Narrative Sinnstiftung in Organisationen – Ein Konzept zur Erforschung von Organisationen am Beispiel der stationären Altenpflege Dissertationsschrift zur Erlangung des akademischen Grades ‚doctor rerum politicarum‘, eingereicht an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften von Dipl.-Hdl. Matthias Rätzer Gutachten: Jun.-Prof. Dr. Ronald Hartz Prof. Dr. Rainhart Lang Disputation und Rigorosum am 13.07.2015 Bibliographische Beschreibung Titel: Narrative Sinnstiftung in Organisationen Untertitel: Ein Konzept zur Erforschung von Organisationen am Beispiel der stationären Altenpflege Autor: Rätzer, Matthias Jahr: 2015 Seitenzahl: 301 Abbildungszahl: 4 Tabellenzahl: 3 Anlagenzahl: 5 Universität: Technische Universität Chemnitz Fakultät: Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Art: Dissertation Kurzbeschreibung: Vor dem Hintergrund der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes stellt die Arbeit die stationäre Altenpflege in Deutschland vor einem besonderen Hintergrund dar. Im analytischen Rahmen der Arbeit wird der klassischen sozialwissenschaftlichen Unterteilung: Makro-Meso-Mikro eine zusätzliche Meta-Ebene hinzugefügt, welche den epistemologischen Hintergrund umfasst. Mit Hilfe des Modells der narrierenden Organisation kann so gezeigt, wie - am Beispiel der stationären Altenpflege - narrative Sinnstiftung in Organisationen abläuft. Dabei liegt ein Fokus darauf, was vom Außerorganisationalen des analytischen Rahmens in den sechs verschiedenen Fällen zur Sinnstiftung beiträgt. Nach einer sehr umfassenden qualitativen Auseinandersetzung schließt die Arbeit mit einem allgemeinen Modell, welcher als Vorschlag zur Erforschung von Organisationen gesehen werden kann. Schlagwörter: Organisationsforschung, Sinnstiftung, Narration, Diskurs, Argumentation, stationäre Altenpflege, Organisationssoziologie, qualitative Forschung Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis | III Abbildungsverzeichnis | IV Tabellenverzeichnis | IV 1 2 Einleitung ǀ1 1.1 Hintergrund der heutigen Situation der Altenpflege in Deutschland ǀ 2 1.2 Ein Bestimmungsversuch zur Klärung des Verhältnisses von Gesellschaft und Organisationen |4 1.3 Fragestellung und Ziel der Arbeit 1.4 Aufbau der Arbeit ǀ 10 ǀ 12 Analytischer Rahmen – Zusammenhänge im Überorganisationalen als Einstieg in die Erforschung organisationaler Phänomene ǀ 13 2.1 Die Makro-Ebene ǀ 13 2.1.1 Das Zeitdiagnostische 2.1.2 Das Diskursive ǀ 21 2.1.3 Das Juristische ǀ 30 ǀ 16 2.1.4 Bezugnahmen und Verschränkungen 2.2 Die Meta-Ebene ǀ 34 ǀ 38 2.2.1 Vom Foucaultschen Diskurs zum diskursiven Argument | 39 2.2.2 Drei Argumentationslinien in der Gerontologie als epistemologische Phänomene | 45 3 2.3 Zusammenführung und Verknüpfungder Makro- und Meta-Ebene 2.4 Zwischenfazit ǀ 56 | 61 Vorüberlegungen zur Empirie ǀ 63 3.1 Das Analysekonzept der narrierenden Organisation auf der Meso-Ebene 3.2 Methodische Vorbemerkungen | 72 3.2.1 Die Fallanalyse als Methode qualitativ-empirischer Forschung 3.2.2 Zur Qualität der erhobenen Daten | 73 3.2.3 Zur Vorgehensweise bei der Datenerhebung | 75 3.2.4 Zur Vorgehensweise bei der Datenauswertung I | 79 | 72 | 63 4 Empirischer Teil 4.1 Die Fallkonstellation auf der Meso-Ebene 4.2 Die Fallanalyse auf der Meso-Ebene | 83 4.3 5 | 82 4.2.1 Die Analyse von AGAVE | 83 4.2.2 Die Analyse von VERBENA |105 4.2.3 Die Analyse von KENTIA | 134 4.2.4 Die Analyse von ZINNIA |157 4.2.5 Die Analyse von PIERIS |188 4.2.6 Die Analyse von RADIES |214 ǀ 82 Zusammenführung der Ergebnisse auf der Meso-Ebene in Bezug auf das Überorganisationale | 250 Zusammenführung der Arbeit | 261 5.1 Das allgemeine Modell | 261 5.2 Reflexion des eigenen Vorgehens 5.3 Schlussbetrachtungen und abschließendes Fazit Literaturverzeichnis Anhang |265 |268 | 269 | 289 A 1 – Beispielanschreiben für die Altenpflegeeinrichtungen A 2 – Übersicht über die Interviews | 291 A 3 – Leitfaden für Führungskräfte | 292 A 4 – Leitfaden für Mitarbeiter_Innen | 293 | 290 A 5 – Überblick zu den Transkriptionsregeln und zur Anonymisierung der Interviews II | 295 Abkürzungsverzeichnis AltPflAPrV – Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers AltPflG – Altenpflegegesetz APrOGeKrPflHi– Ausbildungs- und Prüfungsordnung Gesundheits- und Krankenpflegehilfe BTDrS – Bundestagsdrucksache DBfK – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe HL – Heimleitung LHeimG – Landesheimgesetz MDK – Medizinischer Dienst der Krankenkassen MDS – Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. PDL – Pflegedienstleitung PflegeVG – Pflegeversicherungsgesetz PV – Pflegeversicherung QMB – Qualitätsmanagementbeauftragte SGB – Sozialgesetzbuch SL – Schichtleitung StL – Stationsleitung WBL – Wohnbereichsleitung WBVG – Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: A model of discourse as a strategic ressource | 69 Abbildung 2: Modell der Aufnahme überorganisationaler Elemente in einer narrierenden Organisation | 70 Abbildung 3: Eigenes empirisches Vorgehen ab der Erhebung der Interviews | 80 Abbildung 4: Allgemeines Modell der Aufnahme des Überorganisationalen in narrierenden Organisationen und den Zusammenhängen | 262 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Grundcharakteristika der Fälle | 76 Tabelle 2: Überblick zum Überorganisationalen über die einzelnen Fälle hinweg | 252 Tabelle 3: Überblick der Besonderheiten in den Narrationen über die einzelnen Fälle hinweg IV | 259 1 Einleitung Laßt uns gemeinsam am Bett stehen.Laßt uns gemeinsam freuen und dem Kind wünschen, daß es ein guter, ein starker Nothelfer für die Schwachen wird. Blüm, 1994 – zur Vorstellung des kommenden Pflegeversicherungsgesetztes Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) beobachtet den zunehmenden Pflegekollaps […]Zahlreiche Untersuchungen belegen die Misere. DBfK-Bundesverband, 2009, S. 5 – über ‚Fakten zum Pflegekollaps‘ Die einen werden stundenlang in ihrem Urin liegengelassen oder liegen sich wund, weil die Pfleger keine Zeit für sie haben. Die anderen müssen über die Gänge hetzen, um ihrer Aufgabe auch nur halbwegs gerecht werden zu können und sind nach nur wenigen Dienstjahren völlig resigniert und ausgebrannt. Dowideit, 2012, S. 17f. – zu Alltag und Missständen in der deutschen Pflege Diese einführenden Zitate veranschaulichen beispielhaft verschiedene Standpunkte zur Altenpflege zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Von den Absichten der Legislative vor Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG), über eine Beurteilung der sich dadurch etablierten Pflegesituation Jahre später hin zu einer scheinbar verbreiteten Wahrnehmung derPflege in Deutschland lässt sich erkennen, dass die Altenpflege ein Thema ist, welches in der Öffentlichkeit starke Emotionen hervorruft. In vertrauterem Umfeld lässt sich in Gesprächen mit Pflegekräften der Eindruck nicht vermeiden, dass die Altenpflege ein Metier zu sein scheint, welches schwierigste Arbeitsumstände bietet, trotzdass der Gegenstand der Tätigkeit Eltern, Großeltern oder allgemein hilfsbedürftige Menschen sind, welche der Gesellschaft vermeintlich am Herzen liegen sollten. Die Arbeitenden, welche diese Aufgaben übernehmen, scheinen sich jedoch zumeist auf den ersten, unsystematischen Blick einem enormen Druck ausgesetzt zu sehen. Dieser Eindruck stellte den Ausgangspunkt meiner Absicht dar, mich den Altenpfleger_Innen näher zuzuwenden. Grundsätzlich kann Altenpflege in drei verschiedenenArtenpraktiziert werden. Zum einen wird sich im privaten – i.S.v. von zumeist familiären – Rahmen um die Pflegebedürftigen gekümmert. Dabei bekommen die Senior_Innen im Normalfall keine professionelle Hilfe bei der Verrichtung ihrer alltäglichen Tätigkeiten, sondern werden von den Angehörigen selbst gepflegt. Als zweite Möglichkeit besteht die ambulante Altenpflege, in welcher die Zupflegenden ebenso im Privaten verbleiben, jedoch regelmäßig von professionellen Pflegekräften besucht werden. Als dritte Variante der Versorgung älterer Personen steht die stationäre Altenpflege. Dabei werden die Alten in eigens dafür geschaffenen Altenpflegeeinrichtungen versorgt. In der Arbeit soll sich dieser letzten Form der Versorgung von älteren Menschen zugewandt werden. Dabei soll zunächst deutlich gemacht werden, warum der stationären Pflege älterer Menschen eine besondere Rolle zukommt und diese Form der Altenpflege deshalb auch von höchstem Interesse für eine wissenschaftliche Erörterung ist und sich besonders gut für eine Perspektive der Organisationsforschung eignet. 1 1.1 Hintergrund der heutigen Situation der Altenpflege Der heutige Hintergrund der stationären Altenpflege ist in weiten Teilen in den 1990er Jahren entstanden, in welchen sich der politische Diskurs in eine Richtung entwickelte, die sich im elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) niedergeschlagen hat. Mit der Umsetzung des SGB XI trat durch Art. 1 das PflegeVGin Kraft. Damit verbunden war die Einführung der Pflegeversicherung1(PV), wodurchsich die Situation der Altenpflege in Deutschlandstark veränderte. Bis zu diesem Zeitpunkt war die wahrgenommene Problemlage in der Altenpflege vor allem durch das Nichtvorhandensein einer allgemeinen PV und der damit verbundenen finanziellen Belastung bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit für die Zupflegenden gekennzeichnet (BTDrS 12/5262, S. 1f.). Dadurch stellte sich für die Betroffenen die Situation dar, allein (oder z.B. mit Hilfe ihrer Familien) für die anfallenden Kosten aufkommen zu müssen, mit allen daraus erwachsenden finanziellen sowie sozialen Folgen. Wenn eine solche Kostendeckung, z.B. durch die eigene Altersrente, nicht möglich war, mussten die Pflegebedürftigen oftmals auf Transferleistungen wie Sozialhilfe zurückgreifen (Rothgang/Pabst 1997, S. 12).Das führte zu einer starken Belastung der Sozialhilfeträger durch die Beihilfe zur Finanzierung der Pflege im Alter. Des Weiteren bot sich bis zur Einführung des PflegeVG kein einheitlicher Rahmen, an welchem die Pflegebedürftigkeit bundeseinheitlich beurteilt werden konnte.2 Dieser Missstand sollte durch die Einführung des Gesetzes ebenso behoben werden, um über das gesamte Bundesgebiet eine einheitliche Grundlage zu haben, an welcher Interessent_Innen oder deren Angehörige möglichst nachvollziehbar die Qualität der zu erwartenden Pflegeleistung bewerten können. Ein weiterer Aspekt war die Etablierung einer belastbaren Grundlage zur Aufhebung regional unterschiedlicher Pflegekonzepte, auch vor dem Hintergrund der Deutschen Einheit. Mit der gesetzlichen Änderung durch das SGB XI stellte sich für die Altenpflegeein komplett neuer Aktionsrahmen dar (vgl. dazu auch Schneekloth/Müller 2000, S. 13). Als Ziel der gesetzgeberischen Eingriffe kann im Allgemeinen die Reformierung der Pflegesituation in Deutschland gesehen werden. Hintergründewaren die soziale Absicherung der Pflegebedürftigen, die demografische Entwicklung und damit einhergehend aufkommende Versorgungs- sowie Finanzierungslücken. Zunächst galt es auch für die gesetzlich Versicherten eine Versicherungsbasis zu schaffen, um bei einer eventuell auftretenden Pflegebedürftigkeit entsprechend abgesichert zu sein und somit auf professionelle Hilfe zurückgreifen zu können, ohne die dafür anfallenden Kosten komplett selbst tragen zu müssen.Durch die wahrgenommene Erosion traditioneller Familienstrukturen, in welchen Verwandte innerhalb der Familien gepflegt wurden, sollte die Pflegesituation in Deutschland mit einer wachsenden Anzahl der Pflegebedürftigen durch dieses neue Gesetz entlastet werden. Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind Menschen, die „wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens […] in erheblichen oder höheren Maße […] der Hilfe [bedürfen]“ (§14 Abs. 1 SGB XI).Dabei sollte ebenso alles getan werden, „daß die Menschen, solange sie können und wollen, in ihren vertrauten vier Wänden bleiben können“, denn „[e]inen alten Baum verpflanzt man nicht gern“ (Blüm 1994). In eine andere, eher bürokratische Richtung geht die Etablierung der Pflegekassen bei den Krankenkassen als neues Element des Sozialversicherungssystems, welche es vor 1995 noch nicht gab (§ 46 Abs. 1 S. 1 SGB XI). In dem entsprechenden Gesetzesentwurf formulierten die beiden 1 Die Beitragspflicht für die Versicherten begann mit dem 01.01.1995. Für die ambulante Pflege trat die Regelung mit dem 01.04.1995 in Kraft, für die stationäre Pflege mit dem 01.01.1996 (Blüm 1994). 2 Zusammenfassend zur Diskussion über die Entstehung des PflegeVG vgl. Meyer (1996, S. 17f.) sowie Rothgang (1997, S. 11ff.). 2 Regierungsfraktionen (zum Zeitpunkt CDU und F.D.P.) sieben Meilensteine, welche zur Lösung des Problems beitragen sollten (BTDrS 12/5262, S. 2f.). Zum einen sollte eine Struktur innerhalb bereits bestehender Strukturen geschaffen werden, welche es ermöglicht, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen undKosten durch die Etablierung eines komplett neuen bürokratischen Gefügeszu sparen (ebd., i. Bes. B 1., 2.). Das beinhaltet die Kopplung der gesetzlichen PV an die Krankenversicherung auch vor dem Hintergrund der Nutzung synergetischer Effekte und einer Entlastung der Versicherten. Darüber hinaus wurde die Erbringung von Pflegeleistungen an Stufen gebunden, in welchen der Schweregrad der Pflegebedürftigkeit zum Ausdruck kommen soll (ebd., i. Bes. B 3.). Darüber hinaus war es Ziel eine höhere gesellschaftliche Anerkennung der Pflegeberufe zu erreichen sowie Anreize zur privaten Absicherung zu schaffen (ebd., S. 3f., B 6., 7.).Als letzter Punkt wurde bereits im Gesetzesentwurf festgehalten, dass durch die Gesetzesnovelle „ein wesentlicher Beitrag geleistet [wird], eine leistungsfähige und wirtschaftliche Pflegeinfrastruktur aufzubauen“ (BTDrS 12/5262, S. 3, B 4.). Somit sollten die imPflegesektor tätigen Orgnisationen durch das PflegeVG Wettbewerbsprinzipien folgen, Leistungsfähigkeit vor einem qualitativ hochwertigen und humanitären Hintergrund erreichen und unabhängiger von einer öffentlichen Finanzierung werden (vgl. ebd. B 5.). Neben pflegerischen Aspekten, welche z. B. durch die Einführung der Pflegestufen Neuland für die Altenpflege im Gesamten darstellten, waren es vor allem Anforderungen in organisatorischer Hinsicht, welche insbesondere stationäre Einrichtungen vor unbekannte Hürden stellte. Norbert Blüm – zu diesem Zeitpunkt Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung – formulierte bei seiner Rede zur Verabschiedung des PflegeVG, es würde durch die PV „zum erstenmal eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik“ festgelegt (Blüm 1994, Herv. i.O.). Für die Altenpflege erwuchs daraus die Notwendigkeit einer finanziellen und strukturellen Reorganisation (siehe auch Baumann/Blythe 2003). Wurde bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in den meisten Pflegeeinrichtungen noch das buchhalterische Prinzip der Kameralistik angewendet, istim SGB XI gefordert, dass „Pflegekassen, Pflegeeinrichtung und Pflegebedürftige darauf hinzuwirken [haben], daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden“ (§ 4 Abs. 3 SGB XI).Wie bereits in den einführenden Worten Blüms ersichtlich wurde, liegt der Anspruch des PflegeVG darin, dem Subsidiaritätsprinzip innerhalb des Sozialstaates dienlich zu sein. Die gesamtgesellschaftlich getragene soziale Absicherung soll durch eine private Ergänzung, denjenigen Hilfe bieten, die sie benötigen. Durch die Einführung der PV sollte u.a. den Bürger_Innen die im Alter zu treffende Wahl zwischen dem Verbleib in vertrauter Umgebung – weitestgehend ohne Unterstützung – oder dem Umzug ins Heim durch Darbietung weiterer Alternativen erleichtert werden. Mit den hier dargestellten prinzipiellen Änderungen der Situation der Altenpflege und dazu kommend der rechtlich festgeschriebenen Förderung des Subsidaritätsprinzips mit der (erwarteten) Folge der Stärkung der familiären, häuslichen Verpflegung sowie der ambulanten Altenversorgung ist eine generelle Tendenz zur Problemhaftigkeit der Verfassung des Altenpflegesektors,und im Speziellen desstationären Teils, dessen erkennbar. In § 11 Abs. 2 SGB XI ist festgehalten, dass freigemeinnützige und private Träger Vorrang gegenüber öffentlichen Trägern haben. Die Infratest-Repräsentativerhebung 1998 belegt einen Niederschlag dieser gesetzlichen Änderung in der Trägerschaftsverteilung bereits zwei Jahre nach Einführung der PV. So ist der Anteil der öffentlich getragenen Pflegeeinrichtungen um 6 Prozentpunkte auf 10% zurückgegangen, was eine prozentuale Erhöhung des Anteils privat getragener Einrichtungen auf 36% zur Folge hatte (Schneekloth/Müller 2000, S. 125; s. ebenso S. 75 für die aktuelle Verteilung). Durch die gesetzliche Verankerung des Wirtschaftlichkeits- und Suffizienzdenkens in der Erbringung der 3 Pflegeleistung ergaben sich für die Pflegeeinrichtungen neue Herausforderungen in betriebswirtschaftlicher und -organisatorischer Hinsicht. Als weiterer elementarer Bestandteil des PflegeVG ist der Vorrang von Prävention und Rehabilitation vor der Pflege festgeschrieben (§ 5 SGB XI). Diese Präventionsorientierung, welche zwar primär die Vorpflegephase tangiert, hat für die Organisationen der stationären Altenpflege weitreichende Folgen. So bedeutet die Regelung für stationäre Altenpflegeeinrichtungen eine überwiegende Konzentration auf pathologische (i.S.v. medizinisch krankhaften) Bewohner_Innen und damit ein Abrücken vom reinen Residenzgedanken was wiederum eine Abkehr von den bis dato verfolgten Praktiken mit sich brachte. Dieser (bis zu diesem Punkt) kursorische Blick auf den auf gesellschaftlicher Ebene induzierten Wandel im Altenpflegesektor zeigt auf, dass Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland einem Wandlungsprozess unterworfen wurden, welcher organisatorische Neuausrichtungen in jeglichen Bereichen nach sich zog. Für das (Fort-)Bestehen der Altenpflegeeinrichtungen waren somit u.a. finanzwirtschaftliche, personalpolitische, werbewirksame sowie allgemeine prozessuale und strukturelle Neuausrichtungen, welche zu weiten Teilen in eine Neufassung bisher bekannter organisationaler Praktiken bargen, elementar. 1.2 Ein Bestimmungsversuch zur Klärung des Verhältnisses von Gesellschaft und Organisationen In der Organisationsforschung als Sozialwissenschaft wird es als solche voraussichtlich immer mal mehr, mal weniger schwierig sein, den eigenen Zugriff auf den Gegenstand: die Organisation in der Breite anschlussfähig darzustellen. Dieses Kapitel verfolgt, vor dem Hintergrund der angesprochenen Problemlage, nicht das Ziel, die Arbeit von vornherein in ein dezidiertes Verständnis von Organisation einzuschreiben. Vielmehr soll zunächst der Frage nachgegangen werden, in welchem Verhältnis das Phänomen Organisation zum dem steht, was gemeinhin als Gesellschaft verstanden wird. Es ist offensichtlich, dass darin nur ein Trick zu sehen ist, da über eine solche ‚Perspektive von oben‘ auf den Gegenstand und eine Verortung dessen ‚ferner liegende‘ Zugriffe auf diesen bereits ausgeschlossen werden. Einen grundlegenden und recht plastischen Zugang zu ‚der Sache‘mit der Bezeichnung Organisation liefert Morgan (1986) in seiner Darstellung verschiedenerBilder der Organisation.Zentrale Begriffe sind dabei Struktur, Macht, Handlung, Kommunikation sowie deren jeweilige Interpretation,wobei dies alles auch noch in irgendeiner Art und Weise organisiert abläuft. 3 Es ist fraglich, ob es Überindividuelles wie Gesellschaft geben könnte, ohne dass dieses organisiert ist. Verschiedene Organisiertheiten – oder Organisationen – wiederum konstituieren kollektive Gefüge – oder Gesellschaften, welche wiederum auf einzelne Organisationen zurückschlagen.4 Die These erscheint metaphorisch in Ähnlichkeit zu den ‚zeichnenden Händen‘ von Escher: zum einen wird eine Organisation durch diesen ‚Rückschlag‘ erst sichtbar. Durch die Problematisierung und das Herunterbrechen von gesellschaftlich-strukturierten Ordnungen auf organisationaler Ebene, treten zum anderen gesellschaftliche Determiniertheiten erst zu Tage. 5 Um Handlung, organisierte 3 Zu einer überblickenden Erörterung der ‚Dimensionen von Organisation‘ – Ordnungsdimension, Gebildedimension, Vergemeinschaftungsdimension – siehe Türk und Kolleg_Innen (2002, S. 19-34). 4 Türk (1978, S. 49) erachtet diese Beziehung als ein Hauptproblembereich der Allgemeinen Organisationssoziologie in makrosoziologischer Betrachtungsweise und verweist darauf, dass „Gesellschaft und Organisation(en) keine getrennten Wirklichkeitsbereiche sind“. 5 Vgl. dazu auch Burrell (1988, i.Bes. S. 233). 4 Kommunikation, Interpretation etc. und deren grundlegenden Konstitutionen auf gesellschaftlicher Ebene verstehen zu können erscheint es zunächst notwendig, einen Beitrag zur Operationalisierung der vielschichtigen und komplexen Zusammenhänge zu leisten, um – gleich Sisyphos – überlegt die Beschwerlichkeiten bei der Offenlegung gesellschaftlicher Gefüge – des ‚Außerorganisationalen‘ – zu umgehen. Als einen Schritt dazu schlägt Türk (1978, S. 51) vor, Grenzen zwischen Organisationen und Gesellschaft nicht als physisch gegeben zu erachten, sondern deren ‚sinnhafte‘ Natur anzuerkennen.6 Bei dem Versuch Handeln zu bestimmen, hält bereits Weber fest, dass reales Handeln zumeist „in dumpfer Halbbewußtheit oder Unbewußtsein seines ‚gemeinten Sinns‘“ verläuft (1976, S. 10, Herv. i.O.). Für Giddens hingegen „muß der Handelnde darüber ‚nachdenken‘, was er tut, damit diese Tätigkeit ‚bewußt‘ ausgeführt werden kann“, (Giddens 1997, S. 95, Herv. i.O.), wobei er das Bewusstsein einer Person als „kohärente Darstellung seiner Handlung und ihrer Beweggründe“ versteht (ebd., Herv. M.R.). Diese zunächst sehr ‚aktiv‘ anmutende Rolle der/des Handelnden bei der Reflexion oder Bewusstwerdung des eigenen Tuns relativiert und verdeutlicht sich an späterer Stelle: „die Handelnden besitzen für das, was sie tun, ‚gute Gründe‘ – Gründe, die der strukturtheoretische orientierte Soziologe eher implizit annimmt, als daß er sie den Handelnden explizit zuschreibt. Da solche Gründe eine Wahl aus einer sehr begrenzten Anzahl greifbarer Alternativen beinhaltet, kann ihr Verhalten den Eindruck erwecken, als werde es von einer unerbitterlichen Kraft, ähnlich etwa einer Naturgewalt, angetrieben. Es gibt viele soziale Kräfte, von denen sich zurecht sagen läßt, daß Handelnde ihnen ‚nicht widerstehen können‘. Das heißt, sie können sich nicht dagegen wehren. Aber das ‚nicht können‘ bedeutet hier, dass ihnen nur deshalb nichts anderes übrig bleibt, als sich an die in Frage stehenden Entwicklungstrends anzupassen, weil sie entsprechende Motive oder Ziele, die ihren Handlungen zugrundeliegen, als gegeben akzeptieren“ (ebd., S. 232, Herv. i.O.). Der darin zu erkennende Fokus auf dendargestellten Sinn einer handelnden Person ist nach meinem Dafürhalten die Verbindung zu Webers Gedanken.7 Menschen können mithin eindeutig festlegen, was sie in ihren Aktionen antreibt und aus welchen Hintergründen eine immer wiederkehrende Handlung oder Denkweise praktiziert wird. Das besondere, wie hier auch angeführt, ist dabei jedoch, dass die Festlegung und Äußerung dessen zwar stimmig ist, das Handeln jedoch „in der Mehrzahl der Fälle triebhaft oder gewohnheitsmäßig“ (Weber 1976, S. 10) verläuft. Daraus ergibt sich die Frage nach den Motiven und Zielen, die aus der Subjektivität und Alltäglichkeit heraus schwer reflektiert und artikuliert werden können, da sie dem Anschein nach außerhalb dieser liegen und über Interaktionsprozesse und -systeme ausgehandelt werden (vgl. auch Esser 1993, S. 112). Türk (1978, S. 56f; 1995) legt den Schluss nahe, dass eine Verwaltung, oder ein Arrangieren, von Beweggründen und nicht-artikulierbaren Zielvorstellungen über Organisationen bewerkstelligt wird und in Folge die wahrnehmbaren Vorstellungen der Welterschließung bestimmt. Bei Giddens(1991, S. 15f.) ist es ein Kennzeichen der Moderne, dass Soziales und soziale Beziehungen durch Organisationen über unbestimmte räumliche und zeitliche Parameter reguliert und kontrolliert werden. Ortmann (2004) schreibt ein ganzes Unterkapitel über Zeitlichkeit und ex-post-Phänomene, um im Endeffekt auch ‚nur‘ bei der Kraft der (organisationalen) Geschichtsschreibung (vgl. zur in dieser Arbeit verfolgten Fassung auch im späteren Verlauf Kapitel 3.1) und bei Schütz zu landen: „Nur das Erlebte ist sinnvoll, 6 Für eine grundlegende Auseinandersetzung zu verschiedenen Zugängen zur Gestalt von Gesellschaft, Grundannahmen der Organisationsforschung und paradigmatischen Voraussetzungen empfiehlt sich Burrell/Morgan (1979). 7 Nur durch das Aufzeigen dieser Analogie soll Weber nicht in die Tradition der Strukturationstheorie oder Giddens‘ selbst gestellt werden, wiewohl Giddens sich u.a. auf Webers Gedanken in der Ausarbeitung dieser stützt. 5 nicht aber das Erleben. Denn Sinn ist nicht anders, als eine Leistung der Intentionalität, die aber nur im reflexiven Blick sichtbar wird.“ (Schütz 1974, S. 69, Herv. i.O.) Um solche Reflexionsleistungen treffen zu können bedarf es des Sozialen. Dafür unterscheidet Schütz (ebd., S. 308ff.) in objektive und subjektive Sinnzusammenhänge sowie verschiedene „Regionen der Sozialwelt“ (ebd., S. 311). Auch wenn Schütz nicht originär als einer der Altvorderen der Organisationstheorie gesehen wird8, sehe ich in seiner Herleitung, zur Ausschließlichkeit der Erlebnisnähe und direkten Sinnzuschreibung zwischen Partner_Innen in Wirwelten eine Beschreibung der Organisation. In den Umwelten und Mitwelten hingegen ist „das alter ego nicht leibhaftig und unmittelbar, sondern nur mittelbar […], es ist gewissermaßen anonymisiert“ (ebd., S. 312). Darin erkenne ich das, was bisher als Gesellschaft bezeichnet wurde. „Je anonymer ein Partner ist, um so weniger kann er erlebt und um so mehr muß er gedacht werden. Damit nimmt auch der Freiheitsgrad, welcher dem Handeln dieses Partners zugebilligt werden kann, ab“ (ebd.). In diesem sehr knappen Exkurs zu Schütz wird deutlich, dass engere Beziehungen Sinnstiftung erlauben und diese nach außen – in Teile der Organisation oder auch der Gesellschaft – projizieren, wodurch Grenzen des Möglichen und Tolerierbaren gesteckt werden. Diese wiederum erschaffen die Um- und Mitwelten – oder eben die Gesellschaft – derart, dass sie wiederum Gestaltungscharakter für die Wirwelten, die Organisationen, haben, welcher mächtig ist, in seiner unerbitterlichen Kraft jedoch nicht mehr erkannt aber kontrolliert werden kann.9 Bruch und Türk (2005) sprechen, vor einem eher gouvernementalen oder hegemonialen Blick auf die Gesellschaft, von „Organisation als Regierungsdispositiv der modernen Gesellschaft“. Sie erörtern dabei, dass Organisationen unter anderem als Magazine gedacht werden können, welche sich gesamtgesellschaftliche Herrschaftsformen bedienen, um auf Subjekte zuzugreifen. Kritik an einem solchen Verständnis wird primär von Vertreter_Innen aus der Soziologie vorgebracht, welche in der Fokussierung auf Herrschaft einen sehr begrenzten Blick auf Organisationen zu erkennen glauben (Nassehi 2002, S. 444). Das Argument ist dabei, dass es neben der – anscheinend schon durch die oben genannte Bedienung Marx‘bei Organisationsforschenden ausschließlich betrachteten – betriebsförmigen Organisationen auch andere Organisationsformen geben kann.An späterer Stelle spricht Nassehi (ebd., S. 455) von der Fähigkeit von Organisationen unterschiedliche Funktionssysteme einer Gesellschaft (wie Glauben, Wirtschaften, Bildung) zu ermöglichen und strukturell zu koppeln. Er erkennt darin jedoch nur die mediale Natur von Organisationen für eben jene Funktionssysteme. Aus einer scheinbaren Sympathie für eine systemtheoretisch inspirierte Interpretation versteht er solche Ereignisse folglich als Entscheidung (ebd., S. 456).10Dass Macht, 8 Trotzdem sollte festgehalten werden, dass Schütz dort an etlichen Stellen Einzug findet, so auch bei Berger und Luckmann (1984). 9 Ich sehe hier Parallelen zu Ortmann und Kolleg_Innen, welche für Organisationen festhalten, sie seien „eine besondere Form der Koordination und Zurichtung gesellschaftlicher Aktivitäten, implizieren spezifische gesellschaftliche Zusammenhänge und Schnitte zwischen diesen Aktivitäten, werden von ihrer gesellschaftlichen Umgebung gefördert und beeinträchtigt“ (Ortmann et al. 1997, S. 16, Herv. i.O.). 10 Vgl. dazu auch Luhmanns (1978, S. 391ff.) Auffassung, wo Organisationen als soziale Systeme, oder Organisationssysteme (Luhmann 1975, S. 9ff.), bestehend aus wechselseitig miteinander verbundenen Entscheidungen, die wiederum weitere Entscheidungen und deren Relationen bedingen, gezeichnet werden. Luhmann ersetzt dabei Zweck-Mittel-Relationen in Organisationen „durch den allgemeinen Begriff der Entscheidungsprämisse“ (1978, S. 397), wodurch in Organisationen „Rationalitätsschematiken eingeblendet werden“ können (ebd., S. 399). Diese Entscheidungen beziehen sich dabei – eben generell bei systemtheoretisch informierten Forscher_Innen – auf die Differenzierung und Spezifikation von Gesellschaftsfunktionen in einzelnen Funktionssystemen der Gesellschaft, in welchen die Organisationen situiert sind, wodurch Funktionen des Gesellschaftsystems durch Organisationssysteme jedoch immer eine Reduktion erfahren (vgl. Luhmann 1975, S. 17f.; 1998, S. 78). 6 Herrschaft und Kontrolle jedoch nicht allein in kapitalistischen Gesellschaften mit betrieblichen Organisationsformen existieren und daher von Interesse oder Ausgangspunkt sein können, lässt sich an historischen Beispielen leicht erfassen undist ebenso beiTürk selbst (exempl. 1995) sowie in den oben angeführten Gedanken Giddens‘zu erkennen.11Auch konzeptionell findet sich dieser Aspekt im Neoinstitutionalismus. Demnach wird die institutionelle Umwelt, welche Normen und Werten enthält, als richtungsweisend für jegliche Institutionen in Bezug auf deren strukturelle Ausgestaltung herausgestellt (vgl. zum Überblick Meyer/Rowan 1977; DiMaggio/Powell 1983; Tolbert/Zucker 1996). Organisationen nehmen Anforderungen aus der institutionellen Umwelt dabei als gegebene Forderungen wahr. Darin werden somit (rationale) Begründungszusammenhänge gesehen, Strukturen und Aktivitäten an diese Anforderungen anpassen, um (weiterhin) Legitimation aus der Umwelt zu erfahren. 12 Die Betrachtungen bleiben hier jedoch scheinbar in dem Wechselspiel zwischen Organisation und institutioneller Umwelt (oder organisationalen Feld) verharren. Ich folge weiterhin Schütz und plädiere für eine weitere Fassung dieses Verhältnisses, um nach Zusammenhängen und Gründen im Verhältnis von Gesellschaft und Organisationen zu suchen. Analytisch ist es dabei zunächst davon losgelöst, in welcher Gesellschaft Gründe zu guten Gründen werden, was das rationale Moment des Verhaltens ist und worin Sinn erkannt wird. Einen Ansatzpunkt hierfür könnte in den Überlegungen Schimanks (2001) zur Organisationsgesellschaft gesehen werden. Schimank sieht dabei Individuen über formale Organisationen in die Gesellschaft integriert; entweder über Interessenvertretungen ‚von unten‘ oder über Arbeitsorganisationen ‚von oben‘, in welchen Individuen zur Durchsetzung der Organisationsziele eingebunden werden. Aus beiden Perspektiven werden somit Vorteile hinsichtlich der effizienteren und effektiveren oder rationalen Durchsetzung von Interessen erzielt, da eine Domestizierung der „launenhaften Subjektivität“ (ebd., S. 294) und Maschinisierung Einzelner durch die Mitgliedschaft in formalen Organisationen vollzogen wird. Schimank erkennt hierin jedoch ebenso das Problem der „intersystemischen Desintegration“, da verschiedene formale Organisationen nur Teilsysteme (oder funktionen) der Gesellschaft zur Interessenvertretung bedienen können und so die Organisationen als Zugriffspunkte der Gesellschaft auf die Individuen fungieren und in der Folge „die Organisationsgesellschaft gleichsam sowohl eine chronische Krankheit funktionaler Differenzierung als auch die dazugehörige Therapie“ darstellt (ebd., S. 299). Somit verbleibt aus meiner Sicht auch hier eine Lücke in der analytischen Möglichkeiten, der Sinnerkennung in und durch Organisationen.13 Ebenso erkenne ich bei Schimank die Fortführung der Luhmannschen Tradition des (rationalen) Funktionalismus, wenngleich den Individuen bei Schimank eine ungemein präsentere konzeptionelle Position zukommt, worin auch ein Verdienst Schimanks gesehen werden kann. Bereits in der Einleitung bezeichnen Türk und Kolleg_Innen (2002, S. 12) die ‚Zwänge‘ zur Gestaltung in Organisation als Rationalitätszumutungen, Rationalitätsvorstellungen und Rationalitätserwartungen, welchen Organisationen ausgesetzt sind. Dass darin ein starker Bezug zu Weber vorhanden ist, welcher die bürokratische Verwaltung als die rationalste Form der Herrschaftsausübung und Organisation, als Entwicklung moderner „Verbandsformen auf 11 Zu ergänzen wäre diese Aufzählung von Gegenbeispielen auch durch Entwicklungen wie New Public Management oder im Konkreten am Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. 12 Der Neoinstitutionalismus ist sehr viel differenzierter als es diese wenigen Zeilen wiedergeben können. Mit dem Ansatz können auch von dem hier kurz dargestellten Anforderungsdruck für Organisationen abweichende organisationale Praktiken bezeichnet werden (vgl. Meyer und Rowan 1977). Gleichsam lassen sich auch im hier beschriebenen Phänomen der Isomorphie Differenzierungen beschreiben (vgl. DiMaggio/Powell 1983). 13 Der Vollständigkeit halber muss hier noch vermerkt werden, dass Schimank (2001, S. 280) einen entsprechenden Makel ebenso bei Türk (1995) in der Überkomplexität der aufgezeigten analytischen Perspektiven ausmacht. 7 allenGebieten“ sowie darüber hinaus sogar als „Keimzelle des modernen okzidentalen Staates“14 (Weber 1976, S. 128, Herv. i.O.) sieht, ist klar. Ein kritischer Blick auf diesen Ansatz (vgl. abermals Nassehi2002 oder andere systemtheoretische Zugänge) verschließt folglich das Erkennen eines solchen Zusammenhangs. Webers Punkt, in der Folge somit auch Türks, Bruchs, Ortmanns (und nicht zuletzt auch mein eigener), ist, dass Organisation, eben gleich welcher Funktion und welchen Zwecks, elementar in einer unmöglich getrennt voneinanderbetrachtbaren Beziehung zu der Gesellschaft stehen, in welcher die Organisation sich befindet.15Abstrakt gesprochen, werden im Zusammenspiel gesellschaftlicher Zusammenhänge Systematisierungen von existenzbestimmenden Einflussgrößen zusammengefasst. Klassischerweise werden darin themenbestimmte Analysen zu gesellschaftlichen Bestimmungsfaktoren von Verhalten gezeichnet.16So wird rationales Verhalten oftmals auf ‚den Kapitalismus‘ zurückgeführt, wobei dafür Verallgemeinerungen getroffen werden, die für die/den Beobachter_In im Konkreten nicht eindeutig erkennbar sind (Schütz 1974, S. 308ff.; Türk et al. 2002, S.18; Bruch/Türk 2005, S. 95ff. in ihren Ausführung zum Ärgernis über Foucault durch ‚Nichterkennen‘). Die einzelnen Begründungszusammenhänge werden somit abstrahiert auf einen (anschlussfähigen) Allgemeinplatz auf gesellschaftlicher Ebene, welcher nicht ohne weiteres antastbar ist. Türk (1997) versucht in einer – im Übrigen sehr lesenswerten – Abhandlung über die Diskussion der Rolle von Institutionen (oder der so gefassten Konzeption von Organisation) im Gewirr: Gesellschaft-Organisation(?)-Individuum diesem Zusammenhang auf den Grund zu gehen: „Zu suchen wäre also nach den in den Subjekten verkörperten Korrelaten zu den gesellschaftlichen Strukturen, die plausibel machen, warum Menschen an der Reproduktion dieser Strukturen mitwirken“ (ebd., S. 155). Er kommt schließlich zu dem Resümee „Organisationen sind ein Moment der widersprüchlichen Institutionsstruktur der kapitalistischen Gesellschaftsformation, die sich in dem Phänomen der inkludierenden Exklusion manifestiert“ (ebd., S. 176). Wenn es also auf gesellschaftlicher Ebene institutionalisierte Elemente gibt, die in ambivalenten Zusammenhängen stehen und trotz der Uneindeutigkeit das Handeln von Menschen prägen, sind Organisationen ein Teil der Gesellschaft, welcher jedoch differenziert von dieser betrachtet werden muss, um zu erkennen, wie Organisationen die institutionalisierten Elemente der Gesellschaft aufnehmen und (verarbeitet) weitergeben an die Individuen– oder um deren Gebundenheit daran auszudrücken: die Subjekte.Neuberger (1997, S. 488f.) versucht sich an dieser Entwirrung in der Betrachtung der „verkürzenden Perspektiven von Institution, Verfahren und Handlung“, da es ihm „nicht um Entitäten (das Individuum, die Organisation) geht, sondern um die Mechanismen oder Prozesse der Erzeugung ihrer scheinbaren Dinglichkeit“. Darin sehen Cooper und Burrell (1988) auch den Unterschied in der Organisationsforschung zwischen den Sichtweisen einer modernen Welt und einer postmodernen.17 Demnach reagieren Organisationen vor einem postmodernen Verständnis auf die Einflüsse oder Kräfte aus der Gesellschaft, welche einen (latenten oder expliziten) Einfluss auf deren Stabilität haben. Chia (1995) geht in seiner Argumentation noch weiter, indem festgehalten wird, dass aus einer postmodernen Betrachtungsweise die Frage nach demSein dem Grunde nach eine eher schwache Betrachtungsweise darstellt. Vielmehr stellt er auf eine prozessuale Perspektive ab, welche 14 Siehe dazu ebenso Weber (1904/05) [1993]. Vgl. hierzu auch Adorno (1953, S. 441), welcher festhält: „Ein gesellschaftliches Phänomen wie die moderne Organisation läßt sich ohnehin bestimmen nur in seiner Stellung im gesamtgesellschaftlichen Prozeß“, sowie abermals Ortmann und Kolleg_Innen (1997). 16 Vgl. z.B. McClelland (1967) oder schon früher abermals Weber (1904/05) [1993]. 17 Eine intensive oder auch nur hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage ‚Modern oder Postmodern?‘ kann hier nicht geleistet werden. Für einen ersten allgemeinen Überblick genügen folgende Beiträge: Lyotard 1986; Bauman 1992; Latour 1995; zusammenfassend eher Welsch 1993; Bertens 1995; als Hoax in kritischer Absicht: Sokal 1996; Sokal/Bricmont 1999. 15 8 jedoch nicht – im Gegensatz zu einer modernen Erörterung – grundsätzlich als Fortschritt auf Entwicklungsstufen zu verstehen ist. In postmodernen Ansätzen liegt die Vorstellung der steten umfassenden Veränderlichkeit basal im Denken verankert. Daraus stellt sich die (postmoderne) Frage nach der Genese von Strukturen und den Umständen, welche deren stete Veränderung bedingen. Im Zuge der Betrachtung sozial relevanter Gegenstände wird diesen keine Entität unterstellt, welche es zu erforschen gilt, sondern ‚lediglich‘ sich in Bewegung und Fluktuation befindliche Zusammenhänge umfassender Natur, deren Einflussfaktoren alleinig analysiert werden können. Auch eine gesonderte Betrachtung einzelner (abgeleiteter) Teilbereiche ist vor einem solchen Hintergrund schwierig zu beurteilen. Für die Analyse der Organisation und insbesondere deren Kontrollformen ergibt sich daraus die Suche nach dem Positiven, dem Erkennbarenin dem, was die Sichtbarkeit einer Organisation in der Perspektive auf das gesellschaftliche Gefüge und das Rückschlagen dieser auf dasselbe, durch die Offenlegung von prozessualen Mechanismen oder die „Ermittlung von Positivitäten“ (Jäger 2012, S. 78) ausmacht.Dass dabei empirisch – zumindest wenn keine Langzeitstudien durchgeführt werden – immer nur ein Status quo erhoben werden kann, in welchem Befragte zwar auf Prozesse rekurrieren, dieses aber eben nachträglich (s. oben) geschieht und deswegen eine punktuelle Perspektive bleibt, liegt auf der Hand.18 Dessen eingedenk schließe ich mich als Autor im Folgenden Bruch und Türk (2005, S. 120) und deren Plädoyer für ein organisationssoziologisches Forschungsspektrum in Ergänzung durch eine gesamtgesellschaftliche Perspektive an. Dabei wird Organisation als Gegenstandsbereich an das Ende des Forschungsprozesses gestellt, in dem Sinne, dass zu Beginn ein Versuch stehen muss, die gesellschaftliche Perspektive einzufangen. Darüber hinaus befinde ich mich damit abermals in dem Projekt einer ‚kritischen Ontologie der modernen Organisationen‘ (Hartz/Rätzer 2013, S. 10, Herv. i.O.), in welchem es gilt herauszufinden, was die grundsätzlichen Möglichkeiten von Wissen, Sinnzuschreibung, Praxis in Organisationen und somit – im weiteren Sinne – auch Management sind (vgl. auch Burrell 1988, S. 232).Eben jene grundsätzlichen Möglichkeiten zur Erforschung organisationaler Ausdifferenzierungen sehe ich unter anderem in der Gesellschaft oder, allgemein gesprochen, im Überorganisationalen liegen. Es ist deutlich geworden, dass Organisationen Lösungen dafür ‚anbieten‘, Abstraktheiten auf gesellschaftlicher Ebene für Individuen ‚näher zu bringen‘. Das ist jedoch nicht in einer rein positiven Wendung zu verstehen. Organisationen sind keine Medien (wie bei Nassehi 2002), welche gesellschaftliche Funktionen für Individuen erfüllen. Spezifische Organisationen sind Ausdruck bestimmter Teile der Gesellschaft. Dabei verstehe ich das ‚Projekt der kritischen Ontologie‘ hier eben als Entschlüssungen der Sachzwänge, welche über einen rein sowohl strukturellen wie auch diskursiven Charakter hinausgehen. Kritisch verstehe ich mich hier in dem Sinne, eine – wie zu zeigen sein wird – andere Lesart auf die Problemhaftigkeit der Gegenstandes anzubieten, welche den Charakter des ‚objektiv Gegebenen‘ der Teile der Gesellschaft in Frage stellt und die Verschränkung verschiedener Wissens- und Machtordnungen aufzeigt. Mit diesem Anliegen geht die Fassung auch über den dargestellten Ansatz von Bruch und Türk (2005) hinaus, da eben nicht ausschließlich abstrahierte gesellschaftliche Zusammenhänge in Blick genommen werden, sondern das Verhältnis von Gesellschaft und Organisation ebenso als ‚praktischer Sinnausdruck‘ von Wissensoptionen (in der genannten Verschränkung) hergeleitet wurde und dies weitere Teile umfasst. Diesen Ausdruck konkret benennbarer Teile der Gesellschaft zu verstehen, deren Ontologie auf den Grund zu gehen ist der Hintergrund – der analytische Rahmen – der vorliegenden Studie. 18 In Vorgriff auf Kap. 2.2.1 sei hier angemerkt, dass die Arbeit im Gesamten somit als postmoderne Arbeit gesehen werden könnte, da postmoderne (Organisations-)Forscher_Innen „knowledge claims in situ“ hinterfragen (Boje et al. 1996, S. 61). 9 1.3 Fragestellung und Ziel der Arbeit Die Arbeit nimmt sich als relevante Gegenstände mit Bezug auf den Untersuchungsgegenstand der stationären Altenpflege die stationären Altenpflegeeinrichtungen, die darin tätigen Mitarbeiter_Innen sowie den Wissenschaftsbetrieb der Gerontologie als Altenpflegewissenschaft an. Außerhalb des Fokus liegen die Pflegebedürftigen in den Einrichtungen, deren Angehörige sowie die Pflegekassen als Produkt der PV, ebenso wie die anderen, zu Beginn angeführten, Formen der Altenpflege. Neben forschungsrationalen Gründen wie der empirischen Erfassbarkeit und der (Multi-) Dimensionalität der Arbeit liegt diese Fokussierung vor allem in der Frage- und Zielstellung der Arbeit begründet. Mit dem anfänglichen Interesse in die Studie gestartet, Machtprozesse in Einrichtungen der stationären Altenpflege zu untersuchen, wurde schnell klar, dass diese nicht isoliert von den außerhalb der Organisation liegenden Umständen betrachtet werden können, in welchen sich stationäre Altenpflegeheime befinden. Vor dem Hintergrund, dass Organisationen als Orte gedacht werden können, deren wesentliches Moment die „herrschaftsförmige Trennung und subsumierende Zusammenführung“ menschlicher Arbeitist undder Charakter menschlicher Arbeit sich wiederum aus der „Dominanz gesellschaftlicher und organisationaler Bestimmungen“ ableitet (Hartz 2009, S. 22), differenziert sich die Herangehensweise zur Betrachtung der Arbeitsbedingungen in der stationären Altenpflege vor dem oben beschriebenen Problemfeld über die innerorganisatorischen Prozesse, Bestimmungenund Strukturen hinausgehend, ebenso auf gesellschaftliche Phänomene. Somit wird das basale Anliegen der vorliegenden Arbeit Ortmanns(2003, S. 18)Zusammenfassung der für Organisationsforschende relevanten Fragestellungen bei der Betrachtung von organisiertem Sprechen, Interpretieren und Handeln gerecht:Inwiefern er- und verschließt das OrganisierenOrganisationswelt(en) und die übrige Welt? Um die einende Subsumtion (in etwa bei Hartz 2009), die totale Institutionalität (bei Goffman1999) oder die Kontrolle der organisierten Arbeit und der Welt (in etwa bei Türk1995)19 zu untersuchen, schlägt Türk(ebd., S, 22f.)drei Richtungen vor: die Einnahme einer Verwertungsperspektive, einer Einbindungsperspektive und einer Stratifikationsperspektive. Der primäre Zweck einer stationären Altenpflegeeinrichtung – die professionelle Versorgung und Pflege der Bewohner_Innen der Einrichtung – ist was in diesem Zusammenhang als Verwertungsperspektive zu beschreiben wäre. Im innerorganisationalen Gefüge, welches diesen originären Wert außer Betracht lässt, fallen andere Aspekte ins Blickfeld, wie das Wohlergehen der Beschäftigten, deren Verhältnis untereinander und durch was dieses jeweils bestimmt wird.Türk analysiert in diesem Zusammenhang Aspekte der Einbindung. Wie bereits in Rätzer(2013, S. 107) dargestellt, ist die Stratifikationsperspektive bei Türk, durch eine Marxsche Orientierung, auf „die Erhaltung gesellschaftlicher Schichten- und Klassenstrukturen“ (Türk 1995, S. 23, Herv. i.O.) fokussiert. Türk thematisiert in dieser Darstellung die Relevanz von Elementen, welche sich weder in der Struktur, dem Handeln, dem Sprechen oder dem Sinnversehen einer Organisation niederschlagen. Er rekurriert auf die Analyse jener Struktur außerhalb der Organisation, welche jedoch von Relevanz eben für die organisationalen Charakteristika sind.Dabei bezieht er sich jedoch rein auf jene Strukturen, bei welchen das Verstehen 19 Alle drei Ansätze sollen an dieser Stelle nicht vergleichend diskutiert werden. Das Bewusstsein, dass insbesondere Türk und Goffman mithin sehr unterschiedliche Sichtweisen auf Zusammenhänge von Macht in Organisationen haben, wird der/dem in der Literatur stehenden Leser_In unterstellt. 10 dieser oder zumindest deren Erschließenvon Ortmann (2003, S. 20) eben alsSisyphos-Arbeit ausgewiesen werden. In diesem Sinne möchte die Dissertation, analysiert am Gegenstand der stationären Altenpflege, einen Beitrag zum Verständnis des Einflusses der ‚außerorganisationalen‘ Hintergründe auf Organisationen liefern. Die Einführung des PflegeVG gilt dabei als einschneidendes Ereignis für die Altenpflege in Deutschland. Das Tätigkeitsfeld ist seit Mitte der 1990er Jahre und auch knapp zwei Jahrzehnte später immer noch in Bewegung. Im Januar 2014 wurde erstmals zum Deutschen Pflegetag eingeladen, da die Branche eine gesellschaftliche Stagnation im Denken über Altenpflege wahrnimmt, welche an den, durch das PflegeVG entstandenen, Missständen keine Änderung zulässt (www.deutscher-pflegetag.de)20. Über eine Entschlüsselung dieser Sachzwänge in der stationären Altenpflege sowie eine empirische Untersuchung soll es im Rahmen der Arbeit möglich sein, Antworten auf folgende Fragen zu geben: 1) Welchen konkreten Einfluss haben außerorganisationale Elemente und Muster auf die stationären Altenpflegeeinrichtungen und wie kann deren Wirkmächtigkeit erfasst werden? 2) Wie lassen sich diese Gegebenheiten sowie deren Wechselwirkungen analytisch erfassen und darstellen? Ziel der Arbeit ist es zunächst, den Einfluss außerorganisationaler Elemente und Muster möglichst umfassend zu analysieren und zu beschreiben, um aus den so gewonnenen Befunden eine Analysebasis für die qualitativ-empirische Prüfung des Auftretens und der Translation des vorher Analysierten in den Organisationen der stationären Altenpflege zu gewinnen. In der analytischen Fassung des Überorganisationalen sehe ich einen Beitrag der Arbeit zur Erweiterung der Organisationsforschung. Am Beispiel der stationären Altenpflege soll am Ende der Arbeit ein empirisch fundierter Beitrag zur Offenlegung von Makro-Meso-Zusammenhängen geboten sein, welcher es ermöglicht, Wirkmächtigkeiten außerorganisationaler Elemente auf Organisationen aufzuzeigen, zu erklären und in Zusammenhang zu einander zu setzensowie generalisierbare Schlüsse für die Organisationsforschung zu ziehen. 21 Das aus der Studie nach diesen Veränderungen abgeleitete allgemeine Modell wird so im Konkreten die Umgestaltungen in dem Tätigkeitsbereich als Ausgangspunkt der Arbeit erklären können. Im Abstrakten ist das Modell ein Vorschlag für eine neue Herangehensweise empirischer Organisationsforschung bei der Analyse verschiedenster Organisationen, gleich welcher gesellschaftlichen Verortung, gleich welchen epistemologischen Gefildes. Aus diesem eher praktischen Erkenntnisinteresse22 (vgl. dazu Habermas 1968) leitet sich der Aufbau der Arbeit ab. 20 Eine neue Prüfung der angegebenen Homepage hat ergeben, dass kein direkter Verweis mehr auf der Startseite zu finden ist, welcher die Erstmaligkeit des Pflegetags im Jahr 2014 ersichtlich macht. Es finden sich jedoch auf der Homepage, unter Aktuelles Grußworte, welche einen entsprechenden Beleg liefern. 21 Ich sehe nicht zuletzt in der Verdeutlichung dieser Zusämmenhänge und der Einbindung dessen, was im Folgenden als das Diskursive bezeichnet wird, einen Beitrag der Arbeit, welcher über die bisher dargestellten Ansätze hinausgeht. Als Funktion der Kollektivsymbolik (s. Kap. 2.1) wird die „Diskursintegration und damit auch Praktikenintegration“ gesehen (Drews et al. 1985, S. 270, m.Herv. i.O.). Wenngleich dieser Aspekt als wichtigste soziokulturelle Funktion identifiziert wird (ebd.), so sehe ich die Transferierbarkeit und Betrachtung dessen als Forschungsperspektive ebenso als gegeben und notwendig. 22 An diesem Punkt stellt sich die Frage nach Kritik und ob die vorliegende Arbeit eine kritische ist. Mit Habermas (1968) hat die vorliegende Arbeit im Selbstverständnis keinen emanzipatorischen Anspruch, da es hier ‚nur‘ darum geht, Zusammenhänge zu identifizieren und Erklärungen zu finden. Das Anliegen der Arbeit ist es jedoch nicht, in der folgenden Analyse eine Wertung in Hinblick auf die Identifikation eines eventuellen Missstandes, auf welcher (analytischen) Ebene auch immer, zu geben, um damit einen Beitrag zur Beseitigung 11 1.4 Aufbau der Arbeit Im Folgenden werde ich zunächst den analytischen Rahmen herleiten, in welchem,im hermeneutischen Sinne, die Schlüsse gezogen werden, um die Gesamtheit der Prozesse zu erfassen, welche die Basis für die Analyse der empirischen Ergebnisse liefern soll. Im Rahmen dessen werde ich das ‚Überorganisationale‘ aus verschiedenen Gesichtspunkten heraus beleuchten, um daraus abgeleitet eine praktikablere Operationalisierung und (Teil-)Konzeptionalisierung zu leisten. Dabei wende ich mich intensiver der Makro-Ebene als Teil des Überorganisationalen zu und stelle die relevanten gesellschaftlichen Bereiche mit den entsprechenden konzeptionellen Hintergründen dar. Im Zuge dessen wird deutlich, mit welchen Mechanismen die Makro-Ebene auf die darunter liegenden Ebenen konstituierend einwirkt und den Rahmen für diese schafft. Des Weiteren werde ich die epistemologischen Kategorien der Altenpflege als einen weiteren Teil des Überorganisationalen darstellen, welche die inhaltliche Basis für die Gerontologie als Altenpflegewissenschaft produzieren. In eher propädeutischer Absichtwird zunächst eine Diskussion des Diskursbegriffs (nach Foucault) erfolgen, worauf aufbauend ein weitererAnalyserahmen – das diskursive Argument – eingeführt wird, welcher für die spätere analytische Vorgehensweise auf organisationaler Ebene handhabbarer erscheint. Nach Bearbeitung der beiden überorganisationalen Kategorien wende ich mich dem Gegenstand der Organisation zu, wobei zu Beginn das Konzept der narrierenden Organisation vorgestellt wird, um daraufhin die Erkenntnisse aus der empirischen Erhebung auf organisationaler Ebene zu prüfen.Ich sehe einen besonderen Wert der Arbeit darin, die Befunde des Überorganisationalen hinsichtlich deren Auftretens in verschiedenen Organisationen zu untersuchen. Im Rahmen einer Fallanalyse werden die Ergebnisse mit einander verglichen und in das Konzept der narrierenden Organisation rückgebunden, um die Übersetzung und Adaption der in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse interpretieren zu können. Am Ende der Arbeit werdendie vorher gezogenen Schlüsse bündig in einem allgemeinen Modell zusammengeführt sowie dessen Grenzen und Desiderata benannt. dessen zu leisten. Dieser Anspruch ist Ausdruck des Selbstverständnisses. Sollte diese Arbeit einen kritischen Impetus aufweisen, so ist dies – mit Habermas – kein Indiz für ein Erkenntnisinteresse, welches über die Aufdeckung von nicht offenliegenden Zusammenhängen hinausgeht. Unbenommen dessen folge ich im Weiteren Jäger (2012, S. 12), welcher für ‚seine‘ Kritische Diskursanalyse festhält: „Es ist Unfug, sich irgendeine Methode beliebig oder auch zufällig auszusuchen und nach Schema F anzuwenden. Es ist daher unerlässlich, dass diese Theorie zunächst in einer ausführlichen Skizze als ausgespanntes begriffliches Netz dargestellt wird.