Gottesdienst zur Verabschiedung PfrinHar[...]

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Gottesdienst zur Verabschiedung Pfrin A. Harzke
am 29.1. 15 Lutherkirche Offenbach
Predigt zur Jahreslosung Römer 15
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater
und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
es sind umwälzende Zeiten, die wir gerade erleben,
unsichere Zeiten.
Manches Mal hat man den Eindruck, als lösten sich die
Sicherheiten auf. Ein Soziologe schrieb dieser Tage, die
Angst sei das Gefühl dieser Zeit und redete gar von einer
„Gesellschaft der Angst“. Und vieles bestätigt das: Die Welt
ist so nahe zusammengerückt, alles landet sofort per
Internet und Rundumbericherstattung auf unserem laptop
auf unseren Bildschirmen.
Was früher noch weit weg schien, kommt uns nun nahe,
kommt bis in unsere Wohnzimmer. Vieles macht uns Angst.
Die Welt scheint in Aufruhr.
Auf der anderen Seite ging es uns hier in Deutschland noch
nie so gut, ein hoher Lebensstandard ist für viele erreicht.
Es gibt stabile demokratische Strukturen und eine
abgesicherte Meinungsfreiheit. Was treibt uns dann so um,
dass wir die Grundfesten erschüttert sehen und uns selbst in
Frage und erschüttert sehen?
Die Angst vor sozialem Abstieg ist für viele ein Thema,
gerade wenn sie Kinder haben, wird man den
Lebensstandard halten können? Andere sind bereits am
Ende der Sozialen Leiter. Aber es gibt auch bei noch
wenigen die Angst davor, nur noch von Fremden umgeben
zu sein, die Beheimatung zu verlieren sich nicht mehr in der
eigenen Stadt zu hause zu fühlen ,da es so viele Andere gibt,
die man nicht kennt und nicht einordnen und zuordnen kann
. und die man mit Bedrohung verbindet.
Manches Mal höre ich auch von den Ängsten, als Christen
immer weniger zu werden und dadurch auch weniger
Einfluss zu haben. Leben wir in einer Gesellschaft der
Angst, ist sie das Bestimmende, das uns umtreibt und unser
Leben bestimmt ? Sicherlich legt da einer den Finger in die
Wunde.
Doch ist es ja die Frage, wie wir aufgestellt sind, wie wir
mit den Dingen in der Welt umgehen, in was wir gründen –
also die Frage, ob wir uns in unseren Grundfesten
erschüttern lassen? Wie stehen wir in der Welt? Was macht
uns aus und kann uns erden und Hoffnung geben- allen
Unsicherheiten zum Trotz?
In den Kirchen gibt es jedes Jahr eine Jahreslosung, einen
Satz , der eine Art Motto für das beginnende Jahr ist, ein
Leitsatz , nach dem man sich ausrichtet. Und für das Jahr
2015 ist dies der bemerkenswert Satz
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.
Dieser Satz im Römerbrief kommt aus einer Situation
heraus, die uns nicht
fremd ist: In der Gemeinde gibt es Spannungen und Streit,
darum wer nun der wirklich Christ ist, den Glauben richtig
lebt? Sind es die neu gewordenen Christen aus dem
Heidentum oder die, die eben Juden waren und nun Christen
geworden waren? Wer hat das Sagen, wer hat die
Wahrheit? Es geht um das Ganze ! Und es entzündet sich
an den Speisegeboten.
Hoch aktuell das Ganze.
Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat,
spricht ein urmenschliches Thema an, bedingungsloses
angenommen sein- ein Menschliches Urbedürfnis. Man
muss nicht Psychologie studiert haben um zu wissen, wie
sehr dieses Wort das Zentrum unserer Wirklichkeit trifft.
Das sich angenommen fühlen und sich selbst annehmen
können ist die Quelle für gelingende soziale Beziehungen.
Zuhause und privat in den Beziehungen, in den
Beziehungen zu unseren Kindern, wie oft wollen wir den
anderen nicht gern nach unseren Vorstellungen haben und
formen. Auch im Zusammenleben in den Gemeinden, den
Kirchen, im kollegialen Umfeld, im Einsatz in der
Gesellschaft und Politik : es geht um das gegenseitige
Annehmen als Mensch –als Ganzes.
Und der Satz ist nicht nur theologisch zentral, sondern ist
auch ein sehr weises Wort. Sich bedingungslos
angenommen fühlen gehört zu den schönsten Dingen, die
Menschen erfahren können.
Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob, das ist nicht irgendein moralischer
Ratschlag- auch wenn man ihn sicher so lesen kann. Es ist
der Wegweiser für ein erfülltes Leben im Einklang mit Gott
im Einklang mit mir selbst und im Einklang mit anderen.
