Pressemitteilung - Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.

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Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. | Zitadelle 1F |
Pressemitteilung
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55131 Mainz
 1. Vorsitzender
Prof. Dr. Gerhard Trabert
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 Geschäftsstelle
Gisela Bill
Zitadelle 1F
55131 Mainz
Tel.: 06131/6279071
Mobil: 0178/2324902
Fax: 06131/6279182
[email protected]
www.armut-gesundheit.de
25. Januar 2015
Die Politik ist erstaunt, irritiert und teilweise empört über die PEGIDA-Demonstrationen. Dabei
ist die deutsche und europäische Politik eine der Hauptschuldigen und Verantwortlichen für
diese Entwicklung.
Verantwortlich, weil sie selbst Angst und Vorurteile erzeugt, transportiert und schürt!
Eine deutsche Sozialpolitik die nur noch rudimentär vorhanden ist und verdient diesen Namen
schon lange nicht mehr. Sie bewirkt, dass Armut zunimmt, dass immer mehr Menschen, trotz
Arbeit und Beschäftigung - aufgrund von fehlenden finanziellen Ressourcen und
Versorgungsstrukturen - ihre Miete nicht regelmäßig zahlen können, das Heizen in ihrer
Wohnung einschränken, sich keine adäquate medizinische Versorgung leisten können. Die
Menschen haben Angst vor einem sozialen Abstieg, da der Sozialstaat abgebaut wird und die
Lücken im sozialen Versorgungsnetz immer großmaschiger werden. Und dann wird Armut gegen
Armut ausgespielt. Das erfolgt in verschiedenen Kommunen, indem betont wird, dass aufgrund
der Asylbewerber Gelder in der Betreuung von sozial benachteiligten Menschen, zum Beispiel
wohnungslosen Bürgern, umverteilt werden müssten. Hier fördert und erzeugt die Kommunal-,
Landes- und Bundespolitik Ressentiments gegenüber Asylbewerbern, Flüchtlingen, Menschen
mit einem Migrationshintergrund.
Die Politik fördert privaten Reichtum und nimmt öffentliche Armut (finanzielle Armut der
Kommunen) in Kauf. Wieder versteckt man (z.B. die Sozialbürokratie) sich in Deutschland
zunehmend hinten Gesetzen und Bestimmungen, legt damit soziale Verantwortung ab, und
bedenkt nicht, zu was dieses Verhalten konkret bei davon betroffenen Menschen führt. Pierre
Abbé, französischer Theologie, der die Emmaus-Bewegung gründete, sagte einmal: „Habe
Respekt vor Gesetzen, wenn diese sich respektvoll in der Anwendung für die Menschen
zeigen.“ Gerade Gesetze im Kontext der Behandlung von Asylbewerbern und Flüchtlingen tun
dies nicht.
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Innenminister Thomas de Maizière erklärte jüngst: „Armut ist kein Asyl-Grund“. Warum
eigentlich nicht ? In Deutschland ist die Lebenserwartung von Armut betroffener Menschen 11
Jahre kürzer als die der Wohlhabenden (dies wurde übrigens in sämtlichen Armuts- und
Reichtumsberichten Deutschlands verschwiegen). In Osteuropa ist die Lebenserwartung armer
Menschen noch wesentlich deutlicher verkürzt. In Afrika oder Asien sind die Armutsverhältnisse
unbeschreiblich tragisch, und das Sterben beginnt noch früher. Mahatma Gandhi sagte vor über
einem halben Jahrhundert: „Armut ist die schlimmste Form von Gewalt.“ Daran hat sich nichts
geändert. Die deutsche und damit die europäische Wirtschafts- und Entwicklungshilfepolitik
versagt. Wir benötigen kein größeres militärisches Engagement Deutschlands in der Welt,
sondern ein größeres und ehrliches humanitäres Hilfsangebot.
Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik (siehe EU-Grenzpolizei Frontex) ist
verantwortlich für das Leid, den Tod und das Sterben an den Grenzen Europas!