“ 12 2 Analytischer Rahmen – Zusammenhänge im Überorganisationalen als Einstieg in die Erforschung organisationaler Phänomene 2.1 Die Makro-Ebene Bei der Frage, wie der im realen Handeln unbestimmbare, überindividuelle Einfluss und das Gesellschaftlich-Strukturelle operationalisiert werden kann, liegt die Lösung, nach meinem Dafürhalten,jedoch auch nur im ersten Schritt, im Diskurs. Diskurse determinieren Realität, allerdings „immer nur über die dazwischentretenden tätigen Subjekte in ihren gesellschaftlichen Kontexten als (Co-)Produzenten und (Mit-)Agenten der Diskurse und der Veränderung von Wirklichkeit“ (Jäger 2001, S. 85). Ein so gedachter Diskurs, positiv23 und aktiv gedacht, ist dann mehr als nur das geschriebene oder gesprochene Wort – ist in diesem Sinne diskursive Praxis, welche „die Gesamtheit der Bedingungen [bildet], nach denen sich eine Praxis vollzieht, nach denen eine Praxis teilweise oder völlig neuen Aussagen Raum gibt, nach denen sie schließlich modifiziert werden“ (Foucault 1973, S. 297). Dadurch, dass Aussagen Raum gegeben wird, wird auch Raum durch Diskurse besetzt, mit Sinn versehen, benutzt, geändert oder manifestiert. Darin sieht Jäger (2012) die Ausdifferenzierung des Diskursbegriffs in der Entwicklung der Kritischen Diskursanalyse. Etwas früher führen Link und LinkHerr (1990, S. 90) in ihrer Argumentation aus, dass sie diskursive Praxis als „das gesamte Ensemble einer speziellen Wissensproduktion […] bestehend aus Institutionen, Verfahren der Wissenssammlung und -verarbeitung, autoritativen Sprechern bzw. Autoren, Regelungen der Versprachlichung, Verschriftlichung, Medialisierung“ verstehen, welche „im strikten Sinne als materielles Produktionsinstrument aufgefasst werden“ müsse. In dem Bestreben, ein, für eine ganzheitliche Organisationsanalyse operationalisierbaren, Analyserahmen vorzugeben, erscheint mir die gemeinsame Betrachtung all dieser Aspekte jedoch als zu weitläufig und verworren. Jäger (2001, S. 84) sieht das Mittel zur Auflösung des „diskursiven Gewimmels“, welches die „Vorgaben für die Subjektbildung und die Strukturierung und Gestaltung von Gesellschaften“ schafft in der Diskursanalyse24. Auch Hartz (2013, S. 24) spricht von Bezugnahme und Verschränkung diskursiver Praxis, Institutionen, Verfahren, Sprecher_Innenrollen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Darin ist ein Abrücken von der bei Link und Link-Herr suggeriertenIdentitätoder zumindest Gleichstufigkeitder Elemente zu erkennen. Für eine Analyse dieser Relationen schlage ich eine vorgelagerte separate Auseinandersetzung mit den einzelnen Aspekten vor. Mein Entwurffür eine solche „komplizierte und kostspielige Geste“ (Foucault 1973, S. 298) liegt in der Analyse 1) des Zeitdiagnostischen, 2) des Diskursiven und3) des Juristischen. Die zeitdiagnostische Perspektive gibt die übergeordnete Verfassung einer Gesellschaft in Hinblick auf teilweise unbewusste und unhinterfragte Aspekte eines ‚Zeitgeistes‘ an, welcher losgelöst von der konkreten zu beforschenden Organisation ist. Ich orientiere mich hier an der Begriffsbestimmung von Bogner (2012), trotz dass er, meines Erachtens zurecht, darauf hinweist, dass Zeitdiagnosen oftmals wenig elaboriert und populär geschrieben sind (z.B. Beck (1986) [1998]). So liegt in dem Bestreben der „umfassende[n] Deutung ihrer Zeit […] das für die Gesellschaft im Ganzen 23 Positivität an dieser Stelle bedeutet, dass Diskurse wirklich vorhanden sind, tatsächlich Realität und Wirklichkeit (re-)produzieren aber auch Subjekte selbst determinieren (vgl. Foucault 1970, 1973; auch exemplarisch Jäger 2001). 24 Zur von Jäger vorgeschlagen Vorgehensweise dabei vgl. in sehr knapper Form Jäger (2001, S. 112). Um einiges umfangreicher, mit einer Herleitung und Diskussion verschiedener Begriffe, sowie einem differenzierten eigenen Verständnis im Vergleich zu älteren Ausgaben vgl. Jäger (2012). 13 Charakteristische auf den Punkt zu bringen“ (Bogner 2012, S. 7f.) der eigentliche Kern, welcher die Zeitdiagnose im Besonderen von der Gesellschaftsdiagnose mit einer Gestaltungsorientierung abgrenzt, wobei die metatheoretische Stringenz einer Gesellschaftstheorie nicht eingehalten wird. Für das Beispiel der Universität kann gesagt werden, dass die mittelalterlichen Universitäten in weiten Teilen vor einem komplett anderen gesellschaftlichen Hintergrund als die preußischen Universitäten oder Hochschulen in der heutigen Zeit existierten. Jedoch ist mit der Perspektive des Zeitdiagnostischen eben keine Kategorie gemeint, welche Historiographien oder Chronologien adressiert, sondern vielmehr das Wesentliche einer im Kontext betrachteten Gesellschaft einfängt und beschreibt (vgl. auch Bogner 2012, S. 8). Dahinter steht jedoch keine Einbindung in ein großes theoretisches Gefüge, sondern vielmehr eine Analyse der Zusammenhänge mit, an den entsprechenden Stellen, theoretisch-konzeptioneller Rückbindung. 25 Beispielsweise kann eine Universität in Katar vor einem anderen zeitdiagnostischen Hintergrund agieren und funktionieren als eine Universität in Australien. Das hier so verstandene Diskursive, oder die diskursive Praxis, sind dabei die gesellschaftlich geteilten Vorstellungen über einen bestimmten Gegenstand. Keller (exemplarisch 2008) bezeichnet eine etwaige Analyse von Diskursen als Wissenssoziologische Diskursanalyse. Dafür geht er – in Anknüpfung an den Prozess der sozialen Wissens- und Wirklichkeitskonstruktion nach Berger und Luckmann (1984) – grundlegend davon aus, dass das Wissen und damit die Ansichten über bestimmte Gegenstände nicht als gegeben angenommen werden können, sondern „auf gesellschaftlich hergestellte symbolische Systeme oder Ordnungen, die in und durch Diskurse produziert werden“ rückführbar sind (Keller 2004, S. 57). Beispielsweise kann die Sichtbarkeit einer Universität in derdiskursiven Praxis und das Rückschlagen auf die Organisation (hier rein assoziativ) die ‚intellektuelle Elite‘, die ‚vergeistigten Bewohner_Innen des Elfenbeinturms‘, die ‚Spitzenforscher_Innen‘, die ‚Zeittotschlag-Organisation‘ oder einfach die ‚Hochschule‘sein. In Bezug auf das Diskursuniversum von Mead (1973), welches „die impliziten Prozesse der Kodierung und Dekodierung [von Zeichen, der Gebrauch und Signifikationen, M.R.] reguliert“ (Keller 2008, S. 197), führt Keller aus, dass Zeichen und Symbole typisiert werden, darüber Objektivation erfahren und „alskollektiver Wissensvorrat gespeichert und […] subjektiv angeeignet werden“ (ebd., S. 200f.). Das wiederum erfolgt über Diskurse, welche in diesem Sinne „als transsubjektive Produzenten gesellschaftlicher Wirklichkeit oder sozio-kultureller Deutungsmuster aufgefasst werden“ (Jäger 2012, S. 27). Im individuellen Erleben wird so die Basis einer „aktiven Erfahrung und Wahrnehmung (Apperzeption) und […] der Appräsentation, also der Interpretation des Wahrgenommen und des intervenierenden Deutens/Handelns“ gebildet (Keller 2008, S. 201).Die entsprechenden Wahrnehmungen, welche die kollektiven Auffassungen bestimmen, unterscheiden sich diesbezüglich im Erleben mit direktem, eigenem Erfahren – Primärerfahrungen – und dem durch Erzählungen, ‚aus zweiter Hand‘ – Sekundärerfahrungen. Gesellschaftliche Vorstellungen stellen dabei wichtige „Bindemittel der Diskurse“ (Jäger 2001, S. 84) dar und können als Kollektivsymbole bezeichnet werden. Diese wiederum sind „kulturelle Stereotypen (häufig ‚Topoi‘[Herv. i.O.] genannt) […], die kollektiv tradiert benutzt werden“ (Drews et al. 1985, S. 265, m.Herv. i.O.) oder anders ausgedrückt, die „Gesamtheit der ‚bildlichen‘ Redeelemente (Symbole, Allegorien, Embleme usw., Metaphern, Synekdochen, Bilder)“ (Link/Link-Herr 1990, S. 96, Herv. i.O.). Es ist weiterhin davon auszugehen, 25 Vgl. dazu auch die Diskussion von Ortmann und Kolleg_Innen (1997, S. 21ff.) zum Mehrwert des Zulassens von paradigmatischer Vielfalt. Unberührt bleibt davon jedoch, dass innerhalb der zu Rate gezogenen Paradigmen metatheoretische ‚Reinheit‘ gewahrt werden muss, um, aufgrund des (erkenntnistheoretischen) Zugangs, widersprechende Ergebnisse zu vermeiden. 14 dass „jede Kultur ein synchrones System von Kollektivsymbolen besitzt“, wobei die Synchronität in der gebräuchlichen Nutzung und Verbindung der Redeelemente untereinander – der Deutung dieser – liegt (Drews et al. 1985, S. 266, Herv. i.O.). Das Juristische hingegen ist die entsprechende verbindliche Rechtsprechung, vor welchem Hintergrund sich die entsprechende Organisation, im rechtlichen Sinne, bewegt. Im Beispiel bleibend sind das (zumindest in Deutschland) in weiten Teilen die Landeshochschulgesetze oder das Hochschulrahmengesetz. Bezogen auf die Mitarbeiter_Innen in den Universitäten ist aber auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder, bzgl. deren wissenschaftlicher Publikationen, das Urheberrechtsgesetz von entscheidender Relevanz. Die konzeptionelle Zusammenführung dieser dreigeteilten Analyse auf der gesellschaftlichen Ebene kann als Makro-Ebene (griech.: weit) bezeichnet werden. Sie ist dabei als umfassender und omnipräsenter struktureller Hintergrund zu sehen, vor welchem sich Organisationen und Individuen bewegen, ihr Handeln ausdifferenzieren, Interpretationen vornehmen und interagieren.26 Die drei sich daraus ergebenden Bereiche sollen im Folgenden in einer dem Gegenstand entsprechend ausreichend detaillierten Beschreibung so dargestellt werden, dass es möglich ist, diesen weiten gesellschaftlichen Rahmen in Bezug auf die stationäre Altenpflege zu erkennen, sodass die „wesentliche Voraussetzung aller kulturellen Synthesen“ (Link/Link-Herr 1990, S. 97) für das Tätigkeitsfeld der stationären Altenpflege gelegt wird. Die Analyse geht jedoch über eine reine Deskription hinaus. Es wird darüber hinaus analysiert, in wie fern die verschiedenen Bereiche miteinander verschränkt sind, sich wechselseitig beeinflussen, unterdrücken und fördernsowie Bezug aufeinander nehmen. Dies erfolgt um die Grundlage zu legen, die „innere Ökonomie eines Diskurses ganz zu analysieren […], durch Vergleiche das System der funktionellen Korrelationen zwischen Diskursen zu etablieren […], die Transformation eines Diskurses und die Beziehungen zur Institution zu beschreiben“ (Foucault 1970, S. 44f.).27Bezogen auf die stationäre Altenpflege eröffnen sich die drei Bereiche auf der Makro-Ebene dergestalt, dass zum einen die allgemeinen zeitdiagnostischen Hintergründe aufgezeigt werden. Zum anderen wird das Diskursive, die Bilder des Alter(n)s oder die Kollektivsymbolik vom Leben der Alten, deren Unterbringungen und deren ‚Zutun‘ zur Gemeinschaftlichkeit dargestellt.28Letztlich wird, bezogen aufdie Altenpflege, das Juristischederart beschrieben, dass die gesetzlichen Vorschriften, welche die Beschränkungen, den Freiraum zur Interpretation und Umdeutung aber auch die entsprechend Agierenden und deren ‚Beschaffenheit‘,Tätigkeit und Aktionsrahmen deutlich werden. Darüberhinaus werden die drei verschiedenen Bereiche am Ende des Kapitels in Bezug zu einander gesetzt, um deren wechselseitigen Einfluss aufzuzeigen. 26 Jäger (2012, S. 17-30) diskutiert und verdeutlicht diese Zusammenhänge, wenn auch nicht expliziert, in seiner Herleitung verschiedener Diskursbegriffe. 27 Es ist bis hierher hinreichend dargelegt, dass das Verständnis Foucaults von Diskurs ein anderes ist, als das was ich hier als das Diskursive bezeichne. Dabei ist es jedoch schwierig, von dem Diskursverständnis Foucaults zu sprechen. Bei Foucault mag dies „dem Anschein nach fast ein Nichts sein“ (Foucault 1970, S. 11), ein „allgemeines Gebiet von Aussagen“ (Foucault 1973, S. 116), eine „individualisierte Gruppe von Aussage“ (ebd.) oder eine „regulierte Praxis die von einer bestimmten Zahl von Aussagen berichtet“ (ebd.). Sowohl in der Lektüre Foucaults selbst als auch in der breiten Bezugnahme wird deutlich, dass Foucault offenbar verschiedene Interessen in seinem Schaffen verfolgte (vgl. Deleuze 1995; Kammler 2007; Parr 2008, i.Bes. S. 237; Hartz 2013, S. 18f.). Für ein systematisches Vorgehen liegt die Schwierigkeit meines Erachtens in der Nutzung eines Diskursverständnisses Foucaults. 28 Vgl. auch BTDrS 17/3815 (S. 27), in welchem die Frage ‚Was sind Altersbilder‘ ähnlich beantwortet und gefasst wird. 15 2.1.1 Das Zeitdiagnostische Für eine umfassende Deutung der Charakteristika der heutigen Zeit (vgl. abermals Bogner 2012) knüpfe ich im Folgenden an Deleuze‘ Überlegungen zur Politik an.Deleuze führt, im Anschluss an Foucaults Überwachen und Strafen (1994), als post-disziplinäre Gesellschaft die Diagnose der Kontrollgesellschaft ein (Deleuze 1993, S. 250, 255). Dabei macht er eine Entwicklung von der Disziplinargesellschaft hin zu einer Gesellschaft mit veränderten Charakteristika aus, welche überindividuelle Symbole als Normalitäten skizziert, so dass sich für die Subjekte in einer entsprechenden Gesellschaft ein Feld von Normalitäten aufspannt. Link (1997, S. 76, Herv. i.O.) bezeichnet ein entsprechendes Normalfeld als „komplexen Homöostat […], von dem innerhalb der Schwankungsbreite bestimmter Grenzwerte Normalität produziert wird – ebenso wie umgekehrt Anormalität bei Überschreitung der Grenzwerte“ 29 . Link selbst fasst die Entwicklung von der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft als Tendenz der Moderne30, welche in beiden Phasen Kohärenzzwang für die Subjekte evoziert (ebd., S. 81). Ein solcher Kohärenzzwang kann erklärt werden durch das Konzept des Normalismus, welcher „nichts anderes ist als die Gesamtheit aller sowohl diskursiven wie praktisch-intervenierenden Verfahren, Instanzen, Institutionen, durch die in modernen Gesellschaften ‚Normalitäten‘ (im engeren Sinne) produziert und reproduziert werden“ (Link et al. 2003, S.11). In diesem Normalismus identifiziert Link zwei – wie er es nennt – Strategien, welche nicht dialektisch im Sinne einer Transzendalität mit einander verknüpft sind, sondern im Verhältnis einer „aporetischen siamesischen Bifurkation“ (Link 1997, S. 82) stehen: die protonormalistische und die flexibel-normalistische Strategie. Beide Strategien stehen somit in einem vollendet geteilten, jedoch zugleich unteilbaren Verhältnis zu einander. Durch die gemeinsame Bindung stehen beide Strategien weniger als janusköpfige Figur neben einander, sondern vielmehr als zwei beinahe gegenläufige Elemente einer Entität mit impliziten Verweisen auf das jeweils Andere, wobei es auch Mischungen der beiden Strategien geben könnte, eine Verschmelzung jedoch unmöglich ist (Link 2008a; S. 64). Brüche der Bindungsstelle an der Gabelung beschreibt Link als „mörderisches sich-austoben in einem Käfig“ (Link 1997, S. 82). Ich möchte hier den Versuch unternehmen, die Disziplinargesellschaft mit ihren protonormalistisch-strategischen Charakteristika als Vorläufer bzw. in etwaigen Gesellschaften als entsprechendes entitäres Gegenstück zur Kontrollgesellschaft flexibel-normalistisch-strategischer Kennzeichnung darzustellen und ihre jeweiligen Besonderheiten als Elemente des Zeitdiagnostischen zu umreißen. Am Beispiel der Strafe für Kriminelle stellt Foucault (1994) für die Disziplinargesellschaft dar, dass es im Grunde für alles und jede Tätigkeit einen Anfang und ein Ende gibt. Dabei ist die Rolle von Institutionen – wie dem Gefängnis – von besonderer Wichtigkeit für die Etablierung und den Erhalt von Disziplin. Diese Disziplin ist bei Foucault (ebd., S. 181ff.) unabdingbar mit einer Kunst der Verteilung verbunden, in dem Sinne dass durch Institutionen und in den Institutionen eine räumliche Abschließung des Individuums (durch die Klausur), eine Zuweisung an einen bestimmten Platz (die Parzellierung) und eine Zuweisung von Funktionen und Funktionsstellen vorgenommen wird. Dabei sind einzelne Elemente austauschbar, wodurch nur der Rang eines Elements in der Institution bzw. der Tausch von Rangordnungen von Relevanz ist. Für die Verteilung der Ränge und der entsprechenden Funktionen in der Disziplinargesellschaft bedeutet das, dass „die Aufteilung der 29 Unter einem komplexen Homöostat wäre hier, wahrscheinlich auch im Sinne Links, ein sich, trotz vielfältiger Einflussgrößen, im Gleichgewicht befindliches ‚Zentrum der Normalität‘ zu verstehen. 30 An anderer Stelle spricht Link von Großtendenz oder Großideologie und stellt Normalismus damit explizit auf eine Stufe mit Großideologien wie Industrialismus, Kapitalismus oder Bürokratismus (Link 1997, S. 82). 16 Körper, die räumliche Organisation des Produktionsapparates und die verschiedenen Tätigkeitsformen miteinander in Einklang zu bringen“ sind (ebd., S. 185f.). Für die Individuen in der Disziplinargesellschaft hat die Organisation von Zellen, Plätzen und Rängen zur Folge, dass durch „die Disziplinen komplexe Räume von Architektur, Funktionen und Hierarchien“ fabriziert werden (ebd., S. 190). Dadurch wird die Reichweite der Disziplin als protonormalistische Strategie erkennbar. Für die Steigerung der Produktivität der Disziplin werden sowohl räumliche Gebilde, wie auch deren konkrete physische Grenzen und Weiten als die zugeordneten Funktionen sowie durch den Einbezug der Subjekte in diese Räume für eben jene besetzt und internalisiert. Der disziplinierte Mensch […] wurde mittels der Internierung nicht nur unterdrückt, gedrängt, erniedrigt; vor allem wurde er dressiert, normiert und normalisiert, erzogen. Es wurden ihm zum Zwecke der Produktivitätssteigerung bestimmte Fähigkeiten beigebracht und eingeprägt, welche auf eine [sic!] – sicherlich auch relative und in jedem Fall umkämpfte – Solidität der dominanten Werte basierten, welche er wiederum im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit diversen Sozialisations- und Kontrollinstanzen internalisieren mußte.“ (de Marinis 2000, S. 38) Dabei kommen dem Staat und der Zivilgesellschaft eine starke Rolle zu, die entsprechenden Institutionen und Mechanismen der Dressur und Einschließung zu etablieren, aufrecht zu erhalten und zu kontrollieren, damit sie von den Individuen aufgenommen und erhalten werden. Dafür ist die Etablierung eines konstitutiven Außen nötig, welches – über die Vermittlung und Internalisierung „vornormalistischer Kollektivsymbole“ – die Grenzen der Normalität zum Ausdruck bringt und damit und über „symbolische und materielle Dispositive der ‚großen Einschließung‘ […] die neue Population der ‚Anormalen‘ deutlich von der Population der ‚Normalen‘“ trennt (Link 1997, S. 139, Herv. i.O.). Diese Disziplinargesellschaft oder „Normalisierungsgesellschaft ist der historische Effekt einer auf das Leben gerichteten Machttechnologie“ (Foucault 1977a, S. 172), um „das Lebende in einem Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren“ (ebd., S. 171). Link (1997, S. 136) sieht in dieser Fassung von Gesellschaft ein protonormalistisches Normalisierungsverständnis, welches „als operatives, intervenierendes Dispositiv“ fungiert, Normen allgemein verfügbar macht und (intrasubjektiv) zum Funktionieren bringt. Der Protonormalisms errichtet zwischen dem Normalen und dem Anormalen „möglichst starre, massive, abschreckende und unübersteigbare Normalitätsgrenzen“ (Link 2008a, S. 66). Die Normen und ihre Grenzen folgen der disziplinären Vernunft. Dabei weisen sie logischen Charakter für die Subjekte auf und wirken auf deren Körper ein (Hardt/Negri 2002, S. 38; Foucault 1994, S. 195, 269). Zur Umsetzung dessen und Kontrolle dieser tiefgreifenden auf das Subjekt bezogenen dispositiven Wirkungen sieht Foucault (1994, S. 267) in der Disziplinar/Normalisierungsgesellschaft den Mechanismus des Panoptismus als „die Lösung, daß Macht nur möglich ist, wenn die Macht ohne Unterbrechung bis in die elementarsten und feinsten Bestandteile der Gesellschaft eindringen kann und wenn sie auf jähen, gewalttätigen und lückenhaften Verfahren der Souveränität verzichtet“. Darin sind die ersten Spuren davon zu entdecken, worauf Deleuze den Gedanken der Kontrollgesellschaft ohne feste Institutionen entwickelt. Denn trotz dass in der Disziplinargesellschaft die Machtwirkungen bis „in die feinsten und entlegensten Elemente dringen“ (ebd., S. 277), sind die Disziplinen geschlossen und vorgegeben. „Es leuchtet unmittelbar ein, daß die protonormalistische Subjektivierungstaktik der ‚Außenlenkung‘ partiell zu einer ‚Fassaden-Normalität‘ führen muß: Der Öffentlichkeit gegenüber geben sich viele Subjekte als ‚normal‘, während sie heimlich ‚anormalen‘ Praktiken […] frönen.“ (Link 1997, S. 78, Herv. i.O.) 17 Dadurch, dass ‚anormale‘ Praktiken im Heimlichen oder ausschließlich Kognitiven stattfinden, sind Devianzen zwar vorhanden, sorgen jedoch auf Dauer für intrasubjektive Spannungsverhältnisse zwischen Sein und Schein, worin z.B. de Marinis (2000, S. 15) die Entwicklung der Kontrollgesellschaft als „tiefgreifende Übergangsphase in der Menschheitsgeschichte“ mit erheblichen Konsequenzen sieht. Andere Autor_Innen sehen in der Kontrollgesellschaft eher eine „Intensivierung und Verallgemeinerung der normalisierenden Disziplinarmechanismen“ (Hardt/Negri 2002, S. 38), eine „maximale Expandierung der Normalitätszone“ (Link 1997, S. 77) oder eine „Reiteration der Macht“ als Verzeitlichung der Unterordnung (Butler 2002, S. 21), welche durch die Machtwirkungen innerhalb des Subjekts Andersartigkeit umfasst. Die Kontrollgesellschaft wird demnach als eine differenzierte Organisations- und Gesellschaftsform auf Basis der und parallel zurdisziplinargesellschaftlichen Zusammenhänge gesehen.Opitz (2004, S. 97) macht einen entsprechenden Wandel seit den 1970er Jahren fest und schlägt eine synonyme Bezeichnung als Postfordismus vor, welcher sowohl gesellschaftliche Machtmechanismen, wie z.B. die Kommunikation(-sgeschwindigkeit) von und über Wissen, als auch die Ausdifferenzierung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung betrifft. Die Disziplin der Institutionen wird – in Folge eines Kapitalismus der Überproduktion, welcher das Erzeugnis in den Fokus stellt – durch „die ultra-schnellen Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen“ (Deleuze 1993, S. 255) ersetzt. Starre Strukturen und Routinen der Institutionen werden aufgelöst und mutieren zu einer allgegenwärtigen Dispersion (Enzensberger 1988, S. 50; Sennett 2000, S. 10). Die Rolle der Institutionen als Orte des Einschlusses und ‚Vehikel des Transports‘ von Normen zur Disziplinierung tritt in den Hintergrund, wobei Kommunikation und Information stetig präsent, inhaltlich multipel und dadurch in ihrer Masse an sich als auch ihrer Wirksamkeit für die Subjekte gemehrt werden. Elemente des disziplinär Unsagbaren werden in das normal Sagbar eingeschlossen, wobei „die Logik des Informationsmarktes [Herv. M.R.] eine ständige Erweiterung dieses Marktes erfordert und folglich verlangt, daß ‚alles‘ auf irgendeine Weise Kommunikationsobjekt wird“ (Vattimo 1992, S. 17, Herv. i.O.). Vermarktlichung, die Darstellung von Ergebnissen, deren Kommunikation im Allgemeinen und die Optimierung von Information ist das Ziel der Kontrollgesellschaft und der Akteur_Innen in ihr, wobei die Kennzeichen „unablässige Kontrolle und unmittelbare Kommunikation“ (Deleuze 1993, S. 250) sind. Bell (1976)formulierte in diesem Zusammenhang den Wandel zur Wissensgesellschaft. In dieser geht es um Kompetenzen und Informationen sowie um Professionalität im Umgang mit den Dienstleistungen, was mit der zunehmenden Einführung von Informationstechnologie zu einer Informatisierung der Gesellschaft führt (vgl. auch Hardt/Negri 2002, S. 296f.). Professionalität, und somit auch Professionalisierung, geht mit einer zunehmenden Flexibilisierung der Subjekte einher. Im Zuge professionalisierender Prozesse werden diese befähigt, eigenständig und eigenverantwortlich optimale Ziele zu erreichen. Gesellschaftliche Organisationsstrukturen werden immer netzwerkartiger. In einem produktiven Sinne verrichten Arbeiter_InnenLeistung nicht mehr primär in Stätten der Umwandlung von Rohstoffen oder der Montage von Maschinen, sondern verstärkt im tertiären Sektor, dem der Dienstleistungen. Erbrachte Leistungen um das Erzeugnis im abstraktesten Sinne, wie Werbung und Zusatzleistungen, stehen im Fokus. Die Arbeit an dem Produkt ist nicht mehr gekennzeichnet durch Kraft, sondern verstärkt durch Wissen um selbiges. An die Stelle der Fabrik tritt das Unternehmen, welches als Zentrum, oder Seele, die Dienstleistung um das Produkt aufweist (Deleuze 1993, S. 260). Die Dienstleistung ist das zentrale Moment in der Wissensgesellschaft. Durch die in den Hintergrund getretenen Institutionen als feste Gebilde mit apodiktischen Regeln eröffnet sich für die Subjekte ein Raum, welchermehr Potential für Freiheit und Entfaltung liefert. War Macht in der Disziplinargesellschaft noch offenkundig und zentriert, indem sie Möglichkeiten des Agierens und Denkens beschränkte, ist sie in der Kontrollgesellschaft 18 „demokratisiert“, verteilt und „zunehmend von den Subjekten internalisiert“ (Hardt/Negri 2002, S. 38). Butler (2002, S. 21) führt in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Perspektive der Macht ändert: „Sie wird aus dem, was von Anfang an und von außen auf uns einwirkt, zu dem, was in unserem gegenwärtigen Handeln und seinen in die Zukunft ausgreifenden Wirkungen unseren Sinn für die Handlungsfähigkeit ausmacht“. Handlungsfähigkeit wird durch Kontrolle des Selbst aus dem Subjekt heraus und der entsprechenden steten Anpassung des eigenen Tuns an die ‚Prämisse der Reflexion‘ erreicht. Flexibilität und Selbstkontrolle sind dabei idealisiert und für alle Subjekte allgegenwärtig. Durch die Neuverortung der Macht weg von den Institutionen in die Subjekte hinein stellen sich, über die Entstehung hochdifferenzierter Lebenswelten mit „teils widersprüchlichen normativen Anforderungen“ (de Marinis 2000, S. 39), zeitgleich vielmehr Möglichkeiten für die/den EinzelneN heraus, was wiederum zu einer Hypersegmentierung der Gesellschaft führt (Hardt 1995, S. 37). Die Kontrolle der ‚Rechtschaffenheit‘ des Denkens und Agierens im Sinne einer normalen Rationalität erfolgt im Selbst vor dem Hintergrund der Angemessenheit für die jeweilige spezifische Situation. Daraus ergibt sich für die Subjekte in der Kontrollgesellschaft die Konfrontation mit einer „unhintergehbaren Rivalität […], die die Individuen zueinander in Gegensatz bringt, jedes von ihnen durchläuft und in sich selbst spaltet“ (Deleuze 1993, S. 257). Diese Rivalität und der damit einhergehende permanente, jedoch akzeptierte und positiv konnotierte Erfolgsdruck werden auf alle Lebensbereiche und Facetten des eigenen Selbst übertragen und umgesetzt.31 Durch Kontrolle des eigenen Selbst wird Scheitern als modernes Tabu des Individuums selbst versucht zu vermeiden (Sennett 2000, S. 146). Individualisierung tritt als „neue[r] Modus der Vergesellschaftung“ (Beck (1986) [1998], S. 205) in Erscheinung, was den Individuen zum einen weniger Standardisierung und mehr Flexibilisierung bietet, sie zum anderen aber auch fordert und kontrolliert (Sennett 2000, S. 11; Opitz 2004, S. 99). Sennett spricht in diesem Zusammenhang auch vom „flexiblen Menschen“ als „Kultur des neuen Kapitalismus“ (Sennett 2000).32 Noch für die Disziplinargesellschaft hält Foucault 31 Türk und Kolleg_Innen (2002, S. 49ff.) beschreiben diese Rivalität als Männlichkeit, welche schon bei Hobbes (1651) [2005] im Leviathan als Natur des Menschen angelegt und durch die künstliche Einrichtung eines Staates geordnet, geregelt und diszipliniert werden kann. Daraus erwächst „ein wachsendes Bewusstsein der Kontingenz und Zerbrechlichkeit, aber auch der Formbarkeit und Veränderbarkeit sozialer Beziehungen […], mehr noch: der Notwendigkeit ihrer Formierung, Regulierung und Disziplinierung“ (Türk et al. 2002, S. 52). In Bedienung des Philosophen Francis Bacon wird dieses Projekt in die Tradition der Herstellung von Reinheit, von Differenz zwischen Objekt und Subjekt gestellt. Horkheimer und Adorno [1944] (1988, S. 42) sehen darin – unbenommen der weiteren Aspekte, wie der Kritik des Bürgertums und dem latenten Vorwurf der Fehlinterpretationen der Aufklärung – die Beherrschung des Menschen über sich selbst (über den ‚Umweg‘ der Beherrschung der Natur), was in hart vorgetragener Schelte – auch ohne Bacons philosophischer Position – Ausdruck der Internalisierung dieser Rivalität und Obsoleszenz eines disziplinierenden Staates ist: „Die Vereinheitlichung der intellektuellen Funktion, kraft welcher die Herrschaft über die Sinne sich vollzieht, die Resignation des Denkens zur Herstellung von Einstimmigkeit, bedeutet Verarmung des Denkens so gut wie der Erfahrung; die Trennung beider Bereiche läßt beide als beschädigte zurück. […] Der Geist wird in der Tat zum Apparat der Herrschaft und Selbstbeherrschung, als den ihn die bürgerliche Philosophie seit je verkannte.“ 32 Als kurzer Exkurs zur (Un)Möglichkeit des Entzugs aus dieser Diagnose kann hier auf eine aktuellere Abhandlung Cederströms und Flemings (2013) verwiesen werden. Die Autor_Innen erachten den Kapitalismus seit den 70er Jahren als tot, wobei darin die Geburtsstunde des Neoliberalismus gesehen wird. Diese postmoderne Entwicklung ist auch hier durch Angst vorm Scheitern geprägt. Doch das endgültige Scheitern, verstanden als die biologische Vernichtung eines Menschen, bleibt aus, denn Arbeit bleibt stets und für alle präsent. Dieses Nichteintreten des ersehnten Todes, das Verschwinden von Arbeit, schlägt in „Hyperhoffnungslosigkeit“ (S. 11) um, welche die Menschen, gleich welcher Tätigkeit sie nachgehen, als tot erscheinen lässt. Leben lässt sich demnach nur über Managementinstrumente in die toten Hüllen injizieren, welche das Dasein grundsätzlich über Tätigsein im Speziellen mit Sinn versieht. „Wenn wir alle ‚Humankapital‘ werden, haben wir nicht nur einen Job oder verrichten einen Job. Wir sind der Job.“ (S. 19, Herv. i.O.) Einer durchweg düsteren Analyse folgt „Der große Abgang“, in welchem die Autor_Innen feststellen, „dass wir 19 (1994, S. 37, Herv. M.R.)fest, dass der Körper nur „zu einer ausnutzbaren Kraft wird […], wenn er sowohl produktiver wie unterworfener Körper ist“. In der Kontrollgesellschaft ist der Körper nicht mehr offensichtlich unterworfen. Die ‚Unterwerfung‘ erfolgt aus freien Stücken heraus und ist von daher eher als ‚freiwillige Unterordnung‘ zu verstehen, welche mit Techniken des Gestehens von Abweichungen vor sich selbst einhergeht, um Gewissheit der Passfähigkeit des Selbst in die Gesellschaft zu erlangen. Die Verpflichtung zum Geständnis wird uns mittlerweile von derart vielen verschiedenen Punkten nahegelegt, sie ist uns so tief in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie uns gar nicht mehr als Wirkung einer Macht erscheint, die Zwang auf uns ausübt; im Gegenteil scheint es uns, als ob die Wahrheit [auch über das Normale; M.R.] im Geheimsten unserer selbst keinen anderen ‚Anspruch‘ hegte, als den, an den Tag zu treten; daß es, wenn ihr das nicht gelingt, nur daran liegen kann, daß ein Zwang sie fesselt oder die Gewalt einer Macht auf ihr lastet, woraus folgt, daß sie sich letzten Endes nur um den Preis einer Art Befreiung wird äußern können. Das Geständnis befreit, die Macht zwingt zum Schweigen; die Wahrheit gehört nicht zur Ordnung der Macht, sondern steht in einem ursprünglichen Verhältnis zur Freiheit“ (Foucault 1977a, S. 77f., Herv. i.O.) Die ‚alten Regeln‘ der Unterwerfung sind nicht abgeschafft, sondern in einem schwerer zu durchschauenden Geflecht erweitert (vgl. auch Sennett 2000, S. 11). Das Geständnis ist somit eine Art Befreiungsschlag gegen Machtwirkungen von außen aber auch von innen, aus dem Subjekt selbst heraus, um Legitimation dafür aufzubauen, dass sich doch alles im Wahren, im Normalen befindet. Es erfolgt eine Verschiebung von einer Normung der Subjekte hin zu einer Produktion von „subjektiven Normalitäten mit Streubreiten“ (Link 2008b, S. 246, 243-246), welche sich im „unbegrenzte[n] Aufschub der Kontrollgesellschaft […] in kontinuierlicher Variation“ (Deleuze 1993, S. 257) befinden. Darauf begründet Link auch seine Kritik an dem Begriff Kontrollgesellschaft von Deleuze (1993). Über eine semantischeHerleitung des französischen Wortes normalisation kommt er zu dem Befund, Deleuze hat, im Glauben Foucault zu folgen, den Begriff der Kontrollgesellschaft falsch gewählt. Inhaltlich identifiziert er jedoch keine Differenzen.Link (2008b, S. 246) hält fest, dass Kontrolle auch in der Disziplinargesellschaft (vgl. i.Bes. Totale und asketische Institutionen in: Foucault 1994, S. 295329) von entscheidenderRelevanz ist. Im Weiteren erörtert er eine Entwicklung des Verständnisses von normalisation über das Werk Foucaults hinweg. In Bezug auf Der Wille zum Wissen (Foucault 1977a) macht er deutlich, dass es „bei dieser ‚normalisation‘ der sexuellen Revolution um etwas anderes als um normende und normierende Dressur“ (wie z.B. in Überwachen und Strafen) geht. „Es geht um das, was man normalismustheoretisch als ‚flexible Normalisierung‘ bezeichnen kann und was von einer ‚protonormalistischen‘ Abrichtung denn doch unterschieden werden sollte“ (Link 2008b, S. 245, Herv. i.O.).Dabei wird deutlich, dass auch Link eine Entwicklung ausmacht, welche er jedoch im Semantischen sieht. „Bei Foucault sind es in erster Linie neue Begriffe wie Gouvernementalität und Selbstsorge, mit denen er die entsprechenden flexibel-normalistischen Phänomene direkt oder indirekt-konnotativ berührt“ (ebd., S. 246). Diese, eingangs zu diesem Kapitel bereits erwähnte, Entwicklung dient als zweites strategisches Element – neben der ironischerweise das Leben bejahen müssen, um es erfolgreich zu beenden. Andernfalls wird der Tod nur eine weitere infantile Abgangsfantasie.“ (S. 120). Darin bringen Cederström und Fleming die neckische Fatalität der neoliberalen Arbeitswelt zum Ausdruck. Selbst der Entzug aus dem Leben, welches über seine komplette Dauer durch Funktionieren geprägt ist, durch Suizid bietet keinen Ausweg, denn „das Dienen verlernen, bedeutet auch, dass wir verlernen müssen zu leben.“ (S. 124) Die einzige Möglichkeit für eine Katharsis wird in der Infantilisierung, einer Rückversetzung jenseits einer neoliberalen Sozialisation gesehen, um „sich selbst und die sozialen Beziehungen von der Logik der Arbeit zu trennen, die sonst nicht aufhört, uns zu plagen und auf unsere Erinnerungen, Gefühle, Gewohnheiten und Sorgen überzugreifen.“ (S. 131). 20 protonormalistischen Disziplinargesellschaft, mit dem Ziel der „maximalen Komprimierung der Normalitätszone“ (Link 1997, S. 78) – innerhalb des Normalismus, welches „nicht mehr durch Internierung funktionier[t]“ (Deleuze 1993, S. 250). Vielmehr sind die Mechanismen des flexiblen Normalismus die Integration und Inklusion des protonormalistisch Anormalen (Link 2008a, S. 66). Damit positioniere ich mich ‚in versöhnlicher Art und Weise‘ zwischen Link und Deleuze, und zeichne weiterhin die Disziplinargesellschaft als protonormalistische Strategie und im Folgenden die Kontrollgesellschaft als flexibel-normalistische Strategie, welche weniger dressiert, sondern als zweiter aporetischer siamesischer Teil im Feld des Normalismus die Subjekte in sich selbst kalkulieren, richten und normalisieren ‚lässt‘, wobei diese Normalisierung möglichst defensiv und „mit minimaler Ausklammerung von Friktionsfaktoren“ (Link 1997, S. 79)erfolgt. Differenzen erfahren eher eine Betonung, sind legitimiert, unterliegen ihrerseits wiederum einer „integrativen Kraft von Normen und Werten wie überhaupt aller Formen der Machtausübung“ (de Marinis 2000, S. 38). Sie sind darüber hinaus in Biografien vereinbar, wobei flexible Formen von Konkurrenz und Kookkurrenzen entgegengesetzter Normalitäten möglich sind. Für die Subjekte liegt die Chance zur Teilhabe an der Gesellschaft, ebenso wie die Bewältigung des Zwangs dazu in der Authentizität des Selbst (Link 1997, S. 79ff.). So stelltHardt (1995, S. 36) fest, dass„[f]ixed positions have become a liability in an age of combat where monitoring, mobility, and speed have become the dominant characteristics”. Dieser Kampf und die entsprechenden subjektbezogenen wie objektbezogenen, aber subjektrelevanten, Informationen haben einen „integralen Aspekt“ (Link 2008b, S. 246) und unterliegen einer „unmittelbaren Kommunikation“ (Deleuze 1993, S. 250). Wenn widerständige Praktiken bei Foucault (1977b, S. 524; 1982, S. 273ff.) konstitutiv mit Macht verbunden sind, bedeutet das für die flexibel-normalistische Kontrollgesellschaft, dass auch Devianz und Widerstand zum Normalen dazu gehören, sofern es für die Subjekte ‚kontrolliert deviant‘ ist und die daraus folgende Flexibilität erst Handlungsfähigkeit erzeugt und somit zu Erfolg führt. Widerstand wird entsprechend legitimiert und erfährt eine normale Konnotation, bzw. einen sogar erwünschten Charakter. Er wird dadurch auch zur Abwendung eines Scheiterns innerhalb der Kontrollgesellschaft wirksam und ist folglich erwünscht. Die Deleuzesche Kontrollgesellschaft und die Normalismuskonzeption nach Link sind somit eng miteinander verbunden. Zusammenfassend ist deutlich geworden, dass die Disziplin in der Kontrollgesellschaft nicht verschwunden ist, sondern von den Subjekten internalisiert wurde. Daraus schließe ich den Zusammenhang zu den zwei normalistischen Strategien von Link. Sowohl die protonormalistische Strategie enger Prägung als auch die flexibel-normalistische Strategie der Expandierung der Normalitätszone sind Elemente einer kontrollgesellschaftlichen Dispersion, die Subjekte wie auch Organisationen prägt. In der hier dargestellten Zeitdiagnose sind sowohl sehr weite wie auch sehr enge Grenzen des Normalen im Kontinuum des Möglichen angelegt. Beide Strategien sind jedoch nicht ohne die andere verfügbar, da sie gleiche Basen aufweisen und als Gegenpol die jeweils andere zur Abgrenzung und zum Wechsel in die andere benötigen, was sich auf die Möglichkeiten des Denkens und Agierens auswirkt. 2.1.2 Das Diskursive In der Erforschung des gesellschaftlichen Diskurses werden die sozial geteilten Vorstellungen über das Alter(n), die Anzahl der alten Menschen und deren Entwicklung, die Unterbringung der Alten und den Umgang mit ihnen in den Fokus gesetzt. Die eingangs bereits zitierte Anette Dowideit stellt auf 12 Seiten anschaulich ihre Ein-Tages-Selbsterfahrung dar und bietet damit, wenn auch nur in knapper Form, Einblick in das, was gegebenenfalls viele Menschen denken: „Mit dem Gefühl, noch einmal 21 entkommen zu sein, trete ich erleichtert hinaus in die Sonne. Sicher, das Personal im Seniorenstift war sehr bemüht, wahrscheinlich sind dort die Arbeitsbedingungen um einiges besser als in vielen anderen Altenpflegeeinrichtungen.“ (2012, S. 34) Assoziationen von Gefangensein, Dunkelheit, stete Mühe von Altenpfleger_Innen, welche doch nicht ausreicht und dies in beinahe allen Einrichtungen, mit nur wenigen Leuchttürmen der Ausnahme sind in dieser Darstellung enthalten. Auch wenn das nur eine Einzeldarstellung ist, stellen die darin beinhalteten Bilder wahrscheinlich vertraute Anschlüsse bei vielen dar, wenn sie an alte Menschen und deren Unterbringungen in entsprechenden Einrichtungen denken.33So führen Westerhof, Barrett und Steverink (2003) in ihren Ergebnissen an, dass sich Menschen in Deutschland tendenziell eher an jüngeren Altersgruppen orientieren und stärker mit diesen identifizieren können als mit älteren. Diese kollektiven (Ab-)Neigungen zu und Vorstellungen vom Alter und von den Alten sind zeitgeschichtlichen Veränderungen unterworfen (Thimm 2000, S. 43; Höffe 2009). Höffe (2009, S. 11) insistiert darauf, dass sich Bilder über das Alter und das Altern ändern, sie jedoch nicht immer negativ sind. Genau aus diesem Grund spricht er von Bildern und eben nicht von Stereotypen. Jedoch ist durch die Anlehnung an den Gedanken der Kollektivsymbolik klar, dass eine Veränderung in diesen Bildern oder gesellschaftlichen Vorstellungen oder Symbolen eingeschlossen ist. 34 Die Bedingungen zur Konstitution der entsprechenden (aktuellen) diskursiven Praxis sollen im Folgenden so dargestellt werden, dass eine möglichst greifbare Auffassung davon entsteht, was die derzeitigen Bilder sind. Die Einschreibung in die entsprechenden Kollektivsymbole kann dabei sowohl eine positiv- wie auch eine negativ-konnotierte sein. Ein und dasselbe Kollektivsymbol kann, je nach z.B. Gruppenzugehörigkeit, sobald es über den rein symbolischen Gehalt hinaus geht und mit einer Wertung versehen wird, different beurteilt werden (vgl. dazu auch Link 1997, S. 348ff.). Dies macht eine handfeste und eineindeutige Unterscheidung in positive oder negative Alter(n)sbilder in weiten Teilen sehr schwierig. In der hier getroffenen inhaltlichen Differenzierung der Abschnitte a) bis c) habe ich nichtsdestotrotz den Versuch unternommen, eine möglichst nachvollziehbare Zuordnung zu treffen. Dabei bediene ich mich vorhandener Studien, welche gesellschaftliche Bilder und Auffassungen in der Gesellschaft über das Alter(n) analysiert haben und nutze die Ergebnisse, um hier eine weitestgehend kongruenteKopie davon zu zeichnen, wie das Diskursive, als Subkategorie der Makroebene, auf das Feld der stationären Altenpflege Einfluss nimmt. a) Alter(n) und Gesellschaft Es ist festzustellen, dass das‚Bild der Alten‘ nicht existiert. Es ist vielmehr ein Konglomerat aus verschiedensten Vorstellungen,Bildern und Stereotypen, welche miteinander in Zusammenhang und in eine Beziehung zur Gesellschaft gesetzt werden (Tokarski 1998; Amrhein 2008, S. 92f.). Das ‚Problem: Alter‘ ist dabei nicht nur auf die Zuschreibung der Jüngeren an die Älteren oder der Älteren auf sich selbst bezogen. Alter durchzieht die Gesellschaft in allen Altersgruppen und Kohorten, wobei die Zusammenhänge zwischen dem Phänomen und der gesellschaftlichen Entwicklung selten systematisch und umfassend untersucht wurden (Backes 1998, S. 23; Kelle 2000, S. 176f.). Die 33 Als eher anekdotischer Selbsterfahrungsbericht kann hier auch auf Molle (2014) verwiesen werden, welcher ein 21tägiges Praktikum in einer stationären Altenpflegeeinrichtung in Leipzig schildert. Mit dieser ‚Empfehlung‘ möchte ich mich jedoch nicht in die (unterstellte) politische Nähe einer Nischenideologie des Mediums, der Jungle World, stellen. 34 Vgl. dazu auch von Kondratowitz (1998, S. 61, Herv. i.O.), welcher den Schluss zieht, der öffentliche Diskurs des Alters betreffe „die Art und Weise, wie das höhere Lebensalter in der öffentlichen Verständigung normativ thematisiert wird und welchen Niederschlag solche normativen Diskurse in der Legitimation sozialpolitischer Strategien und bei den dort beteiligten Trägergruppen gefunden haben und in der Zukunft finden werden“. 22 meisten Autor_Innen sehen eine Veränderung im gesellschaftlichen Bild über die Senior_Innen in den vergangenen drei Jahrzehnten. Dieses wird auf deren steigende Anzahl, die gesellschaftlichen Veränderungen und die zunehmend heterogenen Lebensstile im Alter zurückgeführt, wobei auch immer wieder betont wird, dass die Grenzziehungen zu den ‚Anderen‘– den Alten – ebenso konstruiert sind und gesellschaftlichen ‚Interessen‘ folgen (so z.B. Backes 1998, S. 32; Amrhein 2008, S.185). Entsprechende gesellschaftliche Veränderungen werden dabei oftmals als ‚Vergesellschaftung des Alter(n)s‘ (Backes 1998) bezeichnet, welche alle gesellschaftlichen Ebenen (hier: Politik, Wirtschaft, Kultur, Institutionen des Arbeitsmarktes, Betriebe, Familie, sozialstaatliche Institutionen und Menschen in verschiedenen Lebensphasen) durchzieht (ebd., S. 12). Besonders betont werden dabei die Auflösung traditioneller Familienstrukturen, die Entwicklungen am Arbeitsmarkt und damit auch die veränderte Position der Älteren innerhalb der Sozialstruktur, welche wiederum zu dem Erfordernis der Integration und Partizipation führt (vgl. zusammenfassend Backes 1998, S. 26; TeschRömer et al. 2006a, 39f.; Tesch-Römer et al. 2006b, S. 520ff.; BTDrS 7/3815, S. IVff.). Etwas polemisch formuliert Borscheid bereits 1987: „Mit unbändiger Macht drängen die Senioren in den Vordergrund; ihre Probleme überschwemmen uns geradezu; sie lassen uns nicht mehr zur Ruhe kommen. Über die Medien bleiben sie mit immer neuen verschiedenen Themen im Gespräch: Die Überalterung der Gesellschaft. Woher die Soldaten nehmen? – Der Kollaps der Rentenversicherung. Wer soll die Renten bezahlen? Die ‚Grauen Panther‘ erregen Aufsehen, die Pensionäre drängen in die Universität, Siebzigjährige reihen sich unter die Marathonläufer und überrunden Jüngere. Eine hyperdynamische Gesellschaft, die atemlos von Innovation zu Innovation hastet und nur Höchstleistungen anerkennt, der Atemholen und Besinnung Rückschritt bedeuten, die falls sie könnte, nur ‚olympiareife‘ Belegschaften in ihren Betrieben behalten möchte, merkt plötzlich, daß sie altert. Sie, die wie keine andere vor ihr jugendliche Kraft und Vitalität vergöttert, entdeckt mit Bestürzung ihre grauen Schläfen. Die Wegwerfgesellschaft, die die alten Menschen in immer jüngeren Jahren als altes Eisen aussondert, wird sich bewußt, daß ihr dabei die Luft ausgeht. Sie klagt über zunehmende und scheinbar unheilbare Schmerzen, weil der schrumpfende Fuß der Bevölkerungspyramide die rentenverzehrende Last des stetig dicker anschwellenden Kopfes nicht mehr zu tragen vermag und ins Stolpern gerät.“ (S. 7) Diese Individualisierung und Pluralisierung der Lebensläufe und Lebensstile (Backes 1998, S. 26; BTDrS 7/3815, S. 58f.) und das Bedürfnis an Teilhabe an der Gesellschaft wird als Strukturwandel des Alters, bestimmt von Pluralismus, Variabilität und Diskontinuität, in dem Konzept der ‚neuen Alten‘ gefasst (Backes 1997, S. 150; von Kondratowitz 1998, S. 70;Tokarski 1998, S. 111; Amrhein 2008, S. 175f.). Die neuen Alten sind agile Menschen im (Vor-)Ruhestand, welche ein explizites und gelebtes Bedürfnis danach haben, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, in dieser sicht- und hörbar zu sein und dabei, genau wie die Jüngeren, kein Problem dabei verspüren, Lebensstile, Hobbys, Äußeres zu verändern und eventuellen Trends anzupassen, um ‚mit der Zeit zu gehen‘ und ‚hip‘ zu sein. In der entsprechenden Analyse der neuen Alten wird dabei scheinbar verkannt, dass Alter auchmit Autorität konnotiert ist. Denn innerhalb des ‚altersauthoritären‘ Kollektivsymbolsist es möglich zu sagen „Alter symbolisiert Dominanz – Erfahrung, Weisheit, Verfügungsgewalt, Macht. Mit Alter werden gute Regierung, Ordnung und Sicherheit thematisiert“ (Göckenjan 2009, S. 105).35Backes‘ (1998, S. 29) These für die Gesellschaft ergäbe sich eine „ökonomisch, politisch und normativ induzierte Notwendigkeit, ältere und alte Menschen stärker gesellschaftlich zu beteiligen“ ist somit 35 An späterer Stelle führt Göckenjan (2009, S. 110) jedoch auch selbst an, dass eine Veränderung des Altersbildes durch Rentenreformen eingesetzt hat, welche „bis heute als sedimentierte Grundannahmen das Altersbild“ prägen. 23 eine Folge der Verfestigung der entsprechenden diskursiven Praxis der Weisheit und Erfahrung des Alters.Mit Schroeter (2002, S. 87) lässt sich diese Verfestigung als das „gerontologische Credo: erfolgreiches und produktives Altern“ bezeichnen. Schroeter rekurriert ebenso wenig auf Gebrechlichkeiten und Gebundenheiten, welche durch ein zunehmendes Alter auftreten, sondern auf das Gefühl, genau diesem entgehen zu müssen, da ein Scheitern nach vollzogenem Leben, dieses in der Gesamtschau trüben würde (vgl. auch Kolland/Rosenmayr 2007, i. Bes. S. 213ff.). Flexibilität, Professionalität und Abwendung von Scheitern betreffen dabei nicht nur die arbeitenden Teile der Gesellschaft – es tangiert Jede und Jeden, Junge und Alte. Dabei geht es auch nicht mehr um „Altern […] als bloßer biologischer Abbauprozess“ (Schroeter 2002, S. 87f.), sondern – im Widerspruch zum traditionellen Entwicklungsbegriff im Alterungsprozess – um ein aktives Eingreifen in den Alterungsprozess mittels „Optimierung durch Selektion“ (ebd., S. 88f.). In Anlehnung an Gehlen („These der menschlichen Mangelhaftigkeit“) ist der Kern des erfolgreichen und produktiven Alterns nicht ausschließlich eine individuelle Verbesserung des eingeschlagenen Lebensweges, sondern der Beitrag zum Fortbestand und zur Veränderung der Gesellschaft (ebd., S. 89).Denninger und Kolleg_Innen sprechen in einem gouvernementalitätsthereotischen Zusammenhang vom „AltersAktivitäts-Regime […] das eine neue, individuell anscheinend kaum mehr hintergehbare gesellschaftliche Normalität des Alter(n)s etabliert“ (Denninger et al. 2010, S. 209). Ein Beitrag älterer Menschen in diesem Sinne und die Vermeidung der Armut im Alter kann als genereller Trend „einer sozioökonomischen Besserstellung der Alten in nahezu allen industriellen Wohlfahrtsstaaten in den letzten Jahrzehnten“(von Kondratowitz 1998, S. 79, mit Verweis auf Conrad 1990) beobachtet werden.Ebenso kann das Kollektivsymbol des aktiven Alters als Normalität gesehen werden, auch um vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung den Anschein von Generationengerechtigkeit zu erwecken, „um den Umstand zu plausibilisieren, dass es zunehmend (auch) um die gesellschaftliche Nutzung der Potentiale des Alters zu gehen habe“ (Denninger et al. 2010, S. 226). Trotz dieser Veränderungen der Beziehung zwischen den Alten und der Gesellschaft, bleiben verschiedene Bilder vom Alter und den ‚davon betroffenen‘ Menschen bestehen. Dabei ist auffällig, dass eine Diskriminierung ausgemacht werden kann, zwischen dem ‚Funktionalen‘ und dem ‚Nichtmehr-Funktionalen‘, bzw. dem ‚autonomen‘ und dem ‚abhängigen Alter‘ (vgl. auch von Kondratowitz 1998, S. 63). Diewahrgenommene Unabhängigkeit ist dabei das positiv Konnotierte am Altsein; die Abhängigkeit das negative.36 Auch wenn im Sechsten Bericht zur Lage der älteren Generation explizit davon gesprochen wird, dass eine Vielfalt von heterogenen Altersbildern existiert, schließe ich mich der wissenschaftlichen Diskussion und Kategorisierung an, möchte dabei jedoch durch die folgende Unterteilung in positive und negative Alter(n)sbilder ebenso keine Wertung in richtige oder falsche Bilder nahe legen (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. VI, 32ff.). b) Positive Alter(n)sbilder Die positiv konnotierten gesellschaftlichen Vorstellungen über alte Menschen verlaufen stark entlang des bereits genannten Konzepts der neuen Alten. Deren Wahrnehmung steht in enger Verknüpfung mit einer in den Medien transportierten Empfehlung verpflichtenden Charakters, im Alter aktiv zu sein, es zu bleiben oder zu werden. Das so gezeichnete Bild des/der aktiven Alten betrifft unterschiedlichste Lebensbereiche wie Sport, Tourismus, Kultur und (neue) Medien (Tokarski 1998, S. 36 Vgl. dazu auch Göckenjan (2009, S. 104), welcher von einer binären Codierung der Altersdiskurse spricht. Bei ihm sind Altersdiskurse ebenso „scharf polarisierend“ in positive und negative Altersbilder diskriminiert. Als „Diskurstypen“ identifiziert er die Dichotomien „Alterslob“ vs. „Altersschelte“ und „Alterstrost“ vs. „Altersklage“. 24 110). Es ist offensichtlich, dass diese Vorstellung oder Forderung nur auf die rüstigen Rentner_Innen attribuiert ist und körperliche Unmöglichkeiten der Aktivität ignoriert. Die dementsprechend autonomen Älteren werden „relativ selten beim Spazierengehen, Seniorennachmittagen oder Tanzteeveranstaltungen gezeigt […], vielmehr über sie deutlich häufiger moderne Sportaktivitäten aus“ und sind dabei„häufig mit Jugendlichkeitsattributen wie beispielsweise Schminke, modischen Accessoires oder einem Schirm-Cap kontrastiert“ (Ziegelmaier 2009, S. 113f.).In der Werbung ist die dominierende Darstellung der neuen Alten geprägt von wirtschaftlicherPotenz, Vitalität, Aktivität, Konsum- und Reisefreudigkeit sowie einer allgemeinHinwendung zu den Freuden des Lebens (Backes 1997, S. 62). Die Gründe dafür werden in der veränderten Situation für alte Menschen gesehen, welche bestimmt ist durch Vitalisierung, Entberuflichung und Feminisierung des Alters, aufbauend auf einer Veränderung immaterieller Ressourcen, wie ein höherer Bildungsstand und bessere (lebenslange) gesundheitsfördernde Maßnahmen, sowie materiellen Ressourcen, wie ehemaliges Einkommen, Renten und altersspezifischen Angeboten (Tews 1991; 1993, i. Bes. S. 23ff., 33ff.;Tokarski 1998, S. 112; Tesch-Römer et al. 2006a, S. 11; Amrhein 2008, S. 181). So entsteht das Bild, dass Menschen sobald sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden, endlich all jene Dinge tun können, für welche sie vorher keine Zeit hatten, dafür jedoch monetäre Mittel angesammelt haben, bzw. die Grundlage für diese geschaffen haben. Dazu kommt, dass durch die Fortschritte in der Medizin, der Körper der Menschen ebenso noch dazu in Lage ist, an der Gesellschaft teilzuhaben und sich zu engagieren. Neben der sportiven Aktivität und anderen Lebenszeitgestaltungen verweisen Tesch-Römer und Kolleg_Innen (2006b, S. 521)bzgl. der Vorstellungen von gesellschaftlichem Interesse der älteren Bevölkerung auf ehrenamtliche Tätigkeiten und bürgerschaftliches Engagement (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 72.ff). Darüber hinaus werden Aspekte des lebenslangen Lernens dargestellt, in welchen Senior_Innen entsprechende Universitätsveranstaltungen besuchen, endlich ein Buch schreiben oder zum Lesen kommen, da die entsprechende geistige Fitness noch vorhanden ist (Ziegelmaier 2009, S. 114). Die Vorstellungen des Alters als Glück werden in den Medien noch weiter gefasst. Werbesendungen, in denen der Vater den Sohn in Versicherungsfragen berät und ihm dabei an seinen Erfahrungen teilhaben lässt, kommen direkt in den Sinn. Ebenso präsent sind Bilder desgenussreichen Alters, in welchem Zeit für Muße vorhanden ist und Gemütlichkeit im Vordergrund steht, wie beim Verzehr von Bonbons oder Weinbrandbohnen sowie dem entspannten Hören von klassischer Musik. Ein prototypisches Altersframe von Ziegelmaier (2009, S. 157), welches diesen Aspekt einfängt ist Alter als Glück paraphrasiert durch „Alter ist Glück und Selbstverwirklichung“. Dazu gehört ebenso das gemeinsame Verbringen des Lebensabends in der Partnerschaft, wobei erotische Konnotationen in der medialen Darstellung dessen oftmals fehlen (ebd., S. 71, 115). Forschungsergebnisse für Printmedien deuten auf „eine tendenziell positiveDarstellung des Alters in deutschsprachigen Tageszeitungen hin. Dort, wo sich Zeitungsautor_Innen die Möglichkeit bieten würde, auch mittels des Gebrauchs entsprechender Benennungen die negativen Seiten des Alters darzustellen, zeigen sie Zurückhaltung.