Das Annehmen des Anderen , dessen der mir so fremd ist,
oder auf den ersten Blick fremd erscheint.
Wenn wir uns selbst angenommen fühlen, können wir uns
mit Erdung und gutem Stand dieser Welt und ihren
Unsicherheiten und den Ängsten stellen. Und wir können
das gegenseitige Annehmen immer und immer wieder
einüben und anfangen, auch wenn es mal scheitern sollte.
Und wir können uns die Ängste anschauen, die da herrschen
und auch geschürt werden: wie ist das mit unserer Angst vor
den Fremden überall? Das höre ich in Offenbach des
Öfteren. In Rom vor 2000 Jahren – als dieser Satz
geschrieben wurde- sah die Gesellschaft ähnlich bunt aus
wie in Offenbach.
Offenbach: das sind Menschen der unterschiedlichsten
Herkunft und nicht erst seit den letzten Jahren, sondern
durch die Geschichte hindurch - wie man an der Aufnahme
der Hugenotten sieht. Und diese Stadt ist auf diesen
toleranten Geist auch stolz
Die Zusammensetzung der Bevölkerung wird gern mal
bundesweit als Superlativ genannt- etwa 56 % der
Offenbacher hat einen Migrationshintergund- der höchste
bundesweit. Die Menschen kommen aus Italien und
Spanien, Portugal und Griechenland und aus der Türkei und
Marokko und Serbien, Iran und Ägypten. Ein großer Teil
derer, die ihre Wurzeln außerhalb Deutschlands haben, sind
übrigens Christen.
Und so sind wir hier in den Offenbacher evangelischen
Gemeinden auch bunt gemischt: Lutheraner und reformierte
und freikirchliche. Es gibt evangelische afrikanische
Gemeinden. Und Teile unserer Gemeinden sind auch schon
sehr lange Bayern und Norddeutsche und Schwaben und gar
Frankfurter!!! - und was täten wir ohne sie?
Und Sudetendeutsche und Ostpreußen. Sie alle sind Teil
unserer Kirche und unserer Gemeinden. Und zu uns
Christen gehören die altkatholischen und katholischen
Gemeinden, die vielen katholischen anderer Muttersprache
und die russisch orthodoxen, griechisch Orthodoxen und
rumänisch orthodoxen, sie sind unsere christlichen
Geschwister in der Ökumene - und alles Offenbacher.
Und die jüdische Gemeinde sowie die muslimischen
Gemeinden, türkischer, bosnischer, arabischer,
marokkanischer Prägung, und Aleviten und Ahmadiyyas.
Und Menschen ohne Glauben. Alles Offenbacherinnen und
Offenbacher..
Und wenn gerne beklagt wird – keinesfalls nur in
Offenbach- dass wir in der Kirche immer weniger werden,
dann wundere ich mich doch, warum es bei vielen doch fast
zum guten Ton gehört aus der Kirche auszutreten , um dann
gleichzeitig vom Untergang des christlichen Abendlandes
zu reden.
Nehmt einander an wie Christus uns angenommen hat
zu Gottes Lob- wir alle wissen, wie schwer das ist, privat
wie in der Stadtgesellschaft, unter den Religionen und
Konfessionen. Aber: es ist uns als Aufgabe gegeben. Nicht
nur einander, also meine Nächsten, meine Geschwister im
Glauben und die, die seit 30 Jahren meine Nachbarn sind,
sondern gerade auch die Fremden anzunehmen und
aufzunehmen. Durch unsere Bibel und gerade durch das
Alte Testament, das wir vom Judentum übernommen haben
und in dem wir wurzeln- zieht sich die Geschichten von
Menschen, die fliehen müssen- hindurch. Die Bibel -ein
Buch von Flüchtlingen- sagte mal ein bekannter Theologe.
Einander annehmen bezieht sich gerade auch auf die, die
ihre Heimat und fast alles verloren haben. Und so ist es ein
besonderes Zeichen der Nächstenliebe, ein Zeichen Gottes
Gebote zu erfüllen, wenn wir uns der Menschen annehmen,
die fremd sind und nicht wissen, wo sie hingehören, die
Schutz suchen, wie sie sich in er Fremde zurechtfinden
sollen- sei es sprachlich, kulturell oder soziale Kontakte
betreffend . Manche unter uns können davon auch
Geschichten erzählen.
Wenn wir unsere zeit und unsere Kraft – so klein sie auch
sein mag- einsetzen für die, die mit der Fremdheit und dem
nicht- dazugehören zu kämpfen haben, dann ist das genau
die Erfüllung der Jahreslosung- die Erfüllung des Gesetzes
Christi.