Eine europäische Abschreckungspolitik, die tausendfachen Tod im Mittelmeer in Kauf nimmt,
schürt ein Bedrohungsszenario, das sich auch in Richtung unwerteres Leben entwickelt und
interpretieren lässt.
Eine europäische Abschiebepolitik, die sogenannte Dublin III Praxis, die Flüchtlinge
kriminalisiert, und die toleriert, dass die häufig traumatisierten Menschen bei Abschiebung, in
Gefängnissen landen oder auch in die Wohnungslosigkeit geraten.
Eine Verpflichtungserklärungsbürokratie lässt die die Möglichkeit des Zuzugs von sich in
Lebensgefahr befindlichen syrischen Familienmitgliedern zu einer Farce werden, da die
notwendigen finanziellen Sicherheiten in der Regel nicht vorhanden sind. So bekommen
hauptsächlich wohlhabende Menschen die Möglichkeit der Einreise. Das ständige Suggerieren,
das wir uns von zu vielen Flüchtlingen und Asylbewerbern schützen müssen, spiegelt sich dann
eben auch in den Statements der Pegida-Demonstrationen wider.
Man müsse jetzt mit den Pediga-Demonstranten in einen Dialog einsteigen, ihnen zuhören, heißt
es. Wer hört uns seit Jahren zu? Wir, gemeinnützige Vereine und Organisationen, Verbände, die
wir versuchen Lücken im sozialen Versorgungssystem zu verkleinern, die Politik bewusst
verursacht. Wir, die wir die Ungerechtigkeit seit Jahrzehnten beanstanden, die Defizite konkret
benennen, aber nicht gehört werden. Wer hört also uns zu! Und wenn man uns einmal das
Zuhören anbietet, hat dies sehr oft eine Alibifunktion ohne Konsequenzen.
Die politisch Verantwortlichen sind Heuchler, wenn sie sich jetzt über Pegida aufregen. Die
deutsche sowie die europäische Politik sind eine der Hauptverursacher dieser Entwicklung.
Pegida ist das Resultat einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die der Sozialpolitik so gut wie
keinen Platz mehr lässt. Einer Politik, die die Menschenrechte als Ballast und nicht mehr als die
Basis unserer Demokratien ansieht.
Stéphan Hessel, ehemaliges Résistance – Mitglied, der das Konzentrationslager Buchenwald der
Nazis überlebte, und Mitverfasser der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen war,
hat im Jahre 2010 eine bemerkenswerte Streitschrift verfasst, mit dem Titel: „Empört Euch!“. In
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dieser Streitschrift, kritisiert Hessel die europäische Politik. Dies tut er, indem er die gezielte
Unterdrückung, den Verlust an Menschenrechten beanstandet und die Macht des
Finanzkapitalismus anprangert. Er schließt mit den Worten: „Neues schaffen heißt Widerstand
leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“
Leisten wir alle der Pegida-Bewegung Widerstand, leisten wir einer Verharmlosung der
Aussagen, Inhalte und Meinungen der Mitläufer und Verantwortlichen Widerstand und leisten
wir einer ungerechten, unsozialen deutschen und europäischen Politik Widerstand. Eine
Politik, die Banken rettet, aber Menschen, diffamiert, abschiebt, ausgrenzt und sogar sterben
lässt.
Diese Politik, diese menschenverachtende Politik der etablierten Parteien, unterstützt von einer
Marktwirtschaft - speziell Finanzwirtschaft - die ihre soziale Verantwortung abgelegt hat
und ignoriert, die hierdurch Pediga hauptverantwortlich verursacht hat, diese Politik macht mir
Angst.
Prof. Dr. Gerhard Trabert
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Vorsitzender des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland
Sprecher der Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz
Sprecher der Arbeitsgruppe Armut und Gesundheit der Nationalen Armutskonferenz
Deutschlands
Offizieller unabhängiger Experte Deutschlands (National independent experts) der EU
(European Commission) speziell der ESPN (European Social Policy Network) (seit dem
1.9.2014)
Spendenkonto: Mainzer Volksbank Konto: 1919018 BLZ 55190000
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