“ (BTDrS 17/3815, S. 144)Auch Röhr-Sendlmeier und Ueing (2004, S. 56) stellen fest, dass in der Werbung ältere Menschen überwiegend positiv dargestellt wurden, was in weiten Teilen an deren Konsumorientierung festgemacht wurde. Dabei wird die Vorstellung deutlich, dass in der letzten Phase des Lebens im Konsum das ausgelebt wird, worauf in den vorherigen Lebensphasen – aufgrund der Ungewissheit eventuell eintretender Umstände – verzichtet wurde. Im gleichen Zusammenhang stelltLettke (2002, S. 732)eine generelle Tendenz zur Überzeichnung oder Hyperbolisierung von Altersbildern in der Werbung fest, z.B. als unkonventionelle und schrille Alte, nur auf keinen Fall als normale Menschen (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 143). 25 Als weiteres Altersstereotyp ist die positiv besetzte Großelternschaft beobachtbar. Diese ist jedoch besonders stark in weiten Teilen die Vergangenheit der Familie begründet. Zu der entsprechenden Historie gehören Werte, Sprache oder Einrichtungsgegenstände mit etwas antiquierter Tönung (Höpflinger/Hummel 2007, S. 99f.). Im Vordergrund stehen bei diesem Bild emotionale Gebundenheiten wie Liebe, Geborgenheit und Aufmerksamkeit, ohne konfliktäre Elemente. Im Allgemeinen scheinen recht wenig positive Altersbilder im gesellschaftlichen Rahmen zu existieren. Generalisierte Alter(n)sbilder sind oftmals von negativen Wertungen besetzt, wohingegen die selbstbezogene Eigenwahrnehmung bei den Alten in weiten Teilen positiv oder zumindest neutral gewertet wird (vgl. auch Backes 1997, S. 61). c) Negative Alter(n)sbilder Trotz aller Präsenz älterer Menschen in der Öffentlichkeit und den Medien stellen Lampert und Wagner (1998, S. 187) die Vermutung auf, dass Alter auch heutzutage noch mit Altersschwäche gleichgesetzt und als generell pathologischer Zustand gesehen wird, welcher zur (Arbeits-) Unfähigkeit führt und mit dem Verlust sozialer Autonomie einhergeht. Positive Aspekte des Älterwerdens, wie zunehmende Autonomie durch ‚Erwerbsarbeitsbefreiung‘ undmehr Erfahrung werden dabei nicht wahrgenommen oder pejorisiert und „kryptonormativen negativen Wertung“ (Rürup/Sesselmeier 1993, S. 3)unterzogen (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. VI).Umgangssprachlich deutlich abschätzige Begriffe wie ‚Graukappen‘ oder ‚Grabflüchter_In‘ werden von Jüngeren verwendet, um sich über Senior_Innen lustig zu machen. Eine weitere Bezeichnung in diesem Sinne ist der ‚UnRuhestand‘ als Ausdruck für Umtriebigkeit, Vergnügungssucht und den (mithin nutzlosen) Tatendrang älterer Menschen.37In diesem Symbol geht es jedoch nicht „um die durch Passivität induzierte Belastung des Gemeinwesens, sondern um die Prävention dauerhafter, finaler Abhängigkeiten“ (Denninger et al. 2010, S. 225). Ziegelmaier(2009, S. 76)sieht die Begründung für eher negative und gesellschaftlich-dysfunktionale Bewertungender Alten zum einen darin, dass stereotypkongruente Informationen leichter verarbeitet werden können, als stereotypinkongruente Informationen.38Zum anderen sei die intergenerationelle Wahrnehmung unterschiedlich bestimmt, je nachdem ob eine Primärerfahrung oder eine Sekundärerfahrung vorliegt (ebd., S. 68; BTDrS17/3815, S. 132; vgl. auch S. 11 zu Keller). Bei alten Menschen, die einer Person nahe stehen, werden demnach positive Attributionen eher ‚zugelassen‘ als bei Personen, zu welchen kein Bezug vorhanden ist, bzw. über die ausschließlich indirekte, mediale Informationen zugänglich sind. Darauf bauen Höpflinger und Hummel (2007, S. 99f.), welche festhalten, dass die Beziehung zu den eigenen Großeltern oftmals positivgesehen wird. Die bereits diskutierte generelle Tendenz zur Einbindung der Alten in die Gesellschaft und die Ermöglichung, dass diese individualisiertes Leben auch im Ruhestand führen können, wird als Angriff auf die jüngeren Generationen wahrgenommen (von Kondratowitz 1998, S. 71). Der dafür zugrunde liegende Wertewandel der Senior_Innen hin zu postmaterialistischen Elemente wie Selbstentfaltung, 37 Auch der Begriff des UnRuhestandes hat keine eindeutige Konnotation im Sinne einer positiven oder negativen. Neben der hier dargestellten negativen Assoziation ist eine positive die der Menschen, welche um Alter Vitalität verkörpern und dadurch eher unruhig wirken, bspw. durch gesteigerte sportliche Aktivität oder Leselust. Da die jüngere Generation sich jedoch auch dadurch in ihre Aktivität- und Meinungshoheit angegriffen fühlen kann und es auch tut, ist dieses Kollektivsymbol hier unten den negativen Bildern des Alter(n)s aufgeführt. 38 Vgl. dazu allgemein auch Link (1997, S. 191): „Jeder soziale Träger [eines Stereotyps oder gesellschaftlichen Vorstellung, M.R.] ist im sozialen Konflikt bestrebt, möglichst viele Fakten, Vorgänge, Bilder usw. zu repräsentativen Symbolen im Dienste seiner Ideologie zu machen.“ 26 Autonomie und partizipatives Engagement (z.B. Backes 1998, S. 28) wird als zu Lasten des Sozialsystems gehende Anteilnahme der nichterwerbstätigen Generation am gesellschaftlichen Gefüge gesehen.Dabei ist den„Klagen über zu große Belastung der Gesellschaft durch die Alten […] häufig bereits die Befürchtung beigemischt, selbst künftig von einem Verteilungskampf betroffen zu sein“ (ebd., S. 30). Auf der Kehrseite stehen Forderungen der Politik nach einer Ausweitung des Erwerbsalters. Dem folgt die Annahme, dass ältere Menschen dies auch in Anspruch nehmen werden und in der Folge eine Arbeitsplatzverknappung für die Jüngeren sowie Belastungen für die Betriebe eintreten werden (BTDrS 17/3815, S. 102-116). Diese Wahrnehmung als Offensive gegen intergenerationelle Gerechtigkeit ist der impliziten Annahme geschuldet, dass Menschen im höheren Alter keinen Beitrag mehr für das Zusammenleben leisten (können) und größtenteils auf Hilfe angewiesen sind, welche das Zusammenleben aller belastet. Dieser Generationenkonflikt ist eine von drei Arten an Generationenbeziehungen, die Höpflinger (1999) ausmacht.39 Dabei wird der in den Medien oft kolportierte demografische Wandel häufig mit der steigenden ökonomischen Belastung in Zusammenhang gebracht, welche von denjenigen zu tragen ist, die im Erwerbsleben stehen und damit auch mit Einbußen verbunden ist (Tesch-Römer et al. 2006b, S. 520). Alten Menschen, welche keiner Tätigkeit in diesem Sinne mehr nachgehen, wird somit die Legitimität entzogen. Den „Verlust an gesellschaftlicher Akzeptanz und Relevanz“ sieht Ziegelmaier (2009, S. 66) als gesondertes Problem der Leistungsgesellschaft des 21. Jahrhundert in Zusammenhang mit knapper werdenden Ressourcen. In der Studie zu visuellen Frames von Alter wird ein „Konfliktframe Alt gegen Jung“ identifiziert, welches mit „Alter ist Konflikt zwischen den Generationen“ paraphrasiert wird (ebd., S. 157). Hintergrund ist dabei wiederum das Bild, dass Alter mit Krankheit und Beschädigung einhergeht, wobei das Mangelhafte des Alters eine biologische, psychische und soziale Dimension aufweist (vgl. auch Backes 1997, S. 349ff.; Backes/Clemens 2013, S. 60, 150). Die Auseinandersetzung der Generationen wird dabei oftmals über die Medien transportiert und aufrechterhalten. In der Analyse von Zeitschriften stellt Ziegelmaier (2009, S. 116, Herv. i.O.) fest, dass „zur Visualisierung häufig Infografiken oder inszenierte Bilder herangezogen werden und deutlich seltener ‚authentische‘ und ereignisbezogene Ausschnitte der sozialen Altersrealität abgebildet werden. Illustrative Zeichnungen und Bildmontagen werden verwendet, um das Verhältnis plastisch zu illustrieren“. Dabei erfolgt eine Dichotomisierung der Gesellschaft in Alte und Junge, wobei keine direkte Interaktion mehr zwischen beiden ‚Gruppen‘ zu erkennen ist (ebd., S. 118). In der sozialen Dimension des Konfliktes besteht unter anderen das Stereotyp, dass die älteren Menschen zum einen in der Masse zunehmen und zum anderen engagierter bspw. in politischen Fragen sind, woraus sich – sicherlich auch aufgrund der teilweisen Politikverdrossenheit der jüngeren Generation(en) – eine ‚Gerontokratie‘ entwickeln könnte (BTDrS 17/3815, S. 235). In dieser Altersherrschaft würden die Alten über das (realpolitische) Schicksal der Jungen bestimmen, was den Generationenkonflikt weiter verschärfen würde. Die Metaphorikdes Konflikts oder des Kampfes legt dabei jedoch ausschließlich eine Orientierung auf den ‚aktiven‘ Charakter der neuen Alten nahe. Der Konflikt zwischen den Alten und den Jungen wird jedoch ebenso über die Passivität der Gebrechlichen aufrechterhalten und befördert, welche eher als Art Rudiment der Gesellschaft gesehen werden, die die Kühe der Jungen melken lassen. Als Begründung dafür wird angeführt, dass das Kollektivsymbol der neuen Alten aus der diskursiven Praxis kommt und alle Inhalte „nicht vollständig auf ältere Menschen passen, weil ihre aktivitätsorientierten Kriterien nicht auf die Hochaltrigen übertragen werden können“ (BTDrS 39 Gronemeyer (1989) geht weiter, indem er, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, etwas zugespitzt einen ‚Krieg der Generationen‘ vorhersagt. 27 17/3815, S. 70). Als ein weiteres ‚prototypisches Altersframe‘ ist bei Ziegelmaier(2009, S. 157)„Alter als Problem und Stigma“ in der Paraphrase „Alter ist Krankheit und Verlust“ festgehalten. Zu diesem Bild gehört die Vorstellung, dass die körperliche Beeinträchtigung der Alten in der Folge die Selbstständigkeit in der Alltagsbewältigung sowie die Aktivität im Allgemeinen – besonders jedoch im Sozialen – abnimmt, was wiederum zum Rückgang sozialer Integration führt (vgl. auch Lampert/Wagner 1998, S. 190ff.). Auch wenn die Senior_Innen Ihre Situation individuell anders wahrnehmen, da die entstandenen Probleme durch Anpassung kompensiert werden können (ebd., S. 193)40, bleibt das problembehaftete Bild bei den Jungen erhalten, welches von Rückschlägen und körperlichen Schwächen bestimmt ist. In der öffentlichen Meinung eröffnet sich ein neuer Artikulationsraum der Rationierung lebenserhaltender Technologien vor dem Hintergrund steigender Gesundheitsausgaben im hohen Alten (von Kondratowitz 1998, S. 77). Diese eher menschenverachtend anmutende Einstellung wurde deutlich als der seinerzeit Vorsitzende der Jungen Union Philipp Mißfelder 2003 öffentlich darüber nachdachte, Menschen über 80 Jahren keine Hüftprothesen mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft zu finanzieren. Auch wenn das Medienecho im Anschluss nicht gerade positiv ausfiel, war diese Meinung höchst wahrscheinlich nicht alleinstehend, auch nachdem sie öffentlich geäußert und kritisiert wurde. Dabei wird jedoch nicht ausschließlich auf körperliche Abbauprozesse rekurriert, sondern auch auf geistige. Immer wieder wird in den Medien von gutgläubigen alten Menschen berichtet, welche auf den sogenannten ‚Enkeltrick‘ reinfallen. Die Autor_Innen des Sechsten Berichts zur Lage der älteren Generation in Deutschland weisen darauf hin, dass es auch außerhalb verbrecherischer Hintergründe strukturelle Diskriminierung älterer Menschen auf Basis der attribuierten Abnahme kognitiver Fähigkeiten gibt.Diese drückt sich im Ausschluss aus bestimmten Konsumbereichen, in der Ansprache alter Menschen oder in der explizit ‚altersadäquaten‘ Produktwerbung aus, wodurch wiederum entsprechende Kollektivsymbole weitergetragen werden (BTDrS 17/3815, S. 134ff.). Das Bild der gebrechlichen Alten ruft jedoch nicht nur Abschätziges hervor, sondern auch solidarische Emotionen. Ziegelmaier (2009, S. 157) hat dafür das Altersframe „Alter ist Solidarität zwischen den Generationen“ erkannt (vgl. ebenso Höpflinger 1999). Oftmals damit in Verbindung steht die familiale Verbindung und Opferbereitschaft von Kindern und Enkel_Innen, wenn die Handlungskompetenz abnimmt (Amrhein 2008, S. 217; BTDrS 17/3815, S. 67f.). Dabei wird jedoch ebenso das Bild der Alten mit einem Stigma versehen, dass sich dann um diese gekümmert wird/werden muss. In direktem Zusammenhang damit stehen Vorstellungen von Pflegeeinrichtungen, welche eine Versorgung garantieren, wenn sie durch Familienmitglieder nicht abgedeckt werden kann. Von Kondratowitz(1998, S. 80, Herv. i.O.) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass gesellschaftlich-diskursive Veränderungen dahingehend stattgefunden haben, dass „Generationspolitiken die früher nahezu unüberschreitbare Grenze zur gesellschaftlichen Thematisierung des ‚pflegebedürftigen‘, des ‚abhängigen‘ oder, allgemein gesprochen, des ‚kranken Alters‘ offensiv angegangen sind und damit auch eine zumindest lokal wirksame Skandalisierung des [sic!] unzulänglichen Pflegesituation im Alter erreicht haben“. Die kollektiven Vorstellungen von der Pflegesituation Älterer bleiben dabei jedoch gleich. Das in Medien oft bediente Bild der Bewohner_Innen von Pflegeeinrichtungen ist das der hochaltrigen alten Menschen, „die an grauen oder lichtem, oft zerzaustem Haar, an gebückter oder liegender Haltung erkennbar sind“ (Ziegelmaier 2009, S. 107; vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 61; Backes/Clemens 2013, S. 151). Dabei werden sie „häufig in Rollstuhl oder im Bett sitzend oder bettlägerig gezeigt“, mit einer deutlich 40 Lampert und Wagner (1998) zeigen auch, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen körperlichen Beeinträchtigungen und der Wahlbeteiligung sowie der Freundschaftspflege gibt (S. 202, 205, 210). 28 jüngeren pflegenden Person, welche Unterstützung bei Alltäglichkeiten wie Essen, Waschen, Anziehen oder beim Toilettengang leistet (Ziegelmaier 2009, S. 107). „Meistens besteht die Interaktion in Form eines Blickkontaktes, einer Berührung oder einer unterstützenden Geste“ (ebd.). Die Vorstellung ist oftmals, dass die Bewohner_Innen isoliert voneinander leben und eigene Ziele oder Vorstellungen von Erreichbarem mit der Zeit verlustig gehen (vgl. auch Amrhein 2008, S. 174f.). In den die Vorstellung prägenden Medien werden die Alten dann oftmals wie Kleinkinder skizziert, indem sie mit Windeln, Schnabeltassen oder Lätzchen gezeigt werden (Ziegelmaier 2009, S. 108). Dazu kommt, dass das Stereotyp einer Pflegeeinrichtung das einer autoritären, bürokratischen Institution ist, in welcher die Pflegekräfte willkürlich oder überfürsorglich agieren (Amrhein 2008, S. 174). Umfassend lässt sich sagen, dass alte Menschen als Pflegefall oftmals als „die Kehrseite des Bildes vom aktiven und produktiven Alter“ erscheinen (BTDrS 17/3815, S. 181; vgl. auch Denninger et al. 2010, S. 225). Daraus entwickelt sich das überwiegend negativ gezeichnete Bild einer stationären Pflegeeinrichtung bei vielen Menschen. Unter Schüler_Innen können sich nur 1,9 % der Jungen und 10,4 % der Mädchen vorstellen, einen Pflegeberuf zu auszuüben (BTDrS 17/3815, S. 190), was auch dafür spricht, dass der Pflegeberuf ‚von außen betrachtet‘ eine sehr schlechte Beurteilung erfährt. Bemerkenswert hingegen scheint, dass nur rund 16% der Beschäftigten in Pflegeheimen intensiv den Berufsausstieg erwägen (Hasselhorn et al. 2005, S. 140). Auch hier ist ein Kollektivsymbol des ‚Schrecklichen‘ bzgl. der Unterbringungen alter Menschen in Altenpflegeeinrichtungen zu erkennen, welches auch dadurch bestimmt scheint, dass es eher durch Sekundärerfahrungen aufrechterhalten wird. Als dritte Art der Generationenbeziehung sieht Höpflinger (1999) die Segregation zwischen den Generationen. Auch Amrhein erkennt eine alterstypische Manifestation von Freizeit-, Kultur- und Konsumverhalten, welche sich bspw. in der Gestaltung der Wohnung oder des eigenen Körpers ausdrückt und eine Ästhetik ausweist, wie sie von der der jüngeren Generation unterschiedlich ist (2008, S. 216). Dadurch, aber ebenso durch einen Verlust des gesellschaftlich-anerkannten grundsätzlichen Vermögens, ästhetisch zu wirken, wird die Segregation zwischen Jungen und Alten an dieser Stelle fortgeschrieben. Dieser Aspekt trifftverstärkt auf ältere Frauen zu (Backes 1997, S. 88;Ziegelmaier 2009, S. 74f.; BTDrS 17/3815, S. 38), wobei sie, und das wiederum stärker als ältere Männer, dem Credo der Jugend, der Frische, der Schönheit und des Anti-Agings unterworfen sind (Ziegelmaier 2009, S. 167).41Dies unterstützt die These des double standardofaging (Sontag 1972), wonach ältere Frauen generell negativer erachtet werden als älterer Männer, auch früher als ‚alt‘ gelten und sich dadurch den negativen Kollektivsymbolen über längere (Lebens-)Zeit ausgesetzt sehen als männlichen Alte (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 38ff.).Damit wird abermals die generelle gesellschaftliche Entwicklungstendenz der Dynamisierung und Heterogenisierung überkommener, starrer Alters- bzw. Lebensphasenvorstellungen deutlich, wobei die strukturellen Benachteiligungen der Alten nichts an gesellschaftlicher Prägekraft verlieren, „sondern sie werden eingebettet in ein vielfältiger gestaltetes soziales Wirkungsfeld und bekommen somit eine neuen [sic!] Rahmung“ (Kondratowitz 1998, S. 70; vgl. auch BTDrS. 17/3815, S. 51). Als weiteren Aspekt innerhalb der Segregation der Generationen fällt das vierte prototypische Altersframe von Ziegelmaier (2009, S. 157) auf: partnerschaftliche Altersbeziehung – „Alter ist Partnerschafts- und Familienidylle“. Zu dem zunächst positiv konnotierten Aspekt – wie die oben bereits besprochene Enkel_Innen-Großeltern-Beziehung – kommt hier, dass Jüngere die Beziehungen 41 Gegebenenfalls könnte hier eine Begründung dafür gesehen werden, dass Ziegelmaier an anderer Stelle anmerkt, dass ältere Frauen in Fernsehserien unterrepräsentiert sind und wenn dann eher unterstützende Rollen, denn Hauptcharaktere darstellen (2009, S. 74). 29 von alten Menschen teilweise als unwirklich oder gar abstoßend empfinden. Das Bild eines ‚alten Ehepaars‘ liegt darin begründet, dass sich zum einen Handlungsabläufe im Umgang mit der/dem Partner_In über Jahrzehnte hinweg eingeschliffen haben und zum anderen, beide Partner_Innen einen Großteil ihrer Zeit in einem geteilten häuslichen Umfeld gemeinsam verbringen, „wodurch die Balance zwischen Intimität und Abstand sowie partnerschaftlicher Rollen- und Machtstrukturen neu austariert und angepasst werden müssen“ (Amrhein 2008, S. 216). Aspekte der Intimität und Sexualität bei Älteren gelten im ‚Rest der Gesellschaft‘ weithin als Tabu. Im Jahr 2008 wurde erstmals der Film „Wolke 9“ aufgeführt, welcher sich der Thematik Sexualität im (hohen) Alter annimmt. Auf den Filmfestspielen in Cannes mit minutenlangem Applaus diskutiert, wurde in den Feuilletons der Mut des Filmes bedacht, sich einem tabuisierten Thema anzunehmen (vgl. im Internet: Die Welt 2. September 2008, Süddeutsche Zeitung 17. Mai 2010). Dass es sich hierbei eher um eine filmästhetische Aufarbeitung handelt, welche sicherlich eine tiefgründigere Auseinandersetzung als die Hervorhebung der Enttabuisierung zuließe, verschließt den Blick nicht darauf, dass damit eine Kollektivsymbolik des entsexualisierten Alters angesprochen wird und darüber für die/den Zuschauer_In zunächst ein Irritationsmoment aufgebaut wird.42 Eine Gesamtschau dieser sehr heterogenen gesamtgesellschaftlichen Topoi über das Alter(n) zu erfassen scheint nicht nur schwer gangbar, es erscheint auch wenig zielführend. Wie der Sammelband von Amann und Kolland (2008) nahe legt, ist eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstandsbereich der gesellschaftlich relevanten Alter(n)sphänomeneund den entsprechenden Kollektivsymbolen nur multidisziplinär sowie in einer (theoretischen) Verschränkung der Mikro- und Makroebene möglich (vgl. dazu auch von Hülsen-Esch et al. 2013, jedoch i. Bes. Richter et al. 2013, S. 36ff.). Eine zumindest hinreichende Auseinandersetzung wäre an dieser Stelle nicht zu leisten oder würde im Versuch geringsten Anforderungen nicht genügen können. Aus diesem Grund habe ich mich der Ergebnisse anderer bedient, um eine ansatzweise Vorstellung davon zu geben, welche Kollektivsymbole um das Alter(n) vorhanden sind.43 2.1.3 Das Juristische Die entsprechende Jurisdiktion, welche für den Gegenstand der stationären Altenpflege besondere Vorschriften in Kraft setzt und Wirkung entfaltet, ist im Grundsatz das PflegeVG. Wie bereits festgehalten ist durch Art. 1 des PflegeVG dem SGB ein elftes Buch angehängt worden, in welchem der Großteil der Maßgaben vereint ist, nach dem sich die Pflege an sich und die stationäre Altenpflege im Besonderenaus rechtlichen Gesichtspunkten orientieren muss. Unbenommen, dass es weitere Gesetzesgrundlagen für stationäre Altenpflegeeinrichtungen, wie z.B. das Grundgesetz oder spezielle Steuerrichtlinien gibt, wende ich den Blick an dieser Stelle ausschließlich auf diejenigen Gesetze, welche den Handlungsrahmen in Bezug auf die konkrete Tätigkeit – die stationäre Unterbringung von alten Menschen – festlegen. Da die Länder der Bundesrepublik eigenverantwortlich dafür Sorge zu tragen haben, einer „leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur“ (§9 S. 2 Nr. 2 SGB XI) zuträglich zu sein, gibt es in jedem Bundesland gesonderte Landesheimgesetzgebungen. Wie in 42 Nichtsdestotrotz gibt es Meinungen, welche eine zunehmende Verknüpfung von Alter und Kunst sehen und darin eine Aufnahme des Themas in die diskursive Praxis erkennen (z.B. Keane 2009). 43 Neben dem hier bedienten Konzept der Kollektivsymbole bedienen sich andere Autor_Innen, anderer Konzepte, wie bspw. dem der cues als Hinweise oder Marker, die zur Identifikation bestimmter Gruppierungen (hier: die Alten) und der entsprechenden Zuweisung und Kategorisierung genutzt werden (vgl. exemplarisch Rothermund 2009, Ziegelmaier 2009). 30 Kapitel 3.2.3 genauer beschrieben wird, habe ich mich in der empirischen Untersuchung Altenpflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg angenommen, so dass ich mich hier auf das Heimgesetz für Baden-Württemberg (LHeimG) berufe, um die gesetzlich-institutionalisierten Gegebenheiten auf gesellschaftlicher Ebene für die von mir untersuchten Fälle hervorzuheben. Ich unternehme dabei den Versuch, mich auf das Wesentliche zu beschränken und nur die Aspekte aus den Gesetzen herauszuziehen, welche 1) direkt und ausschließlich die stationäre Altenpflege betreffen und 2) in zusammengeführter Form aus mehreren Gesetzesgrundlagen einen konkreten Bezug für die (von mir betrachteten) Organisationen der stationären Altenpflege erkennen lassen. Stationäre Pflegeeinrichtungen werden von ambulanten Pflegeeinrichtungen in der Art abgegrenzt, dass ambulante Pflegeeinrichtungen – oder Pflegedienste – „Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen oder versorgen“ (§ 71 Abs. 1 SGB XI), wohingegen in stationären Pflegeeinrichtungen „Pflegebedürftige […] ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden“ (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI). Problematisch für die stationären Einrichtungen ist dies aus dem Grund heraus, dass das SGB XI der häuslichen Pflege Vorrang vor der Pflege in Heimen einräumt (§3)44 und ein Primat der Prävention und Rehabilitation festlegt (§§5; 31)45. Vor dem Hintergrund der Definition des relevanten Personenkreises mit Pflegebedürftigkeit als „die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen“ (§ 14 Abs. 1, Herv. M.R.), stellt sich eine erhebliche Wettbewerbssituation für die stationäre Altenpflege durch eine institutionalisierte Förderung der ambulanten oder zumindest teilstationären Dienste dar. Das drückt sich auch im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz46 (WBVG) an der Stelle aus, an welcher die Vertragsschließung zwischen den Einrichtungen und den Pflegebedürftigen geregelt ist, zu welcher die Einrichtungen und die Pflegekassen im Grunde verpflichtet sind, um Inhalt, Umfang und Dauer der Leistungen festzulegen (§§ 29 Abs. 2; 69 S. 2; 72 Abs. 1 SGB XI). Gemäß § 4 WBVG werden Verträge zwischen beiden Parteien, mit wenigen Ausnahmen, unbefristet – das heißt: bis zum Tod der/des Pflegebedürftigen geschlossen und sind von Seiten der Einrichtungen auch nur bei Unzumutbarkeit der Leistungserbringung kündbar (§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 2 WBVG). Somit befinden sich in stationären Pflegeeinrichtungen größtenteils nur pflegebedürftige Fälle, wonach der Charakter einer ‚Residenz‘ für Senior_Innen verloren geht. Die Pflegebedürftigkeit wiederum ist mit der Einführung des PflegeVG durch die Zuordnung zu drei Pflegestufen geregelt: „1. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. 2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen 44 Gleiches gilt für die teilstationäre sowie die Kurzzeitpflege mit Vorrang vor vollstationärer Pflege (§ 3 S. 2 SGB XI). 45 Dabei wird jedoch von den Pflegebedürftigen explizit die Pflicht zur Teilhabe an der Maßnahmen und zur Eigenverantwortung benannt (§ 1 Abs. 3 SGB XI). 46 In der Folge zu § 1 WBVG, welcher den Anwendungsbereich des Gesetzes regelt, ist der Erlass im Grunde nur für die stationäre (Alten-)Pflege relevant. 31 Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. 3. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.“ (§ 15 Abs. 1 SGB XI) Hinzu kommt die eingeschränkte Alltagskompetenz in Folge einer demenziellen oder einer anderen psycho-somatischen oder neurologischen Erkrankung nach § 45a SGB XI (vgl. auch §§ 42 Abs. 1,2; 43 Abs. 1, 3 SGB XI). Im Sechsten Bericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland wird festgehalten, dass dieser Pflegebedürftigkeitsbegriff das Verständnis von (Alten-)Pflege bis heute prägt (BTDrS 17/3815, S. 182). Die durch die Einrichtungen entsprechend zu erbringenden Pflegeleistungen werden in den Heimverträgen festgeschrieben (§§ 69 Abs. 2 SGB XI; 6 Abs. 3 Nr. 1 WBVG), wobei die Leistungen nach dem „allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse“ (§11 Abs. 1 S. 1 SGB XI) erbracht werden müssen sowie deren Inhalt und Organisation „eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten“ hat (§11 Abs. 1 S. 2 SGB XI, vgl. auch §§ 3, 6 LHeimG). Oftmals schließen sich Heime für diese Verhandlungen mit den Pflegekassen zusammen, bzw. führen große Träger die Verhandlungen geschlossen für alle subsumierten Einrichtungen (vgl. auch § 72 Abs. 2 SGB XI zur grundsätzlichen Möglichkeit dessen nach dem Gesetz). Damit soll unter anderen die Anzahl von Pflegeeinrichtungen in einer bestimmten Region reguliert und die Vielfalt in der Trägerstruktur aufrechterhalten werden (§ 75 Abs. 2 Nr. 8 SGB XI). In den Verhandlungen werden für einen bestimmten Zeitraum der entsprechend leistungsbeziehende Personenkreis, die Leistung in Art und Umfang sowie die Ausstattung der Einrichtung festgelegt (§ 84 Abs. 5, sowie 10 SGB XI zu Übermittlung der entsprechenden Personendaten), wobei diese auch transparent nach außen dargestellt werden müssen (§ 3 Abs. Nr. 2 WBVG). Dabei ist es jedoch ebenso möglich, dass Einrichtungen sich komplett privatisieren und losgelöst von den entsprechenden Vertragsschlüssen sind (§ 91 Abs. 1 SGB XI).In Folge dessen sichern jene Einrichtungen ihre Finanzierung ausschließlich über die Bewohner_Innen, ohne eine Abrechnung und Finanzierung über die Pflegekassen im Rahmen des PflegeVG durchzuführen.47 Für die stationären Altenpflegeeinrichtungen, welche die Versorgungsverträge abschließen, ergeben sich somit in der Folge mehrere Aspekte. Zum einen existiert eine Pflicht zur Kooperation mit ansässigen Ärztinnen und Ärzten (§ 12 Abs. 2 SGB XI i.V.m. § 119b Abs. 1 SGB X). Zum anderen führt dies zu einer stetigen Bescheinigung und einer Kontrolle durch Exekutivinstanzen (§§ 18 Abs. 5; 69 S. 1 SGB XI; 6 Abs. 1 Nr. 7, 8 LHeimG). Ein entsprechender Nachweis in der Altenpflege ist – genauso wie in der Krankenpflege – die Dokumentation über den Pflegeprozess, um eine – im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems – hohe Qualität zu sichern und aufrechtzuerhalten (§§ 112 Abs. 2, 113 Abs. 1 Nr. 2; 8 Abs. 1 Nr. 8 LHeimG). Zur Pflegedokumentation an sich kommt die Verpflichtung zur Implementierung und ständigen Aktualisierung von Expertenstandards (§ 113a SGB XI). Nur wenn Pflegeeinrichtungen diesen Forderungen genügen, sind sie berechtigt, Versorgungsverträge mit den Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung zu schließen (§§ 73 Abs. 3; 6 Abs. 1-3 47 Diese Option bleibt bestehen, trotz dass im Grunde alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verpflichtend durch das PflegeVG abgesichert sein müssen, wodurch die Pflegekassen versuchen Beitragssatzstabilität zu gewähren, indem die Einnahmen über die Beiträge (der Versicherten) mindestens so hoch sein müssen wie die Ausgaben an die Leistungserbringer – die Pflegeeinrichtungen (§§20-25 SGB XI). 32 LHeimG).48 Die Krankenkassen als Beauftragte der Pflegekassen (§ 1 Abs. 3 SGB XI) unterhalten medizinische Dienste (MDK), welche mit folgenden Aufgaben betraut sind: 1. die Einrichtungen bei entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahmen zu beraten (§112 Abs. 3 SGB XI), 2. Richtlinien für die Pflege zu erstellen (§17 Abs. 1 SGB XI; vgl. auch MDS 2009), 3. die Qualitätsprüfungen – in enger Zusammenarbeit mit den Fachkräften in den Einrichtungen (§§ 18 Abs. 7 SGB XI, 2 Abs. 1 Nr. 7 LHeimG) – in den Pflegeeinrichtungen durchzuführen und die Ergebnisse zu publizieren (§§ 114, 114a, 115 Abs. 1a SGB XI; 2 Abs. 1 Nr. 5, 8 LHeimG), 4. die Pflegestufe der Pflegebedürftigen festzulegen und diese regelmäßig zu prüfen (§75 Abs. 2 Nr. 6, 7 SGB XI), 5. einen – auf Basis der Pflegestufen ermittelten – Fachkraftschlüssel zu ermitteln (§ 75 Abs. 3 SGB XI), 6. die Angehörigen bei der Suche nach passenden Pflegeangeboten zu unterstützen (§§7 Abs. 3; 7a; 92a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI). Die Beratungen bzgl. der Qualitätssicherungsmaßnahmen orientieren in weiten Teilen an § 113 SGB XI und an den Richtlinien des Spitzenverbandes der Pflegekassen (MDS 2009). Die Richtlinien und das SGB XI bilden auch die Grundlage zur Beurteilung der Pflegestufen der Pflegebedürftigen und der Prüfung dieser (MDS 2009, S. 15).49 Dies ist jedoch nicht die einzige Funktion der Richtlinien des MDS. Sie dienen des Weiteren als Grundlage für die Qualitätsprüfungen durch die medizinischen Dienste, welche von den Einrichtungen gewährleistet werden müssen und mindestens einmal im Jahr durchgeführt werden (§ 114 Abs. 1, 2 SGB XI). Diese Prüfungen müssen immer unter ständiger Verantwortung einer Fachkraft stattfinden (§ 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI).Eine anerkannte Fachkraft in diesem Sinne muss eine zweijährige Berufserfahrung im erlernten Ausbildungsberuf aufweisen (§ 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Intervalle, in welchen die Qualitätsprüfungen stattfinden, können sich jedoch auch verlängern, wenn dem MDK ein positives Prüfungsergebnis der Heimaufsicht bekannt ist (§§114 Abs. 3; 117 SGB XI), bzw. andere selbstständig veranlasste Prüfungen (wie z.B. Zertifizierungen) eine hohe Pflege- und Prozessqualität der Einrichtung nahelegen (§ 114 Abs. 4 SGB XI). Mit den Kontrollen der Heimaufsicht verhält sich die Sache ähnlich (§ 1 Abs. 7, 10 LHeimG). Als weitere Kontrollinstanz besteht die Einrichtung eines Heimbeirates (§ 5 Abs. 1 LHeimG), in welchem neben den Qualitätsaspekten pflegerischer Natur auch andere Qualitätsmerkmale einer Einrichtung diskutiert werden können. Darunter fallen Aufwendungen nach § 82 Abs. 2 SGB XI z.B. der Erwerb von Grundstücken oder andere Maßnahmen, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung elementar sind, aber keinen konkreten Bezug zu der Pflegeleistungserbringung haben. Der Heimbeirat diskutiert darüber hinaus die für die soziale PV irrelevanten Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung in einer Einrichtung, welche den Bewohner_Innen separat in Rechnung gestellt werden (§§ 4 Abs. 2; 82 Abs. 1; 92 Abs. 1 SGB XI). 48 Zusätzliche Erfordernisse sind das Erfüllen der Anforderung nach § 71 SGB XI und die wirtschaftliche Ausrichtung der Einrichtung inklusive einer ortsüblichen Vergütung für die Mitarbeiter_Innen. 49 Die Anträge zur Einstufung in eine Pflegestufe und einen entsprechenden Leistungsbezug müssen von den Versicherten oder deren Angehörigen selbst gestellt werden (§33 Abs. 1 S. 1 SGB XI). Durch die Bindung des Fachkraftschlüssels an die Bewohner_Innenstruktur sind die Pflegeeinrichtungen jedoch daran interessiert, die Bewohner_Innen höher zu stufen und leisten dabei auch Unterstützung, wozu sie auch berechtigt sind (§ 8 Abs. 1, 2 WBVG). 33 Pflegeeinrichtungen sind ebenso dazu befugt und angehalten, Pflegefachkräfte auszubilden (§82a SGB XI), zum einen um eine hohe Qualität zu wahren, zum anderen aber auch um „eine neue Kultur des Helfens und der mitmenschlichen Zuwendung“ zu etablieren (§ 8 SGB XI; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 LHeimG). In diesem Zusammenhang könnten auch das Altenpflegegesetz (AltPflG), die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der/des Altenpfleger_In (AltPflgAPrV) sowie (spezifisch für Baden-Württemberg) die Ausbildungs- und Prüfungsordnung Gesundheits- und Krankenpflegehilfe (APrOGeKrPflHi) als für Altenpflegeeinrichtungen relevante juristische Grundlagen genannt werden. In diesen sind die Ausbildungsmodalitäten für Altenpflegefachkräfte bzw. Pflegeassistent_Innen festgehalten. Da diese sich jedoch überwiegend an die genannten Personengruppen oder die Ausbildungseinrichtungen richten und nur mittelbar an die Einrichtungen, kann dies hier nur am Rande erwähnt bleiben. Von Relevanz sind dabei für die Einrichtungen lediglich die Feststellung der Eignung zur Ausbildung im oben bereits genannten juristischen Sinne sowie die Regularien hinsichtlich des Ausbildungsvertrages (§§13-23 AltPflG). Darin sind Inhalte der Ausbildung, Vergütung, Rechte sowie Pflichten beider Parteien, Eintritt und Ausscheiden aus dem Ausbildungsverhältnis geregelt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, „die ‚Regiekompetenz‘ für die Pflege kommt trotz begrenzter Leistungen den Pflegekassen zu“ (BTDrS 17/3815, S. 182, Herv. i.O.). Dadurch dass über die Pflegekassen der MDK eingesetzt wird, welcher Richtlinien erlässt, die wiederum ein umfassendes Regelwerk darstellen, nach welchem, Pflegestufen bestimmt werden, die Qualität ausgerichtet, gemessen und geprüft wird, sowie die Ergebnisse dessen für potentielle Interessent_Innen publiziert werden (§ 92 Abs. 1 SGB XI), verfügen die Kassen durch die Regelungen des SGB XI und des LHeimGüber einen sehr großen Einfluss, welcher den kompletten Aktionsrahmen für stationäre Altenpflegeeinrichtungen bestimmt. 2.1.4 Bezugnahmen und Verschränkungen Zusammenfassend lässt sich für die Makroebene sagen, dass Alt-Sein im Alter kein Standard mehr ist. Das trifft auf alle gesamtgesellschaftlichen Bereiche zu, welche die „‘objektive Definition der Situation‘ […] ermöglichend oder begrenzend auf das Handeln einwirken“ (Amrhein 2008, S. 190, Herv. i.O.)50. Alter ist individualisiert, optimiert und aufgeschoben, oder soll es werden. Auch im Alter ist das Subjekt in der postfordistischen Kontrollgesellschaft flexibel und unternehmerisch genug (vgl. Bröckling 2007), um einen effektiven und produktiven Beitrag zum Erhalt der Gesellschaft zu leisten. Dies ist auch in der Erörterung des Diskursiven deutlich geworden, wobei dieser Aspekt ausschließlich als Beitrag der Älteren zur Gesellschaft als Kollektivsymbol vorhanden ist, wie wohl darin ebenso eine Gefahr für die jüngeren Generationen gesehen wird. Die „diabolischen Aufgabe“ (Schroeter 2002, S. 93), im Gegenzug von gescheiterten und unproduktiven Alter(n) zu sprechen, wird hingegen nicht wahrgenommen.Alter ist entweder verdienter Ruhestand oder natürlicher Abbauprozess des Körpers und des Geistes und damit auch Einschränkung der darauf gründenden sozialen Möglichkeiten. Scheitern ist auch im Alter Tabu. Das Bild derflexiblen Alten ist offen für kurzfristige Veränderungen, unabhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren und orientiert sich ebenso an dem Ergebnis – im konkreten Fall Flexibilitätdes Alters. Dieses gewandelte Verständnis drückt sich nicht nur in der Wahrnehmung der Alten (auch von sich selbst), sondern ebenso im Umgang mit dem Alter und den 50 Amrhein diskutiert an derselben Stelle eine andere Schneidung der Makro-Ebene der Gesellschaft, geteilt in: die demografisch-materielle Infrastruktur, die institutionelle Sozialstruktur und die kulturell-ideologische ‚Superstruktur‘. 34 darunter subsummierten Subjekten aus. Das negativ konnotierte Kollektivsymbol, welches Alter als Abbauprozess umfasst, hat dabei dieselbe Relevanz und ist konstitutiver Teil der Linkschenaporetischen siamesischen Bifurkation. Sowohl das starre, protonormalistische Bild der Gebrechlichen, welche in Altenpflegeeinrichtungen ein eher ödes Dasein fristen, ist sinnstiftendes Element einer mannigfaltigen Gesamtheit von Kollektivsymboliken über das Alter(n), dessen Verbleib sowie dessen ‚gesellschaftliche Relevanz‘ als Teil des Normalitätsfeldes: Alterwie auch die flexibelnormalistische Deutungsstrategie, die diese Normalitätszone maximal expandiert. Darin ist auch die allgegenwärtige Präsenz des Alters – als Vergesellschaftung des Alters – zu erkennen, welche, durch die stete Kommunikation dessen, alle Subjekte in der Gesellschaft durchzieht und Junge wie Alte nicht mehr zur Ruhe kommen lässt (Borscheid 1987, S. 7). Für die Pflegenden, welche mit dem Alter umgehen, wird Alter somit zum Objekt. In diesem Sinne setzen sie die Dienstleistung um das Alter in den Vordergrund. Das bediente Vorgehen muss flexibel aber auch professionell – und somit nachvollziehbar und standardisiert – sein, um das Glaubensbekenntnis erfolgreich und produktiv für die Objekte, für die Alten, und darüber hinaus für sich selbst als Pflegekraft zu erreichen. Gleiches stellt sich für den Zusammenhang zwischen dem juristischen Gesetzeshintergrund und der zeitdiagnostischen Perspektive heraus. Auch wenn von Kondratowitz(1998, S. 71, Herv. i.O.) festhält, dass „[d]urch die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, das Risiko der Pflegebedürftigkeit nicht umfassend abzusichern, […] doch in gewisser Weise auch Verhältnisse fortgeschrieben [werden], die mit Blick auf das Lebensende Bedingungen aufrechterhalten, die der Vielgesichtigkeit des beginnenden (‚autonomen‘) Alters entgegenlaufen“, bestimmen andere Autor_Innen als grundlegendes Ziel der Altenpolitik der Bundesregierung umfassend „die Entwicklung und Verankerung einesneuen Leitbildes des Alters zu unterstützen“, welches „die Fähigkeiten undStärken älterer Menschen betont und dazu beiträgt, dassdiese ihren Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft leistenkönnen. Hier sind in besonderem Maß die Medien gefordert“.Dies soll einer „möglichst differenzierten medialen Darstellung der vielfältigen Formen des Alters wie auch der vielfältigen Beziehungen zwischen den Generationen“ gerecht werden (BTDrS 17/3815, S. V). Dass gerade der letzte Punkt kein Ausschnitt einer ausschließlich aktuellen Debatte ist, hält Neckel bereits 1993, noch vor Einführung des PflegeVG, fest: „Die Zielbestimmungen der Politik gehen demnach auf die Kreativität der Akteure selbst zurück, den Sinn ihres gemeinsamen Handelns zu entwerfen“ (S. 550). Darin wird zum einen die Zweigliedrigkeit der Bilder des Alter(n)s deutlich, zum anderen aber auch der überindividuelle Aufbau von Sinn sowie die Kommunikation dessen als auch der explizite Einbezug des steten Wandels dieses Sinns (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 42). In diesem Sechsten Bericht zur Lage der älteren Generation wird an späterer Stelle ein offenkundiger Bezug, wenn auch andere Begrifflichkeiten nutzend, zu flexibel-normalistischen Gestaltungselementen der Kontrollgesellschaft gezogen: „Diese Altersbilder müssen also so transformiert werden, dass sie die Menschen des vierten Lebensalters in der richtigen Weise würdigen, ohne sie ins Licht der Unproduktivität und damit eines negativen Altersbildes geraten zu lassen (welches ja immer die nicht intendierte Kehrseite eines produktiven Altersbildes darstellt). Die Begriffe von Aktivität und Produktivität im Hinblick auf das vierte Lebensalter neu zu konnotieren – darin liegt die besondere Aufgabe der Zivilgesellschaft.“ (ebd., S. 70) Dabei liegt der Fokus durch den zum Ausdruck gebrachten Willen der gesetzgebenden Instanzen nicht nur auf der Öffentlichkeit und deren Bilder über die älteren Menschen, sondern auch auf den Alten selbst. So ist an verschiedenen Stellen festgehalten, dass die Älteren Selbstbewusstsein (zum 35 altersgerechten Konsum) entwickeln sollen (ebd., S. 138ff.).Gleiches bringt die Bundesregierung selbst zum Ausdruck und fordert einen Mentalitätswechsel bei den alten Menschen – auch in Kooperation mit den Pflegenden oder Präventivmaßnahmen fördernden Akteur_Innen – welcher zu einer gesundheitsbewussten Lebensweise führt (ebd., S. XII). Diese Aspekte sind auch juristisch wirksam im SGB XI festgehalten, indem der Prävention Vorrang vor der Pflege eingeräumt wird. Hierin ist ein Konstrukt deutlich erkennbar, was bei Foucault (u.a. 1977a) als Biomacht bezeichnet wird.Dieses wird von Link (2008b) ebenso in Zusammenhang mit der Verschiebung des Verständnisses von normalisation diskutiert. Foucault selbst drückt dieses Konzept – hier im Zusammenhang einer flexibel-normalistischen Strategie, im Gegensatz zurprotonormalistischen Strategie der juristischen Festschreibung – treffend aus: „Ich will damit nicht sagen, daß sich das Gesetz auflöst oder daß die Institutionen der Justiz verschwinden, sondern daß das Gesetz immer mehr als Norm funktioniert, und die Justiz sich immer in ein Kontinuum von Apparaten (Gesundheits, Verwaltungsapparaten), die hauptsächlich regulierend wirken, integriert“ (Foucault 1977a, S. 172). Gleiches ist – auch wenn dieser Zusammenhang hier nicht intensiv diskutiert werden soll – bei der Altenpflege feststellbar. Durch das Inkrafttreten des PflegeVG, damit dem Aufbau der Pflegekassen und die Einrichtung der medizinischen Dienste, wurden neue Apparate geschaffen, welche innerhalb des Normalitätsfeldes agieren und die entsprechenden proto- wie flexibel-normalistischen Elemente zum Ausdruck bringen und diese in die Diskurse einspeisen. Dass diese Apparate besonders darauf abzielen, die Norm als allgegenwärtiges Dispositiv zu integrieren, zeigt sich in der festgeschriebenen Möglichkeit der Herab- und Aussetzung der gesetzlichen Kontrollen in Folge freiwilliger Kontrollen durch die Institutionen. Des Weiteren wird die Biomacht sichtbar, indem sich verschiedene ‚Präventionszentren‘ etablieren, welche sowohl auf die Kontrolle und (flexible) Beherrschung des Körpers wie auch des Geistes– mensch denkean Senior_Innenkollegs an Universitäten oder anderen Bildungseinrichtungen als Ausdruck des lebenslangen Lernens – ausgerichtet sind, sowie dem Aufkommen neuer, ‚altengerechter‘ Sportarten wie Nordic Walking oder Wassergymnastik, um Prävention und/oder Rehabilitation gemeinsam zu erleben und Pflegebedürftigkeit aufzuschieben oder deren Eintritt im besten Falle gänzlich zu vermeiden. Ein weiterer Aspekt der engen Verknüpfung des Zeitdiagnostischen und des Juristischen zeigt sich in einem der Grundpfeiler innerhalb des SGB XI: „Der Begriff der Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegeversicherungsrecht (SGB XI) ist orientiert an der Vorstellung einer mit erheblichen Einschränkungen verbundenen ‚Altersgebrechlichkeit‘ und kann somit negative Altersbilder transportieren, die vor allem mit dem hohen Alter assoziiert werden. Dieses Verständnis von Pflegebedürftigkeit kann auf der Ebene der pflegerischen Interaktion handlungsleitend werden und die Ausgestaltung der Versorgung sowie die Nutzung vorhandener Potenziale mitbestimmen.“ (BTDrS 17/3815, S. 181, Herv. i.O.) Diese Darstellung ist dabei nach meinem Dafürhalten nicht umfassend gezeichnet. Mit der Festschreibung der Kriterien der Pflegebedürftigkeit ist zeitgleich determiniert, was nicht pflegebedürftig ist. Auch durch die Stufung ist eine Flexibilität in ihrem eigenen Sinne festgeschrieben und konturiert die Wirklichkeit für die Pflege als Dienstleistung, besonders durch die Bevorteilung des häuslichen Bereichs in der – im Vergleich zur stationären Pflege – ambulanten Form. Durch die im SGB XI, den Landesheimgesetzen und den Richtlinien des MDS vorgegebenen Normen,und ebenso durch das darin stetig bedienten Bild der ‚guten Pflege‘, welche sich den Gegebenheitenanpasst, und dem beinhalteten Rekurs auf die Altenpflegekräfte und deren Ansehen (vgl. Kap. 1.1 zu den Zielen des PflegeVG), wird der kontrollgesellschaftliche Normalismussowohl 36 inseinen beiden Strategienals auch in der Relokation der Macht in die tätigen Subjekte (hier die Altenpflegekräfte) sowie deromnipräsenten Orientierung auf das Objekt (die alten Menschen) deutlich. Die in der stationären Altenpflege tätigen Subjekte sind durch feste Regeln und Institutionen gebunden und in ihrer Tätigkeit mit deutlichen Grenzen eingeschränkt. Andererseits wird im Rahmen dessen aber ebenso ein hoher Flexibilisierungsgrad eingefordert, welche die Ausdifferenzierung der jeweiligen Organisationen, aber gleichermaßen den Aktionsrahmen wie auch die Subjektwerdung und -bindung in der oben beschriebenen Weise ‚verflüssigt‘ und zugleich bindet, indem Grenzen permeabel dargestellt und in die Subjekte verschoben werden, sodass diese sich ihrer professionellen und eigenständigen Urteilsfähigkeit bedienen können und müssen. Bei den Senior_Innen drückt sich das in der Feststellung der Individualisierung und Pluralisierung der Lebensläufe aus. Das hat wiederum für die Pflegenden die Folge, dass diese sich mit den erweiterten Streubreiten auseinander und sich in diese hinein versetzen müssen. Nichtsdestotrotz wurde herausgestellt, dass das Kollektivsymbol über den Beruf ein negativ konnotiertes ist. Dieser Umstand findet auch im Juristischen Niederschlag, wo eine Verzahnung mit dem Diskursiven darin zu erkennen ist, dass auf eine Verbesserung des Bildes über den Berufsstand hinzuwirken sei. Die drei dargestellten gesamtgesellschaftlichen Teilbereiche des Diskursiven mit den entsprechenden Kollektivsymbolen, dem juristisch Festgeschriebenen und demnormalistisch-kontrollgesellschaftlich Zeitdiagnostischen bilden die Basis oder sozialen Kräfte, von denen Giddens spricht, welche das Handeln der Akteur_Innen prägen, da sie diese als gegeben annehmen. Es wurde deutlich, dass sich Sinnzusammenhänge verschieben und kein einheitliches Muster bilden, sondern durch Interaktionen und Verschiebungen einem Wandel unterliegen, stetig aktualisiert werden, mal festere Konturen annehmen und dann wieder diffundieren und sich in Bewegung befinden. Es ist darüber hinaus deutlich geworden, dass alle drei Bereiche der Makroebene mit einander verzahnt und verschränkt sind, was das Feld der stationären Altenpflege im Gesamten beeinflusst. Durch die stete Kommunikation der entsprechenden Bilder und Hintergründe legen einige Autor_Innen ein besonderes Augenmerk auf bestimmte Felder, indem sie feststellen, dass oftmals „nicht nur objektive Tatbestände eine Rolle [spielen], sondern auch subjektive Vorstellungen, Vorurteile und Mystifizierungen, die überwiegend den Medien zugeschrieben werden“ (Ziegelmaier 2009, S. 66; vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 54ff.). Dieser eine Aspekt verschließt jedoch nicht den Blick darauf, dass Alter(n) und der Umgang mit diesem Normalität geworden sindund die Subjekte in jeder Lebenslage – und in der Altenpflege natürlich im Besonderen – tangiert. Nicht nur die, oft durch die Medien transportierten, Kollektivsymbole, sondern auch die normalistisch-kontrollgesellschaftliche Makroebene wirken sich auf die Alten wie auch auf die gesellschaftliche Betrachtung der älteren Menschen aus. Dabei werden auch internalisierte immaterielle Elemente wie Partizipation, Selbstentfaltung und Tätigkeiten ohne Abschluss in den Vordergrund gestellt, wie es der Diagnose der Kontrollgesellschaft entspricht. Abschließend lässt sich sagen, dass die Makroebene in der Gesamtbetrachtung in ihren Bedeutungsstrukturen erweitert und bestimmt von Internalisierungen apodiktischer Regeln im Zusammenspiel mit flexibilisierter Eigenverantwortung und -ermessen erscheint. 37 2.2 Die Meta-Ebene In der klassischen sozialwissenschaftlichen Unterteilung: Makro-Meso-Mikro ist ein Aspekt nicht oder zumindest nicht explizit enthalten.Dieser Zusammenhang liegt nach meinem Dafürhalten in der Sphäre des Epistemologischen und ist von elementarer Wichtigkeit für die Erforschung von Organisationen und deren konstitutiver Elemente außerhalb ihrer selbst (vgl. Kapitel 1.2). Die These, der damit nachgegangen wird ist, dass Organisationen nach ihren Zwecken, Zielen, Handlungen und Handlungsmöglichkeiten u.a. grundlegend danach ausgerichtet sind, in welchen Wissensbereichen sie verortet sind, sich bewegen und was demnach als disziplinär ‚wahr‘ oder ‚falsch‘, sinnhaft und anschlussfähig erachtet wird. Dabei ist jedoch keine Nähe zum Situativen - oder Kontingenzansatz (z.B. Pugh et al. 1963; Woodward 1970) impliziert. Unbenommen, dass der Einfluss auf strukturelle Aspekte auch aus dem Feld der umgebenden Wissensordnungen stammt – wie dies auch auf gesellschaftlicher Ebene der Fall ist – liegt der Fokus eher darauf, dass die Reflexion hinsichtlich des Ein- und Ausschlusses, der Wahrnehmung oder Ignoranz, Befolgung oder Ablehnung einzelner Erkenntnisse im Organisationalen erfolgt. Der Unterschied zu den drei Bereichen der Makro-Ebene liegt im ‚Grad derRezeption‘ der Elemente. Das Zeitdiagnostische, das Diskursive und das Juristische der Makroebene sind Kategorien gesellschaftlichen Charakters, welche eine Organisation zwar beeinflussen, jedoch ‚entfernter‘, im Vergleich zu Zusammenhängen epistemologischer Natur, vom konkreten Aktionsfeld derOrganisation liegen.Das ‚Bewusstsein‘ dessen ist dadurch weniger präsent, weshalb sich der Einfluss auf Organisationen auch über andere Mechanismen exerziert. Dieser Abstand ist eindeutig beim Zeitdiagnostischen gegeben, jedoch ebenso bei den ‚näher‘ liegenden Bereichen des Diskursiven wie auch des Juristischen. Das Diskursive – wie in Kap. 2.1.2 veranschaulicht – hat als Bilder des Alter(n)s zwar natürlich Einfluss auf Organisationen, jedoch ist dies ein eher latenter Prozess, welcher kein aktives Entscheiden in Hinblick auf das (Nicht-)Bedienen dieser Kollektivsymbole zulässt. Bezogen auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen kann eine Organisation diese nur hinnehmen. Jedoch sind sie nicht entscheidbar in Hinblick auf die Bedienung bzw. Ablehnung einzelner Elemente oder der gesamten Rechtsprechung, geschweige denn sind sie direkt und unmittelbar durch die Organisation beeinflussbar – von Lobbyarbeit einer gesamten Branche abgesehen (vgl. hierzu Kap. 5.2 zu Grenzen und Potentialen der eigenen Vorgehensweise). Die entsprechenden Gesetze sind – wie in Kap. 2.1.3 dargestellt – maßgebend und – so zumindest die Implikation – umzusetzen. Aspekte mit epistemologischem Charakter weisen keine ‚Weite‘ jenseits der Bewusstwerdung oder einer unerbitterlichen Kraft auf. Sie existieren in steter Reflexion neben der Aktion und dem Realen, woraus sich für mich die Unterscheidung zu Elementen und Bereichen der Makro-Ebene herausstellt. Im diesem Sinne ist die so verstandene Meta-Ebene (griech.: zugleich, mit, bei) der spezifische Hintergrund dessen was ‚wahr‘ für das Aktions- und Handlungsfeld einer Organisation ist.51 An dieser Stelle liegt ein größeres ‚Problem‘ der Arbeit, welches in verschiedener Hinsicht kritisch diskutiert werden kann. Die Formulierung ‚Ebene‘ legt den Schluss nahe, dass die so bezeichneten Meta-Episteme auf einer logisch-analytischen Hierarchie zu betrachten sind wie die Makro-Ebene, die Meso-Ebene oder die Mikro-Ebene. Die Bezeichnung des Meta drückt jedoch bereits aus, dass hier von mitbetrachteten logisch-analytischen Hierarchien ausgegangen werden muss. Darüber hinaus kann hier auch nicht von einer selbstständigen ‚Akteurs‘-Ebene geschrieben werden, welche von Akteurs-Aktanten-Beziehungen (vgl. hierzu Latour 2010) oder von mehr oder weniger 51 Es ist eindeutig, dass ich somit einer anderen Fassung des Begriffs Meta-Ebene folge als dies Wiswede tut, der als Meta-Ebene ‚schlicht‘ das soziologische Vorgehen begreift (1991, S. 64). 38 verselbstständigten Diskursen (zur Abgrenzung vgl. hierzu Kap. 2.2.1) geprägt ist. Hingegen legt eine Fassung des Wahrheitsgehalts innerhalb eines Handlungs- und Aktionsfeldes eine Orientierung an Bourdieu nahe. Dieser versteht unter einem Feld, im analytischen Gegensatz zum Konzept des Habitus, soziale Strukturen, welche „die herkömmlicherweise so genannten sozialen Klassen“ sind (Bourdieu 1987 [1992], S. 135). Dabei sind im Feldkonzept Bourdieus einige interessante Ansatzpunkte zu entdecken, welche ebenso auf die Meta-Episteme zutreffend sind. Bei Bourdieu gelten in verschiedenen Feldern verschiedene Gesetze, jedoch unterliegen diese ebenso feldübergreifenden Gesetzen. Bei Bourdieu ist jedoch der Charakter der Klassen- oder GruppenKonstitution eines Feldes erhalten, denn „[d]ie Struktur des Feldes gibt den Stand der Machtverhältnisse zwischen den am Kampf beteiligten Akteuren oder Institutionen wieder“ (Bourdieu 1980 [1993], S. 108, Herv. i.O.). Bereits hier ist deutlich, dass mein Verständnis der disziplinspezifischen Meta-Episteme ein anderes ist, sodass der Begriff des Feldes, mit Bourdieu, irreführend wäre. Bei Bourdieu wird deutlich, dass Felder wie Netze gedacht werden können, welche Beziehungen zwischen Positionen beschreiben, die wiederum „durch ihre aktuelle und potentielle Situation (situs)in der Struktur der Distribution der verschiedenen Arten von Macht (oder Kapital)“ charakterisiert sind (Bourdieu/Wacquant 1992 [1996], S. 127). Dabei kommt die Frage der Macht deutlich zum Vorschein. Wie in Kap. 2.2.1 deutlich werden wird, ist diese in meiner vorzutragenden Auffassung des diskursiven Arguments nicht gänzlich außen vor, kann jedoch nach meinem Dafürhalten für das hier verfolgte Vorhaben auch nicht so zentral in der Mittelpunkt der Konzeption gerückt werden. Vor diesem Hintergrund und der weiterhin nicht eindeutig beantworteten Frage, wie ein solches Meta bezeichnet werden könnte, verwende ich im Folgenden weiterhin die Bezeichnung ‚Meta-Ebene‘, im Sinne einer mitgedachten, disziplinspezifischen Ebene, ohne die gleiche logisch-analytischen ‚Hierarchie‘ wie eine Makro-, eine Meso- oder eine Mikro-Ebene.52Die konkreten Inhalte der Meta-Ebene werden im Folgenden deutlicher heraus gearbeitet. 