Und diese Zeichen, des einander Annehmens, die gibt es
viele in Offenbach-das macht es auch so besonders. Es gibt
unzählige Menschen, die den und die andere annehmen, die
ihr möglichstes tun- auch in schwierigen Zeiten
- Die Schulleiter und die Lehrerinnen und Lehrer,
die sich täglich mit Kindern befassen und große
Anstrengungen unternehmen um Kinder und
Jugendliche aus allen Kulturen und Religionen zu
fördern und ihnen demokratisches und soziales
Handeln vermitteln- und das Gefühl dazu zugehören,
ebenso die vielen Religionslehrerinnen, die
Pfarrerinnen und Pfarrer ,die den Dialog täglich
praktizieren.
- Die Sozialarbeiter und Mitarbeiterinnen in den
Jugendeinrichtungen und Kindergärten, die oft mit
besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben
- Die vielen Menschen, die sich in
Nachbarschaftshilfen und Hausaufgabenhilfen um
andere kümmern
- Die Menschen die sich um die Einbeziehung und die
vielen Schwierigkeiten von Menschen mit
Behinderungen kümmern
- Die sich in der Migrationserstberatung um die
allerersten Fragen und Nöte und existentiellen Sorgen
von Migranten kümmern. Das Team, das sich in den
Interkulturellen Wochen seit Jahren engagiert und
unzählige Menschen aus allen Kulturen und
Religionen an einen Tisch bringt und zahllose
Möglichkeiten für Begegnungen organisiert
- Die vielen Patinnen und Paten und das Team des
Patenschaftsmodells Offenbach, die seit 10 Jahren
jugendlichen Hauptschülern bessere
Zukunftsaussichten schaffen und Patinnen, solche die
beruflich etabliert sind, einen Einblick in das Leben
von Hauptschülern aus aller Herren Ländern gibt, die
nicht die besten Chancen haben
- Die, die sich nicht von der Stimmung pauschal
gegen die Muslime anstecken lassen, sondern
dagegen halten und von den vielen friedlichen
Muslimen erzählen, die wie wir in Frieden leben
wollen
- Oder auch Menschen, die sich immer wieder auf den
interreligiösen Dialog einlassen, ein Wagnis, eine
Herausforderung, das nicht einfach ist, die aber
unseren Einsatz braucht. Und sich sogar auf eine
gemeinsame Reise nach Israel einlassen – als Juden Christen und Muslime.
- Menschen, die im Dialog bleiben und auch
einfordern und nicht locker lassen, sich mit den
Gewalttraditionen und Überlieferungen im Islam
auseinanderzusetzen- wie es alle Religionen tun
müssen
- Offenbacher, die sich klar gegen Antisemitismus und
Stimmung gegen Menschen jüdischen Glauben
stellen und sich für eine Erinnerungskultur einsetzengerade auch um es den Kindern und Jugendlichen
weiter zu geben, dass es nie wieder Ausschreitungen,
Ausgrenzung und Gewalt gegen Juden geben darf.
Menschen, die sich immer wieder miteinander an einen
Tisch setzen als Angehörige der unterschiedlichen
Religionen und sich gegenseitig erklären und erzählen,
was uns trägt und hält, warum wir was tun. Und
auszuhandeln, was wir in unserer Stadt wollen und was
nicht- wie wir miteinander leben wollen.
Wenn schon mein 8 jähriger Filius zu einem
Zeitungsbild vom Nahostkonflikt meint: Mama, Gewalt
ist doch keine Lösung! - ja sollten wir Erwachsene, das
nicht auch als unsere Aufgabe sehen, unsere Kräfte dafür
einzusetzen?
Und dazu gehört, dass kein Mensch wegen seiner
Religionszugehörigkeit beschimpft und beleidigt oder
ausgegrenzt werden darf, dass kein Mensch wegen seiner
Herkunft oder Religion bedroht werden darf.
Wir sind alle Kinder Gottes und haben daher die Zusage,
dass Gott bei uns – bei allen Menschen guten Willens ist
-, dass er bei uns ist in unserer täglichen Anstrengungen
für eine bessere Welt:
Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.
Das ist er, der Wegweiser für ein erfülltes Leben Im
Einklang mit sich selbst und im Einklang mit Gott, mit
dem anderen. Der Wegweiser gegen die große Angst und
die kleinen Ängste: Weil wir alleine es selbst nicht
schaffen und an diesen vielfältigen Aufgabe scheitern
müssen, gerade deshalb ist die Quelle so wichtig. Und
diese Quelle ist Gott. Der bei uns ist im Leben und
Sterben.
Das ist unser Grund, vom dem uns nichts trennen kann.
Und darauf entfaltet sich alles, unser Einsatz und unser
Eintreten für andere, unser Engagement, unser Ringen
und Scheitern und unser immer wieder neu beginnen!
Sei es in Offenbach oder Frankfurt- auch da gelten seine
Zusagen.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus
Jesus
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