschaftliche und soziale Bedeutung der weltweiten Vernetzung 1. Vorstufen der Globalisierung Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung ist politisch aktiv herbeigeführt worden. Bei der Subventionierung des Verkehrs und der Kommunikation haben neben den wirtschaftlichen Überlegungen auch Expansions- oder Integrationsabsichten, wissenschaftliche Neugier ebenso wie militärische Zwecke eine Rolle gespielt. Später galt - insbesondere nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs - die Förderung der wirtschaftlichen Verflechtung als besonders vernünftige Strategie zur Verhinderung künftiger Kriege. Für Deutschland und seine Nachbarn ist dies das prominenteste Motiv bei der Gründung der EWG 1957 gewesen. 2. Globalisierung Das Wort Globalisierung findet sich vor 1990 in keinem Lexikon der Welt. Die dramatische Entwicklung der Computer- und Informationstechnik ermöglichte eine neuartige weltweit verflochtene Produktionstechnik und Logistik, sekundenschnelle weltweite Finanzaktionen und Instant-Preisvergleiche mit der Folge eines intensivierten Kostenwettbewerbs. 3. Standortwettbewerb Eine Folge der Globalisierung war nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Osteuropa der Übergang vom vorwiegend politisch definierten Systemwettbewerb (zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus) zum vorwiegend ökonomisch definierten Standortwettbewerb nahezu aller Staaten mit einander. Dieser Wettbewerb erfasste alsbald auch Provinzen (Bundesländer) und Städte weltweit. 4. Kapitalmärkte Durch den Standortwettbewerb musste man sich viel intensiver als zuvor um das mobile Kapital bemühen. Beim Standortwettbewerb spielen die Akteure auf den Kapitalmärkten eine politisch wesentlich wirkungsvollere Rolle als beim Systemwettbewerb. Rating-Agenturen können die Kreditkonditionen in ganzen Ländern entscheidend beeinflussen. Der IWF hat die Sozial- und Wirtschaftspolitik vieler Länder zentral gestaltet. Die industriellen Anleger (insbesondere die US-amerikanischen Pensionsfonds) haben z. B. durch das Heraufsetzten ihrer Renditeerwartungen schon manchen Industriekonzern auf völlig neue Bahnen gelenkt. 5. Arbeitsmärkte Die Arbeitsmärkte werden durch das Phänomen der Globalisierung intensiv beeinflusst. Die Öffnung der Märkte hat in einigen Schwellenländern zu hohen Wachstumsraten des BIP und entsprechenden Arbeitsmarkteffekten geführt. In vielen OECD Ländern hingegen sind positive und auf eine stärkere weltwirtschaftliche Integration zurückführbare Beschäftigungswirkungen nicht durchgängig erkennbar. Vielmehr ist die Arbeitslosigkeit seit Mitte der 70er Jahre kontinuierlich gestiegen und das Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt. In vielen Entwicklungsländern ist ein Anstieg der absoluten und relativen Armut und trotz (oder sogar wegen) der globalen Markteinbindung eine Ausweitung von Tätigkeiten im informellen Sektor zu verzeichnen. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien scheinen zu dauerhaftem Wirtschaftswachstum und positiven Beschäftigungseffekten zu führen. Dies ist nach ersten vorsichtigen Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine gerechtfertigte Annahme. 6. Ökologische Folgen Landnahme, Energieverbrauch, Rohstoffverbrauch und die Emission von Schadstoffen können als die schädlichsten Begleiterscheinungen des Wirtschaftswachstums angesehen werden. Wenn nun aber die Steigerung des Wirtschaftswachstums als erklärtes Ziel der Handelsliberalisierung angesehen wird und wenn gleichzeitig der Standortwettbewerb die Staaten daran hindert, entscheidende Maßnahmen zur Eindämmung des Ressourcenverbrauchs zu ergreifen, dann ist der Schluss sehr naheliegend, dass die Globalisierung ursächlich mit der Zuspitzung der ökologischen Krise zusammen hängt. 7. Schere zwischen Arm und Reich Nicht günstig scheint es mit dem Zusammenhang zwischen Globalisierung und der Spreizung zwischen Arm und Reich zu stehen. Der Standortwettbewerb führt dazu, dass die Steuerlast der Unternehmen und Gutverdienenden abnimmt. Die Mehrwertsteuersätze sowie die von allen Bürgern zu zahlenden kommunalen Abgaben zeigen einen eher gegenläufigen Trend auf. Die Steuern betreffen aber nur diejenigen Schichten, die wohlhabend genug sind diese auch zu bezahlen. Hunderte von Millionen von Menschen leben in "absoluter Armut", und ihre Zahl nimmt zu. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang auch die Schwächung derjenigen, die sich für die Armen einsetzen. Ihre Verhandlungsmacht ist durch die Globalisierung besonders gefährdet. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP gibt regelmäßig einen Human Development Report heraus, aus dem die Vergrößerung der Schere zwischen Arm und Reich hervorgeht. Zwischen 1970 und 2001 hat sich das Verhältnis mehr als verdoppelt. 8. Absenkung von Standards Die negative Seite insbesondere des Steuerwettbewerbs ist, dass die Finanzierung öffentlicher Aufgaben weltweit sehr erschwert wurde. Für die Entwicklungshilfe wurde in den 70er Jahren die Zielmarke auf 0,7% des Bruttosozialprodukts festgelegt. Nach jüngsten OECD-Zahlen liegt der Wert nur noch bei 0,22%. Gleichzeitig mit der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit sind auch andere öffentliche Aufgaben aus Gründen des Geldmangels der Öffentlichen Hand zurückgefahren worden. Das gilt von der globalen bis herunter zur kommunalen Ebene. 9. Global Governance Die selbstbewusste Demokratie darf sich die besorgniserregenden Trends nicht gefallen lassen. Die politischen Dimensionen sind beeinflussbar, der wirtschaftliche Wettbewerb ist gestaltbar. Die Staaten (und Firmen) sollen Vorteile erringen, die sich erfolgreich für die Sicherung öffentlicher Güter einsetzen: sozialer Frieden Umweltschutz effektiver Rechtsstaat Langfristorientierung auch durch Bildung und Forschung faire Wettbewerbsordnung internationale Solidarität Der Schutz und Ausbau öffentlicher Güter ist das wesentliche Ziel einer internationalen Ordnungspolitik, einer "Global Governance".