2.2.1 Vom Foucaultschen Diskurs zum diskursiven Argument An etlichen Stellen wurde bisher bereits von Diskurs gesprochen und das Verständnis dessen dargelegt. Weshalb ich an dieser Stelle scheinbar abermals in die Erörterung dessen einsteige hat den Hintergrund, dass es scheint, als würde in einem ‚alltäglich-wissenschaftlichen Verständnis‘ (ohne diskurstheoretisch geschulte Diskutant_Innen) eineAuffassung von Diskurs vorherrschen, welches mehr oder minder mit ‚wissenschaftliche Diskussion zu einem bestimmten Fachgebiet‘ gleichgesetzt ist. Da ein solches Verständnis in annähernd allen Bereichen von dem abweicht, was in Kap. 2.1 unter Diskurs präsentiert wurde, erscheint es mir essentiell dieses Verhältnis hier zu diskutieren und ggf. neu zu fassen. Ich möchte dabei den Versuch unternehmen, einen ‚pragmatischen‘ Vorschlag zu bringen, welcher, neben dem Anspruch Dispositivanalyse (vgl. Bührmann/Schneider 2008), nicht versucht, an dieser Stelle der Ganzheitlichkeit in der Betrachtung gerecht zu werden. Vielmehr versuche ich im Folgenden, vom Gegenstand ausgehend, eine Analyse voranzutreiben, die das Rad nicht neu erfindet, jedoch verschiedene Ansätze mit einander verbindet, um einen Zugang – jenseits eines Verharrens in paradigmatischen Schismen – zu gewähren. Bereits inRätzer (2013) existiert ein Kapitel überschrieben mit dem auch für Kap. 2.2.1 gewählten Titel. Das Hauptargument an jener Stelle war, dass Foucault aller Wahrscheinlichkeit nach, oder zumindest in meiner Interpretation, ein Spiel mit den Lesenden seiner Texte spielte, um einen 52 Weitere Überlegungen wäre die reine Bezeichnung als ‚Meta‘ oder eine Notation als ‚Nexus‘. Beides erscheint mir hier unangemessen. 39 ‚Diskurs über seinen Diskurs‘ zu evozieren, welcher hartnäckig geführt wurde und auch – während des Verfassens dieser Zeilen recht genau 30 Jahre – nach Foucaults Tod, Wissenschaftler_Innen verschiedener Disziplinen über den Mehrwert, die (Un)Eindeutigkeit, die (Un)Operationalisierbarkeit oder die prinzipielle (Un)Anwendbarkeit eines Diskursbegriffes, welcher auf Foucault aufbaut, streiten lässt.53 Foucault selbst kann es egal sein. In einer sehr knappen Ausführung darüber, was Diskurs nicht sein darf, gibt er an: Diskurs sei die „Gesamtheit der Dinge […], die man sagt und […] die Art und Weise, wie man sie sagt“ (Foucault 1976, S. 164). Diese etwas unscharf anmutende Beschreibung erscheint rein auf sprachliche Aspekte abzuheben. Eine entsprechend scheinbare Simplifizierung wurde auch von Warnke (2007a, S. 11ff.) festgehalten, wohingegen Warnke zugleich feststellt, dass in Foucaults Werk ein breiteres Verständnis angelegt ist (ebd., S. 11), denn nur Praktiken der Ordnung der „Gesamtheit der Zeichen“ (Foucault 1973, S. 73). Warnke erkennt damit ebenso (auch wenn sie nicht explizit als solche benannt ist) die Teilung des Werkes Foucaults‘ in die Archäologie, die Genealogie und die Ethik (vgl. zur Gebräuchlichkeit dieser Dreiteilung vgl. Burrell 1988; Dreyfus/Rabinow 1994; Deleuze 1995;Kammler2007). Diaz-Bone (2010, hier Abs. 14, Herv. i.O.) erkennt Warnke – und unterm Strich allen Autor_Innen in Warnke (2007b) sowie Warnke/Spitzmüller (2008) – Erkenntnis über Foucault ab, indem Diaz-Bone feststellt, dass die „praxeologische Eigenschaft des FOUCAULTschen Diskursbegriffs […] nun als sprachliches Oberflächenphänomen […] umgedeutet“ wird. Der darin zum Ausdruck gebrachte Vorwurf ist: zu viel Textlinguistik und keine Diskurslinguistik (nach Foucault), da sie eben genau diesen Zusammenhang nicht anerkennen oder wahrnehmen, dass Aussagen und Texte diskursiven Regeln folgen, welche keiner Grammatik unterliegen.54Ähnlich verweisen bereits Alvesson und Kärreman (2000) auf die Risiken eines linguistischen Reduktionismus und der engen Fokussierung auf sprachliche Details. Gleichzeitig kann festgehalten werden, dass eine adäquate Wortwahl ggf. zu Missverständnissen geführt haben könnte, indem Warnke (2007, S. 13) formuliert, dass sich eine Diskurslinguistik nach Foucault auf die „Einzelheit im diskursiven Kräftefeld und auf eine Untersuchung eben dieser sprachlichen Oberfläche“ konzentrieren müsse, dabei jedoch „eine Untersuchung und Erklärung der Determiniertheit von textuellen Ereignissen in komplexen Aussagebedingungen“ nicht außer Acht lassen dürfte. Zumindest für mich ist darin der übertextuelle Bezug, die eingeforderte Verlagerungder „Semantik auf die Ebene der Sozio-Episteme als sozio-kognitive Struktur selbst“ (Diaz-Bone 2010, Abs. 18)– wenn auch nicht im Gleichschritt, dann zumindest richtungsweisend hin – zu Foucault und dessen Diskursverständnis zu erkennen. Busse (2008, S. 59, Herv. i.O.) hält zwar fest, dass es Foucault um „sozusagen ‚subkutan‘ wirkenden Bewegungen des Wissens“ ging, was Busse als 53 Vgl. Habermas (1985, Kap. 9, 10) als direkte und ggf. auch prominenteste Kritik an Foucaults Diskursverständnis(sen) sowie dessen (anti)wissenschaftlichen, ethischen wiewohl zeitdiagnostischen Implikationen sowie „den subjektlosen Willen einer im kontingenten und ungeordneten Auf und Ab der Diskursformationen wirksamen Macht“ (ebd., S. 298),welchen er im Diskursbegriff Foucaultszu erkennen glaubt. Vgl. auch exemplarisch Diaz-Bone (2010) zu einer speziellen Auseinandersetzung zwischen Sozialwissenschaft und (Diskurs)Linguistik. Für eine knappe Rezeption der entsprechenden Schwierigkeiten im Speziellen für die Organisationsforschung vgl. Hartz (2013, i. Bes. S. 17.f.). 54 Diaz-Bone (2010, Abs. 2) spricht auch davon, dass diskursive Regeln ebenso “keine logischen, […] keine psychischen und auch keine situativen Regeln sind, sondern sozio-kognitive und sozio-historische Regeln“. Ich muss an dieser Stelle von Diaz-Bones Einschätzung abrücken, da es für mich zumindest einer Spezifikation, wenn nicht gar einer entgegenstehenden Diskussion bedürfte. Zustimmen würde ich, dass es sich dabei, gerade in Bezug auf die späteren Phasen von Foucaults Werk oder die entsprechenden Rezeptionen (Foucault 1982; oder als gouvernementalitätstheoretische Bearbeitungen Lemke 1997; Opitz 2004), nicht um aussagenlogische Regeln handelt. Wenngleich er damit – wie ich finde gerechtfertigterweise – die kollektive Dimension unterstreicht, kann ein Einfluss von Diskursen auf Subjekte sowie ein wechselseitiger Rückschlag auf diskursive Formationen und Regeln in diesen Fällen meines Erachtens nicht derart knapp abgetan werden. 40 Voraussetzungen, bzw. „verstehensrelevantes“ oder „verstehensermöglichendes Wissen“ bezeichnet, jedoch fokussiert Busse – unter Umständen aus seiner Profession als Linguist_In heraus – auf die Ebene der Texte und weniger auf die derer Voraussetzungen. Eben diese Voraussetzungen bleiben bei ihm jedoch präsent.55Mit dem Hinweis auf und der Diskussion von tacitknowledge (ebd., S. 67) wiewohl dem Verweis auf Fillmore wird diese Erkenntnis m.E. deutlich. Fillmore (1971, S. 274) selbst sieht es kritisch, wenn um Verständnis zu erlangen danach gefragt wird „Whatisthemeaningofthisform“. Vielmehr sollte gefragt werden „What do I needtoknow in ordertousethis form appropriatelyandtounderstandotherpeoplewhentheyuseit?“(ebd.). Auch wenn der Untertitel des Beitrags nahe legt, dass es sich hier um ein Plädoyer für die reine Deskription semantischer Zusammenhänge handelt, so sehe ich in dem Beitrag das Erkennen von Grenzen der eigenen Disziplin und das Aufzeigen eines Auswegs, worauf aufbauend auch Busse (2008, S. 72ff.) die umfassende Explikation dessogennannten Wissensrahmens einfordert, welche die entsprechenden Rahmenelemente offenlegt und deren Formate zu erkennen gibt, um eine Interpretation leisten zu können.56 Ein solcher Wissensrahmen kann als sozial bestimmt gesehen werden. Eine entsprechende Sichtweise rückt diesen Ansatz jedoch wieder ‚gefährlich‘ nahe an die Position Diaz-Bones. Andere Linguist_Innen machen einen dem gleichkommenden Bezug stärker, indem Sprache als nichtmonolithisches System anerkannt wird. In der entsprechenden Auseinandersetzung finden Aspekte der Subjektbildung und -position im Sozialen sowie der respektiven Inhalte und Zuschreibungen der (Interpretations-)Handlungen (Gee 2008, explizit S. 90) wiewohl der heterodoxen Vielschichtigkeit dessen (Bakhtin 1992)57 Berücksichtigung. In diesen Punkten und den Bezügen – zugegeben, wenn auch zu erwarten, einleuchtend und deshalb m.E. unproblematisch zu sehenden, weiterem poststrukturalistischen Ansatz – zum konstitutiven Außen, welches von elementarer Wichtigkeit für die Sinnbildung und Verortung von Entitäten (gleich welcher Art) ist, sehe ich die erkenntnistheoretische wie auch interpretative Adäquanz, welche es ermöglicht, wenn nicht sogar – und dies sei mein Plädoyer – nahe legt, die ‚praxeologische Perspektive‘ auf Diskurs zu schärfen und als Zugang für die konzeptionellen Rahmung der Meta-Ebene als die Ebene der Episteme herzuleiten. Diese praxeologische Perspektive ‚zwischen den Perspektiven‘ soll im Folgenden dargestellt werden. Für van Dijk (1997, S. 8) ist Diskurs zum einen „obviously a form ofaction“ und darüber hinaus „mostly intentional, controlled, purposeful“. Autonomie und Ubiquität als besonders stark kritisierte Diskursfundamente bei Foucault (1970, S. 43f.) werden damit in ihrer Wichtigkeit und Allgegenwärtig beschnitten.Habermas (1981a, 1981b) entwickelt in seinem Hauptwerk den Gedanken des herrschaftsfreien Diskurses als Sinnbild der auf Argumentation beruhenden, bewussten und kontrollierten, zielgerichteten idealen Kommunikation in einer Gesellschaft. Dabei ist die „Theorie des kommunikativen Handelns […] keine Metatheorie, sondern Anfang einer Gesellschaftstheorie, 55 Unbenommen der Tatsache, dass Diaz-Bone (2010, Abs. 18) das zumindest in Frage stellt und ihn in Zusammenhängen von Semantiken aus Worten, Sätzen und Texten verharren sieht. 56 Warnke (2008, S. 83) hält jedoch fest, dass eine solche Rahmenanalyse und Diskursanalyse nicht identisch sind, jedoch auf gleichen, sehr weit gefassten Verständnissen von Wissen und Verstehen beruhen. Nichtsdestotrotz kann auch hier nicht jeder Aspekt geteilt werden. „Sprache schafft dieses Wissen nicht […]; ohne sie wäre es aber schlicht nicht verhandelbar, könnte keine Wirkung entfalten“ (ebd., S. 84). An dieser Stelle wird deutlich (aber auch schon angedeutet auf Seite 81f.), weshalb die Kritik von Diaz-Bone (2010) derart hart ausgefallen ist. Hier ‚kann der Wolf nicht aus seiner Haut‘ als Linguist_In. Meines Erachtens bräuchte es auch hier einige Erläuterungen mehr, um den Eindruck einer verkürzten Betrachtung von Sprache und Wirkung (von Wissen) zu vermeiden. 57 Bakhtin (1992) bezeichnet diese Vielstimmigkeit als heteroglossia. 41 die sich bemüht, ihre kritischen Maßstäbe auszuweisen“ (Habermas 1981a, S. 7). Da die Arbeit jedoch im Gesamten nicht dem kritischen Anspruch Habermas‘ entsprechen und gerecht werden möchte, erscheint es mir auch nicht sinnstiftend, Habermas‘ Postulat zu entsprechen und es hier zu bedienen. Gleichwohl Habermas Weber unterstellt, durch seine handlungstheoretischen Grundannahmen die Lebensordnungen moderner Gesellschaften so präjudiziert zu haben, dass „die Vorgänge gesellschaftlicher Rationalisierung nur noch unter Gesichtspunkten der Zweckrationalität in den Blick kommen konnten“ (ebd., S. 369, Herv. i.O.),58 bleibt Habermas‘ spezifischer Anspruch an dieser Stelle von höchstem Interesse, welcher in der Forderung mündet, eines Loslösens der „Semantiktheorie von der Auffassung, daß die Darstellungsfunktion anhand eines Modells von Namen, die Gegensätze bezeichnen, geklärt werden. Die Bedeutung von Sätzen, und das Verstehen der Satzbedeutung, läßt sich von dem der Sprache innewohnenden Bezug zur Gültigkeit von Aussagen nicht trennen.“ (ebd., S. 374) Weber analysierte die Rationalität und verwies sie doch in die ausständige Randposition. Habermas kritisierte die Rationalität, oder Philosophie als Theorie der Rationalität, um mit seinen Herleitungen und seiner daraus erhofften Emanzipation der Gesellschaft, einen Vorschlag zu unterbreiten, welcher die Philosophie „aus dem Ghetto rein begrifflicher Immanenz […] herauszuführen und nötigen soll, sich im Untersuchungsfeld formaler Universalpragmatik neu zu formieren“ (Schnädelbach 1986, S. 17), um zu spezifizieren, „welchen Geltungsanspruch ein Sprecher mit seiner Äußerung erhebt, wie er ihn erhebt und für was er ihn erhebt“ (Habermas 1981a, S. 376, Herv. i.O.). Und eben aus dem nicht vorhandenen Anliegen heraus, die Gesellschaft und ihre kommunikativen Strukturen zu analysieren, um ihr, oder der Philosophie, einen Vorschlag zur Verbesserung zu unterbreiten, rücke ich von Habermas‘ Generalisierung bzgl. jedweder/jedweden Sprecher_In ab.59Wenn Kommunikation als Handlung gesehen werden kann – und dies ist deutlich geworden: dann auch in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext mit unterschiedlichsten Wirkkräften stehend – muss die Position der/des Sprecher_InBerücksichtigung erfahren. Ein solcher Bezug ist für Jäger (2012) – zumindest in der Durchführung einer Kritischen Diskursanalyse – unumgänglich. Er bezeichnet soziale Orte, von welchen aus gesprochen wird als Diskursebenen (S. 84). Umgekehrt ist der Standort einer Person/einer Institution/o.ä. innerhalb eines Diskurses als Diskursposition bezeichnet (ebd., 85). Habermas erachtet die grundsätzliche Möglichkeit, einer Fundierung oder Rechtfertigung der Welt im Sinne einer transzendentalen Begründung als zumindest überflüssig, so dem Charakter des Wissens und seiner Verselbstständigung auf den Grund gegangen sowie dessen scheinbarer Objektivität zu Leibe gerückt würde.Darüber erfährt ein Gegenstandsbereich eine Dekonstruktion, welche nur über rekonstruktive Arbeit wieder zusammengeführt werden könnte, durch eine gesonderte Bearbeitung durch drei Ebenen: die der Ästhetik, die des Rechts und die der Wissenschaft 58 Wie Kap. 1.2 diskutiert folge ich einer anderen Interpretation. Auch wenn Habermas (1981b, S. 587) den Versuch unternimmt, die Theorie des kommunikativen Handelns dem Vorwurf „fundamentalistische Ansprüche“ zu hegen zu entziehen, möchte ich mich hier an dieser Diskussion nicht einbringen und den Standpunkt diskutieren. Unbenommen bleibt m.E. die Tatsache, auf welche Habermas jedoch auch hinweist, dass vortheoretische Philosophien einen starken universalistischen Charakter aufweisen und in wissenschaftliche Theorien mit einem empirischen Anspruch eingehen. Jedoch sehe ich genau an dieser Stelle eine Diskriminierungslinie, welche es mir gestattet, nur Teile des zweibändigen Werks Habermas‘ zu nutzen, ohne mich ‚selektiver Aufmerksamkeit‘ schuldig zu machen. Es geht mir darum, mich auf Gedanken zu berufen, welche „andere Phänomene erklären sollen: beispielsweise die Ontogenese von Sprache und kommunikativen Fähigkeiten, von moralischem Urteil und sozialer Kompetenz; oder den Strukturwandel religiös-metaphysischer Weltbilder; oder die Entwicklung von Rechtssystemen, überhaupt von Formen der sozialen Integration“ (ebd., Herv. i.O.). Ungeachtet davon bleibt zumindest für mich und das zeigt im Besonderen der zweite Band (Habermas 1981b), dass jedweder Wissenschaft oder Theorie (welche sich mit sozialen Phänomenen befasst) und sogar Metaphysik ein gewisser Normativismus inne wohnt. 59 42 (Habermas 1981b, zus. S. 584f.). Ich halte dafür, die Analysen der Makro-Ebene (Kap. 2.1) als Zusammenhänge des Rechts und der Ästhetik zu sehen. Dabei ist die Ästhetik sowohl in zeitdiagnostischen Zusammenhängen wie auch in themenspezifischen Kollektivsymboliken zu sehen. Im Folgenden möchte ich nun die Differenzierung bearbeiten, welche sich mit den Themen der Wissenschaft auseinandersetzt. Mit Habermas sind hier Phänomene zu verorten, die er als Diskurs bezeichnet. Als Diskurs erachtet er „die durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation […], in der problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden“ (Habermas 1972, S. 130).Entsprechende Aushandlungen erfolgen über einen ‚routinierten‘ Austausch im Rahmen der entsprechenden Kommunikation als Thematisierung von Argumenten und deren Realisierungen. Van Dijk (1997) und Hajer (1997) sprechen in diesem Zusammenhang von Stories 60 als argumentative Auseinandersetzungen. Diese werden wiederum nicht als Abstraktionen, welche auf kognitiven Prozessen und mentalen Repräsentationen beruhen verstanden, sondern als kommunikative Akte des Verhandelns und Auseinandersetzens im Erzählen dieser Stories – dem Storytelling (van Dijk 1997, S. 3).In zielgerichteter Anwendung werden Ereignisse in den Stories mit einander verknüpft, in Beziehung gebracht, angeordnet und bedacht weitergetragen, falls Anschlussfähigkeit bei den Kommunikationsteilnehmendenvorhanden ist. In den Stories werden sozial relevante Elemente in narrativer Form geteilt. Fraglich ist dann nur die Frage des Relevanten und der ‚sozialangemessen‘ Form der Narration. Die in einem solchen Verständnisverhandelten Geltungsansprüche sind somit geprägt von Intentionalität,Einsichtigkeit und habenmithin persuasiven Charakter (ebd., S. 8). Dadurch bildet sich das Verständnis der problematischen Weltbezüge und unterliegt zugleich einem steten Aushandlungsprozess. Mit Boje und Dennehy (1993, S. 156) werdendie an der Kommunikation Teilnehmenden über die reflexiv verbundenen argumentativen Strukturen zu einander in Verbindung gesetzt. Dadurch wird auch der Unterschied zu Habermas deutlich. Es geht hier um den analytischen Wert von Habermas‘ Diskursverständnis als Argumentation. Es geht eben nicht darum, dass es eine Differenz von Geltungsdimensionen gibt, „auf die sich Interaktionsteilnehmer simultan[Herv. i.O.] beziehen müssen [Herv. M.R.], wenn sie miteinander kooperieren wollen“ (Seel 1986, S. 54), wobei das Problematische nicht die genannte Differenz, sondern der von Habermas unterstellte (und somit eben auch normative) simultane und kooperative Anspruch der Teilhabe an dem entsprechenden sozialen System ist. Wichtiger erscheint mir für den weiteren Verlauf der hier vorgebrachten Darlegung,ein narratives Diskursverständnis hergeleitet zu haben, welches die persuasiven Strukturen von Argumentationen als pragmatische Gebilde (Habermas1981, S. 45)aufdecken kann. Damit hebt Habermas sich deutlich von einer formalen Logik oder einer formalen Semantik der Oberflächenstrukturen (s.o.) ab. Pragmatismus wäre dann als „objekt-interne Dienlichkeit einer Aussage“ zu verstehen (Rätzer 2013, S. 109). Mit Barth (1987, S. 44) und Parret (1987 S. 172) ist die grundsätzliche Verbindung von der Konstitution eines Arguments und dem sozio-situativen Kontext, der Konvention, der entsprechenden Pragmatik, so verstanden als Semantik oder der entsprechenden Logikaufgezeigt. Auch Kienpointner– dessen Arbeit wahrscheinlich nicht unbedingt als ‚Foucault inspirierter Linguistik‘zu bezeichnen ist – spricht von Semantik und Argumentation, welche „diachron eng verwoben“sind (1992, S. 135). Um jedoch genau diesen Aspekt zu berücksichtigen und die Diskussion der Kritik Diaz-Bones einzubinden, wähle ich für eine umfassende 60 Analog zu Rätzer (2013) nutze ich weiterhin hier das englische ‚Story‘. Deutschsprachige Begriffe wie ‚Geschichte‘ oder ‚Schwank‘ scheinen im Alltäglichen nach meiner Wahrnehmung des intendierten Verständnisses eine eher pejorative Tendenz zu haben. Gleiches gilt für eine adäquate Übersetzung wie ‚Erzählung‘, für welche Narration treffender erscheint. 43 Analyse und in Hinführung zur organisationalen Diskursforschung den Begriff des diskursiven Arguments. Dieser Begriff erlaubt es – vor dem Hintergrund der hier dargelegten Positionen von Semantik, Diskurs, Macht, Subjektpositionen, Wahrheit und Stringenz – ein spezifischesBild davon zu zeichnen, was ‚wahr‘ im Aktions- und Handlungsfeld einer Organisation erscheint.61 Beispielhaft werde ich das im Folgenden weiterhin am Beispiel der stationären Altenpflege vorführen, wobei ich mich dadurch der Gerontologie als Altenpflegewissenschaft zuwende. Als terminologischpragmatischer Vorschlag zur Strukturierung unterschiedlicher Diskursarten würde Jäger (2012, S. 80) ein solches Vorgehen als Untersuchung eines Spezialdiskurses, in Abgrenzung zu nichtwissenschaftlichen Interdiskursen, bezeichnen (vgl. auch Jäger 2001, S. 96).62 Zusammenfassend kann hier nochmals festgehalten, dass ich eine Position beziehe, die sich zwischen der Linguistik (vgl. abermals u.a. Warnke 2007a; 2008) und der daran geübten Kritik (vgl. abermals Diaz-Bone 2010) bewegt. Es ist deutlich geworden, dass die Hintergründe dieser Positionierung in der Herleitung eines Teils des analytischen Rahmens, dem diskursiven Argument, liegen. Die der linguistischen Betrachtungsweise zugrunde liegende Pragmatik der Fokussierung auf Textlichkeit ist mit dem diskursiven Argument eingefangen und wird von mir in diesem Sinne genutzt. Diaz-Bones angeführte Kritik (s.o.) ist in den Erörterungen von Kap. 2.1 ebenso bereits eingebunden, wodurch die bei Diaz-Bone (2010) eingeforderten Betrachtungen der Sozio-Kognitiviät und der SozioHistorizität – unter den genannten Einschränkungen (vgl. S. 40) – jedoch ebenso bereits berücksichtigt, zumindest insofern eine Verknüpfung der Makro- und Meta-Ebene in inhaltlichen Hinsicht möglich, wie in Kap. 2.3 gezeigt werden wird. Es ist somit deutlich, dass die hier vorgenommene Erörterung und Positionierung ‚zwischen den Stühlen‘ als konzeptionelles Bindeglied des analytischen Rahmens elementar wichtig ist, um von der ‚reinen‘ textlichen Pragmatik hin zu Stories und Narrationen zu gelangen. Damit wird innerhalb des analytischen Rahmens der Status der Meta-Ebene gestärkt. Darübertreten andere Aspekte, wie z.B. Sozio-Episteme und damit auch Fragen der Macht, nicht in den Hintergrund, aber sie büßen an Zentralität ein. Mit der konzeptionellen Fassung des diskursiven Arguments konzentriere ich mich im Folgenden auf die Textlichkeit des Überorganisationalen stationärer Altenpflegeorganisation, welches sich wiederum in direkter inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Tätigkeitsbereich der Altenhilfe befindet. Als Textlichkeit fasse ich dabei Publikationen im wissenschaftlichen Feld der Gerontologie. Ich versuche darüber die Pragmatik dieses rein wissenschaftlichen Textdiskurses – bei Jäger entsprechend Diskursfragmente – zu analysieren und verschiedene Logiken (im oben hergeleiteten Verständnis) aufzudecken. Darüber hinaus erlaubt eine solche Konzentration auf den Text, auf die publizierten Elemente der fachspezifischen wissenschaftlichen Diskussionund eine spätere Rückführung dessen auf die Bereiche der Makro-Ebene umfassende Zusammenhänge im Blick zu halten (vgl. auch Hartz 2013, S. 23).Durch eine rein linguistische Analyse wären diese verborgen geblieben. Als Vorteil meines Vorgehens – mit welchem ich mich offensichtlich derBehauptung Hajers (1997) anschließe, innerhalb der Sprache würden Probleme und deren Lösung definiert bzw. ausgehandelt – gegenüber einer ‚klassischen‘ Diskursanalyse sehe ich die Möglichkeit einer handhabbareren Operationalisierungmit Hinblick auf eine umfassende Analyse des 61 Hier ist abermals ein Verweis auf Boje und Kolleg_Innen (1996) angebracht, welche für Publikationspraktiken hinsichtlich postmoderner und kritisch theoretischer Inhalte im Administrative Science Quarterly zeigen, dass ein solches dekonstruierendes Lesen von Storytelling-Praktiken geeignet ist, als unanfechtbar dargestellte Wissensbestände offenzulegen. 62 Zur Vollständigkeit: Jäger (2012, S. 80) nennt noch Diskursfragmente als Texte oder Teile von Texten zu bestimmten Themen sowie Diskursstränge als mehrere Diskursfragmente eines Themas. 44 Überorganisationalen. Die so verstandenengerontologischendiskursiven Argumente als epistemologische Kategorie für die stationäre Altenpflege sind dadurch nachvollziehbar konzeptionalisiert und werden im Folgenden strukturiert dargestellt. 2.2.2 Drei Argumentationslinien in der Gerontologie als epistemologische Phänomene Die Struktur, in welcher sich die diskursiven Argumente der Gerontologie darstellen, lässt sich anhand von drei Argumentationslinien aufzeigen. Argumentationslinien begreife ich dabei analog zu Hajers (1997) storylines als „häufig reproduzierte narrative Konstrukte, wodurch Elemente aus unterschiedlichen diskursiven Bereichen mit einander in Verbindung gebracht werden“ (S. 109).63Selbstredend sind bei entsprechend qualitativen Zuordnungen Überschneidungen zwischen den Einteilungen vorhanden, da für eine ‚sauber diskriminierende‘ Kategorienbildung und zuordnung die notwendige Trennschärfe in Zusammenhang mit qualitativen Gegenstandsbereichen schlichtweg nicht möglich ist.Als weiteres Hemmnis in diesem Sinne bedienen verschiedene Autor_Innen – wie auch im Folgenden deutlich werden wird – in ein und demselben Beitrag mehrere Argumentationslinien oder Argumentationsfelder, welche sich innerhalb der Argumentationslinien als abermals spezielle diskursive Argumente konstituieren. Im Rahmen einer inhaltlichen Zuordnung ist es nichtsdestotrotz möglich, eine (weiche) Kategorisierung nach betriebswirtschaftlichen, akademischen und sozialen Argumentationen auszumachen, welche als entsprechende Argumentationslinien dargestellt werden. Die dafür herangezogene Literatur ist teilweise als Sekundärliteratur klassifizierbar. Vor dem Hintergrund des hergeleiteten Anspruchs der Darstellung von Argumentationslinien erscheint mir die Nutzung dessen sowohl hinreichend und sogarnotwendig, da darüber entsprechende Argumente zusammengefasst dargestellt und damit in ‚komprimierter Form‘ vorliegen. a) Betriebswirtschaftliche Argumentation Die Bezeichnung betriebswirtschaftliche Argumentation als Argumentationslinie innerhalb der Altenpflegewissenschaft ist danach getroffen, da viele Aspekte einer umfassenden Betriebswirtschaftslehre in dieser Argumentationslinie bedient werden. Es werdenhierbeiverschiedene Betrachtungsweisen einbezogen und nicht ausschließlich auf finanziell relevanten Organisationserfolg abstellende Argumentationen, sondern ebensojene, die z.B. eine menschenorientierte Perspektive reflektieren. Das Fundament der betriebswirtschaftlichen Argumentation kann im demografischen Wandel gesehen werden, aus welchemNotwendigkeiten abgeleitet werden, die wiederum weithin der Marktlogik unterworfen werden. Blinkert und Klie (2008) sagen einen Anstieg der Pflegebedürftigen für das Bundesgebiet auf das Dreieinhalb- bis Vierfache der heutigen Anzahl bis 2050 voraus.Hier kommen Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene direkt zu tragen. Diese können nicht als Momentaufnahmen aufgefasst werden, sondern unterliegen einer längerfristigen Entwicklung und Wahrnehmung. 64 Die aus der demografischen Notwendigkeit abgeleitete Basis des „geregelten Marktes“ (Voges 2002, S. 203) bildet die objekt-interne Dienlichkeit im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Argumentation für die Schlussfolgerung der Anpassung aller 63 Zum einen sind diese Verbindungen im originären Sinn sowohl als Anknüpfungspunkte aber natürlich auch als Abgrenzungen zu verstehen. Zum anderen wird hier die gedankliche Nähe zu Jägers (2012, vgl. abermals S. 80) Konzeption der Diskursstränge deutlich. 64 vgl. abermals Kap. 2.1.4 zum Zusammenhang von zeitdiagnostischen Aspekten und juristischen Rahmenbedingungen. 45 Marktakteur_Innen. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Anpassung sehen Blüher und Stosberg (2005) gar die Entwicklung eines neuen Sozialstaatverständnisses, welchem entsprechend Rechnung getragen werden müsse, in der Teilhabe an der marktförmigen Vermittlung der Hilfstätigkeit.Exemplarisch für den deutschen Kontext erfassen Amrhein (2005a, S. 411) und Bartholomeyczik (2007, S. 241f.) die hoheWirkung der gesetzgeberischen Einflüsse auf das Verhalten der stationären Altenpflegeeinrichtung als Organisationen. Auffällig ist dabei das auch die Adaption von Schnelligkeit und Unrast ausdrückenden Metaphern wie „Motor“ (Blüher/Stosberg 2005, S. 177). Neben diesen eher fundamentalen Aspekten ist die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie von besonderer Natur, da sie sowohl ‚Mainstream-Elemente‘ der Betriebswirtschaftslehre bedient, aber ebenso eine kritische Auseinandersetzung mit dieser eingeht. Im Sinne einer ‚betriebswirtschaftlichen Mainstream Argumentation‘ verstehe ich die Fokussierung auf Aspekte des ‚Funktionierens‘ einer Organisation im betriebswirtschaftlichen Sinne. Ernst (2008) diskutiert am Beispiel Deutschlands die Erfolgsfaktoren, welche für die Entwicklung von Pflegeheimen von besonderer Relevanz sind. Vomoptimalen Umgang mit rechtlichen Rahmenbedingungen, über Finanzierungsmöglichkeiten, Preispolitik, Belegungspläne sowie qualitativen Anforderungen an das Personal der „Spezialimmobilie“ Pflegeheim (S. 32) kommt Ernst zu der Erkenntnis, dass das Betriebsmodell einer Einrichtung als zentraler Entwicklungsfaktor für Pflegeheime anzusehen ist, um diese in einem rentablen Sinne zu unterhalten (S. 59ff.). Die entsprechende Rhetorik und Argumentation ist eindeutig die einer funktionalistischen Vorhersagemethode für das profitable Funktionieren einer stationären Altenpflegeeinrichtung. Eine ähnliche Argumentation findet sich in der Beurteilung von Führungsstilen und -konzepten, welche sich in der Praxis bewährt haben und nun Übertragung auf die stationäre Altenpflegeerfahren. Wong und Cumming (2007) heben in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten des Managements einer Einrichtung auf die Implementierung von Best-Practice-Methoden in der Mitarbeiter_Innenführung hervor.65 Dabei werden verschiedene Führungsansätze diskutiert, welche u.a. partizipative Führung für ihre motivatorischen Potentiale anpreist. Helmstadter (2008) hingegen fokussiert stärker darauf, dass Altenpflege schon historisch betrachtet ein Metier war, welches zur optimalen Realisierung starke Autoritäten brauchte.66 Optimalität und Best-Practice werden in diesem Zusammenhang daran bestimmt, was der ‚State ofthe Art‘ im privaten Sektor ist, welche Rückschlüsse in diesen Bereichen gezogen werden und was dort als anschlussfähig und legitimiert erscheint. Es ist offensichtlich, dass auch in den hier genannten Beiträgen der Gegenstand der alten Menschen mitbedacht ist. Essentiell in den argumentativen Verknüpfungen ist dabei jedoch die Bezugnahme zur Führung der Mitarbeiter_Innen, welche im wissenschaftlichen Sinne auf Ergebnissen beruht, die aus zumeist quantitativen und deswegen objektiven Studien gewonnen werden. Dabei wird auch unterstrichen, dass der Führungsstilvon Manager_Innenzu reflektieren sei, um einen möglichst optimalen Erfolg für die Einrichtung zu generieren. McCarthy und Kolleg_Innen (2007), wie auch Noelker et al. (2006), schließen argumentativ an diesen Punkt an, indem sie einen Zusammenhang zwischen Fluktuation, oder der Absicht, die Einrichtung zu verlassen, und der Arbeitsleistungen ziehen.Noelker und Kolleg_Innen (2006, S. 320) kommen zu dem Ergebnis, dass Angestellte verschiedener 65 Vgl. dazu auch Dewing (2008) sowie Marchionni/Ritchie (2008) Der/dem aufmerksam Lesenden stach es bereits ins Auge, weshalb an dieser Stelle der aufwändige Blick und das Blättern im Literaturverzeichnis erspart sei: Ein Großteil der Beiträge ist im Journal of Nursing Management publiziert. Zum einen hat dieses eine, bereits in der Namensgebung ersichtliche, manageriale Ausrichtung. Darüber hinaus gab es 2008 ebenso unschwer zu erkennen eine Special Issue mit der thematischen Fokussierung auf Führungsaspekte. Trotz Englisch als Publikationssprache habe ich die Rubrik aufgenommen, da das Journal internationale Reputation in der Disziplin genießt. 66 46 Hierarchiestufen, welche nicht genügend professionelle Anleitung durch ihre Vorgesetzten bekommen, tendenziell eher dazu neigen, sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen und es damit in der Folge schwieriger wird, innerhalb der Angestelltengruppe Kontinuität herzustellen und Teamwork zu etablieren.In der Folge führt das wiederum zu höheren Personalkosten. Mit einem Fokus auf hochausgebildete Fachkräfte liefern Skytt und Kolleg_Innen (2007) das Argument, dass es wichtig sei, persönliche Beziehungen zuzulassen, praktische Aspekte im Arbeitsalltag hervorzuheben, Aufstiegsmöglichkeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen sowie den Bezug zur Einrichtung zu stärken, um die Abwanderung von qualifizierten Humankapital zu vermeiden. Es ist deutlich, dass in weiten Teilen dessen was ich hier als betriebswirtschaftliche Argumentationslinie verstehe die ‚Systemanforderungen‘ mit derselben Relevanz für Organisationen der stationären Altenpflege gesehen werden und aus diesem Grund auch nicht hinterfragt sind. Die Argumentation wird mit einem pragmatischen Impetus versehen und aufgebaut. Kirk (2008, S. 375) gibt eine zusammenfassende Aufzählung davon, was essentiell für Führungskräfte in Altenpflegeeinrichtungen ist, um sich pragmatisch dem Wettbewerb und den daraus erwachsenden Anforderungen an Effektivität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit anzupassen. Pflegemanager_Innen müssen demnach67: - einflussreiche und leistungsfähige Persönlichkeiten, Operator_Innen sein als strategische und reflexive Denker_Innen auftreten, um Sinn stiften können selbst zur Wissensstiftung (innerhalb der Pflege) beitragen prozessbegleitende Kompetenzen aufweisen. Die dahinter stehende Logik ist deutlich. Wettbewerb wird als ‚gegebener Umweltzustand‘ gesehen und akzeptiert, was dazu führt, dass Organisationen unternehmerischagieren müssen. Die Führungskräfte in den jeweiligen Altenpflegeeinrichtungen, müssen ihre Einrichtung wie ein Unternehmen ausrichten, um Fachkräfte oder allgemein: Arbeitskräfte auf einem umkämpften und, aufgrund der demografischen Entwicklung, stetig wachsenden Markt zu halten oder zu gewinnen. In einer aufgrund des gewählten konzeptionellen Zugriffs auf den ersten Blick ‚kritisch‘ anmutenden Studie von St-Pierre und Holmes (2008, S. 352) heißt es in Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer anderen Reflexion von Machtaspekten in der heutigen Zeit zusammenfassend: „Power, surveillanceanddisciplinarytechniquesareused at all levels […] tocontrolandcontainboth human resourcesandcosts“. Die Forderung besteht darin, von einem eventuellen Null-Toleranz-Prinzip in der Beurteilung des Verhaltens der Mitarbeiter_Innen abzurücken, da Normabweichungen heutzutage toleriert werden müssten, um die Entwicklung ‚des panoptischen Blicks‘ zuzulassen, sodass Selbstkontrolle eintreten und die Effektivität damit gesteigert wird, 68 denn „[t]o functionproperlythehealth care systemrelies on specifictools, manyofthembeingdirectedbynurses“ (ebd., S. 354). In eine ähnliche Argumentation der Nutzung von Macht, um im pragmatischen Sinne mit den Anforderungen an die Einrichtung umzugehen, argumentiert Raatikainen (1994, S. 424ff.), die festhält, dassMitarbeiter_Innen, welche selbst das Empfinden haben, Macht zu haben, motivierter sind und somit auch Freiheiten (für Bewohner_Innen und Mitarbeitende) besser umsetzen können, da sie über mehr Wissen verfügen als machtlose Pflegekräfte. Als weiteres rationales Element innerhalb der betriebswirtschaftlichen Argumentation, ist die Masse an Ratgeberliteratur und Sammelbänden zu nennen, welche sich mit praktischen Problemen und damit objektiv sinnhaften Fragestellungen für Alteneinrichtungen auseinandersetzen, aber eher wenig bzw. 67 68 Ähnliche Attribute benennen auch Antrobus und Kitson (1999). Vgl. auch hier abermals Kap. 2.1.1. 47 keinen wissenschaftlichen Charakter haben (u.a. Gerhard 2005; Lummer 2011; Weber/Plümecke 2011; Fuhrmann 2012; Müller 2013). Der Grund weshalb die Arbeiten hier mit aufgeführt werden liegt in einer Forderung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie nach Praxisbezug und Praxistauglichkeit. Diese aus der Betriebswirtschaftslehre bekannte Forderung wird als Hilfestellung gesehen für „professional reflectionandjudgmentaboutthevalidityandvalueofvariouskindsofevidence in thedecisions[managers, M.R.]make. Itisfundamentally a processofinformedpractionerjudgment.“ (Briner et al. 2009, S. 30) Auch in der Gerontologie ist evidenzbasiertes Management – ‚von der Praxis für die Praxis‘ – als ‚bestnursingpractice‘ angekommen, welche der Logik folgt, „that utilizing research findings in practicemaximizes efficiency and quality“ (Henderson/Winch 2008, S. 92). Es wird deutlich, dass im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Argumentation keine diskursiven Argumente bedient werden, welche als ‚reiner Wolfskapitalismus‘ im Sinne eines (teilweise im Alltagsverständnis) oftmals kritisch betrachteten Taylorismus interpretiert werden könnten, wo ein Bild vermittelt wird, in der Betriebswirtschaftslehre ginge es ausschließlich um Kostenreduktion, Ausbeutung der Mitarbeiter_Innen und Steigerung des Unternehmensprofits. Einleuchtend ist das vor dem Hintergrund, dass Unternehmen anderer Branchen diesem Bild auch nur noch selten entsprechen und Managementpraktiken sich weiter entwickelt haben. Verständlicherweise ist diese (Weiter-)Entwicklung des ‚betriebswirtschaftlichen Denkens‘ auch im Altenpflegemanagement beobachtbar. Besonders deutlich wird dies in einem weiteren Teil der betriebswirtschaftlichen Argumentation, welcher darananschließt, einer marktbedingten Dynamik standzuhalten. In diesem Zusammenhang wird die Relevanz von Pflegekräften als größte Beschäftigtengruppe herausgestellt, für welche es spezielle Leadership-Programme benötigt (Ford et al. 2008). Da die Altenpflege ein Tätigkeitsbereich ist, in welchem die Mitarbeiter_Innen im Besonderen Stress und ihren eigenen Ängsten ausgesetzt sind, besteht ein besonderes Risiko von Unzufriedenheit, Burnout, Frustration und Spannungen am Arbeitsplatz. Für die Führungsebene von Altenpflegeeinrichtungen ergibt sich daraus eine Reorganisationsnotwendigkeit, mit speziellen Wegbarkeiten und Hindernissen (Brabant et al. 2007). Dabeiwerden abermals Aspekte des ‚Funktionierens‘ einer Organisation im betriebswirtschaftlichen Sinne in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. Vor dem Hintergrund finanzieller Engpässe, welche sich auch auf die personelle Ausstattung der Pflegeeinrichtungen auswirken, werden Argumente bedient, welche jedoch einen ‚klassisch‘ personalwirtschaftlichen Hintergrund haben. Auch wenn an manchen Stellen betont wird, dass nur wenige Arbeiten einen Bezug zu Organisation haben (so Amrhein 2005b, S. 108), kann das fürentsprechende gerontologische Publikationen mit betriebswirtschaftlicher Argumentation nicht aufrechterhalten werden. So sind diskursive Argumenteerkennbar, welche die generellen Möglichkeiten der Steigerung des organisationalen Commitments eruieren (Lou et al. 2007)oder Ansatzpunkte zur Verringerung der Fluktuation ausloten (Castle et al. 2007).Als weiteres diskursives Argument wird das organisationsbedingte Stresserleben herausgestellt. Vor dem Hintergrund der generellen Schwierigkeiten in der stationären Altenpflege mit wechselnden Arbeitsanforderungen, geforderten schnellen Reaktionsfähigkeiten, steten Unterbrechungen im Arbeits- und Pausenablauf sowie oftmals widersprüchlichen Arbeitsanweisungen von Vorgesetzten argumentieren Michaelis (2005, S. 266) aber auch Rogers und Kolleg_Innen(2004), dass hier eine große Möglichkeit der Einflussnahme des Managements einer Organisation in einer differenzierten Gestaltung von Pausenzeiten und der Teamzusammensetzung liegt.69 Rogers und Kolleg_Innen (2004, S. 516) weisen dabei explizit darauf hin, dass es keinerlei 69 Ganz ähnlich die Argumentation von Tabak und Koprak (2007) unter Einbeziehung externer Akteur_Innen wie Ärzt_Innen sowie Angehörigen. 48 Evidenz dafür gibt, dass Pflegekräfte durch mehr Pausen auch dazu neigen, mehr Fehler zu begehen. 70 In diese personalwirtschaftliche Logik fallen auch Studien mit einem eher psychoanalytischen Hintergrund. Thomas und Hynes (2007, S. 377) stellen in Überlegungen zum Gruppenhandeln den Wunsch nach einer starken Führungspersönlichkeit heraus. Daraus ist für mich zu erkennen, dass auch hier – ähnlich dem Beitrag von St-Pierre/Holmes (2008), s.o. – eine anderweitige Argumentation innerhalb der betriebswirtschaftlichen Argumentation bedient wird, welche jedoch ebenso der Logik der Optimierung, wenn auch einer ‚humaneren‘, folgt. Darinwerden Möglichkeiten zu besseren Implementierung organisationaler Richtlinien, Vorgaben und Anweisungen gesehen. Deutlich ist, dass als klassisch zu verstehende betriebswirtschaftlichen Argumentationen wie Kostensenkung, Reduktion der Betriebsmittel und Verringerung von Personalkosten (vgl. z.B. Baumann/Blythe 2003) durch aktuellere Managementansätze, welche auch Altenpflegeeinrichtungen als moderne Unternehmen betrachten, die sich um die Bindung der Mitarbeiter_Innen als zusätzliche Komponente neben den eher ‚harten‘ Faktoren sorgen müssen, ergänzt werden. In Abgrenzung dazu steht die eher kritische Auseinandersetzung mit diesen diskursiven Argumenten.Diese diskursiven Argumente mit kritischem Charakter schließen an die Belastungen für die Altenpflege und die entsprechenden Organisationen an, welche bisher unter betriebswirtschaftliche Argumentation aufgeführt wurden. Dabei wird jedoch kritisiert, dass sich sowohl die Altenpflegeeinrichtungen als auch die Gerontologie an sich vor eine legitimatorische Rationalitätsfassade flüchten. Amrhein (2005a, S. 425) sieht den Großteil der oben geschilderten ‚Reaktionen‘ im argumentativen wie im praktischen Sinn (z.B. Rationalisierung oder Personalkürzung) als Folge des wahrgenommenen Wirtschaftlichkeitsdrucks nach Einführung des PflegeVG. Die damit einhergegangene Privatisierung von Leistungen – im Verständnis einer privatwirtschaftlichen Ausrichtung bei nichtprivaten Leistungserbringern – und die entsprechende Honorierung dessen seitens der Politik (vgl. Kap. 2.1.3) wird dabei kritisch gesehen (Blüher/Stosberg 2005, S. 177; Gerlinger 2007, S. 294f.). Das diskursive Argument merkt in diesem Zusammenhang als besonders kritischen Aspekt die Folgen für die Mitarbeiter_Innenin deren Arbeitsbelastung an. Der aus der Rationalisierung der Altenpflegeeinrichtungen erwachsene „Teufelskreis“ (Amrhein 2005a, S. 424) führt zu einer immer schwieriger werdenden Vereinbarkeit von Arbeit und Leben (Dunkel 2005a, S. 240ff.). Weite Teile der kritischen betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie bedienen sich ebenso demografischer Umstände, um neben einem Anstieg der Pflegebedürftigen auch einen entsprechenden Anstieg des benötigten Pflegepersonals zu prognostizieren (de Cooman et al. 2008). In Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen und der (auch) darauf gründenden eher negativen Reputation des Berufsbildes in der Gesellschaft wird eine Handlungsnotwendigkeit auf Seiten der politischen Entscheidungsträger gesehen, um denDruckauf die zum Unternehmertumgezwungenen Altenpflegeeinrichtungen zu verringernbzw. die Situation zu verbessern (ebd., S. 56, 59ff.; Botschafter/Moers 1990; Görres/Martin 2005; Görres et al. 2006; Castle et al. 2007, S. 198ff.) 71. Dadurch würden die Pflegekräfte gezwungen, eine „Lebensführung, die auf Selbstleugnung aufbaut“ zu führen (Dunkel 2005a, S. 242). Die Kritik wird dabei auch anhand von internationalen Vergleichen und ‚best practices‘ anderer Modelle gezogen. So verweist Bartholomeyczik (2007, S. 241f.) in einem 70 43 % der Pflegekräfte haben in der Studie von Rogers und Kolleg_Innen (2004) angegeben, keine Zeit zum Essen zu finden (S. 514). 71 Die Quellen Görres/Martin (2005) sowie Görres et al. (2006) sind hier aufgrund ihrer Inhalte aufgeführt, wenngleich sie bestechendes Zeugnis fragwürdiger publikativer Gepflogenheit in der Wissenschaft geben: Verwendung desselben Titels innerhalb von zwei Jahren, keine wesentlich neue Erkenntnis in der jüngeren Publikation. 49 exemplarischen Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz auf immense Unterschiede in den Pflegezeiten und damit auch der Arbeitsbelastung und zieht den beinahe sarkastischen Schluss: „Auch wenn Zeiten eigentlich als etwas sehr Klares und Rationales erscheinen, lassen sie sich offensichtlich sehr unterschiedlich operationalisieren.“ (S. 242) Görres und Martin (2005) sowie Görres und Kolleg_Innen (2006) identifizieren dabei die oftmals weitreichenden negativen Folgen von allgegenwärtigen Forderungen nach Effizienz, Effektivität, Rationalisierung und der Etablierung privatwirtschaftlicher Strukturen im Zuge einer Modernisierung für die Beschäftigten in der Altenpflege. Dabei identifizieren sie primär strukturelle Mangelerscheinung im gesamten Pflegesektor und ziehen daraufhin den Rückschluss der ‚doppelten Schuld‘ auch auf organisationaler Ebene: „Ebenso wenig erscheinen die bislang vorherrschenden Managementkonzepte und strategien spezifisch pflegerischen Anforderungen gerecht zu werden.“ (Görres et al. 2006, S. 161)72Anders, die Einflussmöglichkeiten und Handlungsnotwendigkeiten nicht bei der Altenpflege per se fernen Akteur_Innen sehend, wird die Notwendigkeit des Handelns bei den Organisationen der Altenpflege gesehen. Auch wenn Voges (2002, S. 147) festhält, dass Altenpflegeeinrichtungen nur wenig Einflussmöglichkeit haben, unterm Strich nur das sich aus den Umständen für die Mitarbeiter_Innen ergebende Leid mindern können und auf eine Aufwertung des negativen Berufsbildes hinwirken können,73 stellen andere Argumente darauf ab, dass die Organisationen erst die schlechten Bedingungen schaffen, indem sie Rahmenbedingungen entsprechend interpretieren und praktisch wirksam werden lassen sowie durch die Etablierung bürokratischer Strukturen aufrecht erhalten (Shield 1998, S. 92f.). In gleichem Grundton beschreibt Koch-Straube (2005, S. 211) Pflegeheime als „Orte, in denen die Pflegenden beständig in den Konflikt zwischen ihrem Anspruch von fachlich guter und dem Menschen zugewandter Pflege einerseits und den Rahmenbedingungen andererseits geraten“. Darin ist ein deutlicher Unterschied zu einer kritischen betriebswirtschaftlichen Argumentation pragmatischer Natur zu sehen, welche die Änderungsmöglichkeiten ausschließlich außerhalb der Organisationen der stationären Altenpflege sieht. Auch Biron und Kolleg_Innen (2007, S. 189f.) kritisieren die Tendenz zur Quantifizierung entscheidungsrelevanter Größen. Dieser Trend führe auch dazu, dass sich die organisationalen Strukturen als zunehmendes Problem für die Mitarbeiter_Innen herausstellen. Sie bieten dabei sogar eine alternative Evaluation der „einflussnehmenden Ressourcen“ auf den Process of Carevon Organisationen der Altenpflege an. Sie unterscheiden in beeinflussbare Faktoren (menschliche, finanzielle und materielle) und nichtbeeinflussbare Faktoren (ökonomische und politische) (ebd., S. 191). Es ist deutlichzu erkennen, dass innerhalb der betriebswirtschaftlichen Argumentation verschiedene diskursive Argumente auftreten, welche jedoch den gleichen semantischen Kern74 haben. Dabei habe ich ‚Mainstream‘-Argumente, personalwirtschaftlicheArgumente und kritischeArgumente identifiziert. Ohne die bisherigen Erörterungen als nichtakademisch etikettieren zu wollen, werde ich im Folgenden mit der zweiten, der akademischen Argumentationslinie fortfahren. 72 Als betriebswirtschaftlich fasse ich die hier dargestellte Argumentation aus dem Grund, weil das (Erkenntnis)Interesse der entsprechenden Autor_Innen das einer Verbesserung der Arbeitsumstände der Pflegekräfte ist. Dafür greifen sie auf Forschungsergebnisse anderer und Trends zurück, um etwaige Missstände zunächst einmal erkennen zu können. Dabei wird auch hier die Facettenvielfalt betriebswirtschaftlicher Argumentationsmuster innerhalb der Argumentationslinie deutlich, so wie es auch in anderen Bereichen der Fall wäre (vgl. dazu auch Krell 2013, i. Bes. S. 63f.). 73 Ebenso bereits Prahl und Schroeter (1996, S. 188ff.) sowie später Michaelis (2005, S. 272f.). 74 Als semantischen Kern begreife ich thematisch verwandte diskursive Argumente, welche eng mit einander verwoben den grundlegenden Charakter von Zeichen bestimmen, welche zu einem Thema gleicher Bedeutung zusammengefasst werden können, hier in den entsprechenden Argumentationslinien. 50 b) Akademische Argumentation Als akademische Argumentationslinie verstehe ich die Auseinandersetzungen innerhalb der Gerontologie bzgl. der Ausrichtung dieser als wissenschaftliche Disziplin. Der Charakter dieser Argumentationslinie ist demnach der einer Erörterung der Positionierung der Wissenschaftsgemeinschaft Gerontologie im Beziehungsgeflecht zu anderen Wissenschaften sowie der daraus erwachsenden Programmatik für die Disziplin. In einem weithin bedienten Argument sucht die Gerontologie als ein Bereich, welcher sich mit (alten) Menschen beschäftigt, die argumentative Nähe zu einer der – auch historisch –anerkanntesten Disziplinen überhaupt: der Medizin. Bei Lampert und Wagner (1998, S. 187) ist festgehalten, dass die Medizin „eine der ersten wissenschaftlichen Disziplinen, die sich gezielt mit Phänomenen des hohen Alters beschäftigte“ ist. In der gerontologischen Auseinandersetzung geht es in weiten Teilen um die Adoption von medizinischen wie pflegerischen Innovationen aus einer ‚richtigen‘ Wissenschaft, im Verständnis von Naturwissenschaft. Thierney (2006, S. 113) beschreibt deswegen die in der Pflege (international) wahrgenommene Notwendigkeit zur Akademisierung, um ein evidenzbasiertes Pflegeverständnis zu etablieren, welches vor dem Gesichtspunkt der Reputation dem der evidenzbasierten Medizin (s. Cochrane-System) in nichts nachsteht. Simon (2007) eruiert in derselben Argumentation die Potentiale, welche sich für die Gerontologie im Gesamten ergeben könnten, wenn sie eine höhere Legitimation erfahren würde, eben dadurch, dass sie sich gleich (i.S.v. evidenzbasiert) ‚verhalten‘würde, wie es auch die Medizin tut, wo die Ärztinnen und Ärzte immerhin als ‚Engel in Weiß‘ gelten. Somit könnten messbare Ziele für die Pflege formuliert werden und es würden darüber hinaus die Möglichkeiten geschaffen und auch die Außenwahrnehmung geschärft, „dass sich pflegerisches Handeln weniger auf langjährig entwickelte Intuitions- oder Erfahrungskonzentrate der Interaktions- und Beziehungsebene stützt, denn zunehmend mehr auf professionell systematisiertes Wissen“ (Görres et al. 2006, S. 161). Im Rahmen der akademischen Argumentationslinie kann eine solche professionelle Systematisierung fast ausschließlich über die Dokumentation des Pflegeprozesses und die dementsprechende Auswertung dessen erfolgen. Attree (2007, S. 401) beschreibt Dokumentation in der Pflege analog zurDokumentation im medizinischen Bereich, als „first step in the learning process; without reports problems will not be analysed and lessons cannot be learnt“. Dieses recht dezidierte diskursive Argument geht davon aus, dass klinische Erfahrung (in der Pflege)mit wissenschaftlicher Evidenz verknüpft werden muss, um einen adäquaten Beitrag für die Zupflegenden leisten zu können, aber auch um die Legitimation zu erfahren, die der (medizinisch-orientierten) Altenpflege zukommen müsste. Das ‚Aufschauen‘ zur naturwissenschaftlichen und weithin legitimierten Nachbardisziplin erfährt anderweitig einegeringerargumentative Modifikation der Argumentation, wobei jedoch nur eineErgänzung zur Evidenzbasiertheit argumentiert wird. So reflektieren Hasseler (2007) und Ziebland/Herxheimer (2008) zusammenfassend über eine spezifisch pflegerischeErweiterung des Evidenzverständnisses um qualitative Aspekte. In dieser ist das Anliegen die Erfahrungswerte von Patent_Innen wie auch Mitarbeiter_Innen einzufangen.Im anerkennenden Sinnierenüber das medizinische Bouquet voller Errungenschaften wird diesem argumentativ derHauch einer gerontologischen Note beigemischt, um die kleine Schwester des Grand Cru abzurunden. Ähnlich ist dies zu sehen bei Forderungen nach einer systemischen Pflegetheorie, welche als Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Systemen, Ergänzungen bzw. Erweiterungen bereithält, die ggf. sogar für die Medizin genutzt werden können (so bei Kleve 2008). Darin sind jedoch m.E. auch ‚nur‘ (leicht modifizierte) Entlehnungen aus anderen Disziplinen zu erkennen, welche eine argumentative Nähe zur Medizin suchen (z.B. zur Psychologie). 51 So ist für einen Großteil der akademischen Argumentationslinie festzustellen, dass ‚wissenschaftlich gut‘ in direkter Konnotation mit Praxisnähe steht. Ein starker alltagspraktischer Bezug innerhalb der Gerontologie gilt dabei als professionell. Gerlach (2005) diskutiert vor diesem Hintergrund die Rolle der ersten Akademiker_Innen in der Altenpflege im Spannungsfeld zwischen Akademisierung und Professionalisierung. Gerlach kommt dabei zu dem Ergebnis, dass für die Pflege eine reine Orientierung auf theoretischen Wissensbestand ungeeignet ist und professionelles pflegerischakademisches Reflektieren stets innerhalb praktischer Bezüge verlaufen muss. 75 Ähnlich argumentieren Castle und Kolleg_Innen (2007), indem sie festhalten, dass Pflege mehr ist als ein Job, welcher ‚einfach so‘ erlernt werden kann. Vielmehr ist die Beschäftigung mit gerontologischen Sachverhalten und die Tätigkeit an sich eine Profession, denn die darin Tätigen „are aware that their roles influence the live ofthe residents“ (S. 202). In der Argumentation an dieser Stelle wird deutlich unterstrichen, dass gerontologische Tätigkeiten praktisch professionalisiert sein müssen. 76 Professionalisierung steht jedoch explizit gegen eine alleinige Akademisierung, denn in der Akademie alleinsind die für Pflege wichtigen Reflektionen rein praktischer wie auch wissenschaftlich-praktischer Natur über die Haltung zur/zum Klient_In nicht berücksichtigt (vgl. z.B. Davies et al. 1997; Behrens 2005, S. 51; Reed/Lawrence 2008).In Dewing (2008) ist auch jenes diskursive Argument festgehalten, welches die stete Förderung eines starken Praxisbezugs pflegerischer Tätigkeit herausstellt. Darin wird die Herleitung für eine Verwendung des Begriffs Pflegeforschung und nicht Pflegewissenschaftgesehen, denn die -forschung ist das Mittel zum Zweck und nicht allein der Zweck (Thierney 2006, S. 114; Sachs 2007, S. 112f.). In der Argumentation ist das Hauptanliegen von Pflegeforschung, oder allgemein: pflegerischer Reflexion, die Beantwortung von Problem- und Fragestellungen aus der Praxis, für die Praxis (Hasseler 2007, S. 251). Die Prämissen tangieren argumentativ alle Bereiche, pflegerischer Reflexionsarbeit. Eine praktisch anschlussfähige, theoretisch fundierte Ausbildung bildet dann die Basis für die Vermeidung von Problemen im pflegerischen Alltag (Hanns et al. 2005, S. 21). Schroeter (2005) erkennt in diesem diskursiven Argument sogar allgemeinerdie „Pflege als Dispositiv“ und hält verallgemeinernd fest: „Pflegediskurse sind Verknüpfungen von Aussagen, Techniken und Strategien, die sich vor allem durch die tatkräftige Unterstützung von ‚Experten‘ zu einem Wissens- und Vorstellungssystem formieren und sich über habitualisierte Wahrnehmungs- und Deutungsmuster und inkorporierte Verhaltensmuster in strategische Pflegepraktiken materialisieren.“ (S. 386f.) Diese Aussage könnte als Zusammenführung der gesamten Meta-Ebene herangezogen werden. Es ist jedoch offensichtlich, und das mag im konzeptionellen Zuschnitt begründet liegen, dass bei Schroeter weit mehr Aspekte in den Blick geraten, als ich es in der vorliegenden Analyse für hilfreich erachte. Darüber hinaus liegt mein Fokus hier noch auf den Aussagen und Strategien, den diskursiven Argumenten und noch nicht auf den (organisationalen) Praktiken, Wahrnehmungs- und Deutungsmustern. In Zusammenhang damit werden auch Verbindungen gezogen zur Positionierung der Gerontologie in Abkehr von betriebswirtschaftlichen Zwängen, denn „[w]eder die Situation des Patienten, die ja außerordentlich unterschiedlich sein kann, noch die Art der Anforderungen an Pflegende, noch die Qualifikation Pflegender scheinen dabei eine Rolle zu spielen.“ Es wird vielmehr unterstellt, „dass eine berufliche Qualifikation in der Pflege die Durchführung pflegerischer Maßnahmen 75 Das ist auch vor dem Hintergrund zu reflektieren, dass Pflege sich hier zwar professionalisieren und damit ebenso akademisierenmöchte, die ersten Akademiker_Innen bei Gerlach (2005) jedoch ausschließlich in Führungspositionen Beschäftigung gefunden haben und damit weniger stark in die Pflegepraxis involviert sind. 76 Vgl. dazu auch Hutwelkers (2005) Diskussion zur Professionalisierungsbedürftigkeit pflegerischen Handelns. 52 beschleunige.“ (Bartholomeyczik 2007, S. 245) Auch darin wird die Besonderheit der Pflege deutlich gemacht, indem eine Argumentation aufgebaut wird, welche die Distinktheit der Disziplin hervorhebt. In gleicher Weise erscheint ein weiteres diskursives Argument, welche die Herauslösung der Gerontologie aus der „Umklammerung der Medizin“ (Görres/Friesacher 2005, S. 36)77 einfordert. Görres und Friesacher (2005) sehen die Pflegewissenschaft78als eine Sozialwissenschaft mit Bezug zum Körper. Dadurch grenzt sich die Gerontologie nicht nur von der Medizin ab, sondern auch von allen anderen Sozialwissenschaften (ebd., S. 33) als auch dem Credo der Evidenzbasiertheit. Diese wird als „verkürzte naturwissenschaftlich-medizinische Sichtweise“ (ebd., S. 34) oder für die Pflege, aufgrund deren Besondersartigkeit, ungeeignet angesehen (Biron et al. 2007, S. 192ff.). Im Besonderen seit Einführung des PflegeVG sei Altenpflege im besonderen Maße von der Medizin vereinnahmt und fremdbestimmt, wobei auch „der Maßstab für die Qualität der Altenpflege in erster Linie von den etablierten Fachdisziplinen (u.a. Medizin, Ernährungswissenschaft, Hygiene) geliefert wird.“ (Twenhöfel 2007, S. 211) 79 Ohne an dieser Stelle den Etablierungsgrad von Ernährungswissenschaft und Hygiene(-wissenschaft?) diskutieren zu wollen, hält auch Bauch (2005, S. 71) fest, dass eine „unzureichende Grenzziehung zur Medizin und zur Alltagsmoral“ besteht. Die entsprechende Diskriminierung im Besonderen zur Medizin erfolgt argumentativ auf mehreren Ebenen. Biron und Kolleg_Innen (2007) sehen eine Möglichkeit der ‚Vereinzigartigung‘ im Nursing Care Process, ähnlich wie Sachs (2007) in der Advanced Nursing Practice. Sachs (2007, S. 113) sieht darin sogar eine Chance für die Pflege, dem stetigen Konflikt mit Vertreter_Innen der Ärzteschaft zu entgehen und einem zukünftigen Ärztemangel professionell zu begegnen, wobei „eine bloße Substitutionsfunktion nicht im Interesse einer modernen Auffassung von Pflege liegt“. Noch weiter gehen die Forderungen nach der Einführung einer eigenen Pflegefachsprache, um „eine babylonische Sprachverwirrung“ aufzuheben (Lauer 2000, S. 165, S. 164f.). Dabei folgt die Argumentation der Richtung, dass in der Interdisziplinarität der Gerontologie – als eigenständige Disziplin und nicht nur Teildisziplin irgendeiner anderen ‚reinen‘ und legitimierten Disziplin – die Chance zur Etablierung gesehen wird (Fürstenberg 2002; Görres/Friesacher 2005). Ähnlich sehen Davies und Kolleg_Innen (1997) die Erfordernis weg vom medizinischen Modell der Pflege hin zu einem bio-psycho-sozialen Modell zu gelangen, welches explizit von der Medizin abgegrenzterscheint, dabei jedoch die Bereiche der biologischen mit den kognitiven wie auch sozialen Komponenten des Lebens (älterer Menschen) kombiniert. Auch in der akademischen Argumentationslinie erscheinen verschiedene diskursive Argumente mit dem gleichen semantischen Kern der Verortung der Gerontologie als Disziplin. Dabei ist deutlich geworden, mit welchen argumentativen Mitteln die Nähe zur Medizin gesucht wird, ein disziplinärprofessionelles Verständnis dargestellt wird, bzw. in der Gerontologie Eigenständigkeit und disziplinäre Unabhängigkeit argumentativ aufgebaut wird. Auch wenn sowohl in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wie auch in der akademischen ‚soziale Aspekte‘ thematisiert wurden, werde ich im Folgenden die letzte, die soziale Argumentationslinie vorstellen. 77 Hier ist deutlich zu erkennen, dass die-/derselbe Autor_In an verschiedenen Publikationen mitgewirkt hat, die hier verschiedenen Argumentationslinien oder -mustern zugeordnet sind. Die Gründe dafür können in den legitimatorischen Wirkungen gesucht werden (z.B. bei Görres et al. 2006 als geförderter Forschungsverbund Nord) oder im jeweiligen Medium, in welchem der Beitrag publiziert wurde (so bei Görres/Martin 2005). Wichtig erscheint an dieser Stelle, dass Argumente oder Argumentationslinien personenunabhängig vorgetragen, genutzt oder wiedergegeben werden. 78 Besonders auffällig ist hier die Formulierung Wissenschaft, eingedenk der oben genannten Abgrenzung zu Forschung. 79 Ähnlich auch Schroeter (2005, S. 385) wo davon gesprochen wird, dass sich „im naturwissenschaftlichen Schatten der Medizin Pflege-Diskurse entwickeln“. 53 Bisher wurden soziale Zusammenhänge in der Logik des jeweiligen semantischen Kerns bedient. In der dritten Argumentationslinie bilden ‚die sozialen Argumente‘ hingegen selbst das Kernstück der Argumentation. c) Soziale Argumentation Als sozial im Sinne einer epistemologischen Basisder Logik und darauf aufbauenden Semantik verstehe ich die argumentative Orientierung innerhalb der Gerontologie auf den Gegenstandsbereich – diealten Menschen. Ich zeichne im Folgenden nach, wie die Gerontologie dabei als soziale Disziplin sui generis skizziert wird und aus diesem Grund heraus die entsprechenden Argumentationen als prioritär und handlungsleitend vorgibt. Für einen Teil der sozialen Argumentationsliniescheint die Genese in einer überwiegend negativen und menschenfremden Wahrnehmung von Altenpflegeeinrichtungen und der Pflege alter Menschen an sich begründet zu liegen. Bereits 1975 stellt Anthes heraus, dass „eine Tendenz zur Bevormundung des Heimbewohners und zu einer Verstärkung seiner Abhängigkeit vom Heim und vom Wohlwollen der Heimleitung und des Heimpersonals“ bereits in Heimordnungen angelegt sei (Anthes 1975, S. 436). Dabei evoziertAnthes das Bild eines stahlharten Gehäuses, welches Macht auf die Bewohner_Innen ausübt und kritisiert diese Orientierung als zu einseitig. Ähnlich konstatiert Amrhein (2005a, S. 405) noch 30 Jahre später, dass viele soziale Konflikte zwischen Pflegekräften und Bewohner_Innen aber auch Angehörigen in Altenpflegeeinrichtungen „Ausdruck struktureller Machtkonstellationen“ sind. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Pflegekräfte trotz formeller hierarchischer Gleichgesetztheit eine hohe informelle Macht auf die Bewohner_Innen ausüben (ebd., S. 424). Diese eher grundsätzlichen Erörterungen des Wohlbefindens und der Autonomiegewährung basieren in der Aufnahme der wahrgenommenen und – im Sinne der Gerontologie nach dieser Argumentationslinie – hier auch zurecht geäußerten Kritik heimexterner Instanzen an den ‚freiheitseinziehenden‘ Maßnahmengegenüber den in den Einrichtungen lebenden Menschen. Zu diesen Maßregelungen gehören Fixierungspraktiken oder sogar Gewalt, welche in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und in der Gerontologie als falsch, vermeidbar und im Rückschluss auch als zu vermeidend beschrieben werden. So versuchen Klie und Kolleg_Innen (1994) das grundsätzliche Verständnis davonzu schärfen, wie in Altenpflegeeinrichtungen fixiert wird und warum es überhaupt dazu kommt. In dieses diskursive Argument der Umständen und Ursachen psychischer (oder seelischer) 80 wie auch körperlicher Gewalt gegenüber älteren Menschen in den Einrichtungen werden hier natürlich, neben der Schärfung einer generellen Sensibilität bei den Pflegenden in den Einrichtungen, auch Handreichungen gegeben, wie Gewalt vermieden werden kann (z.B. Grond 1997). Der Hintergrund dieses diskursiven Arguments innerhalb der sozialen Argumentationslinie ist die Sensibilisierung auf jenen sozialen Aspekt des alltäglichen Handelns innerhalb einer stationären Altenpflegeeinrichtungen, welcher explizit nicht Macht81 ausüben möchte, sondern eben genau jene, von Amrhein (2005a) im Grunde festgestellte, annähernde Hierarchielosigkeit zwischen Pflegepersonal und Bewohner_Innen als konstitutives Element der Pflegearbeit als Hilfsarbeit hervorhebt. 80 Die Diskussion der seelischen Gewalt erfolgt zumeist vor einem eher theoriegeleiteten, denn induktiven, Hintergrund, wenn über die Frage reflektiert wird, ob Altenpflegeheime als totale Institutionen sensu Goffman (1999) gedacht werden können oder gar müssen (vgl. Shield 1988; Heinzelmann 2004). 81 Es ist einleuchtend, dass ich auf eine Offenlegung und Diskussion der verschiedenen Machtverständnisse konzeptioneller Natur in situ verzichte. Für die Diskussion hier ist das auch gegenstandlos. 54 Als besonderes diskursives Argument, auch in dem gerade diskutierten Zusammenhang der Machtausübung, steht dabei die zunehmende Diagnose von Demenz bei älteren Menschen und die daraus für die Altenpflege erwachsende Notwendigkeit einer gesteigerten Hinwendung zu den Betroffenen. Für Davies und Kolleg_Innen (1997, S. 410) „enabling a patient or client to be as autonomous and independent as possible is seen as an integral part of nursing’s therapeutic function.“82 In diesem new nursing– oder im Deutschsprachigen: der aktivierenden Pflege– ist die Neudefinition der Rolle der Zupflegenden in dergestalt enthalten, dass diese nicht allein auf die Hilfsempfänger_Innen reduziert werden, sondern ihnen Hilfe zur (mittel- und langfristigen) Selbsthilfe geboten werden soll. Jewell (1994) verweist dabei auch auf die Möglichkeit der Einbindung der Zupflegenden in Entscheidungen je nach Möglichkeit. Das verlangt den Pflegenden wiederum ein hohes empathisches Vermögen ab. Die darin liegende Schwierigkeit fasst Shield (1988, S. 102) zusammen: „These groups, fairly distinct and with quiet separate needs, are contained in the same institution. Nursing-home personell at times try to treat people individually, but they also treat them as their needs were similar.“ In der Bewältigung dieser altenpflegespezifischen Schwierigkeiten wird in der sozialen Argumentationslinie der Maßstab zur Beurteilung einer guten Pflegekraft gesehen. Beispielhaft verweist Dunkel (2005b), in eindeutigem Gegensatz zur akademischen Argumentationslinie, auf den Mehrwert von Erfahrungswissen und der Wichtigkeit dessen Weitergabe in der Altenpflege als zusätzlichen Beitrag jenseits einer Akademisierung. Dieses Erfahrungswissen ist hierbei von entscheidender Relevanz um die Hauptbedürfnisse älterer Menschen zu erkennen, welche ThemesslHuber und Kolleg_Innen (2007) in einer starken Individualität, maximaler Unabhängigkeit und ausschließlicher Hilfe zur Steigerung der Erfülltheit des Lebens zusammenfassen. Es wird davon ausgegangen, dass Erfahrung in der (professionellen) Pflege älterer Menschen hier entschieden dazu beiträgt, dass die Einstellung bzgl. derenAnliegen und Schwierigkeiten personenzentriert ist, bzw. wird. Das darin enthaltene humanistische Menschenbild, die Förderung von individuellen Selbstkonzepten sowie das Feingefühl,die Balance zwischen Strukturvorgabe und Freiheit zu finden, können dabei nur auf Erfahrung basieren (Pörtner 2007, S. 10ff.). In weiterer Abgrenzung, im Besonderen zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie, zieht Skelton (1994, S. 416f.) den Schluss, dass eine solcheErmächtigung der Zupflegenden nicht (mehr) möglich ist, sobald Pflegekräfte empowert wurden, um ihnen ein angenehmeres Arbeitsklima zu schaffen. Ein daraus erwachsender Interessenkonflikt bleibt in der sozialen Argumentationslinie jedoch in einer randständigen Position. Diskursiv wird explizit mit der Zentrierung der Bewohner_Innenargumentiert, für welche ggf. erst sensibilisiert werden muss, um einen solchen Fokus als die richtige Perspektive für die Gerontologie zu skizzieren. Gerade in Zusammenhang mit dementen Personen stellt sich eine hohe Erwartungshaltung an die Pflegekräfte mit Hinblick auf Empathie und ständiger Selbstreflexion heraus, um ein individuelles Fallverstehen garantieren zu können, was in dieser Argumentation als „konstitutives Element professionellen Handelns“ (Bräutigam et al. 2005, S. 83) gesehen und dargestellt wird. Des Weiteren werden innerhalb der sozialen Argumentationslinie auch diskursive Argumente bedient, welche die Ursachen für die Problemhaftigkeit der Zentrierung der/des Bewohner_In hauptsächlich in externen Faktoren sehen. Bartholomeyczik (2007, S. 244) stellt heraus, dass ein 82 Ebenso gibt Behrens (2005, S. 51) den Respekt vor der Unabhängigkeit in der Lebenspraxis und -führung der Klient_Innen als unumgehbares Credo in der Altenhilfe wieder. 55 personenorientierter Pflegeprozess, wenn er reibungslos ablaufen soll, ein Eingespieltsein von pflegender und zupflegender Person erfordert, was wiederum durch gesetzlich fixierte Pflegezeitvorgaben (s. Kap. 2.1.3) annähernd unmöglich ist. Innerhalbdes gleichen diskursiven Arguments wird auch darauf verwiesen, dass in Altenpflegeeinrichtungen eine Segregation nach dem Kriterium der sozialen Herkunft, der damit verbundenen Einkommensschicht und der (Un)Möglichkeit zur (privaten) Vorsorge für das Alter eintritt (Gerlinger 2007, S. 300). Diese Entwicklungen werden verstärkt seit der Einführung des PflegeVG festgestellt. In der Folge wurden bürokratische Strukturen inner- wie außerhalb der stationären Altenpflegeeinrichtungen geschaffen, welche die sozialen (in dieser Argumentationslinie priorisierten) Motive in der Umsetzung zumindest erschweren, wenn nicht unmöglich machen (Shield 1988, S. 92). Deutlich ist, dass die soziale Argumentationslinie einen sehr ausgeprägten‚heimwelt-praktischen‘ Bezug aufweist. Dieser ist jedoch ein anderer, als der eingeforderte Praxisbezug innerhalb der akademischen Argumentationslinie, in welchem sich der Forschungsbereich Gerontologie mit Hinblick auf Forschungsergebnisse, -praktiken und -ziele an deren Praxistauglichkeit ausrichten sollte. In der sozialen Argumentationslinie werden die Bewohner_Innenin ihrer Lebenswelt der Pflegeeinrichtungenin den Fokus der gerontologischen Betrachtung gesetzt. Es fällt auch eine ‚Wendung‘ in der Begrifflichkeit in der Argumentationslinie zu ‚Klient_In‘ und ‚Patient_In‘ auf.83 Darin wird ein professionelles Verständnis zu Ausdruck gebracht. Dieses beruht jedoch weder auf einer ‚distanzierten Akademie‘, noch auf einer ‚familiären Nähe‘ oder einem entsprechenden implizierten Verständnis. Nach der hier vertretenen Interpretation soll damit vielmehr die geforderte Empathie beim Umgang mit älteren Menschen zum Ausdruck gebracht werden, welche eben zur Erhaltung der Professionalität (besonders vor dem Hintergrund des Umgangs mit Menschen, die sich im Zweifel in ihrem letzten Lebensabschnitt befinden) eine gewisse Distanzierung auf emotionaler Ebene erfordert und über diese Bezeichnung Ausdruck findet.84 2.3 Zusammenführung und VerknüpfungderMakro- und Meta-Ebene In der Darstellung der drei Argumentationslinien, in welchen die für die Gerontologie relevanten wissenschaftlichen Debatten operationalisiert sind, wurden die pragmatischen Argumentationen als Ausdruck der altenpflegewissenschaftlichen Epistemologie analysiert. Bei diesem Vorgehen liegen mehrere ‚kritische‘ Aspekte auf der Hand, die bei der Beurteilung dessen bedacht werden müssen.Wie in Kap. 2.2.1 hergeleitet, sind diese jedoch auch explizit intendiert. Zum einen konzentriert sich die Analyse auf die Entschlüsselung der textuellen Zusammenhänge über verschiedene Fragmente hinweg. Dadurch geraten transtextuelle Gesichtspunkte scheinbar aus dem Blick. Darüber hinaus kann der Eindruck entstehen, eine annähernd willkürliche Kategorienbildung vorgenommen zu haben. Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Vorwurf einer qualitativen (und 83 Vgl. dazu auch BTDrS 17/3815, wo es heißt, dass sich auch „innerhalb der ‚Heimversorgung‘ […] die Semantik gewandelt [hat], nicht nur durch den Verzicht auf den Heimbegriff sondern auch durch die Bezeichnung der Bewohner: Sie werden nicht mehr als ‚Insassen‘ verstanden (wie es in der Gerichtssprache leider immer noch vorkommt), sondern als ‚Gäste‘ (im Hospiz), als ‚Kunden‘ oder als ‚Mitglieder‘ etwa in einer Wohngruppe angesprochen“ (S. 190, Herv. i.O.). 84 Auch dazu gab es jedoch bereits in den 70er Jahren kritische Stimmen, welche ein ‚Altseinlassen‘ einforderten, jedoch eine Tendenz zur Pathologisierung identifizierten und fragten: „Neigen Mediziner und Angehörige der Berufsgruppen der Altenarbeit nicht dazu, den krankhaften Verlauf des Alterns zu stark überzubewerten?“ (Oestreich 1975, S. 146; aber auch später Schroeter 2002). 56 insbesondere auch Diskurs-)Forschung an einigen Stellen gemacht wird, habe ich versucht, die jeweils entscheidenden Charakteristika der Argumentationslinien sowie ihrer internen Ausdifferenzierungen und damit deren Bestimmungen hinreichend deutlich zu machen. Es ist offensichtlich, dass verschiedene wissenschaftliche Positionen in ihrer jeweiligen Auseinandersetzung mit persuasiver Absicht auch über verschiedene diskursive Argumente, geschweige denn über Argumentationslinien hinweg, unterschiedliche Wege gehen, gleichwohl diese persuasiven und somit mächtigen Aspekte, welche in der Folge transtextuelle Phänomene adressieren, bislang nur konzeptionell thematisiert wurden.85Zum anderen habe ich mich an nicht wenigen Stellen auf Literaturreviews oder andere Publikationen mit eher zusammenfassendemCharakter berufen. Dieses Vorgehen erschien mir jedoch sinnvoll, da ich hier nicht den Anspruch einer Wiedergabe des Forschungsstandes verfolgt habe, sondern vielmehr eine Analyse der in der Disziplin verbreiteten diskursiven Argumentationen leisten wollte. Entsprechende Reviews sind dafür besonders geeignet, da sie schon aus ihrem Zweck heraus ein distinktes diskursives Argument wiedergeben oder sehr deutlich verschiedene diskursive Argumente nebeneinander stellen. Die vorgestellten Argumentationslinien können somit als beispielhafte Wiedergabe dessen in dem entsprechenden Teilbereich gesehen werden. Des Weiteren wurden jene ‚fremddisziplinären‘ Argumentationslinien oder diskursive Argumente nicht mit in die Betrachtung einbezogen, welche in der gerontologischen Debatte ‚nur‘ adressiert werden. Beispielhaft dafür können gesonderte medizinische Innovationen angeführt werden, welche unbestritten in der Gerontologie rezipiert werden. Für die Zielstellung der Offenlegung epistemologischer Hintergründe ist das jedoch ohne Relevanz, da solche konkreten Erörterungen zu fachlichen Neuerungen oder Erkenntnissen in der dahinterliegenden Logik erfasst sind und es ja genau um diese ‚Gesetzmäßigkeiten‘ im Verständnis der eigenen Disziplin geht. Dadurch konnten die drei Argumentationslinien in der Gestalt gewonnen werden, dass Elemente aus verschiedenen diskursiven Bereichen des gleichen epistemologischen Charakters zu einander in Bezug gesetzt wurden (vgl. nochmals Hajer 1997, S. 109).Wenn auch nicht so benannt, wurden die Argumentationslinien in BTDrS 17/3815 (S. XIIIf.) als Themen- und Arbeitsfelder zur Demenz angegeben mit: der Evaluation von Versorgungsstrukturen, der Untersuchung der Wirksamkeit von Therapie- und Pflegemaßnahmen unter Alltagsbedingungen sowie der Sicherung einer evidenzbasierten Versorgung und der Ausbau einer zielgruppenspezifischen Qualifizierung. Darin ist zu erkennen, dass die hier identifizierten Argumentationslinien auch in offiziellen Berichten zur Lage der älteren Generation bedient werden und die von mir vorgenommene Klassifikation tragfähig ist. In der Diskussion zur Makro-Ebene ist deutlich geworden, dass zum einen im gesellschaftlichen Kontext eine generelle Tendenz zur Objektorientierung diagnostizierbar ist und zum anderen im Konkreten Alter und der Umgang mit diesem zum Objekt wird. In der Auseinandersetzung mit den epistemologischen Hintergründen der Altenpflegewissenschaft auf der Meta-Ebene erscheint es obsolet, das zu hinterfragen oder zu diskutieren. Von größerem Interesse erscheint die Reflexion darüber, welche Elemente der Makro-Ebene sich auch in der gerontologischen Debatte nachzeichnen lassen. Es wurde festgestellt, dass die demografische Entwicklung argumentativ als Basis sowohl für die Einführung des PflegeVG als auch für die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie dient. Aufbauend darauf wird auf das weitreichend optimale Funktionieren von Versorgungseinrichtungen und die Ermöglichung dessen durch marktförmige Strukturen und Wettbewerb abgestellt. Diese 85 Vgl. dazu nochmals die Kritik von Diaz-Bone (2010) an der Diskurslinguistik. 57 Forderungen sind als juristischer Hintergrund der Altenpflege in Deutschland festgeschrieben und finden sich auch in der Gerontologie als entsprechendes Epistem der ‚Unangefochtenheit des Wirtschaftlichkeitsprinzips‘ wieder. ImAnspruch,einen optimalen Umgang mit dem Alter zu pflegen, liegt auch das Streben nach dem Verhindern eines Scheiterns in der ‚Behandlung‘ des Alter(n)s. Ein Umgang mit dem Phänomen innerhalb stationärer Altenpflegeeinrichtungen wird nicht nur im zeitdiagnostischen wie auch kollektivsymbolischen Sinne als effektiv und produktiv dargestellt. Diese Forderung findet sich auch in weiten Teilen der betriebswirtschaftlichen Diskussion. Dabei ist deutlich geworden, dass die gesellschaftlichen Bilder des Alter(n)s, jedoch ebenso und insbesondere die gesetzlichen Vorgaben als Gegebenheiten wahrgenommen werden. Unterschiede in der betriebswirtschaftlichen Argumentation sind hingegen in der Beurteilung dessen zu sehen. Es wird zum einen deutlich, dass Altenpflegeeinrichtungen sich an diese Umweltbedingungen im pragmatischen Sinne anpassen sollten. So wird bspw. der gesetzlich vorgeschriebene Vorrang der Prävention so interpretiert, dass Altenpflegeeinrichtungen die Apparate zur Umsetzung dessen sind und an dieser Stelle keinen Einfluss nehmen können. Auf der anderen Seite wurde starke Kritik an den Reaktionsmodi der Einrichtungen geäußert, da diese nicht den Versuch unternommen haben, sich im unternehmerischen Interesse zu verändern. Als unternehmerisches Interesse stellte sich dabei auch die Sorge um die Mitarbeiter_Innen heraus. Im Zeitdiagnostischen wurde festgestellt, dass Selbstkontrolle ein weitverbreiteter Modus in der Gesellschaft ist. Im gerontologischen Diskurs wurde die Freiwilligkeit in der Kontrolle des eigenen Handelns als ein Weg angeführt, welcher zum Erfolg führt. Dabei wurde in eher kritischer Absicht angemerkt, dass die Interpretation der Rahmenbedingungen durch die Einrichtungen zu einem Teufelskreis für die Pflegenden führe, welche in einen Konflikt zwischen Leben und Arbeit gebracht würden. Dieser Konflikt sei zwar durch den juristischen Kontext bedingt, jedoch nur mittelbar. Die Ausgestaltung der gesetzgeberischen Vorgaben würde – so die betriebswirtschaftliche Argumentation – durch die stationären Altenpflegeeinrichtungen selbst vorgenommen. Darauf folgende negative Entwicklungen bei den in der Altenpflege Beschäftigten wie Selbstleugnung, Burnout, Stressempfinden oder Zynismus würden dann von den Einrichtungen an die rechtlichen Umständen rückgebunden, wobei eigene Spielräume im Ermessen ignoriert bleiben. Darin kann eine protonormalistische Strategie erkannt werden, welche durch harte Grenzziehung dessen, was als normal angesehen wird, Interpretations- und Aktionsmöglichkeiten bei den Einrichtungen begrenzt. Anderseits werden jedoch ebenso Eigenverantwortung und Eigenermessen betont, worin in der Gesamtschau ein Zusammenspiel zwischen Einhalten von apodiktischen Regeln und Flexibilisierung durch Normabweichung und unternehmerischen Geist, gesehen werden kann. In mehrerer Hinsicht wird dabei auch die zeitdiagnostische Entwicklung zur Verschiebung grenzziehender Elemente in die Subjekte hinein deutlich. Einerseits wird in Bezug auf die Beschäftigten festgestellt, dass diese Freiraum brauchen, damit sich ggf. ein panoptischer Blick überhaupt entwickeln kann. Damit verbunden wird in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie auch die Wichtigkeit gut ausgebildeter Fachkräfte hervorgehoben, welchen eben Freiräume geboten werden müssen, auch um das organisationsbedingte Stresserleben zu mindern. Andererseits, aber ebenso in Verbindung damit, werden optimale und praxisrelevante Führungsstile diskutiert, wodurch die Grenzen, welche gutes oder schlechtes Führungsverhalten, Praxistauglichkeit oder -untauglichkeit bedingen, wiederum in die Führungskräfte von Altenpflegeeinrichtungen verschoben. Es wurde darüber hinaus deutlich, dass in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie die gesetzgeberischen Eingriffe teilweise als der Heteronomie des Alters und dem Umgang mit diesem entgegen laufend dargestellt werden. Darauf gründet die Forderung einer – hier für die Beschäftigten – humaner ausgerichteten und damit besseren Implementierung von Richtlinien. Auch die Kollektivsymbole der muffig anmutenden 58 Altenpflegeeinrichtungen finden sich in der betriebswirtschaftlichen Argumentation wieder. Das Insistieren darauf, dass flexible Optionen für die Einrichtungen gefunden werden müssen, welche sowohl den Beschäftigten zu Gute kommen, aber ebenso das Bild des Berufsstand wie auch der Einrichtungen an sich in der Öffentlichkeit aufbessern können, ist ein Beispiel dafür. Ein anderes ist das Bemühen darum, den Dienstleistungscharakter der Tätigkeit in der Vordergrund zu stellen, welcher darüber hinaus auf dem neuesten Stand sein sollte. In der akademischen Argumentationslinie ist deutlich feststellbar, dass sich die Altenpflege als Disziplin seit Einführung des PflegeVG einem Dispositiv der Pflege ausgesetzt, bzw. im Allgemeinen vereinnahmt und fremdbestimmt, sieht. Dabei sind jedoch nicht ausschließlich juristische Verweise feststellbar, sondern ebenso Bezüge zu Kollektivsymbolen wie dem krankhaften Alter(n). Interessant ist dabei der Ausdruck eines beinahe elitären Bedürfnisses nach Abgrenzung von einer entsprechenden Alltagsmoral. Dieses wurde gleichsam in unterschiedlichen Ausdrücken aufgezeigt. In Rückbindung auf das medizinische Pflegeverständnis, welches im PflegeVG festgehalten ist, wird in der akademischen Argumentationslinie auch ein in der Medizin fundiertes Verständnis der Disziplin handlungsleitend. Dieses findet Ausdruck in der Maßgabe der Messbarkeit von allem, auch von Forschungsergebnissen. Da diese zu weiten Teilen aus dem pflegerischen Alltag kommen müssen, wird dieser ebenso dem Primat der Messbarkeit unterworfen, was sich in der Dokumentation des Pflegeprozesses auf rechtlicher Seite, wie auch im wissenschaftlichen Diskurs zeigt. Darin wird in der akademischen Argumentation das Qualitätsmerkmal von Pflege gesehen, denn nur über Dokumentation kann Pflege gemessen, der Fachdiskussion zugeführt und vor fachlichen Standards eruiert werden (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 182). Darin ist nicht nur die gesetzlich bestimmte Stärkung einer medizinischen Perspektive auf Pflege bestimmt, sondern auch die akademische Forderung nach Praxisbezug, jenseits einer reinen Akademisierung der Pflege als wissenschaftliches Feld. In der Forderung nach Multidisziplinarität der Pflege, um den innovativen Charakter der Disziplin zu stärken ist zum einen die protonormalistische Tendenz der Normalisierungsgesellschaft zu erkennen, Grenzen aufzuweichen und über diese hinauszugehen. Darüber hinaus ist darin der Trend zur flexiblen Beherrschung des Körpers wie auch Geistes erkennbar, da es eben nicht nur um die Pflege von alten Körpern geht, sondern auch um die Sorge und Einbindung der alten Menschen als Personen. Vor einem solchen Hintergrund wurde die Debatte um das biologisch-psychologischsoziale Modell der Pflege aufgezeigt, worin sich auch alle Bereiche der Kollektivsymbolik über das Alter(n) erkennen lassen. Im Changieren zwischen verschiedenen Positionen in der Verortung der Gerontologie als Disziplin ist ebenso die Bedienung verschiedener Bilder des Alter(n)s zu erkennen. In einer Nähe-zur-Medizin-suchenden Perspektive drücken sich Bilder über das krankhafte, defizitäre Alter(n) aus.Positiv konnotierte Bilder der vitalen Alten hingegen erfahren in einer Orientierung an der Sozialwissenschaft und der Einzigartigkeit der Gerontologie stärker Rezeption. Im Rahmen der akademischen Argumentationslinie scheint die Gerontologie in einem ‚Kampf um Normalität‘ des Alters und im Besonderen im Umgang damit sein. In diesem Kampf geht es um Legimitation und Reputation einer (eigenständigen?) Disziplin in der Gesellschaft und um Definitionsmacht über Inhalte. Dabei schließen die diskursiven Argumente an die zeitdiagnostischen, kollektivsymbolischen wie auch gesetzlichen Gegebenheiten auf gesellschaftlicher Ebene an. Die Relevanz der Rehabilitation und Prävention ist gesetzlich ‚aufgezeigt‘ und wird in der Pflegeforschung auch entsprechend aufgenommen und berücksichtigt (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. 161). Dabei wird genauso deutlich, dass auch in der akademischen Auseinandersetzung innerhalb der Gerontologie ein Fortschrittsmotiv argumentiert wird, welches nicht ausschließlich auf den abbauenden Charakter 59 des Alters rekurriert, sondern auch Veränderung, Wiederherstellung und Erfolg in der Betrachtung und Positionierung der disziplinären Tätigkeit zulässt. Für die soziale Argumentationslinie ist festzustellen, dass deren Basis in der weithin negativen und menschenfremden öffentlichen Wahrnehmung der Altenpflegeeinrichtungen, der Altenpflege als solches und der darin tätigen Menschen zu liegen scheint. Diese negativen Kollektivsymbole über das Alter(n) oder auch die stationäre Altenpflege (vgl. abermals Dowideit 2012) und die darin explizit wie implizit geäußerte Kritik werden in der sozialen Argumentationslinie aufgenommen und verarbeitet. Die zeitdiagnostischen Aspekte bestätigend, findet über den Austausch dieser diskursiven Argumente und deren unablässige Kommunikation ein steter Wandel von Sinn statt, da die entsprechenden Hintergründe der Kritik zentriert werden. Ähnlich der betriebswirtschaftlichen und akademischen wird auch in der sozialen Argumentationslinie ein Wandel seit Einführung des PflegeVG thematisiert, indem der handlungsleitende Charakter des geänderten Verständnisses der Pflegebedürftigkeit hervorgehoben wird, was die Zentrierung der Bewohner_Innen erschwert, bzw. die Pflegenden vor höhere Anforderungen stellt, wenn sie die Pflegebedürftigen mit ihren Bedürfnissen in den Fokus ihres Tuns setzen. Dabei muss hier jedoch eingewendet werden, dass das PflegeVG u.a. eingeführt wurde, um die oben erwähnten Missstände auch in der Außenwahrnehmung einzudämmen. In der sozialen Argumentationslinie werden dabei insbesondere Bilder des Alter(n)s indirekt thematisiert. Das argumentative Anliegen ist, Aktivität und Produktivität der Alten in der Gesellschaft neu zu konnotieren, um deren Wert und den dazugehörigen Beitrag der Altenpflege herauszustellen, wie z.B. in der Diskussion zur aktivierenden Pflege in Hinblick auf das mobile Alter und die vitalen Alten. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass Versorgungskonzepte diskutiert werden, welchen zugetraut wird, einen Beitrag in der Veränderung der Wahrnehmung gerontologischer Tätigkeit in der Öffentlichkeit wie auch in der Politik zu leisten (vgl. auch BTDrS 17/3815, S. VI). In der sozialen Argumentationslinie ist der Kernpunkt jedoch nicht der Vorteil der Gerontologie oder der darin tätigen Menschen, welcher daraus gezogen werden könnte, sondern der Vorteil für die alten Menschen, welche sich in stationären Pflegeeinrichtungen befinden (werden). Dabei werden auch jene Elemente bedient, welche die Standardisierung des Alters im Alter in Frage stellen. Die Individualität und der Beitrag des Alters für die Gesellschaft werden argumentativ hervorgehoben, was auch die grundsätzliche Möglichkeit der Optimalität und des Aufschiebens beinhaltet. In der Logik der Argumentationslinie führt das auch zu einer ablehnenden Haltung gegenüber normierenden Maßgaben von außen. Darin ist eine flexibel-normalistische Strategie zu erkennen. Andererseits sind jedoch ebenso protonormalistische Züge zuerkennen, da diskursive Argumente des Sozialen ebenso Konflikte zwischen Bewohner_Innen und Pflegekräften adressieren und dabei grundsätzlich den Zupflegenden und deren Befindlichkeiten Priorität einräumen, was wiederum Machtaspekte in die Pflegekräfte verschiebt. Auffällig ist, dass dieses diskursive Argument innerhalb der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie komplett gegenläufig eingesetzt wird. Wurden dort die Schwierigkeiten für die in der Pflege Beschäftigen aufgezeigt, wird innerhalb der sozialen Argumentation, durch die Zentrierung der alten Menschen, die Aufhebung von entsprechenden Schwierigkeiten als Aufgabe und Maßstab der Beurteilung für Altenpflegekräfte gesehen. Darin können wiederum Parallelen zur betriebswirtschaftlichen Mainstream Argumentation gezeichnet werden, da auch da die Bedürfnisse der (potentiellen) Bewohner_Innen im wettbewerblichen Sinne priorisiert werden sollen. Wichtig ist dabei jedoch, dass dies vor einem komplett anderen epistemologischen Hintergrund erfolgt und eben deswegen auch in einer anderen Argumentationslinie bearbeitet wurde.Das findet auch Ausdruck in der Forderung nach annähernder Hierarchielosigkeit als flexibel-normalistische Tendenz oder in einer anderen Interpretation: die 60 Zurückstellung der Pflegekräfte als protonormalistische Tendenz. Ähnlich zu sehen ist die Herausstellung der engen Zusammenarbeit und des Eingespieltseins zwischen Pflegenden, externen Akteur_Innen und Bewohner_Innen zur Förderung präventiver Maßnahmen. Damit wird wieder (wie in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie) das diskursive Argument der Biomacht eingeführt, worin auch eine Zentrierung von Immaterialitäten als kontrollgesellschaftlicher Ausdruck im Speziellen, in gesamten Argumentationslinie jedoch auch im Allgemeinen, erkennbar wird. Grundlegend findet sich dieser Ausdruck in der Personenzentriertheit, der generellen humanistischen (wenn auch nur für alte Menschen) Perspektive und der Empathie als konstitutive Elemente pflegerischen Handelns wie es in der sozialen Argumentationslinie vertreten wird. Als Indiz für eine flexibel-normalistische Strategie, wiewohl ein scheinbarer Abbau von Machtbeziehungen zwischen Pflegenden und Zupflegenden, kann auch die Änderung in der Bezeichnung gesehen werden, welche eine professionalisierte Nähe ausdrückt. Diese ist in der sozialen Argumentationslinie besonders in der Forderung nach einer steten Selbstreflexion der Pflegekräfte ersichtlich. Im Anspruch, die Bedürfnisse älterer Menschen in der praktischen Pflegearbeit fortwährend zu erkennen und ihnen auch gerecht zu werden, ist die Diagnose eines Scheidens von Sicherheiten für die Pflegekräfte zu erkennen. 2.4 Zwischenfazit Vor dem Hintergrund des praktischen Erkenntnisinteresses der Arbeit und dem Einschluss einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive in die Erforschung organisationaler Zusammenhänge, habe ich bisher den Versuch unternommen, die Ontologie des ‚Außerorganisationalen‘ (vgl. S. 9) zu erschließen. Als Ziel bis zu diesem Punkt habe ich ausgegeben, die grundsätzlichen Voraussetzungen für Sinnstiftung und -zuschreibung innerhalb von Organisationen, welche in diesen Abstraktheiten auf gesellschaftlicher Ebene begründet liegen, offenzulegen und zu analysieren, um einen Beitrag zum Verständnis deren Einfluss zu leisten.Dafür wurde das Außerorganisationale analytisch in zwei Teile gegliedert: Makro-Zusammenhänge und Meta-Zusammenhänge. Es wurde deutlich, dass auf der Makro-Ebene sowohl zeitdiagnostische wiewohl diskursive als auch juristische Elemente im Abstrakten, wie auch gegenstandsbezogen im Konkreten relevant und identifizierbar sind. Auf der ‚daneben liegenden‘ Meta-Ebene hingegen wurden objektbezogene epistemologische Momente analysiert, welche ‚näher‘ an den Organisationen anzutreffen sind und als unterschiedliche Argumentationslinien innerhalb der entsprechenden Wissenskategorie – der Gerontologie – um Erkenntnis und Geltung ‚kämpfen‘.86 Es wurde in Kap. 2 festgestellt, dass die Makro-Ebene intern stark zusammenhängt. Dabei wurde der Einfluss der normalistischen Strategien innerhalb der Kontrollgesellschaft auf die Kollektivsymbolik über das Alter(n) deutlich. Gleiches gilt für die entsprechenden Verbindungen des zeitdiagnostischen Einflusses auf die Gesetzgebung wie auch der entsprechende Einfluss der gesellschaftlichen Bilder über das Alter(n). In der anschließenden Analyse der diskursiven Argumente und deren Zusammenhänge wurde ebenso deutlich, dass die Elemente der drei Makro-Kategorien wieder auftauchen. Dabei wurden Indizien87 sowohl für die protonormalistische wie auch für die flexibelnormalistische Strategie gefunden. Es wurde auch festgestellt, dass in allen drei 86 Einen solchen Kampf hat Cheal (1990, S. 133) in Hinblick auf die Anwendung positivistischer Methodologie innerhalb der Soziologie als „totalizing metanarrative“ bezeichnet. 87 Ich spreche hier von Indizien, da ich mir des interpretativen Charakters der Analyse bewusst bin. 61 Argumentationslinien Praxisnähe, -relevanz oder -tauglichkeit diskutiert oder eingefordert wurde, jedoch in einem jeweils von einander unterschiedlichem Verständnis. So können die unter 2.2 diskutierten epistemologischen Phänomene zwar als theoretischer Diskurs abgetan werden, jedoch ist für mich an dieser Stelle deutlich, dass die Offenlegung von Epistemen, separat betrachtet von gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen, von elementarer Wichtigkeit für die Analyse außerorganisationaler Elemente zu sehen ist. 88 Auch die juristische Kategorie liegt in dieser Betrachtung ‚weiter‘ vom organisationalen Alltagsgeschehen entfernt und damit ferner einer eventuellen Einflussnahme (in beiderlei Richtung) als die Kämpfe um Wahrheit in dem entsprechenden Objektfeld – der Altenpflege. Deutlich zu erkennen war jedoch die (auch unterschiedliche) Rezeption der juristischen Inhalte im Rahmen der diskursiven Argumente. 89 Gleiches gilt für die Kollektivsymbolik über das Alter(n) und deren Einfluss auf die fachliche Debatte um Geltungsansprüche. Nach dieser Analyse und der Rekonstruktion der überorganisationalen Elemente, Muster und deren Zusammenhänge, wende ich mich im Folgenden der empirischen Untersuchung zu, um den Einfluss des Außerorganisationalen auf die stationären Altenpflegeeinrichtungen zu untersuchen. 88 Nichtsdestotrotz sind die Verbindungen und die Untrennbarkeit von Makro- und Meta-Ebene deutlich geworden. Althusser bezeichnet dies als Untrennbarkeit der „Struktur des ganzen sozialen Körpers“, den „formalen Existenzbedingungen“ und dem Kern, welcher daraus entsteht, an sich und hält fest: „wir können ihn in seinem Prinzip überdeterminiert nennen.“ (Althusser 1974, S. 65f., m.Herv. i.O.). Althusser leitet dies an der Betrachtung ‚revolutionärer Umstände‘ her. Dabei möchte ich keinesfalls eine gesellschaftliche Revolution als Organisation verstehen. Den Gedanken als solchen bzgl. der Determination des Kerns einer Revolution und der Nähe des Rüchschlusses für den Gegenstand einer Organisation empfinde ich jedoch höchst interessant, wenngleich dieser in seiner gesamten analytischen Tragweite nicht ausgeführt werden kann. 89 Dabei war es auffällig, dass nur gesetzliche Rahmenbedingungen eingeflossen sind, die auf das PflegeVG zurückzuführen sind und keine mit Rückbindung auf die Landesheimgesetze. Das scheint jedoch auch verständlich vor dem Hintergrund, dass die Landesheimgesetze eben nur eine Reichweite für die jeweiligen Bundesländer haben und somit in einer umfassenderen (international wie national) Diskussion ohne regionalen Fokus keine Berücksichtigung erfahren. 62 3 Vorüberlegungen zur Empirie In diesem Teil der Arbeit wende ich mich einigen Vorüberlegungen zu, welche vor der Darstellung der empirischen Untersuchung als interpretatives Bindeglied zwischen den Ebenen dargestellt werden müssen. Im Zuge dessen stelle ich zunächst ein Analysekonzept für die empirische Betrachtung der Aufnahme von überorganisationalen Elementen auf der Ebene der Organisation dar. Für die Einschätzung der Güte der Erhebung und der Interpretation der Daten ist es weiterhin notwendig, das methodische Vorgehen offenzulegen. Dafür werde ich mit der Darstellung der Fallanalyse als gewählte Methode beginnen. Anschließend diskutiere ich kurz die Frage der Güte der gewählten qualitativen Erhebungsmethode und der daraus resultierenden Daten, um darauf aufbauend eine detaillierte Beschreibung der Erhebungssituation zu geben. 3.1 Das Analysekonzept der narrierenden Organisation auf der Meso-Ebene Um aufzuzeigen, inwieweit sich die Elemente des Außerorganisationalen in den Interviews und damit in den untersuchten Fällen auf der Meso-Ebene wiederfinden, möchte ich im Folgenden ein modellhaftes Organisationsverständnis darlegen. Dafür führe ich den Begriff der narrierenden Organisation ein. Das Konzept ermöglicht es, jene Sachverhalte, welche in Kap. 2 hergeleitet, analysiert und in Bezug gesetzt wurden, auf deren Auftreten in den Fällen sichtbar und darüber hinaus erklärbar zu machen. Ausgangspunkt für das Konzept ist abermals die Story (vgl. Kap. 2.2.1) als argumentative Auseinandersetzung. Dahinter steht die Annahme, dass Stories das Verständnis über die relevante Umwelt grundsätzlich ermöglichen, bestimmen und verändern. In Organisationen haben Stories die Funktion, eines ‚intraorganisationalen Diskurses‘, welcher für die Organisationsmitglieder die Basis für organisationsweite Annahmen und Charakteristika von Handlungen und Entscheidungen bildet. Watson (1995, S. 113) spricht von einem „corporate discourse [… that] shapes the way people behave, in so far they incorporate that discourse into their working lives“ (vgl. auch Boje 1991, S. 106; Boje/Dennehy 1993, S. 156). 90 Das organisationale Storytelling ist dabei einer steten Veränderung unterworfen, weshalb einzelne Stories auch keinen grundsätzlichen Charakter von Unveränderbarkeit aufweisen. Das kann bei anderen Texten in Organisationen (wie z.B. Grundordnungen, Verfahrensvorschriften o.ä.) anders sein.91 Vielmehr leben sie von der Narration ihrer Inhalte und damit der ‚Akzeptanz‘ durch die Organisationsmitglieder und der Wichtigkeit der Stories für die Sinnstiftung durch den ‚Plot‘ der Story. Dieser Plot ist die logische Struktur der Storyinhalte, in welchem die einzelnen Elemente als Argumente dienen, um verschiedene relevante Aspekte der Lebenswelt anschlussfähig zu machen und zueinander in Bezug zu setzen.92 Czarniawska und Joerges (1995, S. 8) sprechen in diesem Zusammenhang von Sequenzialität. 90 Drew und Sorjonen (1997, S. 92) wählen die Bezeichnung „institutional dialogue“, in welchem diskursive Elemente in die organisationale Lebenswelt einbezogen werden und schlagen als Analyseebenen die lexikalische, die syntaktische, die prosodischen und die sequenzielle vor. 91 Phillips und Kolleg_Innen (2004) sehen Texte generell (und meinen damit auch Geschichten und gesprochene Texte) als konstituierendes Moment der Institutionenbildung. Damit legen sie an dieser Stelle m.E. weniger Wert auf die Frage nach der Notwendigkeit der aktiven Nutzung verschiedener Textsorten. 92 Gabriel (2000, S.31) verweist explizit darauf, dass es in organisationalen Stories nicht um ‚facts-asinformation‘, sondern vielmehr um ‚facts-as-experience‘ geht. 63 „Sequentiality implies causality – in terms of both objective causes and human intentions – and is the basic glue which holds together our narratives. […] all kinds of displacements in space and time are better captured using metaphors, this central element of the paradigmatic (i.e. scientific) mode of knowing.“ Diese Narrationen sind damit viel mehr als reines Geschichtenerzählen und fernab einer ausschließlichen Funktion der Unterhaltung. Narrationen in Organisationen bilden, lehren, erklären, überzeugen, warnen, geben Sicherheiten, rechtfertigen, spenden Trost und Gemeinschaft (vgl. auch Gabriel 2000, S. 32). Storytelling ist dabei zu einem großen Teil der Austausch über für die Organisation Sinnstiftendes. Gabriel (ebd., S. 36ff.) benennt verschiedene Mechanismen, welche im organisationalen Storytelling Bedeutungen anbieten und aus einer reinen Informationsweitergabe Erfahrungswerte generieren. Er sieht diese in der jeweiligen Attribution der folgenden „poetic tropes“: - Beweggründe – als eines der stärksten Mittel der Sinnstiftung kausale Zusammenhänge – Aufzeigen von Anlässen und Folgen Ansehen und Schande – Fragen nach Verantwortung, Ethik und Richtig wie Falsch Gemeinschaft – Erzeugung von personenübergreifender Undifferenziertheit Gegensätzlichkeit – Identifikation von wichtig und unwichtig Emotion – Erzeugung emotionaler Bindung durch die Story oder Einbindung von Emotionen der Organisationsmitglieder Zuständigkeit – Überführung von passiven Objektivitäten in subjektive Verbindlichkeiten günstige Umstände – Aufzeigen von Unumgänglichkeiten in schicksalhaften Gegebenheiten. Gabriel bezieht sich zwar auch explizit auf Organisationen, schließt jedoch auf die Struktur der Stories als solche, auf deren Erzählweise. Ähnlich argumentiert Boje (1991). Boje hält zwar fest, dass „[t]ext research does not capture basic aspects of the situated language“, fährt jedoch direkt fort „such as is introduced into the ongoing interaction, how listeners react to the story, and how the story affects subsequent dialogue“ (ebd., S. 107). Darin werden verschiedene Schwierigkeiten der bisherigen Forschung zu ‚Storytelling‘ in Kontext von Organisationsforschung deutlich. Zum einen wird darin oftmals auf sprachliche Oberflächenstrukturen abgestellt93 und zum anderen auf die Wirkung von Stories auf Individuen bzw. deren Handlungen als ‚Storyteller_In‘94. Die Analyse von sprachlichen Oberflächenstrukturen mag an anderer Stelle aufschlussreich sein, für die Erforschung von Organisationen ist sie jedoch ohne Wert (vgl. auch Kap. 2.2.1). Bei einer Hinwendung zu den inhaltlichen Besonderheiten organisationaler Stories können Organisationen mit Boje und Kolleg_Innen (2004, S. 571) gesehen werden als „material practices of text and talk set in currents of political economy and sociohistory – in time and space. From this point of view, what an organization is and everything that happens in and to it can be seen as a phenomenon in and of language.“ Dabei soll der Fokus aber eben auf der steten Veränderbarkeit von Textinhalten liegen. Eine in einer Organisation niemals thematisierte Hausordnung ist somit nicht präsent. Eine solche Orientierung auf Inhalte erlaubt es, den relevanten Kontext zu suchen und zu erkennen. Van Dijk (2006, S. 165) 93 So liegt der Fokus auf „how people interduce stories, how they extend and interrupt stories“ (Boje 1991, S. 107) und ‚poetic tropes‘ (Gabriel 2000). 94 Vgl. dazu Gabriel (2000, S. 41) oder Boje (1991, S. 107), welcher festhält, dass Stories „will serve as precendet for individual assumption, decision, and action“. Ähnlich argumentieren van Dijk (2006) und Edwards (2006), welche jeweils den individuellen Kontext (u.a. Sozialisation) und die Auswirkungen auf die entsprechenden kognitiven Vorgaben beim persönlichen Einbringen in einen Diskurs bzw. die Frage nach der individuellen Intention stark machen. 64 konstatiert, dass Kontexte als Konstrukte relevanter Aspekte sozialer, politischer und kultureller Rahmenbedingungen gedacht werden können, führt jedoch zugleich an „contexts are usually not ‚observable‘ at all“ (ebd., S. 164, Herv. i.O.). Auch Gabriel (2000, S. 91f.) hält fest, „Thus a stories can at the same time express an individual’s deeply private and personal desires […], a group’s shared fantasy […], and deeper structural and political realities […].“ Dabei unterstelle ich, dass es für eine Organisation irrelevant ist, was die privaten und persönlichen Bedürfnisse einer Person sind, solange diese nicht in die Narrationen der Organisation einfließen. Ob ein Mensch sich bspw. in einer Organisation unterdrückt oder unterfordert fühlt, spielt für die Organisation keinerlei Rolle, solange die Unterdrückung und Unterforderung von Menschen innerhalb der verschiedenstenNarrationen der Organisation keinerlei Beachtung erfahren. Dieser Gedanke kann an die Indifferenzzonen von Barnard (1938) [1970] angelehnt werden, wo diese Zonen der Indifferenz mit einer Dreiteilung von praktikablen Handlungsweisen innerhalb einer Organisation erklärt werden. Dabei trifft Barnard eine Unterscheidung nach dem Grad der Annehmbarkeit von Anweisungen für die Individuen in: gänzlich inakzeptable, kaum annehmbare und eindeutig annehmbare Anweisungen (Barnard 1938 [1970], S. 144).95Die eindeutig annehmbaren Anweisungen oder handlungsleitenden Kommunikationselemente liegen dabei in der Zone der Indifferenz, „innerhalb derer Anweisungen annehmbar sind, ohne daß man bewußt den Grad ihrer Autorität prüft“ (ebd., S. 143). Dabei liegt der konzeptionelle Fokus hier auf der Berücksichtigung in den Narrationen der Organisation, denn diese sind – der hier vorgenommenen Konzeption folgend – elementar für das reale Prozessieren der Organisation. Dadurch sind Themen, die zwar von einzelnen Individuen bedient werden, jedoch keinerlei Bezugnahmen innerhalb der organisationalen Narration erfahren, für die Organisation nicht vorhanden, oder konkreter: schlichtweg ohne jegliche Relevanz.96 Dieser Gedanke umfasst wiederum das ‚bewusste‘ Aussparen bestimmter Themen in den organisationalen Narrationen, auch (aber nicht nur) im Sinne eines konstitutiven Außens. Darüber kann für die Organisation über die Nichtnarration eines Themas Sinn entstehen. Dieser (zunächst ggf. abwegig erscheinende) Gedanke ist innerhalb der Organisationstheorien nicht ‚Mainstream‘, aber ebenso kein unbekannter. Bei Durkheim (1995, S. 100) findet sich die Idee, es gäbe „keinen sozialen Konformismus, der nicht eine ganze Reihe von individuellen Nuancen vertrüge“, jedoch kommen ab einem bestimmten Punkt Grenzen, welche nicht überschritten werden können. Wenn auch zwischen Organisationen zeigen ebenso Meyer und Rowan (1977), dass Abweichungen unter der strukturellen Oberfläche von Organisationen möglich sind, worin sich im decoupling ebenso Nichtnarrationen lesen ließen. Auch bei Stolz und Türk (1992) findet sich dieser Gedanke, wobei hier die Organisationen als Mittel gezeichnet werden, welche desymbolisieren und darüber diskriminierend zwischen verschiedenen Themenbereichen wirken.97 Ortmann (2004, S. 104f.) hält – im Anschluss an diese und weitere Bezüge – fest, dass Organisationen 95 Bei Barnard entsteht mithinder Eindruck, es ginge in weiten Teilen um Autorität und dem Befolgen von Anweisungen innerhalb von Organisationen. Jedoch findet sich der explizite Verweis auf die Kommunikation als elementarer Bestandteil dessen, was eine reine ‚Top-Down-Betrachtung‘ erweitert: „Die Mitwirkenden sind also bereit, die Autorität der Kommunikation aufrechtzuerhalten, weil überall, wo überwiegend annehmbare Anordnungen gegeben werden, die meisten davon in die Zone der Indifferenz fallen und weil außerdem ein gewisser Gemeinschaftsgeist die Motive der Handelnden beeinflusst.“ (Barnard 1938 [1970], S. 145) 96 Bei Barnard findet dieser Aspekt Ausdruck in der Organisationspersönlichkeit, welche einen privaten Moralkodex aufweist, „den eine formelle Organisation für ihre eigenen Bedürfnisse entwickelt hat“. (Barnard 1938 [1970], S. 222) 97 Stolz und Türk begreifen in diesem Sinne das „Phänomen der Herrschaft […] als Dialektik von Trennung und Desymbolisierung“, wobei sie festhalten, eine solche Fassung von Herrschaft diene „der Präzisierung jenes Quasi-Subjektes der Zurichtung menschlicher und außermenschlicher Natur, welches sich in der grammatischen Subjektstellung als ‚kollektiver Akteur‘ widerspiegelt.“ (Stolz/Türk 1992, S. 132, Herv. i.O.). 65 dabei gleichsam von Individuen „genötigt […,] beeinflusst, umgangen, unterminiert, neu gestaltet“ werden können und sieht genau darin die Bedeutung von „Strukturation und Dekonstruktion“. Im Rahmen dieser Konzeption ist organisationale Sinnstiftung jenseits einer (Nicht-)Narration ausgeschlossen. Wenn Sinn, wie oben konzipiert, nur über den Austausch zwischen Individuen entstehen kann und dabei sowohl Narration wie auch Nichtnarration (als konstitutives Außen) umfasst, dann entsteht durch die Mitgliedschaft der Individuen in einer narrierenden Organisation Sinn für diese Organisation durch den Austausch. Der darausfolgende konzeptionelle Schluss ist der, dass sobald es keinen Austausch, keine Narration und keine Nichtnarration gibt, für die narrierende Organisation kein Sinn entstehen kann. Dieser zunächst platt anmutende Rückschluss ergibt sich jedoch aus dem Bewusstsein der Narration wie auch der Nichtnarration innerhalb des Austauschs zwischen Individuen, welche über ihre Mitgliedschaft als Teile einer Organisation gesehen werden können. Daran anschließend glaube ich, Narrationen sind „the machines that tie the individual’s uniqueness as an individual to the uniqueness […] of his or her organization“ (Gabriel 2000, S. 115). Das schließt ein, dass ich nicht die Existenz von Individuen in Zweifel ziehen möchte. Vielmehr möchte ich die Relevanz von verschiedenen Organisationen für Individuen herausstellen. In verschiedenen Organisationen bringen Individuen sich verschieden ein, erfahren unterschiedliche Stories und Narrationen, treffen unterschiedliche (ggf. konfligierende) Unterscheidungen auf Basis der Narrationen, welche auf geteilten Vorstellungen und Interpretationen basieren (vgl. abermals Gabriel 2000, S. 36ff. sowie Czarniawska/Joerges 1995, S. 16). Neben den angesprochenen Problemen der bisherigen Anwendung des ‚Story-Konzepts‘ überwiegen die interessanten und anschlussfähigen Aspekte in den Rezeptionen. Es ist jedoch deutlich, dass es mir um Narrationen und Stories in Organisationen geht, welche von Relevanz für die Konstitution – verstanden als Sinngebung – der Organisation sind. Neben den bisher angeführten Charakteristika verweisen verschiedene Autor_Innen auf die zentrale Rolle einzelner Personen in Bezug auf die Inhalte der Narrationen. Unter Bezugnahme auf Anthony gibt Watson (1995, S. 113) an, dass Manager_Innen die Funktion Narrator_Innen und somit Erzähler_Innen auszuüben haben. Der Rückschluss daraus wäre, dass nur Personen höherer Hierarchieebenen die Etablierung und vor allem auch die Fortführung einer Narration bestimmen können. Wenn z.B. eine Führungskraft jedoch keine oder nur einige der oben genannten Attributionen Gabriels vornehmen kann und aus diesem Grund bei den restlichen Organisationsmitgliedern keine Narration evozieren kann, dass bspw. der Sinnzusammenhang oder die emotionale Bindung an die argumentative Verknüpfung nicht offensichtlich ist, existiert die Narration nicht oder verbleibt unter Umständen auf dem Status eines Monologs. Dabei liegt es auf der Hand, dass Unterschiede in den narrativen Mustern unterschiedlicher hierarchischer Positionen existieren können (vgl. auch Beech 2000; Brown/Humphreys 2003)98. Verschiedene Autor_Innen unterstreichen die Stellung der erzählenden Person innerhalb einer Organisation für die Relevanz der erzählten Inhalte unterschiedlich stark. Whittle und Kolleg_Innen (2010) verweisen dabei und in Zusammenhang mit der inhaltlichen Übersetzung organisationalen Wandels ‚nur‘ auf unterschiedliche Machtpositionen (Whittle et al. 2010, S. 23), welche Change Agents inne haben müssen, um „an active mediator […] rather than a passive intermediary“ (ebd., S. 32) zu sein.99 Die 98 Besonders Brown und Humpreys (2003) zeigen jedoch nicht die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Hierarchiestufen auf, sondern Differenzen hinsichtlich des Vermögens der emotionalen Einbindung und der darauf basierenden Überzeugungsmacht. 99 Es zeigt sich hier eine mögliche Parallele zur Führungsforschung. Für so verstandene Change Agents ist eine gewisse Nähe zur symbolischen Führung erkennbar. Bei Neuberger besteht diese aus der symbolisierten Führung und der symbolisierenden Führung, wobei Führungskräfte (in sehr verkürzter Darstellung) ebenso 66 Change Agents mediieren dabei zwar zwischen verschiedenen persönlichen Interessen der Organisationsmitglieder, jedoch in dergestalt, dass unterschiedliche Standpunkte, ausgedrückt in Argumentationen, dahingehend übersetzt werden, dass „the recipients […] would further their interests, to something that would hinder their interests, to something that would help the recipients in the longer term, to something that would reqiure modification to avoid hindering their interests, to something that is not wanted but required, to something that is genuinely wanted and welcome.“ (ebd.) Darin kommt deutlich zum Ausdruck, dass verschiedene Sprechpositionen von großer Relevanz in der Übersetzungsarbeit, oder dem Storytelling, sind. Die erzählenden Personen müssen nicht zwangsläufig eine hohe Position innerhalb der Organisation aufweisen, sondern benötigen schlichtweg die Legitimität, welche ihnen die Position verleiht, neue oder andere Elemente in die Stories einzubringen und damit die unterschiedlichen Interessen der Organisationsmitglieder, durch die Bedienung der Story oder der Stories, in die Geschichte der Organisation und damit ihrer Ziele einzubinden (vgl. auch Hardy et al. 2000, S. 1245). Bei Gabriel (2000) erfolgt diese Erzeugung von Anschlussfähigkeit, die Einbindung in die Stories und die Erzeugung von Sinnhaftigkeit über die poetic tropes. Auch Boje (1991) adressiert Wandel und die Allgegenwärtigkeit dessen im organisationalen Storytelling. Wenngleich es bei ihm nicht die Change Agents sind, sondern schlichtweg Akteur_Innen mit Interessen, hält er fest: „stakeholders tune into stories as real-time data and tell stories to predict, empower, and even fashion change.“ (Boje 1991, S. 124) Wichtig ist dabei, dass Wandel hier nicht ausschließlich verstanden werden darf als eine Reaktion der Organisation auf externe Gegebenheiten, welcher ein linearer Prozess aus Unfreezing – Moving – Refreezing ist. Bei Czarniawska und Joerges (1995, S. 16f.) sind es Lernsituationen mit wechselnden Rollen von Lehrenden und Lernenden, in welchen Verständnis ‚entdeckt‘ wird und Inhalte materialisiert werden. Wandel ist in diesem Konzept ein immanenter Bestandteil der Organisation, welcher stetig stattfindet, eben weil alltägliche Erfahrungen innerhalb der Organisation gemacht werden oder – weil thematisch relevant – in diese hinein getragen werden. Durch die Stories wird Wandel in Bedeutsames transferiert, wobei dies ein niemals abgeschlossener Prozess ist (vgl. auch Boje 1991, S. 106; Gabriel 2000, S. 41). Dabei ist es jedoch für die hier vorgebrachte konzeptionelle Fassung weniger von Interesse, wie die Stories erzählt werden, welche Erzählstruktur dabei aufgebaut und bedient wird. Der Fokus liegt eher darauf, auf was abgestellt wird, welche Inhalte bedient und in die Stories eingebracht werden.100 Bereits in Kapitel 1.2 wurde Schütz‘ Beschreibung der Wirwelten angeführt, in welcher ersichtlich wurde, dass soziale Nähe, i.S.v. Kontakt, eine elementare Komponente für die Sinnstiftung ist, welche „nur im reflexiven Blick sichtbar wird“ (abermals Schütz 1974, S. 69). Dieser reflexive Blick ist bei Schütz mit Intentionalität verknüpft und findet seine nicht direkt auf die Geführten einwirken und der vermittelnde Charakter einer Führungskraft als aktive_R Mediator_In herausgestellt wird (vgl. Neuberger 1994, S. 252ff.). 100 Als methodischer Bezug sei hierbei eingeräumt, dass es offensichtlich ist, dass die Stories im Alltag einer Organisation anders erzählt werden. Das ist überdies eindeutig, da schon aus konzeptioneller Betrachtung heraus eine permanente Wandelbarkeit der Stories vorsehen ist. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass in den Interviewsituationen die Storyelemente bedient werden, welche auch alltäglich genutzt werden. Konzeptionell liegt dieser Schluss nahe, da die Mitglieder einer Organisation gar nicht anders können, als über ein bestimmtes Thema in der Narration zu sprechen, welche sie nutzen, um Sinn für sich und die Organisation herzustellen. Das wird auch deutlich in einem methodischen Hinweis von Gabriel (2000, S. 43), welcher festhält „Questioning or doubting such stories is not easy and may lead to the exclusion or ostracism of the researcher and the breakdown oft he research relationship.“ Als weiteres Beispiel für diesen Begründungszusammenhang kann selbst die Studie von Peters und Waterman (1982) herangezogen werden, welche die hohe Relevanz von Stories für die Organisationskultur und die Leben der Organisationsmitglieder aufzeigt. 67 Ausgestaltung eindeutig in der Narration101, im inhaltlichen Austausch innerhalb der Wirwelt, der Organisation. Vor diesem Hintergrund und zur eindeutigen Differenzierung und Abgrenzung von der ‚Storytelling Organization‘, deren Analyse – wie beschrieben – überwiegend auf das Wie gerichtet ist, nutze ich im Folgenden die Formulierung narrierende Organisation. Die narrierende Organisation sehe ich dabei als Ausgestaltung der Wirwelt im Schützchen Sinne, über die verschiedene Elemente aus der Makro- und der Meta-Ebene inhaltlich immer ‚näher‘ an die Organisation ‚heranrücken‘, über die Ebenen hinweg immer ‚spezieller‘ werden und aufgenommen werden. Czarniawska (1997, S. 15) stellt in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Rekurs, der Bezugnahme auf Metanarrative gleich welcher Art. 102 Dabei gibt Czarniawska auch die stetig währende ‚Neuverhandlung‘ der Bedeutung des Metanarrativen innerhalb der Organisation an, wobei auch Bezüge zur inhaltlichen Nähe bzw. Ferne deutlich werden: „If a canon is already known, there is nothing left to talk about.“ (ebd.) Ein entsprechend unhinterfragtes ‚Regelwerk‘ oder ein nicht thematisierter Zusammenhang ist, und das ist hier die These (s.o.), durch die Nichtnarration in der Organisation ohne Relevanz für die Organisation.103 Es ist dabei eindeutig, dass es in der hier betrachteten Konzeption ausschließlich um die (in der Organisation) sinnstiftenden Inhalte geht.104 Zusammenfassend ist die narrierende Organisation bestimmt durch: - die soziale (Re-)Konstruktion der organisationalen Lebenswelt und deren Bezüge zu Sinn und Wahrheit einen stetigen Austausch von Argumentationen innerhalb der Organisation und über deren Grenzen hinaus eine enge Verwobenheit von Semantik und Argumentation Personen mit ausreichend Stimmgewalt innerhalb der Organisation zur Initiierung ‚neuer‘ Argumentationsfelder (vgl. auch Rätzer 2013, S. 111).105 Wie eingangs zu diesem Kapitel festgehalten, soll das Konzept der narrierenden Organisation für die Analyse der ‚Transfusion‘ außerorganisationaler Elemente in die Meso-Ebene genutzt werden. Bevor mit dieser Betrachtung in den empirisch erhobenen Fällen fortgefahren werden kann, bedarf es zur 101 Czarniawska (1997, S. 14, Herv. M.R.) führt zu diesem Gedanken an: „it is most important to note that the common way of understanding human action is by placing it in a narrative, that is, a narrative of an individual history, which in turn must be placed in a narrative of social history or in a history of the narrative.“ 102 Es ist eindeutig, dass ‚Czarniawskas Meta‘ ein anderes ist, als die in die Kapitel 2.2 hergeleitete und dargestellte Meta-Ebene. Czarniawskas Verständnis ist ersichtlich das eines höher als die konkret vorliegende Situation befindlichen Narrativs, welches u.U. nicht explizierbar ist. 103 Auf S. 65 habe ich den Hintergrund dargestellt, dass die Nichtnarration eines Zusammenhangs oder Themas für die Organisation als Nichtwirksamkeit verstanden werden muss, da das Auslassen des entsprechenden Elements im hier vertretenen konzeptionellen Verständnis bedeutet, dass das dieses Element explizit außerhalb des Fokus liegt. Relevant wird das Thema somit erst sobald es in den Narrationen problematisiert wird. 104 Auch hier ist deutlich, dass es individuelle Perspektiven geben kann, welche problematisch für die grundlegende Existenz einer Organisation sein können, jedoch nicht in deren Narrationen thematisiert und damit problematisiert sind (z.B. existenzbedrohendes deviantes Verhalten eines Individuums, wie die Fantasie eines Amoklaufs). 105 Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, weshalb in der bisherigen Herleitung des Konzepts der narrierenden Organisation noch keine Anlehnung an Weick gesucht wurde. In einer äußerst knappen Zusammenführung ist Sinnerzeugung bei Weik auf verübten Handlungen gegründet, welchen doppelte Interakte zwischen Individuen zugrunde liegen (Weick 1995; 2006). Darin ist eine konzeptionelle Fokussierung auf die Individuen in Organisationen zu erkennen, denn der Ausgangspunkt von Sinnstiftung in Organisationen liegt bei Weick darin, dass „some action stuck out as more public, more irrevocable, and more attached to a set of actors“ (Weick 2006, S. 16). Eindeutig ist hingegen die von mir verfolgte Fokussierung auf die Narrationen in Organisationen (zur Wiederaufnahme dieses Kritikpunkts vgl. Kap. 5.1). 68 Operationalisierung, nach der konzeptionellen Herleitung des dafür notwendigen Organisationsverständnisses, jedoch noch eines Modells, mit welchem es möglich ist, eine Erklärung für die Einführung sowie Einbindung außerorganisationaler Elemente in die Organisation zu geben. Dafür bediene ich mich eines Modells von Hardy und Kolleg_Innen (2000). Wie bereits in Rätzer (2013, im Speziellen S. 111) argumentiert, ist das Modell im Grundsatz gut geeignet, da damit gezeigt werden kann, wie diskursive Elemente in Organisationen eingebracht werden, um sie als strategische Ressource zu nutzen. Mit dem Modell (Abb. 1) stellen sich jedoch einige Probleme ein, die die uneingeschränkte Nutzbarkeit dessen verhindern. Auf eines der Probleme verweisen Hardy und Kolleg_Innen (2000, S. 1244) selbst und nehmen die potentielle Kritik, einen monologischen Ansatz zu verfolgen, indem sie die Position einzelner Individuen im Interaktionsprozess hervorheben, vorweg. Darin ist zwar die Nähe zu den bisher eingebrachten Ansätzen ersichtlich (vgl. Boje 1991; Czarniawska/Joerges 1995; Whittle et al. 2010), jedoch verweilt die starke Individualisierung aus den dargelegten konzeptionellen Gründen auf einem problematischen Status. Ein weiteres Problem für die unveränderte Übernahme des Modells liegt in der Konzeption begründet, da hier die Verwendung von Diskursen durch „[s]trategic actors […] to shape and contruct action“ (Hardy et al. 2000, S. 1228) betrachtet wird. Abbildung 1: A model of discourse as a strategic resource (Hardy et al. 2000, S. 1235) Für die narrierende Organisation ist das jedoch, wenn überhaupt, nur der Ausnahmefall, da das Konzept im Alltag für die Sinnstiftung relevante Narrationen in den Fokus rückt. Die Stärken des Modells liegen in der hinreichend guten Operationalisierbarkeit durch die Möglichkeit der gesonderten Betrachtung von einzelnen (hier diskursiven) Elementen sowie der Iterativität und der Nachvollziehbarkeit des Modells (vgl. auch Hardy et al. 2000, S. 1235). Unter Berücksichtigung der Charakteristika des Konzepts der narrierenden Organisation und der ‚Probleme‘ des Modells für eine passable Abbildungsgenauigkeit für den hier betrachteten Gegenstand, bedarf es einer Adaption des Modells (vgl. Abb. 2).Trotz einer, im Vergleich zu Rätzer (2013), abweichenden Betrachtung, welche mit Hilfe des Modells aus Abb. 2 durchgeführt wird, bleiben die Begründungszusammenhänge 69 innerhalb des Modells die gleichen. Die Einbindung des Modells dient der Abbildung des analytischen Rahmens auf die narrierende Organisation, um eine Adaption der einzelnen Elemente des Rahmens in einer narrierenden Organisation auf konzeptioneller Ebene verdeutlichen zu können. Die (inhaltlichen) Unterschiede liegen im Circuit of Activity in (1). Analytisch werden hier neue Elemente aus der Makro- und der Meta-Ebene über einzelne Individuen in die Organisation herein getragen. Dabei bleibt (bis zu diesem Punkt nur konzeptionell) ein Unterschied in der thematischen Nähe zur Organisation bestehen. Für die Narration in der Organisation – wiederum analog zu Hardy et al. (2000) – ist in einem nächsten Schritt wichtig, (2) passende Symbole, Rhetorik, Metaphern und andere Verbalisierung zu kreieren, um überhaupt eine Story erzählen zu können. In einem dritten Schritt werden Beziehungen zu den ‚neuen‘ Elementen aufgebaut. Dabei wird das Neue in den Stories und dann auch in den Narrationen kontextualisiert, anschlussfähig an die Umstände der jeweiligen Organisation gemacht und „mit der organisationalen Lebenswelt verbunden“ (Rätzer 2013, S. 112). Dafür werden auch die poetic tropes genutzt (vgl. Gabriel 2000; s.o.). Auch in dem analytisch dritten Schritt des Modells werden auf der Ebene des Individuums Beziehungen zu den diskursiven Argumenten aufgebaut. Dabei ist jedoch der ‚Kontext‘ des Individuums, die entsprechende narrierende Organisation, von elementarer Bedeutung. Es kann in diesem Sinne von einem engeren organisationalen Kontext gesprochen werden. Es zeigt sich für den Circuit of Activity, dass hier ausschließlich von individuellen Akteur_Innen gesprochen werden kann, welche über Aktivität den Nährboden der narrierenden Organisation bereiten. Abbildung 2: Modell der Aufnahme überorganisationaler Elemente in einer narrierenden Organisation106 Im Circuit of Performativity werden in (4) die außerorganisationalen Elemente, welche an dieser Stelle bereits, durch die ‚Aktivitäten‘ der Individuen in (1)–(3), grundsätzliche Anschlussfähigkeit 106 In Rätzer (2013, S. 112) ist dieselbe Abbildung, jedoch unter dem Titel „Aufnahme von Argumentationslinien in einer narrierenden Organisation“, dargestellt. Aus Gründen der Generalisierung, was das Anliegen in dieser Arbeit ist, scheint mir die hier gewählte Bezeichnung an dieser angemessener. 70 erfahren haben, in einen weiteren organisationalen Kontext eingebettet. Durch die Narration werden die entsprechenden thematischen Bereiche über die gesamte Organisation hinweg in Bezug zu dieser gesetzt, wodurch ein thematisch und argumentativ breiterer Bezug hergestellt wird. In einem analytisch fünften Schritt findet eine fortwährende Narration über die Elemente aus der MakroEbene oder die Elemente epistemologischer Natur statt, sodass diese sich im Alltagsverständnis der Organisation niederschlagen. Dieses geänderte Verständnis der Wirwelt bildet die Basis für die Empfänglichkeit der Narrationen und damit der Organisationsmitglieder für sprachliche Elemente, welche im Circuit of Activity angelegt wurden. Rezeptivität bedeutet an dieser Stelle, dass die entsprechende Narration mit diesen Metaphern und sprachlichen Mitteln funktioniert, sich stetig vollzieht und eben jene ‚rhetorischen Mittel‘ Anschlussfähigkeit der Stories und Narrationen gewährleisten. Im Sinne des Konzepts der narrierenden Organisation und des hier genutzten Modells kann für den Circuit of Performativity festgestellt werden, dass diese Performanz der narrierenden Organisation gilt und damit auf kollektiver Ebene angesiedelt werden kann. Dieses Verständnis ist vor dem Hintergrund wichtig herauszustellen, da die analytischen Schritte (4)–(6) des Modells nicht mehr auf individueller Ebene, für die einzelnen Individuen alleine ‚funktionieren‘, sondern der weitere organisationale Kontext in der Gestalt in die Narration eines Elements eingebunden ist, als dass er konstitutiver Bestandteil der organisationalen Narration ist. Im Circuit of Connectivity werden ab (7) in den Narrationen die Beziehungen und emotionalen Bindungen bedient, welche auch in den poetic tropes bei Gabriel (2000) als konstitutive Elemente von Stories enthalten sind (s.o.). Diese ‚Beziehungsarbeit‘ der Organisation und ihrer Mitglieder zu den Inhalten und diskursiven Argumenten findet Anwendung auf alltägliche Situationen. Es entwickelt sich daraus eine Allltäglichkeit im Verständnis von Angemessenheit, Sinnzuschreibung und -entnahmen und dem Umgang damit. Dieser siebte Schritt vollzieht sich wieder auf der Ebene der Individuen. Dabei ist der kollektive Charakter des Circuits of Performativity jedoch basal für die Herausbildung dieser Beziehung innerhalb sowohl der Organisation als auch der Narrationen. Darauf aufbauend bilden sich in einem achten Schritt Praktiken und entsprechende Positionierungen der Individuen und/oder der Organisation im Gesamten (und/oder auch nur einzelner Narrationen in dieser) heraus, welche sowohl nach außen aber auch nach innen demgemäß argumentiert werden. In einem ‚letzten‘ analytischen Schritt wird in der Organisationen die (argumentative) Basis für den zukünftigen Umgang mit der Narration geliefert. Es entwickelt sich also eine Art ‚never ending story‘, bis zu dem Zeitpunkt, an welchem die neu aufgenommenen Elemente einen ‚kanonischen Status‘ erreichen, an welchem sie keinerlei Thematisierung mehr erfahren und damit aus der Narration und darüber aus der Organisation verschwinden (vgl. abermals Czarniawska 1997, S. 15). Wurden durch dieses erweckende und vitalisierende Moment der Narration die gesellschaftlichen sowie epistemologischen Elemente erst in die Organisation aufgenommen, weitergetragen und modifiziert, sind sie dann aus der Organisation verschwunden und werden ggf. durch andere Aspekte ersetzt. Dieser letzte Schritt ist dabei wiederum auf der kollektiven Ebene situiert, wodurch der Circuit of Connectivty sowohl individuelle wie auch kollektive Schritte beinhaltet und der achte Schritt individuelle wie auch kollektive Bezüge aufweist. Die Subjektpositionierung ist dabei eine Selbstpositionierung des Individuums, wiewohl auch eine kollektive Fremdpositionierung im Zuge der Narration(en). Auch die Entwicklung von Praktiken vollzieht sich für einzelne Individuen wie auch für die narrierende Organisation als kollektives Gebilde. Abschließend bleibt für das Modell zu erwähnen, dass die drei erwähnten Circuits in einander verschränkt sind und die darin beinhalteten Schritte einen analytischen Charakter haben. Dieser ist zwar iterativ und damit auf einander aufbauend, jedoch können sie in der dargestellte ‚Abfolge‘ so nicht in der Realität beobachtet werden (vgl. auch Hardy et al. 2000, S. 1235). Darüber hinaus legt die 71 Nummerierung der einzelnen Schritte von 1) bis 9) einen linearen Charakter des Modells nahe. Es ist jedoch zu betonen, dass das Modell zirkulär zu verstehen ist und die Nummerierung ebenso nur einen analytischen Zweck verfolgt.Des Weiteren ist in den konzeptionellen Vorüberlegungen deutlich geworden, dass Narrationen, welche aus der Organisation selbst erwachsen mit dem Konzept der narrierenden Organisation nicht erklärbar und damit nicht möglich sind. Vielmehr wäre die Erklärung, dass ein Individuum ein Element mit in die narrierende Organisation einbringt und diese dann alle drei Circuits durchläuft oder eben nicht und die Narration scheitert. Narrationen, welche aus der Organisation selbst heraus kommen und keine Bezüge zur Makro- der zur Meta-Ebene aufweisen, können mit der hier getroffenen Analytik nicht gedacht oder erklärt werden. Nach dieser konzeptionellen Herleitung und Modelldarstellung für die Meso-Ebene soll dieses Konzept im Folgenden genutzt werden, um die verschiedenen erhobenen Fälle entlang der Konzeption nachzuzeichnen und einen empirisch fundierten Einblick zu liefern. Zur Sicherung der Nachvollziehbarkeit der vorgetragenen Argumentation werden jedoch zunächst einige methodische Vorüberlegungen diskutiert, um im Anschluss daran die einzelnen Fälle darzustellen. 3.2 Methodische Vorüberlegungen 3.2.1 Die Fallanalyse als Methode qualitativ-empirischer Forschung Als qualitativ-empirische Methode wurde die Fallanalyse gewählt. Die Begründung für die Wahl eines qualitativen Vorgehens liegt im Erkenntnisinteresse begründet, welches keine absoluten und als objektiv erscheinenden Aussagen treffen möchte, sondern vielmehr relative Aussagen über stationäre Altenpflegeeinrichtungen zu tätigen versucht, die formal ein Erfassen des Gesamtzusammenhangs ermöglichen und inhaltlich auf die innere Sicht der Einrichtungen abzielen. Darüber hinaus fassen Miles und Huberman (1994) es auf der ersten Seite gut zusammen, dass qualitativ erhobene Daten reich an Beschreibungen und Erklärungen sind, Zusammenhänge von Ursachen und Wirkungen enthalten, fruchtbare Schlüsse zulassen, eher zu unerwarteten Ergebnissen führen können und darüber hinaus einen Charakter von Unbestreitbarkeit aufweisen und ‚sexy‘ sind. Eine Fallanalyse im Speziellen ist ein empirisches Vorgehen zur Untersuchung von „purposively chosen cases of a given event or process“ (Schrank 2006, S. 22). Bennett (2001) unterscheidet dabei noch in tiefgründige Einzelfallanalysen eines Falles sowie den Vergleich zwischen zwei oder mehreren Fällen. Dabei ist die Anzahl der untersuchten Fälle geringer als in der quantitativen Forschung, welche normalerweise dem ‚Gesetz der großen Zahl‘ folgt. Fallanalysen ermöglichen es, einen spezifischen bisher wenig beforschten Gegenstand im Speziellen in verschiedenen Situationen zu beobachten und zu analysieren (Hamel et al. 1993, S. 41).107 Darüber hinaus ist es bei einer Fallanalyse grundsätzlich irrelevant, ob einer deduktiven, induktiven oder abduktiven Schlusslogik Folge getragen wird. Gleichwohl ist festzustellen, dass einGroßteil der Literatur zu ‚case study research‘ einem induktiven Forschungs- und Denkparadigma anhängt. Möglicherweise ist der 107 Darüber hinaus erscheint die Wahl der Fallanalyse als Forschungsmethode vor dem Hintergrund der Fragestellung sinnvoll. Yin (1990, S. 20) hält recht simpel formuliert fest, eine Fallanalyse als Methode ist vorteilhaft wenn „A ‘how‘ or ‘why‘ question is being asked about a contemporary set of events, over which the investigator has little or no control“. Aus Yins simpler Formulierung sollte sich kein Widerspruch zum Anspruch des Fokus auf das ‘Was’ in den Stories ergeben, da hier deutlich ist, dass Yin die Betrachtung innerhalb des Falles meint, was in dieser Dimension in der folgenden Analyse ebenso mein Fokus ist. 72 Hintergrund dessen in der verbreiteten Verbindung zur Grounded Theory zu suchen, sodass auch Standpunkte nicht verwundern, welche einen Verweis auf schon bekannte Ansätze des Erklärens „at best“ als „modest contribution“ (Eisenhardt 1989, S. 548) darstellen. Die betrachteten Situationen oder Fälle sind dabei die Altenpflegeeinrichtungen, in welchen die leitfadengestützten Interviews durchgeführt wurden. In den entsprechenden Einrichtungen wurde die Befragung sowohl mit Mitarbeiter_Innen verschiedener Hierarchiestufen als auch mit Führungskräften durchgeführt, um eine möglichst umfassende Fallbeschreibung gewährleisten zu können. Für die Erfassung der Mitarbeiter_Innen wurde sowohl mit Pflegefachkräften108 als auch mit Pflegeassistent_Innen 109 gesprochen. Für die Führungskräfte wurde mit Heimleitungen (HLen), Pflegedienstleitungen (PDLen), Wohnbereichsleitungen (WBLen), Schichtleitungen (SLen), und Stationsleitungen (StLen) gesprochen. Die Komplexität der Materie verschließt an dieser Stelle jedoch eine eindeutige Trennung, da gerade WBLen, SLen und StLen aber ebenso PDLen in den Pflegealltag integriert sind und ebenso Pflegefachkräfte sind. Ebenso ist es oftmals der Fall, dass Pflegefachkräfte in einer Schicht auf einer Station allein mit einer oder mehreren Pflegehilfskräften tätig sind und sich dadurch eine Führungsposition der Fachkräfte eröffnet. Die hier vorgenommen Unterscheidung in Mitarbeitende oder Führungskräfte erfolgt aus der Bezeichnung der eigenen Tätigkeit als Leitungspersonal oder eben nicht. Der Grund dafür liegt im somit dargestellten Selbstbild der Interviewten als Führungskräfte und dem daraus geschlossenen Verhalten als eben solche gegenüber anderen Pflegefachkräften oder Pflegehilfskräften. 3.2.2 Zur Qualität der erhobenen Daten Empirische Forschung wird gemeinhin an der Qualität ihrer Durchführung gemessen. Um diese vergleichen zu können, werden verschiedene Gütekriterien angelegt. Klassischerweise – im Sinne von kritisch-rational inspirierter, quantitativer Forschung – sind das Objektivität, Reliabilität und Validität. Diese gelten jedoch nicht nur für quantitative Forschung, wenngleich deren Tragweite für qualitative Forschung andere Dimensionen erfährt 110 . Für qualitative Forschung gelten die gleichen Gütekriterien 111 , gleichwohl die Qualität eine andere ist (vgl. Friedrichs 1990, S. 100ff.). 112 Grundsätzlich bezeichnet Reliabilität „die Stabilität und Genauigkeit der Messungen sowie die Konstanz der Meßbedingungen“ (ebd., S. 102), Validität die Definitionen und Indikatoren von 108 Pflegefachkräfte müssen eine bundeseinheitlich geregelte duale Ausbildung absolvieren, welche im Normalfall drei Jahre umfasst (§4 AltPflG; §1 Abs. 1, 2 AltPflAPrV). 109 Pflegeassistentinnen und -assistenten sind – mittlerweile ebenso deutschlandweit gleich, jedoch weiterhin in Landesverantwortung befindliche – Pflegehilfskräfte oder Altenpflegehelfer_Innen. Deren Ausbildung dauert normalerweise ein Jahr und endet ebenso mit einer staatlichen Prüfung (§2 Abs. 1, 2 APrOGeKrPflHi). 110 Zur übersichtlichen Diskussion von Reliabilität und Validität für quantitative Sozialforschung siehe Schnell/Hill/Esser 2008, S. 151-166. 111 Lincoln und Guba (1985) schlagen alternative Gütekriterien vor, welche ‚angemessener‘für die Beurteilung der Güte qualitativer Forschung sein sollen. 112 Friedrichs (1990, S. 32-37, auch in Bezug auf Popper 1958 sowie 1962) erkenntzwar ein ‚Manko‘ an Exaktheit in sozialwissenschaftlicher Forschung und diskutiert die Anwendbarkeit derselben Maßstäbe für sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, jedoch ist auch in seiner Beschreibung der Gütekriterien (ebd., S. 100ff.) die qualitative Komponente sozialwissenschaftlicher Forschung m.E. eindeutig inkludiert. Es bleibt jedoch einzuwenden, dass ich mich an dieser Stelle dem (ggf. naheliegendem) Positivismusstreit (für einen Überblick vgl. Mittelstraß 2004, S. 304) weder zuwenden noch mich darin positionieren möchte. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist überdies auch ein anderes, denn ein sich in diesem Sinne objektiven, reliablen und validen Methoden bedienendes, um „aus der Einsicht in die gesellschaftlichen, materiellen und nicht-materiellen Widersprüche zum Abbau von Herrschaft beizutragen“ (Friedrichs 1990, S.36; vgl. dazu auch Kap. 1.3 zum Erkenntnisinteresse der Arbeit). 73 Begriffen und die Auswahl von Merkmalsausprägungen, die für die Messung herangezogen werden (vgl. ebd., S. 100). Bezogen auf Fallanalysen, welche in unterschiedlichen Situationen erhoben werden, ist die Stabilität der Messbedingungen dahingehend zu verstehen, dass in allen Fällen konstante Methoden zur Erhebung angewendet werden, welche die Spezifik des entsprechenden Falles einfängt, trotz eines qualitativen Verfahrens. Bezüglich der Validität muss in der Fallanalyse von vorherein sichergestellt werden, dass die Erhebung in den betrachteten Fällen auf demselben konzeptionellen Grund steht und fallübergreifend vergleichbare Konzeptionen und Indikatoren vorherrschen, bzw. vorhanden sind. Oder mit den Worten von Kirk und Miller (1986, S. 21) „the issue of validity is […] a question of whether the researcher sees what he or she thinks he or she sees”. Letztendlich kann der Forderung nach Objektivität damit beigekommen werden, dass das Untersuchungsdesign offen gelegt wird, was die Vorüberlegungen ebenso wie die Durchführung, den Vergleich sowie die Interpretation und Verallgemeinerung einschließt. Im Rahmen einer qualitativen Fallanalyse kann Objektivität nur darüber hergestellt werden, dass in jedem Schritt möglichst komplette Transparenz des eigenen Vorgehens dargestellt wird. Miles und Huberman (1994, S. 77) benennen vier ‚Albträume‘ von Forscher_Innen bezüglich der Datenanalyse: die Daten sind so schlecht, dass sie nichts darüber aussagen, wozu sie etwas aussagen sollten; es hat sich ein systematischer Fehler eingeschlichen; die Ergebnisse lassen nur mehr oder weniger triviale Rückschlüsse zu und die Ergebnisse sind so undurchsichtig, dass eine Analyse gar nicht möglich ist. Transparenz kann in diesem Sinne auch für sich selbst genutzt werden, um die Angst hinsichtlich der Qualität der eigenen Daten zu vertreiben. Ob die Daten etwas darüber aussagen, weshalb sie erhoben wurden, wurde im Erhebungsprozess darüber berücksichtigt, dass die Fragestellung, das Erkenntnisinteresse, das Forschungsdesign und das Forschungsziel (vgl. Kap. 1.3 sowie 1.4) stetig im Blick behalten und reflektiert wurden. Dass sich ein solches offenes Vorgehen im kritischhermeutischen Sinne auf alle im Forschungsprozess enthaltenen Schritte auswirkt ist offensichtlich (vgl. dazu auch Flick 2010, i. Bes. S. 126ff.). Gleiches trifft auf die Berücksichtigung von systematischen Fehlern zu. Durch eine direkte Sichtung des erhobenen Materials (z.B. durch in kurzem Abstand nach der Erhebung nachhören mitgeschnittener Interviews oder Transkription dieser) kann eine fehlerhafte Systematik erkannt und in darauffolgenden Erhebungssituationen berücksichtigt und eliminiert werden. Zu der eventuellen Trivialität der aus den Daten erhobenen Schlüsse lässt sich aus der Position des Forschers, welcher die Daten selbst erhoben und ausgewertet hat, schwer eine Aussage treffen. Ein endgültiges Urteil zu dieser Frage mögen andere nach der Lektüre fällen. Vor dem Hintergrund der Masse der Interviews und der Dauer dieser ist jedoch von einer Reichhaltigkeit an dargestellten Erfahrungen und Einschätzungen auf Seiten der Interiewpartner_Innen auszugehen. Die Brauchbarkeit der gezogenen Schlüsse hingegen ist diesen nicht anzulasten. Der letzte von Miles und Huberman benannte Umstand ist ebenso wie die vorher besprochenen damit aufzulösen, dass vor, während und nach der Erhebung die Reflexion hinsichtlich des eigenen Vorgehens bedacht wird. Durch eine gezielte Erhebung der gleichen Elemente, welche einen Vergleich innerhalb der und zwischen den verschiedenen Fällen gewährleisten, kann bereits durch die Anlage der Studie eine Systematik für eine spätere Analyse gewährleistet bleiben. Um für die Leserin und den Leser das Umgehen dieser Probleme bei der vorliegenden empirischen Untersuchung nachvollziehbar zu gestalten, wird im Folgenden der Feldzugang, die Erhebungssituationen und die vorgenommene Kategorisierung zur Analyse des Materials offen gelegt. 74 3.2.3 Zur Vorgehensweise bei der Datenerhebung Bei der Auswahl der zu untersuchenden Fälle wurde zunächst Kontakt mit einer Person aufgenommen, welche über drei Jahrzehnte hinweg Erfahrungen in verschiedenen Positionen im Bereich der stationären Altenpflege in einem Landkreis in Baden-Württemberg gesammelt hatte. Durch diesen individuellen Erfahrungshintergrund standen vielfältige Kontakte zu in der stationären Altenpflege Tätigen zur Verfügung. Auf Anfrage meinerseits ‚aktivierte‘ die Verbindungsperson wiederum ihre früheren wie weiterhin aktuellen Kontakte, in der Gestalt, dass sie erfragte, ob eine Untersuchung inklusive der Durchführung von maximal 10 Interviews mit Beschäftigten verschiedenen Ebenen durch eine_N Wissenschaftler_In von einer Universität in der entsprechenden Einrichtung möglich sei. Bei grundsätzlich positiver Resonanz an dieser Stelle wurden mir die Kontaktdaten der jeweiligen HL übermittelt, woraufhin eine erste Kontaktaufnahme im Rahmen eines Anschreibens via Email übersendet wurde (vgl. Anhang: A 1). In diesem Anschreiben war kurz das grundsätzliche Interesse der Studie umschrieben, die institutionelle Anbindung dargelegt und die Bitte formuliert, telefonisch direkten Kontakt aufnehmen zu dürfen. Im Laufe der fortschreitenden Datenerhebung waren die Auswahlkriterien für die an der Studie teilnehmenden Altenpflegeeinrichtungen: a) Die Einrichtung musste eine stationäre Altenpflegeeinrichtung sein. b) In der gesamten Erhebung sollten verschiedene Trägerschaften der Einrichtungen abgedeckt werden. Das bedeutet, dass wenn eine Form der Trägerschaft bereits erhoben wurde, zunächst die Bitte an die Verbindungsperson formuliert wurde, eine Einrichtung anderer Trägerschaft anzufragen. Dabei wurde gezielt versucht, ein Abbild gemäß der Verteilung in Baden-Württemberg zu erheben. Das statistische Bundesamt unterteilt stationäre Altenpflegeeinrichtungen in der Trägerschaft nach freigemeinnützigen, privaten und öffentlichen Einrichtungen. In der Pflegestatistik 2007 wird für Baden-Württemberg eine dementsprechende Verteilung von 57,3 %, 33,8 % und 8,9 angegeben (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 8).113 c) In dem ersten telefonischen Kontakt nach dem Anschreiben wurde die grundsätzliche Bereitschaft (primär der Führungsebene) zur Durchführung von persönlichen Interviews mit den Mitarbeiter_Innen verschiedener Hierarchieebenen auch während der Arbeitszeit erfragt. Dabei wurde darauf verwiesen, dass die Mitarbeiter_Innen, egal welcher Position, im Vornherein nicht ‚gebrieft‘, bzw. dazu gedrängt werden sollten, generell an der Studie teilzunehmen. Es wurde somit im Vornherein nur die Bereitschaft der Führungsebene erfragt, die Möglichkeit der Befragung einzuräumen, oftmals an dieser Stelle bereits mit der Einschränkung, dass es möglich sei, vor Ort keine Interviewpartner_Innen zu finden, falls sich niemand spontan dazu bereit erkläre. 113 Ich beziehe hier auf die Pflegestatistik 2007, da zum Zeitpunkt der Erhebung die Pflegestatistik 2009 noch nicht veröffentlicht war. Der Ländervergleich – Pflegeheime erscheint zweijährlich. In der Pflegestatistik 2009 wird die Verteilung in Prozent wie folgt angegeben: freigemeinnützige – 59,2, private – 33,3, öffentliche – 7,5 (vgl. Statistisches Bundesamt 2011, S. 6). Es dabei deutlich, dass die Verteilung nach Trägerschaft in BadenWürttemberg ungefähr gleich geblieben ist, wobei jedoch die Einrichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft leicht zugenommen haben. Die Gesamtanzahl der Einrichtungen hat von 2007 zu 2009 von 1.384 auf 1466 zugenommen. Genauere Zahlen für den konkreten Landkreis, in welchem die Daten erhoben wurden, liegen nicht vor. Aus Gründen der Geheimhaltung ist dies jedoch auch nicht zuträglich, umso geringe Rückschlüsse als möglich auf die Einrichtungen und die Interviewpartner_Innen zuzulassen. 75 Trägerschaft Durchgeführte Interviews Durchschnittliches Alter der Interviewten Interviews Führungskräfte/ Mitarbeiter_Inn en Verteilung m/w Verteilung Führungskräfte m/w Durchschnittliche Berufserfahrung der Interviewten Fall 1 – AGAVE Freigemeinnützig Fall 2 – VERBENA Freigemeinnützig 6 10114 Fall 3 – Fall 4 – Fall 5 – Fall 6 – Gesamt KENTIA ZINNIA PIERIS RADIES FreiFreiPrivat Öffentgemeingemeinlich nützig – nützig – konfeskonfessionell sionell 7 9 8 10 50 55,8 41,2* 49,7 38,1 32,9* 46,9 44,1 4/2 5/5 3/4 4/5 4/4 5/5 1/1 1/5 1/3 1/9 ¼ 1/6 1/2 2/7 2/2 3/5 2/2 3/7 2/3 11/39 9/16 13,7 21,7 (19,9)** 16,1 8,1 11,5 17,1 14,7 (14,4)** Tabelle 1: Grundcharakteristika der Fälle Die erste Auswahl nach diesen Kriterien stellte sich als sehr erfolgreich heraus. Von insgesamt 9 Anfragen, konnte die Studie in 6 Einrichtungen realisiert werden. In einer Einrichtung wurde die Anfrage dabei bereits im ersten Schritt der Kontaktaufnahme durch die Verbindungsperson abgewiesen. In einer weiteren Einrichtung wurde nach der Darstellung der Studie am Telefon, nach vorheriger grundsätzlicher Bekanntgabe der Bereitschaft, ohne jedoch die Anlage und das Interesse der Studie zu kennen, der Wille zur Teilnahme zurückgenommen. In einer anderen Einrichtung konnten Interviewtermine vereinbart werden, jedoch später vor Ort nicht durchgeführt werden. Gerade in den letzten beiden Fällen sind zunächst die Zusage und die spätere Abneigung gegenüber der Teilnahme gegebenenfalls an dem persönlichen Kontakt zu der Verbindungsperson zu sehen. Jedoch ist auch die später erhaltene genauere Kenntnis über die Studie als Motivation zur Absage möglich. Speziell im letzten Fall wurde zwar ein Interview durchgeführt, jedoch nur mit der Einrichtungsleitung. Aus diesem Datensatz wurde kein einzelner Fall konstruiert, da dieser, im Vergleich zu den anderen Fällen, ausschließlich die Perspektive der HL darstellen würde und die von anderen Beschäftigten der Einrichtung unberücksichtigt ließe. Somit war es möglich, insgesamt 6 Fälle zu untersuchen, welche die in Tab. 1 aufgeführten grundsätzlichen Charakteristika aufweisen. * ** einmal keine Angabe Durchschnitt für alle Interviewten, inklusive der vier Gruppeninterviewten 114 Ein Interview wurde auf expliziten Wunsch der Teilnehmer_Innen in der Gruppe durchgeführt. In dieser Übersicht ist dies jeweils als ein Datensatz zugefasst. Die Teilnehmer_Innen waren zu viert, haben ihr Alter jeweils nicht angegeben und haben eine durchschnittlich Berufserfahrung von 17,3 Jahren. 76 Im Fall RADIES wurde ein Interview durch das Hinzukommen eines/r Alltagsbegleiter_In unterbrochen, jedoch dann in dieser Konstellation weitergeführt. Ein Interview im Fall PIERIS musste vorzeitig abgebrochen werden, da ein Notfall eingetreten ist. Über alle Einrichtungen gaben fünf der Befragten einen akademischen Hintergrund in ihrer Biographie an. Insgesamt wurden zur Konstruktion der Fälle 50 Interviews durchgeführt.115 Dabei wurde versucht, der Verteilung der Trägerschaften in Baden-Württemberg zu entsprechen. Da jedoch die Erhebung und Fallkonstruktion in einer privaten Einrichtung nicht stattfinden konnte (s.o.), ist dies nur ansatzweise geglückt. Mit einem Einbezug dieses Falles hätte sich eine Verteilung von: freigemeinnützige Einrichtungen – 57,1 %, private Einrichtungen – 28,6 % und öffentliche Einrichtungen – 14,3 % ergeben. Mit den hier erhobenen Fällen ist diese Verteilung in derselben Reihenfolge von freigemeinnützigen Einrichtungen mit 66,7 % und privaten wie öffentlichen Einrichtungen zu jeweils 16,7 %. In Gegenüberstellung mit den tatsächlichen Zahlen (vgl. Fußnote 101) sind die privaten und öffentlichen Einrichtungen überrepräsentiert. Da in der Studie jedoch keine Repräsentativität für die Trägerschaftsverteilung beansprucht wird, soll dieser Umstand hinnehmbar sein. Alle Interviews wurden 2010 durchgeführt. Die entsprechenden Termine wurden telefonisch und/oder per Email terminiert. Die jeweils ersten Interviews wurden zunächst mit den HLen, PDLen, WBLen, bzw. einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters116 durchgeführt. Entscheidend für die Reihenfolge der Interviewpartner_Innen war dabei die zeitliche Verfügbarkeit der Personen. Dies war ebenso ein Aspekt bei der generellen Auswahl der zur interviewenden Personen. Dabei wurde dennoch der Versuch unternommen, ein möglichst breites Bild der einzelnen Fälle zu zeichnen. In allen Erhebungssituationen wurden halbstandardisierte episodische Interviews durchgeführt. Halbstandardisiert waren die Interviews aus dem Grund heraus, dass dadurch die verschiedenen inhaltlichen Aspekte, welche in Erfahrung gebracht werden sollten, zum einen im Vornherein festgelegt und im Leitfaden gruppiert festgehalten wurden und zum anderen verschiedene Punkte, welche von den Interviewpartner_Innen angesprochen wurden, in diesen aufgenommen wurden. 117 Darüber hinaus war die Reihenfolge der zu besprechen Themen im Vornhinein nicht unumstößlich fixiert. Die Form des episodischen Interviews wurde gewählt, da dieses auch mit dem später präsentierten Organisationskonzept zusammengeht und darüber hinaus, weil diese Form der Interviewführung recht viele Freiheiten (zum Beispiel auch im Umgang mit Unterbrechungen durch Bewohner_Innen und/oder Kolleg_Innen) bietet und somit für die Erhebungssituation als angemessen erschien. Flick (2010, S. 238f.) sieht die Grundannahme episodischer Interviews in der Existenz narrativ-episodischen Wissens und semantischen Wissens bei Subjekten. Durch das episodische Interview können somit „kontextbezogene Darstellungen in Form von Erzählungen“ erhoben werden (ebd., S. 239). Der zentrale Bestandteil des Interviews sind dabei regelmäßige Erzählaufforderungen, wobei auch verschiedene Situationen und Themen zu Ketten verknüpft werden können (ebd., S. 240) und subjektive Einschätzung oder Prognosen der Interviewpartner_Innen eingebaut werden können (ebd., S. 241), um „mehrere umgrenzte 115 Zur Übersicht über die Interviewpartner_Innen, inklusive der soziodemografischen Daten, vgl. Anhang: A 2 An dieser Stelle (wie auch an weiteren in der Arbeit folgenden) ist im Sinne der Nichtrückführbarkeit und Wahrung der Anonymität eine nicht eindeutige Geschlechterbezeichnung gewählt. 117 Fitzgerald und Dopson (2010, S. 466) sprechen ebenso davon, Interviews in Fallstudien „are spontaneous, free flowing conversation, not guided“, wodurch sich die Wahl der Erhebungsmittels der episodischen Interviews als richtig herausstellt. 116 77 Erzählungen“ und eben – in Abgrenzung zum narrativen Interview – keine komplette und umfassend Erzählung zu generieren (ebd., S. 244).118 Für verschiedene Beschäftigtengruppen wurden verschiedene Interviewleitfäden genutzt, um verschiedene Sichtweisen und Einschätzungen innerhalb der jeweiligen Einrichtung zur Konstruktion des Falles einzubeziehen. Vor dem Hintergrund der Angemessenheit der Kommunikation mit den Interviewpartner_Innen, wurden ein Leitfaden für Mitarbeiter_Innen und ein Leitfaden für Führungskräfte entwickelt (vgl. Anhang: A 3, A 4). Dies war auch meiner Erwartungshaltung vor der Untersuchung geschuldet, welche unterstellte, dass Pflegefachkräfte aber insbesondere Pflegehilfskräfte anders reflektieren, als dies Führungskräfte, gegebenenfalls mit einem akademischen Hintergrund, tun und diesem Umstand Rechnung getragen werden müsste. Im Großteil der Situationen stellte sich dieses Vorverständnis als nichttragbar heraus. Eine mögliche Begründung dafür mag darin zu suchen sein, dass WBLen, SLen und StLen ebenso Pflegefachkräfte sind, welche darüber hinaus mit Führungsaufgaben betraut sind. Zu Beginn der Befragung wurde kurz die Studie und meine Person119 vorgestellt. Im Anschluss wurde allen Teilnehmenden die absolute Anonymität zugesichert. Nach Frage, ob der Mitschnitt des Interviews mit einem Diktiergerät gestattet sei, wurde nach dem persönlichen Hintergrund der/des Interviewpartner_In gefragt. Für beide Gruppen waren die in den Interviews besprochenen Themenschwerpunkte: das Pflegeverständnis, Kernelemente des Pflegeprozesses, Einflussfaktoren auf die Arbeitsabläufe, Erfolg und dessen Kriterien, Kontrolle sowie die Beurteilung der Zukunft des Pflegeberufs. Unterschiede wurden (neben den bereits besprochenen Formulierungen) dahingehend vorgenommen, dass bei den Mitarbeiter_Innen das Verhältnis zu den Kolleg_Innen und Vorgesetzten sowie den darin enthaltenen Möglichkeiten zur Problembehandlung versucht wurde zu problematisieren. Führungskräfte hingegen wurden gebeten, eine Einschätzung ihrer Mitarbeiter_Innen hinsichtlich deren Verhaltens als Pflegende und deren Umgangs untereinander zu geben. Darüber hinaus wurden die Personen mit Führungsaufgaben gebeten, die Entscheidungsfreiräume und die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter_Innen einzuschätzen und in diesem Zusammenhang die durchschnittliche Verweildauer der Beschäftigten in der Einrichtung zu reflektieren. In allen Interviews wurde nach den Hintergründen der jeweiligen Antwort gefragt, so diese nicht direkt erzählt wurde. Am Ende der Interviews wurde nach soziodemografischen Angaben gefragt. Alle Befragungen wurden in den jeweiligen Einrichtungen, während der Arbeitszeit durchgeführt. Grund dafür war die Orientierung am Problemfeld, der Tätigkeit in der stationären Altenpflege, und die Erhebung im demgemäß natürlichen Umfeld der Befragten. Als Vorteile wurden dabei das ‚naturgemäße‘ Antwortverhalten im alltäglichen Milieu, eine damit verbundene erwartete Offenheit sowie eine stärkere Präsenz von Beispielen im Narrationsfluss gesehen. Etwaige Nachteile wurden in der zeitlichen Gebundenheit der Interviewpartner_Innen, einer gegebenenfalls Misstrauen erweckenden Situation am Arbeitsplatz sowie eventuellen Störungen der Interviewsituationen und damit den Narrationen durch Bewohner_Innen oder Kolleg_Innen erkannt, jedoch in Kauf genommen. Die Dauer der Interviews lag zwischen 16 und 83 Minuten, wobei die durchschnittliche Länge 44 Minuten betrug. 118 Es ist offensichtlich, dass damit nur subjektive Eindrücke zu bestimmten Situationen erhoben werden und keine konkreten Erzählsituationen oder gar komplette Narrationen (vgl. Flick 2010, S. 245; aber auch Kap. 3.1 sowie Kap. 3.2.4) 119 Das war zumindest bei denjenigen Interviewpartner_Innen notwendig, welche mich in der Interviewsituation oder kurz vorher kennenlernten. 78 3.2.4 Zur Vorgehensweise bei der Datenauswertung a) Methodologische Betrachtungen Bereits in der Darstellung der Datenerhebung ist deutlich geworden, dass ich mich offensichtlich nicht zur Grounded Theory als Methodik zum ‚Umgang mit der Empirie‘ entschlossen habe, trotz dass dieser Zusammenhang in Bezug auf die Durchführung einer Fallstudie durchaus nahe liegt und auch gelegt wird (vgl. bspw. Eisenhardt 1989; Burawoy 1998; Travers 2001; Eisenhardt/Graebner 2007). Dabei fällt auf, dass die Grounded Theory als ein Hintergrund differenziert dargestellt und beurteilt wird. Einerseits wird eine Grounded-Theory-basierte Fallstudie als „natural component to mainstream deductive research“ (Eisenhardt/Gaebner 2007, S. 26) illustriert. Dabei ist nicht nur die biologistische Argumentation auffällig, sondern auch die generell positive Darstellung der qualitativen, von der Grounded Theory inspirierten, Evidenz für ein weiteres deduktives Forschen, im Sinne des Testens der gewonnenen Theorie (ebd., S. 25, 30). Darin lässt sich ein stark funktionales Forschungsverständnis erkennen, welches die Grounded-Theory-basierte Fallstudienanalyse als notwendige Vorstufe einer kritisch-rationalen Wahrheitsfindung über das anschließende Testen von Hypothesen verkommen lässt. Es wird im Folgenden deutlich werden, weshalb ich mich intendiert gegen ein Forschungsvorhaben der Grounded Theory entschlossen habe. Glaser und Strauss (1967) bezeichnen die Grounded Theory zu Beginn, auch als sie noch einen ‚gemeinsamen Weg‘ beschritten, als constant comparative method. Die Konstante in der Grounded Theory als Methode ist dabei vielschichtig. Einerseits ist die Vorgabe eine annähernd zeitgleiche Erhebung und Analyse durchzuführen, um „to the fullest extent the in vivo patterns of integration in the data itself“ zu gelangen. (Glaser/Strauss 1967, S. 109). Dadurch garantiert die/der Forscher_In, dass die in der Folge gestellten Fragen „guide the collection of data to fill in gaps and to extend the theory“ (ebd.). Dieses Vorgehen bezeichnet Strübing (2008, S. 285) als „inkrementale Konstitution und Vervollständigung der Stichprobe“. Dadurch wird nicht nur die Auswertung der Daten beeinflusst, sondern auch die Erhebung. Strübing erkennt darin auch das Fundament des Induktivismusverdachts an der Grounded Theory, auch da – vor der getrennten Weiterentwicklung der Grounded Theory von Glaser sowie Strauss – „eine Vehemenz der Ablehnung theoretischen Vorwissens […] in Verbindung mit der überreich gebrauchten Emergenz-Metapher“ stand (ebd., S. 280). Dabei wird die Weiterentwicklung der Grounded Theory ‚nach Strauss‘ von diesem Vorwurf zwar mit dem Argument freigesprochen, im amerikanischen Pragmatismus (vgl. ebd.) und dem symbolischen Interaktionismus (vgl. Joas 1988) ‚Freundschaften‘ gefunden zu haben (vgl. auch Travers 2001, S. 21ff.), jedoch bleibt auch hier die Forderung des Aufbrechens der Daten, um diese der/dem Forscher_In ‚fremdzumachen‘ (vgl. exemplarisch Strübing 2008, S. 285). Burawoy (1998, S. 25, Herv. i.O.) fasst diesen kritischen Punkt zusammen, indem er feststellt: „Nonparticipant observation is preferred over participant observation. In other words, reactivity is proscribed.“ Andererseits erscheinen die Maßstäbe zur Durchführung einer Forschung im Sinne der Grounded Theory, gleich welcher Ausdifferenzierung, auch für die/den kundig ForschendeN so streng in den methodischen Vorgaben und an kritisch-rationalen Gütekriterien der Forschungsleistung orientiert, dass schnell der Eindruck entsteht, „daß qualitativ-empirische Studien zwar überaus häufig ihr methodisches Vorgehen als Grounded Theory oder Grounded-Theory-basiert deklarieren, diese Angabe aber bei weitem nicht immer einer kritischen Überprüfung standhält.“ (Strübing 2008, S. 281) Mit einem solchen Damokles-Schwert über dem Kopf, erscheint es unmöglich, eine vorher bereits in Zweifel gezogenes Verfahren noch zu genießen. Somit ist die hier vorgelegte Studie zwar eine 79 Fallstudie, im eher fallanalytischen Sinne, welche jedoch als konstitutive Basis nicht die Grounded Theory nutzt. b) Durchführung der Datenauswertung Aus diesen methodologischen Überlegungen und den benannten Schlussfolgerungen heraus, bot sich für die Arbeit das folgende Vorgehen an. Nach der Transkription der Interviews wurden diese zunächst in das Programm Nvivo eingearbeitet. Im Anschluss daran, wurde in dem Programm eine offene Kodierung aller Interviews durchgeführt. Diese war durchaus an Strauss‘ (1998, S. 57ff.) orientiert, sodass sowohl deskriptive wie auch theoretische Kodes im Zuge der offenen Erstkodierung erstellt wurden. Mayring (2003, S. 76) nutzt hier die Formulierung der „induktiven Kategorienbildung“. Es lassen sich in diesem Arbeitsschritt für mich keine großen Unterschiede, außer in den Bezeichnungen feststellen, da gleichsam ein Selektionskriterium für Textmarken festgelegt wird, welches solange am Text geprüft wird, bis es ‚eintritt‘. Es wird daraufhin eine ‚offene Kategorie‘ benannt, welche weiterhin auf den Text gelegt wird, bis eine weitere Textmarke das Selektionskriterium und die Kategorie trifft. Ist die Kategorie nicht mehr erfüllt, wird eine neue Kategorie benannt. Diese Iteration wird solange wiederholt, bis der gesamte zu bearbeitende Text kodiert ist. Trotz des sehr ähnlichen Vorgehens hebt Mayring hervor: „Innerhalb der qualitativen Inhaltsanalyse läßt sich dieser Kategorienbildungsprozeß nun aber systematischer beschreiben, indem die gleiche Logik, die gleichen reduktiven Prozeduren verwendet werden, die in der zusammenfassenden Inhaltsanalyse eingesetzt werden.“ (ebd., S. 77) Erhebung Transkription offene Erstkodierung der Interviews Identifikation der ‚Hintergründe‘ Erstellung von Memos/ Erstkodebeschreibungen Konsistenztest der Erstkodebeschreibungen konsistente Erstkodes Klassifikation und Ordnung der ‚Hintergründe‘ zu ‚Hintergrundgruppen‘ konsistente Erstkodierung Zweitkodierung der ‚Hintergrundgruppen‘ auf Basis des analytischen Rahmens konsistente Zweitkodierung Sortierung und Zusammenführung der Zweitkodierung Fälle nach Narrationen Abbildung 3: Eigenes empirisches Vorgehen ab der Erhebung der Interviews Diese erste Kodierungsphase verfolgte u.a. das Interesse, die Masse der Daten zu erschließen, zu strukturieren und Verbindungen innerhalb der Fälle und zwischen ihnen zu verdeutlichen, welche durch die Episoden und konsistenten Erzählungen der Interviewpartner_Innen verborgen waren. Mit Hilfe des freien Kodierens sollte es so möglich werden, die Episoden der Interviews „schneller aufbrechen“ (ebd., S. 59) zu können und deren einzelne Aspekte thematisch zu klassifizieren. Dies 80 wiederum verfolgte den Zweck, einen ersten Schritt weg von den erzählten und strukturierten Geschichten in den Interviews (als Ausdruck wiedergegebenem Realitätsempfinden) als solche, hin zu den entsprechenden, in die Stories eingebundenen Hintergründen120 zu gelangen. Für alle Kodes wurden Kodebeschreibungen als eine Art ‚Memos‘ (vgl. ebd., S. 45) erstellt.Nachdem alle Interviews kodiert waren,121wurden die Kodierungen nochmals auf Konsistenz geprüft. Neben der Erschließung des Materials verfolgte die Identifikation der ‚Hintergründe‘ als Teil der Erstkodierung das Ziel, über diesen Zwischenschritt konsistente individuelle Erzählungen zu durchschneiden, in denen mehrere argumentative Hintergründe und weitere sinnstiftende Elemente aus der Makro-Ebene enthalten, verbunden und somit alleinstehend schwer zu identifizieren sind. Mithilfe dieser ‚Zerfransung‘ der Interviews konnten überindividuelle ‚Hintergrundgruppen‘ gebildet werden, sodass die verschiedenen sinnstiftenden Elemente – hier noch gleich welcher Ebene des Überorganisationalen, und damit diesen auch nicht zugewiesen – getrennt voneinander erkennbar waren und als konsistente Erstkodierung verfügbar waren. Daran anschließend erfolgte eine zweite Kodierung. Die Kodes der Zweitkodierung ergaben sich aus dem in Kap. 2 dargestellten analytischen Rahmen und können somit als deduktiver Schritt im Sinne einer Kategorienbildung gesehen werden. Die einzelnen Interviewfragmente 122 innerhalb der inhaltlichen ‚Hintergrundgruppen‘ wurden mit einzelnen Elementen des Überorganisationalen kodiert. Dabei wurden ebenso Verbindungen zwischen verschiedenen Elementen des Überorganisationalen innerhalb eines Fragments identifiziert und markiert, sodass eine konsistente Zweitkodierung entstand. Anschließend wurde die Zweitkodierung sortiert. Dabei war der erste Sortieralgorithmus der Fall, der zweite Sortieralgorithmus die Ebene des Überorganisationalen und der entsprechende Bereich und der dritte Sortieralgorithmus das jeweilige Element innerhalb der einzelnen Bereiche. Im Zuge dessen wurde auch eine fallbezogene Übersicht über die jeweilige Aneignung einzelner Elemente erstellt. Am Ende konnte somit auf eine Sortierung nach Fällen und Narrationen sowie eine entsprechende Übersicht zurückgegriffen werden. Es ist deutlich, dass ich mich in der Datenauswertung bewusst dagegen entschieden habe, Fitzgerald und Dopson (2010, S. 469f.) zu folgen, „to make choices between a framed or themed analytic approach by which researchers code data against a pre-prepared template or a wholly grounded theory approach, by which codes are generated from the data“. Diese Entscheidung habe ich abgelehnt und mich vielmehr für einen Hybrid entschieden. Im Zuge einer Familiarization (ebd., S. 480) bin ich zunächst offen an das Material herangegangen, habe hierbei jedoch sogleich eine offene Kodierung „from an open-minded stance towards the data“ (ebd., S.481) eingenommen, um mich mit dem Material vertraut zu machen. Die oben schon genannte und von Fitzgerald und Dopson vorgeschlagene Entscheidung nach einer entsprechenden Reflexion habe ich dann an dieser Stelle zugunsten der Verwendung eines analytischen Rahmens vorgenommen. Hierbei habe ich den Rahmen genutzt, welcher in Kap. 2 erarbeitet wurde, wodurch „a transparent trail from the frame of analysis through the data to the resulting themes“ (ebd., S. 480) dargestellt werden kann. In diesem Vorgehen in Verbindung mit dem analytischen Rahmen sehe ich ebenso einen besonderen Wert der Arbeit. 120 Ich nutze hier die Formulierung ‚Hintergründe‘, um eine Formulierung zu wählen, welche nicht in einem Konflikt zu Elementen des Überorganisationalen oder Argumenten steht, sodass keine Irritation entsteht und deutlich bleibt, dass es an dieser Stelle weder um Elemente der Makro-Ebene, noch um die der Meta-Ebene geht. 121 Hierin zeigt sich ein starkes Abrücken von den oben beschriebenen Vorgaben der Grounded Theory. 122 Es ist offensichtlich, dass in jedem Interviewfragment trotzdem ein Schlüssel eingebunden war, welcher eine isomorphe Abbildung auf die Interviewten und somit auch die Einrichtungen ausdrückte. 81 4 Empirischer Teil 4.1 Die Fallkonstellation auf der Meso-Ebene Zunächst sollen hier im Folgenden kurz die analysierten Fälle in ihren Hauptcharakteristika dargestellt werden, um damit ein besseres Verständnis für die Analyse der Verbindungen und Eigenheiten zu sichern.123 Im kompletten Landkreis befinden sich 25 Altenpflegeeinrichtungen. 1) Fall 1 – AGAVE Dieser Fall befindet sich im städtischen Gebiet. Zum Zeitpunkt der Erhebung gab es geschätzt 100 freie Betten in der Stadt. Im Fall wird sowohl Vollzeit- wie auch Teilzeitpflege124 angeboten, wobei ebenso die Möglichkeit des betreuten Wohnens in 22 eigens dafür bereit gestellten angrenzenden Wohnungen besteht. Die Einrichtungen dieses Falles weist 4 Wohnbereiche125 auf, in welchen 112 Pflegeplätze zur Verfügung stehen. Die Anzahl der Mitarbeiter_Innen betrug rund 85. Die Trägerschaft des Falls ist ein Verein der freien Wohlfahrtspflege. 2) Fall 2 – VERBENA Im Fall VERBENA sind die Umstände der Örtlichkeit ähnlich zum ersten Fall. Gleichsam wird Vollzeitwie Teilzeitpflege angeboten, wobei hier für die Teilzeitpflege extra 25 Plätze freigehalten werden und für die vollstationäre Pflege somit noch 172 Plätze zur Verfügung stehen. In VERBENA gibt es keine Möglichkeit des betreuten Wohnens. Auf 5 Wohnbereichen arbeiten circa 130 Menschen in Vollzeit sowie Teilzeit. Die Einrichtung wird von einem Verein getragen, welcher regional situiert ist und u.a. unter Beteiligung der Lebenshilfe agiert. 3) Fall 3 – KENTIA Der Fall KENTIA befindet sich ebenso in regional begründeten Umständen wie AGAVE und VERBENA. Neben der Vollzeit- und Teilzeitpflege besteht jedoch keine Möglichkeit des betreuten Wohnens. In KENTIA fanden zum Zeitpunkt der Erhebung rund 90 Menschen Beschäftigung. Auf 5 Wohnbereichen wurden 119 Pflegeplätze angeboten. Die Trägerin des Falles ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts, welche im Grunde den Leitlinien der Caritas folgt und diese hervorhebt. 4) Fall 4 – ZINNIA Der Fall ZINNIA ist auch im städtischen Gebiet, wenn auch in einem um einiges kleineren als die Fälle AGAVE, VERBENA und KENTIA. In ZINNIA bestand zum Zeitpunkt der Erhebung neben der Vollzeitund der Teilzeitpflege auch die Möglichkeit des betreuten Wohnens. Die Einrichtung war in 4 Wohnbereiche unterteilt, auf welchen insgesamt 170 Mitarbeiter_Innen zuständig für die Versorgung von 148 Bewohner_Innen waren. Die Trägerschaft von ZINNIA ist ein Verein der Evangelischen Altenhilfe. 123 Dabei muss bedacht werden, dass sich einige der Einrichtungen vom Zeitpunkt der Erhebung bis zum Schreiben der Arbeit verändert haben. In allen dargestellten Fällen spiegelt sich die Erhebungssituation wider. 124 Unter Teilzeitpflege fasse ich im Folgenden sowohl Kurzzeit- wie auch Tagespflege. 125 Die Begriffe Wohnbereich und Station werden im Folgenden synonym genutzt. Verschiedene Einrichtungen unterscheiden sich diesbezüglich in der Begriffswahl, es ist jedoch kein eindeutiges Diskriminierungsmerkmal für Außenstehende erkennbar. 82 5) Fall 5 – PIERIS PIERIS weist einige Besonderheit auf. Zum einen ist die regionale Verortung im eher ländlichen Raum anzusiedeln. Zum anderen besteht zwar ebenso keine Möglichkeit des betreuten Wohnens neben der Teil- und Vollzeitpflege, jedoch existierte in PIERIS eine spezielle Station für psychisch erkrankte Menschen. Insgesamt stehen auf 5 Wohnbereichen 116 Pflegeplätze zur Verfügung. In der Einrichtung selbst sind ungefähr 80 Personen beschäftigt. Eine weitere Besonderheit von PIERIS ist die Trägerschaft. Die Trägerin ist eine bundesweit agierende Unternehmensgruppe, welche insgesamt in 60 Einrichtungen 7.500 Mitarbeiter_Innen beschäftigt. 6) Fall 6 – RADIES Der sechste Fall ist ebenso besonders, jedoch aus anderen Hintergründen heraus. Regional befindet sich RADIES in einer sehr ländlich geprägten Region. Das Angebot von RADIES ist das umfassendste mit Vollzeit- und Teilzeitpflege, betreutem Wohnen sowie mehreren Pflegestationen für Menschen mit speziellen Einschränkungen. Darunter fallen eine spezielle Demenzstation, eine Apallikerstation und eine Schwerstpflegestation für Jugendliche. Insgesamt stehen in RADIES 340 Betten zur Verfügung. Darüber hinaus werden 250 Mitarbeiter_Innen und 60 Auszubildende beschäftigt. Neben der Größe der Einrichtung ist auch die Trägerschaft in dieser Untersuchung einzigartig, da hier ein Zweckverband auftritt, welcher durch verschiedene Landkreise und Städte konstituiert wird. 4.2 Die Fallanalyse auf der Meso-Ebene In der folgenden Analyse wird jeder einzelne Fall als narrierende Organisation für sich gesehen und auf das Auftreten und die Umsetzung der überorganisationalen Elemente hin untersucht.126 Dabei ist hier festzuhalten, dass in Kap. 2.1.4 deutlich geworden ist, mit welcher Stärke sich die zeitdiagnostischen Befunde auf die diskursiven Gegenstände auswirken und mit diesen gemeinsam wiederum das Juristische prägen. Gleichsam sind in Kap. 2.3 die konstitutiven Einflüsse der MakroEbene auf die Argumentationslinien der Gerontologie aufgezeigt. Dessen eingedenk, werde ich in der folgenden Analyse jeden Fall für sich an allen sechs (das Zeitdiagnostische, das Diskursive, das Juristische, die betriebswirtschaftliche Argumentation, die akademische Argumentation und die soziale Argumentation) hergeleiteten Elementen des Analyserahmens erproben und auf deren Auftreten hin darstellen. 4.2.1 Die Analyse von AGAVE a) Das Zeitdiagnostische In Bezug auf das Zeitdiagnostische als jene Elemente des Überorganisationalen, welche den ‚weitesten Abstand‘ zu der konkreten Organisation aufweisen, ließe es sich vermuten, dass diese auch am geringsten in den Narrationen der Organisation expliziert ist.127 In AGAVE ist dies auch 126 Im Sinne der Übersichtlichkeit und des leichteren Auffindens im Inhaltsverzeichnis werden die Fälle in Kap. 4.2 zwar in derselben Chronologie wie in Kap. 4.1 behandelt, jedoch hier aus genannten Gründen und in Rechenschaft des Umfangs in separate Unterkapitel gegliedert. 127 Dabei ist offensichtlich, dass es hier nur um jene Auseinandersetzungen geht, welche konkret einem Element zugeordnet werden können. Davon unberührt bleiben die dargestellten Verbindungen und Bedingtheiten (vgl. Kap. 2.4 als Zwischenfazit). 83 augenscheinlich zu beobachten, mit der Auffälligkeit, dass die zeitdiagnostischen Inhalte auch ausschließlich von Führungskräften bedient wurden. So ist zu festzustellen, dass eine Basis des Zeitdiagnostischen – die stete, unmittelbare Kommunikation von Allem – Performanz und Anschlussfähigkeit im Sinne des Modells (vgl. einmalig Abb. 2) aufweist. Die Heimleitung (HL) thematisiert dies in Verbindung mit der betriebswirtschaftlichen Argumentation, der des Funktionierens, wie folgt. „Auch diese Philosophie aus Fehlern lernen, eine ständige Verbesserung. Und ich sehe Mitarbeiter als Menschen, die sich mit Ihrer Persönlichkeit einbringen sollen, also es geht nicht darum, dass wir hier irgendwie nur Nummern haben, die ihre Aufgaben erledigen, sondern jeder bringt sich mit als Mensch ein, mit seinen Stärken und Schwächen und das macht natürlich viel Zwischenmenschlichkeit auch aus und das zeichnet uns auch aus.“ (A1_F1) Als weiteres zeitdiagnostisches Element wird darin ebenso die Kontrollgesellschaft als neuer Organisationsmodus ersichtlich. Gleiches ist bei der Pflegedienstleitung (PDL) erkennbar „Wir machen alle Fehler. Nicht nur meine Mitarbeiter. Ich auch. Jeder macht Fehler - dass die Fehler einfach offener besprochen werden und eben auch als Lernprozess genutzt werden.“ (A1_F2) wie auch bei einer Wohnbereichsleitung (WBL). „[U]nd wir machen das auch selbst als Wohnbereichshilfe. Wir haben ständige Pflegevisiten. Da wird das geguckt, dass nach Pflegestandard gearbeitet sein muss und/ 128 von der ganzen Doku überprüft.“ (A1_F4) Darin ist zu erkennen, dass die organisationale Narration hier bei drei Führungskräften in dieser inhaltlichen Verbindung auftritt. Bei einer weiteren Wohnbereichsleitung (WBL) ist der Aspekt der steten Kommunikation vielmehr mit disziplinargesellschaftlichen Zusammenhängen verknüpft. „Ich hinterfrage sogar meinen Wohnbereich eher kritisch. Denn ich weiß, wie schwierig es ist, alles auf dem Laufenden zu haben und vor allem den Mitarbeiter auf diesem Weg zu behalten, dass er nicht schon wieder rechts oder links abdriftet. Ich bin eigentlich auch sehr offen gegenüber, wenn etwas nicht so läuft auf dem Wohnbereich, wie wir es besprochen haben oder wie es angedacht ist, das auch offen anzusprechen.“ (A1_F3) Dabei wird an anderer Stelle sogar mit der Institution als Disziplin erhaltendes Gebilde argumentiert. „Aber ich behalte das schon immer wieder im Auge, weil aus der Erfahrung heraus einfach dieses aus diesem Rahmen Rausdriften immer wieder passiert, warum auch immer. Man muss sie dann einfach mal wieder so daran erinnern. He, hier in diesem Rahmen.“ (A1_F3) Es ist jedoch festzuhalten, dass eine protonormalistische Narration in AGAVE keine Ausnahmeerscheinung darstellt. Bei den beiden WBLen wurden argumentative Bezüge gefunden, welche eine Interpretation als Geständnis mit befreiender Wirkung zulassen. „Also damit auch so eine gegenseitige Kontrolle oder einfach mal so ein frischer Blick auf alles erfolgen kann, weil man ja schon betriebsblind ist auf seinem eigenen Wohnbereich.“ (A1_F3) „Ich will schon in einem guten Heim schaffen. […] ich bin auch nicht gegen Kontrolle.“ (A1_F4) 128 Für Besonderheiten in der Transkription vgl. Anhang: A 5. 84 Allgemeine protonormalistische Anschlüsse sind bei der Pflegedienstleitung (PDL) „Und nachher ist einfach mal Begleitung der Mitarbeiter, denn nicht alle Mitarbeiter kennen/ gerade von einer Schule und das nachher/ das Verständnis, muss man sie begleiten und unterstützen helfen probieren, also jetzt ist diese Situation bei ihren Bewohnern, probeweise machen wir das so und dann werden sie begleitet. Sie dokumentieren, dann komme ich, überprüfe ich es auch, kontrolliere, dann noch mal erklären, noch mal schulen.“ (A1_F2) und einer WBL identifizierbar. „Also muss ich quasi täglich Kontrollen durchführen, damit beides geleistet wird – die Pflege so wie auch die Dokumentation.“ (A1_F3) Hingegen wurden in AGAVE Kontrollgesellschaft gefunden nur bei einer WBL Bezüge zur flexibel-normalistischen „Es ist auch eine hohe Flexibilität vom Mitarbeiter gefordert. Ein neuer Mitarbeiter, der hier ins Haus kommt, hat erst mal wahnsinnige Schwierigkeiten, weil er es gewohnt ist, nach Schema F zu arbeiten Zimmer 1 bis 10, zackzackzack.“ (A1_F3) Wie in Kap. 2.1.1 dargestellt, ist dies jedoch als interner Widerspruch zu werten. Vielmehr wird hier deutlich, dass über die drei Circuits des Modells hinweg sowohl protonormalistische wie auch flexibel-normalistische Bezüge in AGAVE festzustellen sind. Dabei ist es jedoch schwierig in dieser Stelle eine_N Change Agent zu identifizieren, oder eine Interpretation zu finden, welche einen Erklärungszusammenhang für das Nichtauffinden zeitidiagnostischer Elemente bei den Mitarbeiter_Innen von AGAVE liefert. Letzteres kann in der Tatsache begründet liegen, dass nur zwei Mitarbeiter_Innen befragt werden konnten und diese beiden schlichtweg (noch) keinen Anschluss der zeitdiagnostischen Inhalte, welche von den Führungskräften bedient wurden, in alltäglichen Situationen haben. Für die hier zeitdiagnostischen Elemente wäre im Sinne der Konzeption die Möglichkeit gegeben, dass sich das diskursive noch Circuit of Performativity oder sogar noch Aktivität benötigt, um Sedimentierung zu erfahren. Da jedoch vier Führungskräfte zeitdiagnostische Elemente unabhängig voneinander bedient haben und hier auch Ansätze einer organisationalen Narration zu erkennen waren, liegt die Vermutung nahe, dass die entsprechenden diskursiven Argumente in AGAVE bereits im Circuit of Performativity ‚angelangt‘ sind. Die Zeitdiagnose an sich würde jedoch nahe legen, dass alle Menschen auch unabhängig einer Organisationszugehörigkeit von dieser durchdrungen sind und in der Bifurkation zwischen protonormalistischer Disziplinargesellschaft und flexibel-normalistischer Kontrollgesellschaft ‚gefangen‘ sind. Unbenommen dessen ist dies jedoch ebenso ein schwieriger zu erkennender, wiewohl rückbarer und explizierbarer Überbau, weshalb an dieser Stelle die genannten Auffälligkeiten vorerst festgehalten werden können, ohne weitere analytische oder konzeptionelle Rückschlüsse zu ziehen. b) Das Diskursive In AGAVE ist eine sehr gering ausgeprägte Annahme der gesellschaftlichen Kollektivsymbole, die das Alter(n) betreffen auffällig. Dabei lassen sich nur wenige Bezüge finden, zu der weithin negativen Wahrnehmung und Adressierung von stationären Altenpflegeeinrichtungen. Nur an wenigen Stellen wird dies von der Heimleitung (HL) und der PDL in die Argumentation eingebunden. Dabei ist bei der HL von AGAVE eine juristische Bezugnahme – zur Pflicht der standardisierten stationären Pflege nach 85 anerkannten medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen – zu erkennen. Das Kollektivsymbol ist dabei die stete Mühe von Altenpflegekräften, welche jedoch für die Gesellschaft nicht auszureichen scheint, da eine stetige Pflicht zur Erklärung wahrgenommen wird. „Pflegestandards, […] das ist auch inhaltlich richtig, dass man das tut, aber man hat das Gefühl in der Pflege, man muss sich den ganzen Tag rechtfertigen.“ (A1_F1) Ein ähnlicher Bezug ist bei der PDL zu erkennen, jedoch ohne die juristisch fundierte Apologetik. „[D]u kannst machen, was du willst; trotz der Lagerung, trotz Mobilisation entwickelt sich ein Dekubitus. Und was heißt das? Pflegefehler. Und das ist das, was einfach mal frustriert. Das Pflegepersonal wirklich sehr bemüht ist und wirklich seine letzte Kräfte für diesen Beruf hergibt.“ (A1_F2) Bei den WBL wird hingegen an einer Stelle Backes‘ These der Vergesellschaftung des Alters als gesamtgesellschaftlicher Integrationsprozess ‚aufgegriffen‘129. Dabei wird ebenso das Altersframe ‚Solidarität‘ adressiert, um der Isolation der alten Menschen vorzubeugen. „Wir sind offen für Anregungen. Wenn jetzt Nachbarn mit Anregungen kommen, was wir vielleicht verändern könnten, damit es zur Zufriedenheit beider Seiten führen kann. Da sind wir offen. Wir versuchen da immer, alles auch dementsprechend umzuplanen oder zu strukturieren.“ (A1_F3) Auch im Rahmen des Solidaritätsframes zieht die HL Bezüge zur Ausbildung. Im Solidaritätsframe ist das sehr negativ konnotierte Kollektivsymbol über den Beruf an sich beinhaltet. Der argumentative Hintergrund ist dabei der, dass Menschen, die sich eben solidarisch mit Senior_Innen erklären und sich auch beruflich um diese sorgen, beklagen, dass diese Pflege keine gesellschaftliche Reputation erfährt. In Zusammenhang damit wird hier in AGAVE eine zunächst absurd erscheinende Klage angeführt, welche jedoch ebenso eine, wie gerade beschrieben, negative Konnotation erregt. „[D]iese berufsspezifische Problematik: es ist ein tendenzieller Frauenberuf“ (A1_F1) Auch lassen sich Hinweise darauf finden, dass Primärerfahrungen in Bezug auf Alter und alte Menschen leichter zu verarbeiten und entsprechend andere Altersframes nahe legen. In Bezug auf die Ausbildung von Altenpflegekräften wird durch die andere WBL argumentiert, dass Alter (durch Kontakt z.B. zu Großeltern) etwas Positives ist, womit sich auch beruflich gut auseinander gesetzt werden kann. „Die Situation/ […] die machen ein anderes Bild bevor sie herkommen, habe ich den Eindruck. Und dann fällt das auf einmal schwer für die jungen Leute.“ (A1_F4) Ein weiteres Altersframe wird von der HL adressiert. Der Angriff auf die jüngere Generation, welcher in der demografischen Entwicklung begründet liegt und in welchem alte Menschen keinen Beitrag mehr für die restliche Gesellschaft leisten können, zeigt sich auch in die Faktifizierung dessen. „Es jetziger Sicht sind das Fakten, dass es eine Verschiebung hin zu höherem Alter ist und immer weniger Junge gibt. Und es wird sowohl gesamtgesellschaftlich ein Versorgungsprobleme geben, weil einfach ein beginnender Fachkraftmangel da ist, der zunehmen wird und es wird auch ein wirtschaftliches Problem geben, wenn es immer weniger Steuerzahler gibt und immer mehr 129 Der aktive Charakter des Wortes soll hier nicht dazu verleiten, eine konkrete Kenntnis zum Beispiel von Backes‘ These zu unterstellen. Vielmehr geht es hier um die entsprechende Argumentation, welche hier diesem überorganisationalen Element zu geordnet wird (vgl. auch Kap. 2.2.1). 86 Nutznießer. Von daher wird auch diese Diskrepanz sich entwickeln, zwischen immer höheren Ansprüchen einerseits eines Kunden oder einer Gesellschaft an eine Branche und andererseits immer weniger Finanzierbarkeit des Gleichen und das ist natürlich schwierig.“ (A1_F1) Dabei ist deutlich, dass es nicht darum geht, dass die HL dieses Altersframe vertritt, sondern dass es diskursiv in die Organisation vertreten ist und darauf rekurriert wird. Auch in der Analyse des Diskursiven wird deutlich, dass in AGAVE nur bedingt auf Abstraktheiten Bezug genommen wird. Wie bereits im Zeitdiagnostischen, wurden auch hier keinerlei Rezeptionen von Kollektivsymbolen bei den Mitarbeiter_Innen gefunden. c) Das Juristische Waren die beiden bisherigen Elemente der Makro-Ebene hinsichtlich ihrer Rezeption in AGAVE noch wenig ausgeprägt, zeichnet sich für das Juristische ein komplett anderes Bild. Der Kern des SGB XI, welche ein Gebot der Wirtschaftlichkeit für die Altenpflegeeinrichtungen beschreibt, wird von der HL in Verbindung mit der Verpflichtung zur Dokumentation des Pflegeprozesses thematisiert. „Und ich sehe, dass man früher letztendlich viel weniger Kostendruck hatte, viel weniger Dokumentationspflicht hatte, man konnte sich viel mehr auf die eigentliche Arbeit konzentrieren.“ (A1_F1) Dabei ist auffällig, dass die Argumentation der HL eine dadurch entstandene Reduktion der eigentlichen Arbeit der Altenpflege beinhaltet. Gleiche Argumentation findet sich auch bei den WBLen. „Die administrativen Aufgaben haben mittlerweile/ oder fressen mittlerweile den größten Anteil der Arbeitszeit - Dokumentation und Nachweispflicht. Es bleibt wenig Zeit für die direkte Pflege. Es geht viel Zeit für diese ganze Dokumentations- und Nachweispflicht drauf.“ (A1_F3) „Genau. Nicht so viel, und ** mehr Zeit für Bewohner geben. ** Ich weiß, die Dokumentation ist auch für den Bewohner, aber/ “ (A1_F4) Bei F4 ist dabei jene Wendung in der Argumentation interessant, welche ausdrückt, die Dokumentation sei auch für die Bewohner_Innen. Diese erscheint durch die lange Pause im Sprechen auch als Nachschub, ähnlich etwas einstudiertem. Darin könnte mit dem achten Schritt des beschriebenen Modells ein ‚Transport‘ von Relationen in Alltäglichkeit mittels einer Story gesehen werden. Dieser semantische Kern 130 findet sich auch bei der anderen WBL – F3, wobei eine Verbindung zu der betriebswirtschaftlichen Argumentation, im Konkreten zur Vermeidung von Frustration bei Personal gezogen wird. „Dass ein Dokumentationsnachweis geführt werden muss, ist ja keine Frage. Aber nicht in diesem Ausmaß. Das frisst einfach unsere Zeit weg. Also es ist wirklich mehr oder weniger eine Fließbandarbeit. Es befriedigt die Mitarbeiter nicht. Es befriedigt mich auch nicht. Es ist wirklich ein Durchschleusen.“ (A1_F3) Fällt hier auf, dass ein Unterschied in der Deutung der Argumente zwischen verschiedenen Führungsebenen vorhanden ist. Die HL sieht die Dokumentationspflicht und die entsprechenden 130 Zum Verständnis des Begriffs ‚semantischer Kern‘ vgl. abermals S. 48. 87 Folgen zu weiten Teilen negativ und bezieht sich zeitgleich auf die eigene Ohnmacht hinsichtlich der Personalausstattung. „Weil zu wenig Personal da ist. Weil die Zeit zu knapp ist, eben durch diesen Dokumentationswust und das schafft ein Stück weit eine Diskrepanz.“ (A1_F1) Hingegen ist bei F3 eine im Grundsatz positive Beurteilung der Dokumentationspflicht ersichtlich. „Eine bestimmte Dokumentation ist Pflicht, finde ich auch gut und ist auch hilfreich. Es gibt ja auch Sicherheit, so einen bestimmten Rahmen bildet das ja ach, wo der Mitarbeiter sich dann ja auch in Sicherheit wiegen kann oder mal nachblättern kann.“ (A1_F3) An dieser Stelle findet sich ein erstes Indiz für eine_N Change Agent, welche_R in der Position steht, neue diskursive Argumente in die Organisation einzubringen. Dabei bleibt fraglich, welche Argumentation sich auf die Organisation im Gesamten auswirkt und welche ‚ignoriert‘ wird. Bei einer Pflegekraft drückt sich der Bezug zur Dokumentationspflicht wie folgt aus. „Mittlerweile ist es eigentlich tatsächlich so, das Hauptaugenmerk wird auch schriftliche Sachen gelegt. Also das ist total wichtig, alles genauestens zu dokumentieren, jeder Kratzer muss abgemessen werden, mindestens einmal pro Tag, wenn nicht sogar zweimal. Ich sage immer so lapidar, hier lässt keiner einen Furz, ohne dass irgendein passendes Formular dazu ausgefüllt werden muss. […] Weil das sind so Sachen, die vom Medizinischen Dienst dann offensichtlich gefordert werden, so Selbstverständlichkeiten, warum soll ich überall dokumentieren, der wurde gekämmt, ich bin eine Pflegerin, natürlich käme ich den morgens, das gehört dazu.“ (A1_M1, Herv. M.R.) Hier werden mehrere Aspekte deutlich. Zum einen zeigt sich ebenso eine eher negative Interpretation der Dokumentation als solche, aber auch der Qualitätsprüfungen durch den MDK. Zum anderen zeigt sich – auch durch die genutzte Ironie – eine Zurückweisung der oben thematisierten Ohnmacht der Führungsebene. Vor diesem Hintergrund werden hier des Weiteren Bezüge deutlich, welche der kritischen Betriebswirtschaftslehre zugeordnet wurden. Die Gründe dafür werden – hier aber wieder nur von den Führungskräften bedient – in der Anlage des PflegeVG gesehen. Zum einen wird der Vorrang der häuslichen und ambulanten Versorgung herangezogen. „Wenn man jetzt von ambulanter, teilstationären, vollstationären Pflege- und* Klinikversorgung ausgeht, da wird so stark noch in Branchen gedacht, da werden Probleme teilweise verlagert.“ (A1_F1) Zum anderen wird in Zusammenhang damit implizit das Primat der Prävention und Rehabilitation thematisiert und weist bei den interviewten WBLen Anschlussfähigkeit auf. „Wir haben da auch ganz viele Arbeitszeiten, die wir dann dementsprechend anpassen. Je nachdem, wie sich das Klientel verändert.“ (A1_F3) „Dann die Pflegefälle sind auch schwieriger geworden, vielleicht ist da auch ein Zusammenhang mit diesen politischen Sachen, die sagen, alles ist teurer geworden und die Leute werden gepflegt auch zu Hause, bis nichts mehr geht. Deswegen kommen nur schwere Fälle, wo zu Hause kaum zu machen ist.“ (A1_F4) Zumindest bei F3 ist damit auch die Zurückweisung der von F1 thematisierten Ohnmacht gegenüber der Ausstattung mit Personal erkennbar. F4 hingegen verweist vielmehr auf eine historische 88 Perspektive, ähnlich der HL. Dabei wird von diesen beiden auch die pathologisierende Anlage des PflegeVG in die Narration eingebunden. „Wir bekommen jetzt Bewohner, die früher Krankenhauspflichtig waren, jetzt plötzlich es nicht mehr sind, aus irgendwelchen Gründen. Man spricht dann vom "Blutigen Patient", der auch in Reha-Kliniken zunehmend frühzeitig entlassen wird.“ (A1_F1) „Jetzt erlebe ich, sind mehrere Bewohner auch mit psychische Krankheiten, was früher war, hat man vielleicht so eine Station gehabt mit Dementen, aber jetzt geht gar nicht, weil fast auf jedem Stock ist die Hälfte sagen wir mal dement.“ (A1_F4) Auch in diesem Zusammenhang wird eine Machtlosigkeit durch ein gesetzlich verankertes Verständnis von Altenpflege gesehen „Wir schicken die Leute in die Klinik und die kommen nach einer halben Stunde wieder zurück. Nach dem Motto: ist ja eh ein Pflegefall. Was sollen wir da groß noch machen?“ (A1_F1) was jedoch ebenso wieder bei F3 thematisiert ist. „Also dass man wirklich jegliche Bedürfnisse des Bewohners berücksichtigen kann. Es ist uns ja gar nicht möglich, oft auf psychische Bedürfnisse in der Art und Weise einzugehen, wie es jeder bedarf, weil die Zeit gar nicht da ist.“ (A1_F3) Die bereits beschriebenen Folgen dessen – Verlorengehen des Residenzgedankens und strukturelle Benachteiligung des stationären Sektors – werden ebenso beschrieben, jedoch – auffällig – wieder nur von der HL. „[D]ie Fallpauschalen, die im Krankenhaus letztendlich jetzt eingeführt sind [, …] die Verweildauer von der Durchschnittserkrankung ist irgendwo festgelegt. Wenn der Patient länger braucht, legt das Krankenhaus drauf und wenn er früher entlassen wird, macht's Gewinn. […] Hat dazu geführt, dass im ambulanten Bereich, hausärztliche Versorgung, ambulante Versorgung, aber auch Heimbereich, dass der Anteil an Behandlungspflege enorm zugenommen hat.“ (A1_F1) „Wir haben hier enormen Zeitzuwachs, den wir in der Pflege leisten müssen, kriegen aber 0 Finanzierung dafür. Das heißt: hier wird Arbeit verdichtet, weil das Krankenhaus ein Problem gelöst hat. Also hier haben wir einen Verschiebebahnhof. Wird nicht Hand in Hand gearbeitet.“ (A1_F1) „In der ambulanten Pflege und im Hausärztlichen Bereich kriegt man das zum Teil finanziert, in der stationären Pflege wie bei uns ist das inbegriffen, dass wir Behandlungspflege erbringen, wir kriegen aber keinen Cent dafür.“ (A1_F1) Dabei ist in der letzten Aussage ersichtlich, dass wieder eine Gebundenheit der Einrichtungen die Verhandlungen mit den Pflegekassen vorhanden ist, was in der Gesetzgebung begründet liegt und ebenso negativ beurteilt wird. Dabei bedient auch die PDL erstmals eine juristisch fundierte Argumentation. „Die Beträge, was die Pflegeversicherung wirklich bezahlt für die jeweiligen Pflegestufen, hat sich kaum verändert. Also 2008 kam eine leichte Erhöhung für die Pflegestufe III, aber ansonsten welcher Betrieb, welche Mitarbeiter wirklich draußen in der Fabrik arbeiten zehn Jahre für das gleiche Geld?“ (A1_F2) 89 Deutlich wird dabei auch die Verortung der Regiekompetenz bei den Pflegekassen und daraus gründende Fremdbestimmung durch Externe Instanzen, welche darüber wiederum auch die Inhalte der Pflege bestimmen. Die entsprechende Argumentation findet sich auch bei den Mitarbeiter_Innen. „Ich meine, das ist viel zu viel, das alles hier; mit Pflegeversicherung und Anamnese und das ist halt ein bisschen übertrieben. […] Es wird viel geschrieben und viel geschwätzt, aber halt die Bewohner haben von dem halt nichts. Immer nur schnell, schnell machen und dann halt weiter.“ (A1_M1) Als weiteren, tief in der Narration von AGAVE enthaltenen Zusammenhang stellen sich die Konsequenzen für nicht komplett privatisierte Einrichtungen aus dem PflegeVG heraus. Dabei ist bei F1 wieder die bereits angesprochene historisierende Perspektive zu erkennen. „Ich höre seit 10 Jahren 'Entbürokratisierung der Pflege'. Das hat zugenommen in der Zeit.“ (A1_F1) In diesem Zusammenhang tragen sich hier auch weitere Elemente des Juristischen in die Einrichtung hinein werden bedient. Dabei ist wieder auffällig, dass das diskursive Argument von F1 unterschiedlich dem von F2 ist. „Das ist eine Entwicklung, die ich beobachte. Und eine zunehmende Verrechtlichung, Standardisierungstendenzen“ (A1_F1) „Also es ist nicht, dass ich grundsätzlich gegen die Standards bin oder gegen dieses gesamte Qualitätsmanagement, das auch in den letzten Jahren eingeführt worden ist. Ich finde es gut. Es macht die Pflege wirklich transparenter.“ (A1_F2) Hier werden zum einen bei F2 wieder Aspekte der Disziplinargesellschaft sichtbar, zum anderen aber die grundsätzlich positive Beurteilung einer Standardisierungstendenz, wohingegen hier explizit ein Unterschied zur Beurteilung der Dokumentationspflicht liegt, welche als negativ erachtet wird. „Dass es auf Grund wirklich dieser massiven Bürokratie immer schwerer wird, immer härter wird, immer höher. Also es ist für die Mitarbeiter ein sehr hoher Druck. Es kommt einem so vor, es zählt nur noch, was dokumentiert ist; das ist vorrangiger als die Durchführung. Das kann gefährlich sein. Also ein sehr, sehr hoher Druck.“ (A1_F2) An dieser Stelle wird deutlich, dass bei F2 eine gleiche Argumentation wie bei F1 identifizierbar ist. Es finden sich auch hier Elemente der Verantwortungsabgabe durch einen Rekurs auf die juristische Verpflichtung und die entsprechenden Folgen dessen. Diese argumentative Nähe von HL und PDL ist auch in Bezug auf die Bestimmung des Fachkraftschlüssels über die Pflegestufenermittlung ersichtlich. „Im Grunde müsste der Gesetzgeber in dem Moment sagen ‚Es gibt Faktoren, die die Heimversorgung erschweren, das ist zum Beispiel eine Zunahme dieser Behandlungspflege. Die müssten wir vergüten.‘ Das heißt: wir könnten mehr Personal einstellen, wird aber nicht gemacht.“ (A1_F1) „Es wird immer mehr und am Personal ändert sich nichts. Es wird immer eine höhere Qualität gefordert, aber weniger Geldausgaben. Und das geht wirklich nicht.“ (A1_F2) Darüber hinaus kann der oben thematisierte Unterschied in der Nähe zum Gegenstand, der Pflege älterer Menschen gesehen werden, der bei F2 als PDL größer ist als bei F1. Dadurch kann die Standardisierung als Hilfe zur Qualitätssicherung durch die praktische Perspektive ggf. besser mit 90 Symbolen versehen werden, als bei F1. Die Priorisierung auf die Dokumentation durch die juristischen Vorgaben wird auch von der WBL F3 so erkannte „Und kontrolliert werden wir schon anhand von dem, was wir quasi in Papierform/ oder in, wie soll ich sagen, oder was dokumentiert ist, wie es dokumentiert ist. Da werden wir kontrolliert. Das ist alles eben dieses auf die Dokumentation bezogen.“ (A1_F3) Allerdings ist hier auffällig, dass die Dramatik hier um einiges geringer ausgeprägt ist, als bei der HL, wo im Speziellen ein individualisierter, auf die Pflegekräfte bezogener Missstand juristischen Hintergrunds identifiziert wird. „Ich muss immer noch Angst haben, ob wenn ich was vergessen habe, drückt mir jemand was ans Bein. Ob das dann der Angehörige ist oder der Kostenträger, oder der MDK oder die Heimaufsicht oder der Arzt.“ (A1_F1) Bei F3 ist diese Einschätzung hingegen gar nicht individualisiert. „Also der Medizinische Dienst ist ein ganz großer Aspekt. Die führen ja Überprüfungen durch. Von denen sind wir quasi abhängig. Ist etwas nicht so dokumentiert oder so nach MDK-Richtlinien dokumentiert, es braucht nur ein falsches Wort in diesem Satz stehen, dann wird schon diese Zeit nicht gewährleistet. Somit bekommen wir eine schlechtere Einstufung.“ (A1_F3) Hier ist vielmehr der Einfluss des Gesetzes auf die Praxis der Pflegestufeneinordnung deutlich zu erkennen. Diese Narration aus dem Juristischen erscheint ebenso bei der HL, wieder mit einer grundsätzlich negativen Beurteilung des MDK. „Der MDK orientiert sich an den Prüfleitfäden auch bei einer Pflegeeinstufung, da geht es im Grunde nur um Grundpflegerische Aufwände, die da berücksichtigt werden. Andere Effekte, wie zum Beispiel eine massive Behandlungspflege wird zu wenig berücksichtigt. Genauso, wenn jemand sozialauffällig ist, spielt das erstmal keine Rolle. Das heißt: die orientieren sich am Buchstaben und sagen ‚sorry, so sind die Kriterien. Pech gehabt‘.“ (A1_F1) Diese negative Tendenz in Bezug auf den MDK erscheint auch bei der PDL, ohne hier eine konkrete eigene Erfahrung zu haben. „Wir haben jetzt noch keine MDK-Prüfungen gehabt, aber ich meine bei den MDK-Prüfungen sehe ich die Sache sehr heikel. Denn bei denen gibt es immer nur ja oder nein. Es gibt keinen Mittelpunkt.“ (A1_F2) Dabei ist jedoch auffällig, dass der MDK als solcher hier eine grundsätzlich negative Beurteilung erfährt, gleich der durch das PflegeVG etablierten Kontrollen als solche. Jedoch erscheint die Kontrolle durch ein freiwilliges privates Zertifikat hier nicht überflüssig, sondern nur die Beurteilung durch den MDK und die Heimaufsicht als die ‚staatlichen Instanzen‘, worin wieder eine Nähe zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie des optimalen Umgangs mit der gesetzlichen Situation gesehen werden kann. „Wir sind ein zertifiziertes Haus, dann haben wir diese Sterneaufsicht noch dazu. Verstehen Sie? Das sind alles doppelt und dreifache Kontrollen. […] Aber wenn ich jetzt mal bedenke diese Kontrollen von der Heimaufsicht oder vom MDK, die decken sich eigentlich.“ (A1_F2) Ähnlich, in der Masse zu viel, erachtet die WBL F4 die Situation durch die freiwilligen und die gesetzlich festgeschriebenen Kontrollen. 91 „Du wirst überprüft von [Stadt, wo der Träger sitzt] Verband, Du wirst überprüft vom Haus, Du wirst vom MDK überprüft, die Ärzte auch auf eigene Art überprüfen das, deswegen denke ich, ist viel zu viel.“ (A1_F4) Auffällig dabei ist jedoch die eher negative Beurteilung der Kontrollen durch die Ärzte, worin Bezüge zur akademischen Argumentationslinie und der Loslösung aus der Fremdbestimmung durch die Medizin als Disziplin gesehen werden können und darüber hinaus auch Bezüge zur kritischen Betriebswirtschaftslehre durch die Thematisierung der negativen Folgen für die Beschäftigten durch die Entscheidung zur privaten Zertifizierung durch die HL. Keinerlei negative Beurteilung erfährt die Prüfinstanz bei F3, wo die inhaltliche, beratende Perspektive im Vordergrund zu stehen scheint. „Also wenn jetzt auch der MDK kommt und sagt: Wir haben einfach festgestellt, dass, wenn ihr das in der Art und Weise führen würdet, es eine Erleichterung wäre für euch wie für uns/ damit haben wir kein Problem. Da, denke ich, sind wir ein sehr offenes Haus.“ (A1_F3) Weithin auffällig ist die Beurteilung der gesetzlichen Qualitätsprüfungen. Besonders vor dem Hintergrund, dass in AGAVE zu diesem Zeitpunkt noch keine Prüfung stattgefunden hatte, ist die Narration auch von der HL abgesehen recht stringent von der PDL „Sehr hoch, denn da müssen wir viel mehr auf die Dokumentation achten, was nicht bedeutet, dass der Bewohner deswegen besser oder qualifizierter gepflegt ist. Nur die Darstellung muss sehr hundertprozentig stimmen. Im Grunde genommen wird wirklich die gesamte Dokumentation überprüft, am Rande auch der Bewohner, aber was zählt, ist wirklich die Dokumentation.“ (A1_F2) über die WBL F3, wobei hier auch ein gewisser Pragmatismus und die betriebswirtschaftliche Argumentation der Wichtigkeit von Kontrolle der Mitarbeiter_Innen unterlegt ist „Nicht dokumentiert ist nicht gemacht. Also muss ich quasi täglich Kontrollen durchführen, damit beides geleistet wird - die Pflege so wie auch die Dokumentation.“ (A1_F3) über die WBL F4, welche jedoch analog zur HL und zur PDL eine negative Narration aufbaut. „Diese Dokumentation nimmt viel Zeit und manchmal ehrlich gesagt, ist es schade, dass wir haben wenig Zeit für Bewohner. Es wird nur geglaubt, was Schwarz auf Weiß steht und überprüft wird, lauter Überprüfungen, lauter Zertifizierung, solche Sachen natürlich.“ (A1_F4) Auch bei den Mitarbeiter_Innen scheint die Narration in die alltäglichen Situationen eingebunden zu sein. Es ist jedoch auffällig, dass sich auch hier eine andere Subjektposition entwickelt hat. Diese abermals mit Bezügen zu einer kritischen Betriebswirtschaftslehre versehen. „Schriftlich [lacht] immer schriftlich. Gerne auch mit Unterschrift vom Arzt, von Angehörigen dies und jenen. Wem gegenüber? Erstmal hier den Chefs. Und die sagen, das kommt vom MDK.“ (A1_M1) Interessant erscheint dabei auch, dass hier abermals die Narration der Ohnmacht in der oberen Führungsebene zurückgewiesen wird. Diese Konnotation ist explizit bei M1 und implizit bei F3 erkennbar. Es zeigt sich nach der Betrachtung der Makro-Ebene ein differenziertes Bild für AGAVE. Es wurden aus allen Bereichen Elemente identifiziert. Dabei war es jedoch schwierig, ein eindeutiges Bild der organisationalen Narration zu zeigen, bzw. generelle oder themenspezifische Change Agents zu 92 identifizieren. Es zeichnet sich ab, dass M1 die Narrationen von F1 und F2 explizit von sich weist. Auch stehen die diskursiven Argumente von F3 oftmals in Widerspruch zu denen von F1 und F2. Die Frage, ob sich hier zwei ‚Narrationsfelder‘ innerhalb einer Organisation herausgebildet haben, bleibt bis hierher unbeantwortet, wird jedoch in der Analyse der Meta-Ebene als Option weiterhin in Betrachtung geraten. d) Das Betriebswirtschaftliche In der Darstellung der Argumentationslinien auf der Meta-Ebene wurden in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie drei semantische Kerne identifiziert. In der Folge wird hier deutlich werden, dass eine kohärente Narration in AGAVE erst hier zu Tage tritt. In Bezug auf den ersten semantischen Kern – der ‚Mainstream‘-Argumentation ist festzustellen, dass die HL einen deutlichen Bezug zur Marktförmigkeit der Hilfstätigkeit in der stationären Altenpflege bedient, wobei auch hier wieder eine Historisierung auffällig wird. „Ich denke man hat vor 20 Jahren aus dem Vollen geschöpft, man hat das Ding auch bisschen an Wand gefahren, es wurde alles finanziert was ausgegeben wurde. Also dass man hier Wirtschaftlichkeitsgebot im Sozialwesen und Gesundheitswesen eingeführt hat, ist richtig.“ (A1_F1) Wenngleich in eher kritischer Auseinandersetzung damit, lässt in der Auseinandersetzung von M1 mit dieser Thematik erkennen, was die ‚legitimierte Wissensbasis‘ in diesem Zusammenhang in AGAVE ist. „[A]lso ich habe auch schon Vorschläge gemacht, wie man manches verbessern könnte, aber wenn es dann darum geht, dass man Geld ausgeben muss, dann wird das nicht anerkannt. Wenn man Vorschläge macht, um Kosten einzusparen, wird das anerkannt.“ (A1_M1) Der aus einer solchen organisationalen Narration erwachsende Gedanke einer allgegenwärtigen Konkurrenzsituation ist auch bei der WBL F4 zu finden. „Ich weiß nicht. Ich denke, jetzt sind so viele Heime, deswegen diese Konkurrenz spielt auch eine große Rolle, dass jeder will das Beste zeigen, besser sein. Vielleicht auch diese Sachen machen nicht leichter, sondern schwieriger die Situation.“ (A1_F4) Hierin ist jedoch auch die Benennung der daraus resultierenden Schwierigkeiten zu erkennen. An späterer Stelle fügt sich die Argumentation von F4 jedoch in die Marktlogik ein, sodass es darum geht, eine konsistente Struktur innerhalb der Organisation zu etablieren, diesem Wettbewerb standzuhalten. „Es kommen schon Versuche, wie gesagt bei jungen Leuten, aber irgendwie mit der Zeit lernen die schon das. Und dann die verstehen, dass es wichtig ist: Bewohner, dass der versorgt ist, dass Arbeit korrekt gemacht ist, aber Versuche kommen schon am Anfang. Sehr viel, ja.“ (A1_F4) Darin ist eine deutliche Wiedergabe der organisationalen Story des Funktionierens zu erkennen, welche auch von der PDL bedient wird. „Und wenn das weiterhin zu solchen Verletzungen von Vereinbarungen kommt, dann kommt es wirklich bis zur Abmahnung. Es ist nicht, dass wir wirklich jeden Tag eine verteilen, das ist eigentlich recht selten. Es hält sich schon in Maßen. Aber es kommen Situationen, wo es anders wirklich nicht mehr machbar ist. Es sind solche Mitarbeiter dabei, die versuchen, ihren Kopf auch durchzusetzen, und das geht einfach nicht.“ (A1_F2) 93 Aber auch die HL bedient dieses diskursive Argument der Optimalität. „Ja, sagen wir, wenn man mit knappen Ressourcen, das heißt: begrenzt Geld, also nicht im Überfluss, oder begrenzt * Geld, begrenzt Zeit, begrenzt Personal das mögliche versucht und das machen wir, und dann eine ordentliche Arbeit machen kann und ein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis, also nicht gewinnorientiert, wir sind gemeinnützig, aber dass man auch Rücklagen bilden kann für zukünftige Investitionen, dann machen wir auch eine gute Arbeit.“ (A1_F1) Wobei an anderer Stelle auch auf die Rolle der Führungskräfte in der Etablierung einer entsprechenden Narration Bezug genommen wird. „Wenn‘s konträre Anweisungen gibt, dass der eine so sagt und der andere so, dann ist das ein Kommunikationsproblem, da muss man das auf der Ebene regeln. Dann die Frage, in weit ist es auf dem Wohnbereich gut organisiert, also ist jemand überfordert, muss er zu viel machen, dann ist das nicht in seiner Person, dann ist das halt auch Arbeitsorganisation in einer Gruppe.“ (A1_F1) Dieses Kommunizieren des Organisationsziel, hier: der optimalen Organisation vor dem Hintergrund der gegebenen Situation, wird auch von der PDL erwirkt, „Das eine Mal, da hat ein Mitarbeiter immer mit Zeitmangel begründete. Das ist immer so - wir haben keine Zeit. Dann wird noch malerklärt. Nichteinhaltung hat dazu beigetragen, dass das passiert.“ (A1_F2) wobei die Leitung vorbildliches Verhalten erkennen würde „wenn der Mitarbeiter auch dazu steht, dass er etwas vergessen hat, denn das kann passieren; dass er sich nicht dafür rechtfertigt. Wenn ich es vergessen habe, dann habe ich es vergessen. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, dann habe ich es nicht verstanden. Oder wenn ich sage, ich komme damit einfach nicht klar. Man muss nicht perfekt sein. Aber man darf halt das Ziel nicht aus den Augen verlieren. [Nachfrage: Eben das Ziel, was Sie eingangs sagten, das Wohlergehen der Bewohner.] Ja, und natürlich auch die Erledigung dieser zusätzlichen Aufgaben.“ (A1_F2). Auch dieses diskursive Argument findet sich bei der HL. „Es findet aber auch statt, dass Mitarbeiter, sage ich mal, stupide vor sich hin arbeiten und nicht reflektieren, was sie gerade machen und wenn was schief gelaufen ist auch nicht gucken, warum ist das schief gelaufen und was kann ich daraus lernen, sondern das läuft noch mal schief. Das ist dann eher so Stillstand und Bequemlichkeit, Überforderung.“ (A1_F1) Des Weiteren ist auch an anderer Stelle deutlich, dass die Vision der Führungsebene hinsichtlich der Ausrichtung der Einrichtung hier einer Orientierung an einem Unternehmen folgt, wo Optimalität ‚in der Produktion‘ wie auch beim Umgang mit dem Personal vorhanden ist. „Wir wollen eine Einrichtung sein, wo die Leute sagen ‚Da will ich hingehen, wenn ich mal Pflegebedürftig bin.‘ Das muss ein Anspruch sein für uns. Und wir wollen mit den Mitarbeitern so umgehen, dass man auch als Mitarbeiter sagt ‚Wenn ich mal eine Stelle such, möchte ich dahin gehen, weil die gut mit Mitarbeitern umgehen.‘ […] Also nicht irgendwie etwas von oben runter verordnen, wir machen das so, weil das irgendwo steht. Sondern eine Vision entwickeln. Wir wollen eine tolle Einrichtung sein. Eine tolle Einrichtung hat zufriedene Bewohner und zufriedene Mitarbeiter und hat einfach Zukunftschancen. Und auf diesem Weg versuchen wir das. […] Und wir merken es auch bei Bewerbungsgesprächen, ob jemand dieses Denken auch mittragen kann oder nicht. Und dann entscheidet sich es auch, ob jemand passt oder nicht.“ (A1_F1) 94 In diesem Zusammenhang werden implizite Bezüge zur Kontrollgesellschaft erkenntlich, wenn in der Narration Flexibilität und Auflösung einer Starrheit zum Erreichen des Ziel im Sinne der Best Nursing Practice eingebunden ist. „Dieses Starre, also bis um acht Uhr alle Bewohner draußen und ein bisschen Stress; also Stress hast du auch nachher auf keinen Fall, aber es ist anders. Und du siehst, der Bewohner ist zufriedener. Das macht schon zufrieden.“ (A1_F1) In direkter Verbindung damit wurde in der betriebswirtschaftlichen ‚Mainstream‘-Argumentation auch der optimale Umgang mit Mitarbeiter_Innen thematisiert. In AGAVE wurden diese Argumente ebenso wahrgenommen. Ist in der Gerontologie noch von aus der Betriebswirtschaftslehre gezogenen Erkenntnissen wie Reflexion über gute Führung und eine professionelle Anleitung durch die Vorgesetzten die Rede, findet sich hier im Fall folgende Narration. Bei F1 findet sich eine ähnliche, flexible, Fehler zulassende Vorstellung von vorbildlichem Verhalten der Mitarbeiter_Innen. „Vorbildlich heißt für mich, wenn ich meine Arbeit reflektiere, wenn ich sie also planvoll tue. […] Also stückweit selbstkritisch und ein ständiger Verbesserungsprozess. […] Dass ich so pflege, dass ich mir selbst vorstellen kann, dass ich selbst oder meine Angehörigen hier versorgt werden, das ist so ein Maßstab. Das wäre für mich vorbildlich und das findet hier auch statt.“ (A1_F1) Dahingehend wird bei der PDL auch ein expliziter Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit in Bezug auf die Pflegeleistung und die Anleitung des Personals gesehen. „Meine Aufgabe als Pflegedienstleitung ist in erster Linie Sicherstellung der Pflege der Bewohner. Also auch mit Pflege/ Klar, Personal, Personalführung.“ (A1_F2) „Es ist ja einfach viel Papier, was ausgefüllt werden muss. Und bis die Mitarbeiter das wirklich verstanden haben, das ist sehr mühsam.“ (A1_F2) „Erst mal werden die Mitarbeiter geschult, also Schulungen im Rahmen von allgemeinen Dienstbesprechungen, im Rahmen mit Wohnbereichsleitungen. Jeder Wohnbereich ist noch mit einer Wohnbereichsleitung. Dann werden die Wohnbereichsleitungen geschult, und dann ist jede Wohnbereichsleitung zuständig für seinen Wohnbereich, die Mitarbeiter weiter zu schulen. […] Sie dokumentieren, dann komme ich, überprüfe ich es auch, kontrolliere, dann nochmal erklären, noch mal schulen.“ (A1_F2) Darin ist eine deutliche Orientierung auf einen autoritären Führungsstil mit deutlichen Ansagen gegenüber den Mitarbeiter_Innen und der Kontrolle dieser in ihren Tätigkeiten zu sehen. Und auch die Reflexion über diesen Führungsstil und die Beurteilung dessen ist in die organisationale Narration eingebunden. „Das sind die Chefs. [Heimleiter_In] und [Pflegedienstleiter_In]. Da muss ich/ Da wird schon geguckt auf eine gute Führung.“ (A1_F4) Im scheinbaren Gegensatz dazu ist jedoch auch das Argument zu finden, dass Mitarbeiter_Innen empowert werden müssen, um wirklich gute Arbeit leisten zu können. „Ist es jetzt ein neuer Mitarbeiter, ist der nicht richtig eingearbeitet wurden, also ist es Unwissenheit, dann braucht er Wissen.“ (A1_F1) Auch bei diesem Argument scheint es eine ‚Gegen-Narration‘ in AGAVE zu geben. 95 „Da ist man schon mal mit Verantwortung überrumpelt und überfordert. Aber ich glaube, das ist oftmals Gewohnheitssache. Wenn die Leute dann von Anfang an ein wenig langsamer an die Sache herangeführt werden, dann werden die selbstsicherer in allen.“ (A1_M1) In der Vorstellung der Anleitung der Mitarbeiter_Innen und der Reflexion darüber steht die Kontrolle des Pflegeprozesses. Interessant ist dabei, dass im juristischen Zusammenhang negativ versehene Argumentationen in einem anderen Kontext, der betriebswirtschaftlichen Argumentation, eine positive Konnotation erfährt. „Dokumentation zum Beispiel wird kontrolliert, wie das geführt wird und durch die Dokumentation sieht man alles dann. Und dann wird auch Befragung von Angehörigen und Bewohner, was die sagen und äußern.“ (A1_F4) In diesem Zusammenhang ist die Kontrolle durch Dokumentation nicht mehr an den externen Einfluss durch die Gesetzgebung gebunden, sondern an eine Freiwilligkeit im Sinne eines optimalen und praxisgebundenen Funktionierens der Einrichtung.131 Im Rahmen dieser damit verbundenen Story des Funktionierens wird auch auf die Teamzusammensetzung Bezug genommen. Auffällig ist dabei, dass an dieser Stelle das einzige Mal die WBL F3 Elemente der ‚Mainstream‘-Argumentation bedient. „Aber da gucken wir schon, dass wir im Team besprechen, wie wir gemeinsam dieses Ziel gut erreichen können, was für Lösungen, was für Strategien wir denn da andenken oder evtl. auch durchführen werden.“ (A1_F3) „Dass nicht jeder einfach tut, so wie er denkt und wie er meint, sondern dass wir nicht eigentlich grundsätzlich alles, sondern bestimmte Arbeitsstrukturen oder organisatorische Dinge oder was den Bewohner betrifft, im Team bespricht, wenn sich da eine Veränderung auftut.“ (A1_F3) Auch in der Analyse der betriebswirtschaftlichen Argumentation ist auffällig, dass M1 entgegen der Führungsebene argumentiert, wobei der Konflikt explizit mit F1 und F2 zu bestehen scheint. Dabei ist auch hier wieder eine argumentative Nähe zu F3 augenscheinlich. „Das auch ja, auch was die Pflegeabläufe angeht. Weil wirklich/ ja, das ist ein Team, jeder schafft mit jedem zusammen und * da gibt’s dann nicht, dass man sagt, die Schicht A teilt das so ein und die Schicht teilt das so ein, sondern jeder schafft Hand in Hand und dasselbe.“ (A1_M1) Auch wird an der Stelle bei M1 deutlich, dass die Narration der Führungsebene über die erforderliche Flexibilität zum Erreichen der Organisationsziele trotz der fortwährenden Bedienung der Stories im Circuit of Performativity keine Sedimentation des Arguments bewirkt hat. „Und so zeitnah wie möglich, und man wird dann auch unter Druck gesetzt, sie haben mit Konsequenzen zu rechnen, wenn Sie dieses nicht machen und jenes nicht machen.“ (A1_M1) Die HL stellt dabei den expliziten Versuch an, alle Mitarbeiter_Innen zu erreichen, um Performanz und Anschlussfähigkeit der ‚Leitungs-Narration‘ zu erzeugen. 131 Ein darin zu erkennender Widerspruch ist zum einen durch eine konzeptionelle Bezugnahme erklärbar, welche über die verschiedenen Narrationen mit internen logischen Bezügen fungiert. Zum anderen ist eine methodische Erklärung möglich. Durch die episodischen Interviews erzählten die Interviewten sowohl ihre inhaltlichen Episoden, abgegrenzt von anderen, was durch die Konzeption gestützt wird. Dadurch die in Kap. 3.2.4 dargestellt Vorgehensweise bei der Datenauswertung wurde die verbundene Komplexitätsgenerierung dekonstruiert. 96 „Es ist natürlich die Trägerphilosophie, aber jede Einrichtung hat natürlich auch eine eigene Prägung, die jetzt aber nicht eine persönliche Prägung ist, sondern schon auch eine gemeinsam entwickelte. Und klar gibt es da die Zwischenschaltung einer zweiten und dritten Führungsebene, aber in Personalversammlungen oder auch in Gesprächen, Mitarbeitergesprächen, Bewerbungsgesprächen, bei Teamsitzungen, Klausurtagungen, habe ich auch den Kontakt zu allen Mitarbeitern.“ (A1_F1) Wobei die HL, auch in der Reflexion des eigenen Stils, hier eine starke Rolle einnehmen möchte, um die eigene Vision umzusetzen, wie es auch die Maßgabe der ‚Mainstream‘-Argumentation ist. „Ja, meine Aufgaben ist letztendlich die Repräsentation des Hauses nach innen und nach außen, Sicherstellung der gesamten Organisation, Personalfragen, Qualitätssicherung, also bin auch Qualitätsbeauftragter, Öffentlichkeitsarbeit, inhaltliche Weiterentwicklung der Einrichtung.“ (A1_F1) Dabei ist auch hier das Argument sedimentiert, dass „dieses Leitbild, dieses Pflegekonzept, diese Art und Weise, wie gearbeitet wird, zufrieden stellt, und deswegen bleiben sie [die Mitarbeiter_Innen, M.R.] schon länger.“ (A1_F1) Darin ist auch deutlich der Bezug von F1 zum Bestreben zu erkennen, dass das Personal sich mit der Einrichtung identifizieren kann. So werden auch an anderer Stelle Narrationen aus dem semantischen Kern der Personalwirtschaft deutlich. „Ich denk, wenn jemand in seiner Arbeit glücklich ist, macht jemand auch eine gute Arbeit und wenn es anders ist, dann zeigt sich das auch in der Qualität der Arbeit und dann muss man gucken, ob er nicht einen anderen Platz irgendwo braucht.“ (A1_F1) Wobei festgehalten werden sollte, dass in einem anderen Kontext die Vision der Einrichtung nach der HL „schon eindeutig die Bewohnerorientierung [ist, M.R.], wirklich im Konkreten, also nicht nur auf dem Papier. Dass wir sagen ‚Der Bewohner lebt hier, der ist Mittelpunkt, der bezahlt letztendlich auch unsere Arbeit‘“ (A1_F1). Darin sind wiederum sehr stark Bezüge zur ‚Mainstream‘-Argumentation erkennbar. Bei der PDL wird eine personalwirtschaftliche Story offensichtlich in die Verantwortungsverschiebung auf externe Ursachen eingebettet. „Dass meine Mitarbeiter dem fast nicht mehr gerecht werden können, dass teilweise die Mitarbeiter wirklich nach der Arbeitszeit länger bleiben müssen, wenn sie das alles wirklich auf die Reihe kriegen wollen. Und ansonsten werden viele Sachen einfach vergessen. Die Mitarbeiter sind total überbelastet, Krankmeldungen werden immer mehr. Das merkt man einfach, das ist brutal.“ (A1_F2) Ähnlich tritt dies hier auch wieder bei der HL zum Vorschein, „Also wenn man es gesamtwirtschaftlich sieht, man sieht zwar vielleicht ein Problem, aber man tut nichts, aus anderen Gründen. Das heißt: da wird die Branche stückweit allein gelassen und der Mitarbeiter muss es irgendwie aushalten. Er weiß, was er tun soll, zum Beispiel Pflegestandard, das heißt: das ist das absolute Optimum. Das was er tun kann, ist aber nur ein Teil davon.“ (A1_F1) wobei über die Folgen für die Mitarbeiter_Innen reflektiert wird. „Und das schafft ein Stück weit auch ich denk im Beruf eine Frustration“. (A1_F1) 97 „Man macht vieles, was gar nicht greifbar ist, was so in dieser Grauzone erledigt wird.“ (A1_F3) Daraus ergeben sich auch einige Anschlüsse in der kritischen Auseinandersetzung mit der betriebswirtschaftlichen Argumentation. Dies ist jedoch – von bereits beschilderten Bezügen bei M1 abgesehen – in der Führungsebene ausschließlich bei der WBL F3 in der Reflexion des eigenen Vorgehens identifizierbar. „Ich bekomme ja auch immer mehr Aufgaben zugeteilt, die ich ja selber dann auch nicht mehr bewerkstelligen kann, und muss sie ja weiterdelegieren und setze somit quasi ungewollt auch meine Mitarbeiter unter Druck.“ (A1_F3) oder an anderer Stelle „In der momentanen Situation unter diesem Druck sind sie nicht zufrieden. Die Arbeit an und für sich wäre nicht das Thema. Aber dieser Druck, das macht sehr unzufrieden und nimmt auch sehr viel Motivation.“ (A1_F3). Auch nach der Analyse der betriebswirtschaftlichen Argumentation bleibt eine Einheitlichkeit in der Narration von AGAVE nicht zu erkennen. Fraglich ist, warum Mitarbeiter_Innen, die die Narration der der HL nicht wiedergeben oder sich explizit sogar gegen sie stellen, als Mitglieder der Organisation auftreten. Für den Fall des Entgegenstellens ist M1 anzuführen, welche_R die Ursachen für Stress und Frustration eindeutig zuweisen kann. „Da sind unsere Leitungen, ohne Wohnbereichsleitungen dann zuständig, die kontrollieren dann eben, aber hauptsächlich auch anhand der schriftlichen Dokumentation /“ (A1_M1) „Tatsächlich eine Konsequenz gezogen haben Sie noch nie, aber sie drohen ständig damit. Also das ist schon etwas, was wirklich/ es ist ja so schon ein enormer Druck, der auf uns lastet beim Arbeiten.“ (A1_M1) Die Begründung dafür kann in einigen Argumentationen der Führungsebene gefunden werden. „Es ist eher so, dass wir gerade was Fachkräfte angeht, seit gut einem 3/4 Jahr Probleme haben, jemanden zu finden. Ich denke, also ich kann jetzt nur für die Region hier sprechen, also wir haben auch Stellenanzeigen keine Bewerbungen von Fachkräfte.“ (A1_F1) „[M]an da kann da qualifizieren, Fachausbildungen alles Mögliche machen, dann kommt die Familienphase, die sind 1, 2, 3 Jahre weg, oder ganz weg. […] Das heißt: da haben wir einfach eine Fluktuation, die uns dahingehend Probleme schafft, dass wir die nicht einfach wiedergleich ersetzen können, aufgrund der Arbeitsmarktsituation.“ (A1_F1) Und ebenso ist dieses Argument auch in den Episoden der PDL aufzufinden. „Die Personalfluktuation ist wahnsinnig. Und wirkliche Fachkräfte zu kriegen ist sehr schwierig. Der Markt ist wirklich leer gefegt.“ (A1_F2) Gleichzeitig ist dieses auch bei Argument auch bei den Pflegekräften präsent. „Ich glaube, das ist immer wieder das gleiche Problem. Also, zu wenig Personal. Also, die Leute müssen oft warten, bis jemand von der Pflege kommt.“ (A1_M2) Hinzu kommt, dass die ‚Leitungs-Narration‘ eine gute inhaltliche Positionierung umfasst, jedoch die volle Auslastung der Einrichtung nicht vorgeben kann. 98 „[W]ir haben die Anerkennung von Angehörigen, von der Fachwelt. Es ist halt nur kein volles Haus. Wir sind auf dem richtigen Weg. Es ist nicht so, dass wir sagen, es ist alles super und wir haben alles erreicht, aber ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg und das ist schon, würde ich sagen erfolgreich.“ (A1_F1) Es ist deutlich geworden, dass die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie in AGAVE sehr ausgeprägt ist. Auch ist es noch auffälliger geworden, dass eine Etablierung von ‚Narrationsfeldern‘, wie sie nach der Analyse der Juristischen bereits kurz als Frage aufgeworfen wurde, auch nach der Betrachtung des Betriebswirtschaftlichen nahe liegt. Es zeichnet sich bis hierher eine ‚LeitungsNarration‘ ab, welche jedoch nicht von F3 geteilt wird. F3 und M1 haben bislang entweder eine sehr gering ausgeprägte Übereinstimmung mit dieser Narration aufweisen können, bzw. stellen sich – im Fall von M1 – sogar explizit gegen die ‚Leitungs-Narration‘. In dieser war eine sehr starke Replik der betriebswirtschaftlichen Mainstream-Argumentation in beinahe allen aus der Literatur gewonnenen Bereichen ersichtlich. Es ist auch eine personalwirtschaftliche Auseinandersetzung erkennbar. Die diskursiven Argumente der kritischen Diskussion innerhalb der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie, wurden ausschließlich im Rahmen der ‚Nicht-Leitungs-Narration‘ ausgeführt. e) Das Akademische Ähnlich der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wurden auch in der akademischen verschiedene semantische Kerne erkannt, welche als ‚Nähe zur Medizin‘, Professionalität und Bestreben nach Unabhängigkeit der Gerontologie von anderen Disziplinen dargestellt wurden. Auf der Suche nach dem Niederschlag der Bezugnahme zur Medizin als Disziplin fällt in dem Interview mit der WBL F4 auf, dass Praktiken, welche aus Krankenhäusern bekannt sind, thematisiert werden. „[…] so Fallbesprechungen und da wird natürlich auch besprochen, ob das aktuell ist und da wird auch die Meinungen der anderen ** Kollegen gehört und dann festgestellt, eine objektive Meinung gemacht. Nicht so winzig gedacht. Diese Fallbesprechung habe ich erst hier erlebt, vorher habe ich das nicht gekannt, nicht gewusst. Aber ich finde, dass ist eine gute Sache. Das wird wirklich gedacht und objektiv * geregelt.“ (A1_F4) In diesem Fragment sind mehrere Aspekte auffällig. Zum einen kann in der Darstellung, des ‚wirklichen Denkens‘ und der ‚Objektivität‘ die in diesem semantischen Kern bediente klinische Erfahrung, Evidenzbasiertheit der Handlungen und Messbarkeit der Pflege erkannt werden. Zum anderen wird in der Aussage deutlich, dass diese Praxis innerhalb von AGAVE geteilt wird und das entsprechende Argument somit nicht nur handlungsleitend als auch anschlussfähig im Sinne des Circuit of Performativity ist, denn „Das ist gerade diese Einheit, gleich wird gemacht und korrekt, korrekte Durchführung.“ (A1_F4) Dabei ist diese Einheitlichkeit über die Organisation hinweg erkennbar, sowohl in der Ebene der Führungskräfte, als auch in der der Mitarbeiter_Innen. „Also das war nicht nur irgendwie auf* wie man dort, war das immer so als schlecht angesehen ‚satt und sauber‘, war immer so das Schlagwort ‚satt und sauber‘, diese Pflege wollen wir nicht.“ (A1_M1) Es ist auffällig, dass hier das erste Mal in der Analyse M1 eine Position vertritt, welche nicht im Gegensatz zu der ‚Leitungs-Narration‘ steht. Die von M1 thematisierte ‚Satt-und-Sauber-Pflege‘ erscheint dabei als das Gegenteil von professioneller, guter Pflege dargestellt, welche in der Wirwelt 99 von AGAVE, dem poetic trope der Attribution von Gemeinschaft, nicht gewollt ist. Dieser Aspekt der evidenzbasierten Professionalität findet sich auch bei der HL. „Und dann hat man diese Pflegestandards, die von den Fachkommissionen erstellt werden, die für alle verbindlich sind. […] Das wird implementiert, das ist inhaltlich im Qualitätsmanagementsystem drin, das steht auf den Wohnbereichen zur Verfügung. Das muss aber bei jedem Bewohner abgefragt werden.“ (A1_F1) Auch hier ist wieder eine direkte Verbindung zu betriebswirtschaftlichen Inhalte erkennbar. Auch bei der WBL F3 ist im Kontext der Professionalität der Bezug zu finden, dass „der Bewohner hier, solange keine Selbst- oder Fremdgefährdung besteht, seinen Lebensabend so gestalten kann, wie er möchte.“ (A1_F3) Diese Verbindung zu der sozialen Argumentationslinie, wie später in der entsprechenden Analyse noch zu zeigen sein wird, wird ebenso als Leitbild von AGAVE, hier jedoch im professionellen, akademischen Umgang dargestellt, wobei ebenso von der F1 das diskursive Argument des Spannungsfeldes zwischen Akademisierung und Professionalisierung bedient wird. „Diese Philosophie widerspricht nicht den Pflegestandards, sondern die Philosophie geht über die Pflegestandards hinaus.“ (A1_F1) Im gleichen semantischen Kern, der Professionalität, verfängt sich bei F1 jedoch auch der Bezug zur Alltagspraxis, wobei hier – im Besonderen vor dem Hintergrund der Analyse des Betriebswirtschaftlichen – festgestellt werden muss, dass die Praxisorientierung bei F1 im Allgemeinen besonders stark ausgeprägt ist. In direktem Verweis auf die Gerontologie gibt die HL die Einschätzung „Ich denke, die Pflegewissenschaft muss sich auch mit den Gegebenheiten, nicht nur was wünschenswert wäre, sondern auch was faktisch vorhanden ist. Das heißt: man kann nicht vom absoluten Optimum ausgehen, daran orientiert sich die Wissenschaft, sondern man muss vom relativen Optimum ausgehen ‚Was kann ich tun unter den gegebenen Umständen?‘ und das ist viel weniger. Und ich denk, wenn man das auch richtig ernst nimmt, wird man der Sache in der Schule auch richtig gerecht und überfordert diese Auszubildenden nicht, indem sie dann in ihrer Praxisphase vor Situationen gestellt werden und sagen ‚Eigentlich sollte ich, aber ich kann nicht‘. Ja. Das sehe ich als Problem.“ (A1_F1) Darin wird neben den alltagspraktischen Bezügen auch jenes diskursive Argument präsent, dass es keine reine Theorie für professionelles pflegerisches Handeln geben kann. Gleichsam wird ein weiterer Punkt dieses semantischen Kerns thematisiert, die Ausbildung. Im Sinne des Arguments der Professionalität innerhalb der akademischen Argumentationslinie ist die Forderung, dass diese zwar theoretisch fundiert, jedoch ebenso praktisch anschlussfähig sein sollte. F1 kritisiert genau diesen Punkt, indem er die Überforderung der Auszubildenden in den Praxisphasen anspricht. Gleichsam gibt F1 an „Also ich seh‘ das alles als Schere. Man hat einerseits immer mehr Fachwissen, aber andererseits immer weniger die Möglichkeit, das Fachwissen unter den gegebenen Umständen umzusetzen.“ (A1_F1) Am Beispiel dieses diskursiven Arguments kann auch erstmals ein Niederschlag über die gesamte Organisation hinweg festgestellt werden. Auch in anderen Bereichen der Führungsebene, 100 „Nur so arbeitsmäßig, aber so von Theorie/ weil ich denke, wir lernen voneinander auch die Schüler auch lernen von uns und wir auch was Neues von den Schülern.“ (A1_F4) wie auch bei den Mitarbeiter_Innen. [zur Ausbildung] „Praxisfremd. Ich sehe es ja hier auch. Wir haben ja hier auch einen Haufen Schüler, die von uns eingearbeitet und angeleitet werden müssen.“ (A1_M1) „Weil in der Schule machen sie viel mehr, mehr Aktivierung/ Aber zurzeit gibt es nur Zeit für die Pflege.“ (A1_M2) Besonders gut sind in diesem Beispiel das organisationale Storytelling sowie die poetic tropes über die Attribution kausaler Zusammenhänge zu erkennen. Dabei ist auch an dieser Stelle empirisch eindeutig zu erkennen, dass es im Konzept der narrierenden Organisation nicht um eine einheitliche Wiedergabe einer bestimmten Geschichte geht oder auch um ein und dieselbe Positionierung von Subjekten. Vielmehr werden über Gabriels Attributionen und die drei Circuits in dem Modell zur Aufnahme von Argumentationslinien in einer narrierenden Organisation Positionen (und damit auch Beziehungen) und Praktiken aller einzelnen Subjekte konstituiert. Im Prozess dieser Konstituierung dient die Akkumulation aller Stories zu einem diskursiven Argument (oder auch der Verknüpfung mehrere wie hier ersichtlich) als ‚logikleitende Präzedenz‘ für die Subjekte.132 Dabei wird an einer anderen Stelle ersichtlich, wie sich hier verschiedene Argumente verbinden und folglich divergierende Subjektpositionen emergieren. „Ansonsten** glaube ich einfach, die sind auf einer ganz anderen Ebene, die haben keine Ahnung von dem, was mittlerweile auf den Wohnbereichen abläuft. Die kennen das nur/ die kennen ihre Papiere und wissen, das und das und das müssen wir machen und dann geht es hoch und "hier, das müssen sie machen und sie das nicht machen, dann passiert dies und jenes mit ihnen". Also es sind totale * Theoretiker.“ (A1_M1) Hier wird von M1 ebenso das über AGAVE verbreitete diskursive Argument der Alltagspraxis und praktischen Anschlussfähigkeit bedient. Darüber hinaus isst jedoch ebenso die Aneignungsweise des Arguments auf einer anderen Ebene ersichtlich. Wurde in den vorhergehenden Analysen der überorganisationalen Elemente in AGAVE auf eine ‚Leitungs-Narration‘ und eine ‚Nicht-LeitungsNarration‘ verwiesen, ist dieses hier wieder deutlich. Bei M1 steht das ‚Praxis-Argument‘ ebenso in Verbindung mit den bereits verdeutlichten Bezügen zur kritischen Betriebswirtschaftslehre. Auch im dritten semantischen Kern der akademischen Argumentationslinie ist AGAVE als narrierende Organisation zu erkennen. Dabei werden jedoch nicht alle diskursiven Argumente bedient, welche in der Meta-Ebene an dieser Stelle als ‚Streben nach Distinktion der Gerontologie‘ dargestellt wurden. In AGAVE tritt, um es vorweg zu nehmen, kein diskursives Argument des Strebens nach Einführung einer Pflegefachsprache zu Tage. Ebenso wenig sehen sich die Mitarbeiter_Innen und Führungskräfte in dieser Einrichtung anscheinend in der Position, einem Ärztemangel zu begegnen. Hingegen erscheint die Besonderheit der Pflege, auch in Abgrenzung zu Ärzten explizit als anschlussfähig. „Wenn man jemand mit 95 und Demenz, kann man aus ärztlicher Sicht medizinisch nicht mehr viel machen, sondern das ist pflegerische Versorgung Diagnostik und die sind Ruckzuck wieder da.“ (A1_F1) 132 Zur konzeptionellen Betrachtung der Grundlage dessen verweise ich nochmals auf Kap. 3.1, i. Bes. S. 63ff. 101 Auffällig ist hier abermals, dass eine ‚Leitungs-Narration‘ in dem Sinne nicht existiert, sondern das Argument auch bei den Mitarbeiter_Innen sedimentiert ist. „Als Scheitern würde ich eher so was bezeichnen, man will irgendwie zum Beispiel eine besondere Wundbehandlung für einen Bewohner und der Arzt stellt sich quer […] Man kämpft gegen Windmühlen. So was empfinde ich her als Scheitern, als irgendwie* wenn sich ein Zustand verschlechtert, dann ist das halt so.“ (A1_M1) An dieser Stelle wird bei M1 auch ein weiterer interessanter Punkt deutlich. Das Scheitern ist hier in der Altenpflege nicht damit konnotiert, dass sich der Zustand eines Menschen verschlechtert oder dieser eventuell sogar stirbt. Vielmehr scheint hier ein Abrücken vom gerontologischen Credo ‚erfolgreich und produktiv Altern‘ zu erkennen sein. Gleiches ist bei der PDL, also abermals über die Ebenen hinweg, auffällig. „Dann passiert so was und es wird dir noch vorgeworfen, du hast nicht richtig gepflegt. Ohne vorher mal wirklich zu berücksichtigen, in was für einem Zustand ist der Bewohner? Wenn ein Bewohner hier total kachektisch kommt oder mit eigener Diagnose Krebs im Endstadium usw., kannst du nichts machen. […] Dann wirst du noch dafür verantwortlich gemacht. Das ist verrückt.“ (A1_F2) Als weiteres diskursives Argument taucht die Loslösung von anderen Disziplinen, im Besonderen der Medizin auf. Besonders bei der HL ist dieser Aspekt sehr präsent.133 „Die Pflege kann nichts ohne ärztliche Anordnung machen. Das heißt: wenn von ärztlicher Seite nicht kooperiert wird, haben wir ein Problem. Genauso haben wir das mit den Kostenträgern. Es ist nicht alles was sinnvoll ist, wird verordnet oder genehmigt. Das heißt: man soll irgendwas erfüllen, aber man hat nicht immer unbedingt die Rückendeckung, das Geld und die Unterstützung. Das mein ich auch mit Verzahnung.“ (A1_F1) Oder anderer Stelle: „Heißt: eine Medikation muss immer in Rücksprache/ oder darf nur in Rücksprache abgeändert werden. Und da machen die Ärzte/ es ist ihnen zu lästig. Ja? Das ist ein Problem. […] [D]as führt dann dazu - das ist ohne Witz - dass wir Verordnungen bekommen von Ärzten "Bedarfsmedikationen: 10 Tropfen bei Schmerzen von A bis Z". Haben wir schriftlich so. […] Das ist denen lästig, dass man anruft.“ (A1_F1) Auch bei diesem diskursiven Argument ist es auffällig, dass M1, welche bisher oftmals komplett von der HL und der PDL abrückte, hier dasselbe Argument, der Eigenständigkeit der Altenpflege134, bedient. „Ja, nur muss ich es halt immer wieder begründen, warum mache ich das so und nicht so, wie es sein sollte. Das ist auch immer wieder so eine anstrengende Sache, sich immer zu rechtfertigen.“ (A1_M1) In der Analyse des Akademischen in AGAVE ist deutlich geworden, dass die vorher auffällige Distinktion innerhalb der Einrichtung zwischen der ‚Leitungs-Narration‘ und der ‚Nicht-LeitungsNarration‘ verschwindet, bzw. hier nicht präsent ist. Eine Begründung dafür könnte darin gesehen 133 Als empirischer Beleg, dass dieses Argument auch von anderen Führungskräften angeführt wird, vgl. die Ausführung der WBL F4 im juristischen Abschnitt zur Überprüfung durch MDK sowie Ärzte, welche zu viel ist. 134 Es ist offensichtlich und darüber hinaus auch mit dem Modell zu erklären, dass hier die akademischen Argumente vor praktischen Gesichtspunkten erörtert werden, weshalb ich an dieser Stelle auch von Altenpflege und nicht von Altenpflegewissenschaft spreche. 102 werden, dass in AGAVE die Fachlichkeit, ausgedrückt über die akademische Fundiertheit, eine besondere Rolle in der Inklusion, bzw. Exklusion von Individuen einnimmt. Eine Aussage von M1 könnte als Unterstützung dieser These heran gezogen werden. „Es gibt ja dann auch diese Pflegevisite, wo dann/ wo ich als Fachkraft eine Ganzwaschung im Bett durchführen muss und da steht einer dahinter und schreibt auf, wie ich das mache. Wo ich mir denke ‚Ey hallo, ich bin Profi, ich mach das seit 12 Jahren, wenn ich schlecht wäre, dann hättet ihr mich nicht übernommen‘.“ (A1_M1) In Bezug auf die akademische Argumentationslinie somit das erste Mal in der Analyse von AGAVE eine homogene Narration in hier verstandenen Sinne identifiziert. Die vorher beobachteten ‚Narrationsfelder‘ verschwinden somit in der akademischen Argumentationslinie. Es konnte festgestellt werden, dass eine argumentative Nähe zur Medizin aufgebaut wird, diese jedoch nicht sonderlich stark aufgebaut ist. Stärker hingegen ist die Debatte um die Professionalisierung der Altenpflege in AGAVE zu beobachten. Gleichermaßen kann das für die diskursiven Argumente festgehalten werden, welche auf die Autarkie und Souveränität der Altenpflege abstellen. f) Das Soziale In der Betrachtung der Bezüge zu der sozialen Argumentationslinie in AGAVE ist auffällig, dass diese im Allgemeinen eher sporadisch identifizierbar sind. Wenn die soziale Argumentationslinie ebenso in Hauptthemenfelder geteilt werden kann, dann wären dies die Heimweltlichkeit, die Bezeichnung der Bewohner_Innen und der Umgang mit ihnen. Mit Hinblick auf die Einrichtung als Lebenswelt der Bewohner_Innen, ist es auffällig, dass im Gesamten nur sehr wenige Bezugnahmen zu entsprechenden diskursiven Argumenten gefunden werden konnten. Bei der HL wird dabei im Besonderen auf das Wohlbefinden der Bewohner_Innen rekurriert und das Streben danach, ihnen möglichst viele Freiräume einzuräumen. „Also ich denke, wenn unsere Bewohner, ich sag das individuell, wo jeder was anderes braucht, wenn jeder das Gefühl hat, ich bin hier gut aufgehoben. Ich bekomme das was mir zusteht an pflegerischer Versorgung, an Betreuung, an hauswirtschaftlicher Versorgung. Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt, egal in welcher Phase ich bin, auch bei zunehmender Pflegebedürftigkeit, Bettlägerigkeit, oder Sterben bin ich in guten Händen.“ (A1_F1) Ein gleicher argumentativer Ausdruck von Priorität findet sich bei der PDL „Also für mich ist wichtig, dass bewohnerorientiert, dass der Bewohner sich wohl fühlt. Einfach mal auf die Bedürfnisse der Bewohner einzugehen, dem Bewohner wirklich das Leben zu ermöglichen, dass er, soweit es geht, sich wie zu Hause fühlt.“ (A1_F2) sowie auch auf Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Also mir geht’s gut, wenn die Bewohner sind zufrieden. Und alles ist gut gelaufen und war kein Stress an einem Tag. Da kann man sage, heute war gut so.“ (A1_M2) Als weiteres diskursives Argument innerhalb der sozialen Argumentationslinie wurde die Vermeidung von Hierarchielosigkeit zwischen Pflegekräften und Bewohner_Innen identifiziert. Dabei sollte jedwede Form von Gewalt gegenüber den Menschen in der Altenpflegeeinrichtung vermieden werden. Bei der WBL F3 ist dieses Argument in folgender Story eingebunden. 103 „Mit 96 hat man auch nicht mehr eventuell diesen Appetit. Sein Stoffwechsel nimmt zunehmend ab. Jetzt muss ich gucken, wie ich diesen Menschen irgendwie mäste und muss dann jeden Tag explizit aufschreiben, wie viel Kalorien er gefrühstückt hat“ (A1_F3) Dabei wird auch auf die therapeutische Funktion durch die Sicherung von Selbstständigkeit bei den Zupflegenden hingewiesen. „Selbstbestimmung wo es möglich ist. Klar, wir haben im Grunde durch diese multimorbiden Bewohner und hochbetagten Bewohner, […] lässt das insgesamt nach die Selbstbestimmung [. …] Also es geht hier nicht um irgendwelchen starren Strukturen und Abläufe, sondern wirklich den Einzelnen zu sehen und zu gucken, was braucht der.“ (A1_F1) Hier ist auch das in der Argumentation erkennbar Konzeption der aktivierenden Pflege beinhaltet. Bei der PDL wird dies noch deutlicher, da sie neben der physischen auch noch die mentale Komponente einbindet. „Dass der Mensch wirklich nicht nur körperlich, sondern einfach mal auch die Seele […] mit einbezogen werden. […] Denn wenn der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit vergessen wird, dann fühlt er sich nicht mehr wohl.“ (A1_F2) Dabei ist sowohl in der sozialen Argumentationslinie als auch in AGAVE die Balance zwischen der gewährten und zu erhaltenden Freiheit und ein der Vorgabe von Strukturen von besonderer Wichtigkeit. Für diese wiederum von den Pflegekräften ein hohes Maß an Selbstreflexion und Empathie eingefordert. Das kommt sowohl bei der WBL F4 als auch bei M1 zu Ausdruck „Geduld auf erster Stelle, denke ich. Geduld und diese Empathie spielt da auch/ mehr und mehr merke ich das. Haben/ ich rede über meine Station, über meine Schicht. Wirklich, Geduld.“ (A1_F4) „Ist schon bei uns auch natürlich ein Stück mit drin. Ist ja logisch, wenn wir mit den Bewohner, wenn wir die morgens versorgen, oder wenn wir die baden, oder essen verabreichen, dann hat man auch Kontakt und spricht mit ihnen.“ (A1_M1) Auffällig ist auch, dass im Allgemeinen die Frage nach der Bezeichnung der Bewohner_Innen und nach der professionellen Distanz zu Ihnen in den Narrationen von AGAVE keine Rolle zu spielen scheint. Hingegen wird mit der Hinwendung zu den Bewohner_Innen argumentiert, um die Basis für den empathischen Umgang zu schaffen. „[D]as eine ist dieser Anspruch der Ganzheitlichkeit, wird dann durch ADTLs oder so was – Aktivitäten des täglichen Lebens – wird das dann ausgedrückt, dass man sämtliche Lebensbereiche abklopft, wird das auch in der Pflegeplanung, in der Alltagsgestaltung auch implementiert, das ist richtig, aus Bewohner- oder Patientensicht.“ (A1_F1) An anderer Stelle wird dies bei der WBL F3 als Missstand zum Ausdruck gebracht, worin auch die Bedienung der entsprechend Argumentation zu sehen ist. „Also dass man wirklich jegliche Bedürfnisse des Bewohners berücksichtigen kann. Es ist uns ja gar nicht möglich, oft auf psychische Bedürfnisse in der Art und Weise einzugehen, wie es jeder bedarf weil die Zeit gar nicht da ist.“ (A1_F3) Dieser Wunsch nach einer anderen Pflege wird auch von M2 zum Ausdruck gebracht und in einer historisierenden Story erzählt. 104 „[W]ir waren ab und zu mit den Leuten draußen spazieren gegangen, aber zurzeit gibt es so was nicht; nur Pflege. Rein-raus, oder Umziehen, Anziehen, medizinische hier/ sonst nicht“ (A1_M2) In der Analyse des Sozialen in AGAVE ist deutlich geworden, dass sowohl die Pflegekräfte aber noch stärker die Führungskräfte der Pflegeeinrichtung die diskursiven Argumente der Argumentationslinie bedienen. Dies entspricht jedoch nicht der Erwartung, dass die Pflegekräfte, welche stärker in die direkte Arbeit an den Bewohner_Innen eingebunden sind als die Führungskräfte, durch diese Nähe auch soziale Argumente stärker rezipieren, als die Führungskräfte. Im Allgemeinen ist auffällig, dass die soziale Argumentationslinie in AGAVE nicht sonderlich stark ausgeprägt scheint. Auch könnte die These der Etablierung von ‚Narrationsfeldern‘ wieder erhärtet werden, da die Mitarbeiter_Innen, wie dargelegt, soziale Argumente nicht bedingt aufgeworfen haben. In einer abschließenden Reflexion hinsichtlich der Übersetzung überorganisationaler Elemente in Storys und die Aneignung der entsprechenden Argumente in AGAVE lässt sich feststellen, dass eine organisationsweite Narration umfassend nur in Hinblick auf die akademische Argumentationslinie offensichtlich ist. Dafür kann der Versuch unternommen werden, aus verschiedenen Perspektiven einen Begründungszusammenhang herzuleiten. Zum einen ließe sich die Etablierung von ‚Narrationsfeldern‘ – welche zumindest einzelnen Interviewpartner_Innen recht eindeutig zugeordnet werden konnten – dadurch erklären, dass die Führungsebene hier Narrationen aufbaut, welche nicht anschlussfähig bei jenen Individuen sind, die in der ‚Nicht-Leitungs-Narration‘ auftreten. Die Frage, warum Narrationen in einer narrierenden Organisation ‚erhalten bleiben‘, wenn der Großteil einer entgegenstehenden Narration folgt, kann darüber begründet werden, dass die Gewichtung verschiedener Elemente in der Organisation unterschiedlich ausfällt, bzw. ein Abweichen davon nicht als Verstoß mit Konsequenzen geahndet wird. Andererseits wurde genau dieser Aspekt in der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Argumentation aufgezeigt. Die ‚Leitungs-Narration‘ ist an dieser Stelle deutlich im Sinne einer eher autoritären Position im Umgang mit den Mitarbeiter_Innen. Eine andere Erklärung könnte darin gesucht werden, dass in AGAVE die Möglichkeit bestand, mit nur 2 Pflegekräften zu sprechen, jedoch mit 4 Führungskräften. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass M1 hier einen nicht-generalisierbaren Sonderstatus einnimmt und andere Pflegekräfte in AGAVE überwiegend im Rahmen der ‚Leitungs-Narration‘ argumentieren. 4.2.2 Die Analyse von VERBENA a) Das Zeitdiagnostische Bei der Analyse des Zeitdiagnostischen ist für VERBENA ähnliches festzustellen, wie bereits für den bisher dargestellten AGAVE. Dabei ist im Besonderen die geringe explizite Ausprägung der zeitdiagnostischen Elemente festzustellen. Hingegen wird in VERBENA bereits hier deutlich, dass sowohl über die Führungsebene wie auch bei den Mitarbeiter_Innen dieselben Inhalte bedient werden. Im Besonderen ist dies hier das Geständnis mit befreiendem Charakter als Kennzeichen disziplinargesellschaftlicher Zusammenhänge. „Und es kommt ganz darauf an, was es für ein Team ist, was es für ein Teamzusammenhalt ist, oder ob komplett in der Runde gesagt wird: ‚He, du hast das falsch gemacht!‘ Oder ob man das einfach mal 105 kurz unter vier Augen sagt: ‚Mir ist aufgefallen, das und das war46‘ Es macht ja auch nochmal einen Unterschied, ob ich jemand in einer Übergabe vor versammelter Mannschaft bloßstelle.“ (V1_F2 135) Darin ist zu erkennen, dass der Hinweis auf Fehler durchaus als gut erachtet wird, dies jedoch, ähnlich wie eines Geständnisses, in vertrauter Atmosphäre stattfinden soll. Darüber hinaus werden hier auch Bezüge zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie deutlich. Ähnliche Bezüge finden sich hier bei der SL136 F3. „Und * ja * ich weiß auch nicht, aber das wird ja dann auch nicht kontrolliert. Also, dass da irgendjemand sagt ‚Das habt ihr aber toll hingekriegt‘ [lacht]. Man kriegt ja eigentlich meistens nur das Negative mit oder die Kritik.“ (V1_F3) An anderer Stelle wird der gleiche Aspekt in einer anderen Story ersichtlich. „Interesse. Meiner Meinung nach. Und die Mitarbeiter an sich auch. Weil die sagen immer ‚Ja, wir haben ja einen Chef und eine Chefin, aber die sind nie da. Die gucken auch nicht oder. Die fragen nicht nach‘.“ (V1_F3) Dabei ist zum einen zu erkennen, dass die Kontrolle erwünscht ist, zum anderen jedoch die Bloßstellung vor den Kolleg_Innen und die darin formulierte negative Kritik an die Kollektivgemeinschaft abschätzig erachtet wird. Auch bei den Mitarbeiter_Innen sind die Bezüge zur Disziplinargesellschaft erkennbar. Dabei werden jedoch bezogen auf geständige Bedürfnisse stärker Verknüpfungen zu externen ‚Beichtinstanzen‘ gezogen. „Ja, vielleicht sollte die Heimaufsicht oder / ja, mal öfters vorbeischauen.“ (V1_M1) Auch bei einer/m anderen Mitarbeiter_In sind entsprechende Bezüge in dem Interviewmaterial auffindbar. „Die kommen schon, aber ich habe mit denen kein Problem. Die können ruhig kommen. Ich habe nichts zu verbergen.“ (V1_M4) Es lassen sich in der Analyse des Materials von VERBENA jedoch auch kontrollgesellschaftliche Tendenzen nachweisen. Wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie gerade bezogen auf die Disziplinargesellschaft dargestellt ist abermals bei F2 feststellbar, dass flexibel-normalistische Ausprägungen in VERBENA vorhanden sind. „Natürlich gibt es mal, dass ein Pflegefehler gemacht wird oder dass irgendwas nicht so hundertprozentig ist. Aber ich denke, das findet man überall.“ (V1_F2) Auch auf Ebene der Mitarbeiter_Innen sind entsprechende Bezüge identifizierbar. Wenn Flexibilisierung hier auch nicht der Kerngegenstand ist, werden jedoch die Tabuisierung und das Streben nach Verhinderung des Scheiterns sichtbar. 135 V1_F2 wird hier den Führungskräften in VERBENA zugerechnet. Trotz der Position als PDL-PraktikantIn verfügt V1_F2 über 10 Jahre Berufserfahrung und hat in dieser Zeit bereits Erfahrungen in Führungsaufgaben gemacht, weshalb dann auch die Weiterbildung zur PDL aufgenommen wurde. Auch erscheint das Reflexionsniveau und die ‚Stimme‘ innerhalb VERBENAseher dem/der einer Führungskraft zu entsprechen. Ein weiterer Aspekt ist, dass F2 zum Zeitpunkt der Erhebung als PDL, wenn auch nur vertretungsweise, in VERBENA tätig war. 136 Ich folge hier den Bezeichnungen innerhalb der jeweiligen Fälle. In VERBENA wurden die SLen als Führungskräfte dargestellt. Ebenso wurden die WBLen als StLen bezeichnet. Gerade in letzterem ist mir kein offensichtlicher Unterschied deutlich geworden, der über eine reine Frage der Bezeichnung hinausgeht. 106 „Das ist dann schon ein Erfolg, wenn man sieht, dass es bergauf geht und nicht immer nur bergab. Das ist dann schon ein Erfolgserlebnis für alle. Da sieht man, man hat in der Pflege doch was erreicht.“ (V1_M3) Wobei F2 auch festhält: „Es ist immer schwierig, in der Pflege von Erfolgen zu sprechen.“ (V1_F2) Bereits an dieser Stelle ist deutlich zu erkennen, dass ein relativ (z.B. zu AGAVE) homogener Niederschlag der zeitdiagnostischen Elemente in VERBENA zu erkennen ist. Es ist festzustellen, dass Symbole und Rhetorik im Rahmen des Circuit of Activity ‚angelegt‘ sind. Gleichsam erscheinen die angesprochenen Elemente durch Einbettung in den Kontext von VERBENA anschlussfähig sowohl bei Führungskräften als auch bei den Mitarbeiter_Innen. Es gibt auch erste Hinweise darauf, dass sich Subjektpositionen hier herausgebildet haben, welche die Beziehungen in VERBENA prägen und die Alltäglichkeit sowie entsprechenden Praktiken bestimmen. Auffällig ist, dass die HL F1 keinerlei Elemente des Zeitdiagnostischen bedient hat. Auf Basis dessen ließe sich eine erste Vermutung mit Hinblick auf die Identifikation einer/s Change Agent_S anstellen. Jedoch ist aus dem Material bis zu dieser Stelle kein weiterer Rückschluss auf einem solchen Zusammenhang zu erkennen, weshalb auch eine entsprechende Einschätzung dazu voreilig erscheint. b) Das Diskursive Für die rezipierte Kollektivsymbolik über das Alter(n) in der Gesellschaft lassen in VERBENA recht starke Bezüge ausmachen. Dabei fällt wiederum grundsätzlich auf, dass sowohl Führungskräfte wie auch Mitarbeiter_Innen diese wiedergeben. Es fallen jedoch auch erste Unterschiede in der Häufung der Rezeption auf. So werden die negativen Bilder über die Unterbringung alter Menschen sehr stark von den Führungskräften in VERBENA thematisiert. Die HL sieht dabei eine sehr starke Rolle der Medien bei der Etablierung von Negativ-Stereotypen. „Und die Vorurteile, die innerhalb einer Gesellschaft vorhanden sind und auch permanent durch Presse, Funk und Fernsehen verstärkt werden […]. Also, der durchschnittliche Deutsche, für den gibt es keinen größeren Graus, als das Ende seines Lebens in einem Alten- oder Pflegeheim zu verleben. […] Da wird man schlecht behandelt, da gibt es schlechtes Essen, da sterben die Leute. [lacht] Also alles negative Dinge. Das ist so ziemlich das Letzte, was man sich vorstellen kann.“ (V1_F1) Dabei spricht F1 auch das Altersframe ‚Krankheit und Verlust‘, als körperlichen und geistigen Verlust an. Dieses sieht F1 über die Medien transportiert. An einer anderen Stelle bei F1 werden in die Story sogar Verbindungen zu den Einflüssen dessen auf externe Kontrollinstanzen eingebunden, welche hier eher in den juristisch motivierten Narrationen betrachtet werden. „Und jetzt sitzt da irgendwo einer, der für die Heimaufsicht zuständig ist und der liest 3-4 Mal im Monat in der Zeitung, ‚Dort ist ein Patient an weiß- ich unterlassener Hilfeleistung gestorben‘, ‚Dort hat eine Schwester eine falsche Spritze gesetzt.‘ und das verallgemeinert der und versucht sich abzusichern.“ (V1_F1) Bei den Mitarbeiter_Innen finden sich solche Bezüge nur sehr geringfügig. M2 erkennt in dem Kontext einen ähnlichen Zusammenhang, jedoch ohne auf die externen Kontrollinstanzen zu verweisen. 107 „Früher waren sie dankbar. Da kamen sie noch mit Kaffee oder Kuchen, oder, oder** Mensch, habt ihr toll gemacht. Heutzutage gibt’s das nicht mehr. Im Gegenteil, da bemühst Du Dich und dann kriegst erst noch eine drauf [lacht]“. (V1_M2) Die darin bediente Perspektive auf die Missstandsberichte wird ebenso von F2 bedient. „Auf der Pflege wird dann halt rumgeritten – Pflegemissstände, Leute werden an Heizungen fixiert und keine Ahnung was. Ich denke, das ist alles ein wenig überspitzt.“ (V1_F2) Es fällt auf, dass hier ähnliche Hyperbolisierungen angeeignet wurden, wie bei F1. In Kap. 2.1.2 wurde festgehalten, dass eine entsprechende Überzeichnung überwiegend in Bezug auf die Alten selbst und in der Werbung stattfindet (vgl. S. 25). Hier besteht die Narration in VERBENA, dass auch in der Presse überzeichnet über Pflegeeinrichtungen berichtet wird, was sich auch wiederum auf das Berufsbild auswirkt. „Es wird ja auch schlecht über den die Pflege oft geredet und geschrieben und alles. Ich denk, das schreckt auch noch mal die Leute ab.“ (V1_F3) Dieses Argument findet sich auch bei einer anderen SL „Also ich meine, das erschwert noch mal unsere Arbeit. Die Bewohner, die werden/ die verlangen mehr. Die gucken dir auf die Fingerspitzen und und und. Die wissen schon - gut haben sie auch das Recht dazu. Aber ich sage, was in den Medien kommt, das ist nicht der Alltag.“ (V1_F4) In VERBENA haben sich jedoch auch andere Altersframes sedimentiert. So weist die Rhetorik des Angriffs auf die jüngeren Generationen bei F1 Rezeptivität auf. „[W]enn sie beispielsweise einfach mal Revue passieren lassen, was für Gelder bspw. in die Jugendhilfe gesteckt werden, wenn Sie ein Heim für Jugendliche haben. Da kommen 10 Therapeuten auf einem Jugendlichen übertrieben ausgedrückt. Und die Tagessätze sind in schwindelnden Höhen, das zahlen die Kostenträger, während im Pflegeheim, wo im Grunde genommen nichts entgegen spricht, warum die alten Leute nicht ähnliche Bedürfnisse haben, vielleicht andere, aber zumindest nicht billigere, warum es uns dann nur einen Bruchteil davon kostet.“ (V1_F1) Darin ist zwar die eindeutige Positionierung für die Alten zu erkennen, jedoch wird daraus ebenso deutlich, dass dieses Konfliktframe aktiviert und im argumentativen Sinne anschlussfähig ist. Gleiches findet sich bei M3 durch die Bedienung des demografischen Wandels in diesem Zusammenhang. „Es wird halt auch alles zu teuer im Moment. Viele können sich einen Heimaufenthalt gar nicht mehr leisten. Viele pflegen die Angehörigen ja schon zu Hause. Also ich denke, das ist schon wichtig, wenn man das sieht an dem Wachstumsbaum oder wie das heißt. Die werden immer älter.“ (V1_M3) Bei M5137 wird das Altersframe der Krankheit und des Verlust bedient. „[W:] Wissenschaftlich ist es so gesehen, dass das in einigen Jahren nicht mehr finanzierbar ist.“ (V1_M5) Darin wird zum einen die Verknüpfung zu dem Konfliktframe deutlich. Zum anderen ist der Rekurs auf die wissenschaftliche Sichtweise hier als Story zu deuten und nicht als Wiedergabe der akademischen Argumentationslinie. Darin wird die konzeptionelle Wichtigkeit der Unterscheidung 137 An dieser Stelle muss angeführt werden, dass W in dem Gruppeninterview eine StL repräsentiert. 108 zwischen der Analyse des organizational storytellings und der diskursiven Argumente hervorgehoben. Die Begründung dafür, dass der Fokus hier auf das Argument und eben nicht auf die rhetorischen Elemente einer Story zu legen ist, liegt darin, dass die Wissenschaftlichkeit der Aussage nicht herleitbar ist, sondern hier als Legitimationsfassade herhält, um die dem dahinterliegenden Inhalt Nachdruck zu verleihen. Ähnlich, wenngleich nicht mit derselben ‚Stärke‘ in der Rhetorik, argumentiert F5. „Man kennt ja die Zukunft, man weiß/ es gibt ja Statistiken, dass zu sehen. Es wird immer/ die Leute werden immer älter/ * ja. und ich denke nicht, dass dieses Modell so große Zukunft haben wird, man muss das vielleicht ganz anders gestalten. […] Weil ich denke nicht, dass das so Zukunft haben wird.“ (V1_F5) Auch bei einer anderen SL findet das Kollektivsymbol des körperlichen und geistigen Abbaus Anwendung, wobei die Überführung in der jeweiligen Beziehungen ebenso deutlich wird. „Wir haben immer mehr pflegebedürftigere Bewohner. Wenn das nicht körperliche Gebrechen sind, dann sind es geistige. Und mehr Zeit haben wir für die Leute nicht, obwohl irgendwo bräuchten wir. Und ich sehe die Zukunft irgendwo schwarz, muss ich sagen.“ (V1_F4) In dem Gruppeninterview M5 wird die Entwicklung der Narration in einer speziellen Episode und der Verbindungsaufbau der beiden Altersframes sehr schön verdeutlicht. Es wird dabei ein Element thematisiert und direkt von einer anderen Person aufgegriffen und in die entsprechende Narration der Krankheit eingebunden. „[Y:] Die Leute werden älter. [W:] Die Leute werden älter und bleiben länger zu Hause und kommen dann entweder vom Krankenhaus - sind es krebskranke Personen, zum Sterben. Also die brauchen sehr viel Begleitung, sehr viel intensive Pflege. Oder es kommen sehr stark demente Bewohner, die auch sehr anstrengend sind.“ (V1_M5) Bei einer Pflegekraft scheint dabei sogar eine Assoziation zum Kollektivsymbol ‚Grabflüchterin‘/des ‚Grabflüchters‘ erkennbar und einer damit verbundenen Egalität. der „Klar, die Bewohner wechseln - wenn einer stirbt, kommt der nächste. Aber man gewöhnt sich schon daran.“ (V1_M4) Es wird deutlich, dass hier Kollektivsymbole bedient werden und keine Argumentationslinien, welche sich auf die Alten und die Altenpflege als solche beziehen und nicht auf die Gerontologie als Disziplin, welche als Gegenstandsbereich die Alten und deren Pflege als Gegenstand haben. Ein weiteres Altersframe, welches in VERBENA Rezeptivität aufweist ist jedoch auch das Solidaritätsframe. Dabei auf die Selbstverständlichkeit der Anstrengung verwiesen, welche mit dem Beruf verbunden ist, „Natürlich ist es körperlich anstrengend, aber zum Teil psychisch noch viel mehr anstrengend.“ (V2_F1) „[Y:] Das ist einfach ein schwerer Beruf. Das ist nicht nur körperlich, psychisch auch belastend“. (V1_M5) sowie abermals, wie bereits in AGAVE auf die Schwierigkeit des Berufs, dadurch dass es ein Frauenberuf ist. 109 „Ich mein, insgesamt mit Frauen arbeiten ist anstrengend.“ (V1_F3) Diese Schwierigkeiten, immer verbunden mit der Forderung nach mehr Anerkennung, da sich durch die Pflegetätigkeit mit den alten Menschen solidarisch erklärt wird, erscheinen dabei abermals als organisationsweite Narration, auch bei F4. „Der Durchschnittszeitraum, wo man in der Altenpflege ist, sind fünf bis sechs Jahre, glaube ich. Gut, körperlich ist das auch nicht einfach. Das sind auch die Arbeitszeiten. Aber vorwiegend ist es auch die psychische Belastung.“ (V1_F4) Jedoch finden sich ebenso jene Bezüge zum Solidaritätsframe, welche die Bürokratie und den autoritären Charakter im Umgang mit den Alten hervorheben, jedoch wieder bezogen auf Makround nicht auf Meta-, bspw. soziale, Zusammenhänge. „Es gibt auch Expertenstandards zur Förderung der Harnkontinenz, da muss ich mich fragen, ob eine hundertjährige Frau kein Recht darauf hat zum inkontinent werden.“ (V1_F2) In der Analyse der Kollektivsymbolik und deren Bedienung in VERBENA ist abermals deutlich geworden, dass der hier vorliegende Fall sich als narrierende Organisation darzustellen scheint. Es wurden bisher keine hinreichenden Hinweise darauf gefunden, dass es Abspaltungen innerhalb der Organisation in verschiedene Narrationen gibt. Es konnte jedoch bisher in VERBENA auch kein_E Change Agent identifiziert werden. c) Das Juristische Auch in VERBENA ist das Juristische sehr viel stärker ausgeprägt, als die beiden bisher betrachteten Elemente der Makro-Ebene. Dabei ist auffällig, dass bei der HL eine besondere Deutlichkeit in der Artikulation juristischer Zusammenhänge vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist auch verständlich, dass hier abermals starke historisierende Bezugnahmen vorgetragen werden, da die Einführung des PflegeVG eine Art Zäsur für die Branche darstellte. „Das war auch vor 20 Jahren noch ein Ansatz des ganzheitlichen Verständnisses. In der Zwischenzeit wird Pflege aus Kostengründen immer mehr auf die rein körperliche Pflege reduziert und sämtliche anderen Funktionen werden auf Schmalspurausgebildeten andere Experten verschoben.“ (V1_F1) In diesem Zitat von F1 wird mehreres deutlich. Auf der einen Seite wird die Kritik am Wirtschaftlichkeitsgebot durch das PflegeVG ersichtlich. Auf der anderen Seite erkennt man hier auch die Definition des Pflegeverständnisses und die übergreifende Fremdbestimmung bei der Festlegung von institutionalisierter Expertise. Als weiteren Punkt des rezipierten juristischen Einflusses in VERBENA ist der Vorrang der anderen Pflegearten vor der stationären Pflege auffällig. Dieses Element ist sowohl bei der HL „Und die meisten kommen dann auch so spät, dass im Prinzip die Verweildauer zwischen ein paar Monaten lang ist. Wir haben jetzt im März 11 Todesfälle gehabt, bei 174 Betten. Den Monat vorher waren es 15 und so geht das jetzt eigentlich die ganze Zeit schon.“ (V1_F1) wie auch bei F2 110 „Also sie [die alten Menschen, M.R.] werden immer länger daheim gepflegt, weil so ein Pflegeplatz teuer ist. Und dann probieren die Angehörigen, das daheim irgendwie noch zu kompensieren, und die Leute kommen immer sehr spät dann in ein Pflegeheim.“ (V1_F2) und bei F5 erkennbar. „Früher war das so ein bisschen anders, da waren viel mehr fittere Leute noch […] Also, dass man mit den Leuten, dass immer später kommen, sie sind/ pflegerisch, man merkt aufwendig, so vom Geiste, vom/ Das ist nicht mehr viel, dass man da viel, viel machen kann.“ (V1_F5) Dabei scheinen hier auch explizite Bezüge zu der Baum-Metapher Norbert Blüms (vgl. S. 2) und dessen Folgen zu erkennen. Also weitere Kritikpunkt an der PflegeVG-gebung macht die HL die Vertragsschließung zwischen den Einrichtungen und den Pflegekassen sowie die daraus resultierenden Umfang der Leistungen aus. „Genauso wie ganz viele Tätigkeiten schon ganz offiziell nicht registriert werden. Die werden zwar verlangt, die stehen zwar in den Vereinbarungen drin, dass man das zu tun hat, aber bezahlt werden Sie nicht.“ (V1_F1) Dabei ist jedoch offensichtlich, dass die hier Tätigen die Kompetenz durch F1 abgesprochen wird. „Also im Prinzip werden die Altenheime zunehmend von außen dirigiert. Und sie werden zunehmen nicht,** wie soll ich das ausdrücken?, nicht fachlich dirigiert.“ (V1_F1) Vor einem ähnlichen Hintergrund sieht F1 auch das Verlorengehen des Residenzcharakters einer Altenpflegeeinrichtung. „Die gesamte Behandlungspflege, [a]ll das wird nicht berücksichtigt. Gleichzeitig [werden] in den Krankenhäusern die DRGs eingeführt, was dazu führt, dass die Verweildauer dort verkürzt wird. Gerade alte Patienten werden sehr früh verlegt, wohin? In die Pflegeheime, mit der gesamten Behandlungspflege, die sie dort hatten mit dazu. Das heißt: wenn das früher mal die Ausnahme war, dass man mal einen Verbandswechsel machen musste, kommen heute frisch operierte Bewohner in die Pflege.“ (V1_F1) Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass F1 eine besondere Rolle in der Rezeption des Juristischen einnimmt. Fraglich ist an dieser Stelle jedoch noch, ob sich daraus eine Narration in der gesamten Organisation entspinnt. Es bleibt sehr auffällig, dass F1 die Einführung des PflegeVG konsequent verurteilt. „Die Pflegeversicherung hat keine Vorteile, sondern nur Nachteile gebracht. Und im Moment ist das so, dass erkannt wird, dass aus dieser schlechten personellen Situation Schwierigkeiten entstehen. Und anstatt die Schwierigkeiten an der Wurzel zu packen, sprich die personelle Situation zu verbessern, verschärft man die Kontrollen. Und hat in der Zwischenzeit ein, in meinen Augen, perverses System von Kontrollen geschaffen“. (V1_F1) Auch an dieser Stelle sind expliziten Verbindungen der juristischen Bezugnahmen zu den denen der betriebswirtschaftlichen Argumentation in kritischer Ausprägung. Das gleiche diskursive Argument sowie die Verknüpfung lassen sich bei F3 feststellen. „Man hatte auch ein bisschen weniger Schreibkram, man hat ja jetzt, wenn man die Doku auch macht. Man muss alles dokumentieren, jeden Sturz, jedes/ jede kleine Wunde, alles. […] Aber ich denke, man kann auch nicht erwarten, dass die Mitarbeiter das irgendwie in Ihrer Freizeit machen. Ich habe auch 111 schon mitgekriegt, dass viele irgendwie grad so Papierkram mit nach Hause nehmen und das dann daheim schreiben.“ (V1_F3) Es ist offensichtlich, dass darin eine Attribution auf externe Einflüsse durch das PflegeVG zu erkennen ist. Dieses diskursive Argument findet sich überwiegend bei Führungskräften. Die Tätigkeiten in den Einrichtungen der stationären werden in diesem Zusammenhang in VERBENA als gut dargestellt, wobei Missstände in der Vorgabe der misslichen Rahmenbedingungen gesehen werden. „Ich denke schon, dass gut gepflegt wird, dass halt die Anforderungen aber immer höher werden mit irgendwelchen Standards, die Heimaufsicht, der MDK – es gibt immer mehr Richtlinien, immer mehr Überprüfungen usw.“ (V1_F2) „Und auch, ich denke so die ganzen Anforderungen von der Heimaufsicht und so, das war früher eigentlich nicht so Gang und Gäbe und jetzt zittert man immer schon, wenn die Heimaufsicht kommt.“ (V1_F3) Dabei lassen sich in VERBENA drei Hauptkritikpunkte identifizieren. Zum einen ist das die Kontrolle durch die Exekutivinstanzen. Dabei ist die genutzte Metaphorik von F1 auffällig, weshalb eine weitere Aussage herangezogen wird. „Wir werden natürlich überprüft, vom MDK, von der Heimaufsicht, ich sage immer, die Pflegeheime werden in der Zwischenzeit besser überprüft wie ein Atomkraftwerk.“ (V1_F1) Dabei ist es interessant, dass sich diese ungemein negative Konnotation auch auf anderen Ebenen in VERBENA zeigt. „[W:] Heimaufsicht kündigt sich ja nicht an. Die stehen da und dann sind sie entweder im Elend drin oder es ist gut gegangen und nachher wird aufgelistet, was war nicht in Ordnung, wo sind die Fehler, was war negativ, was war positiv. Und daraus können Sie dann Ihre Lehren ziehen.“ (V1_M5) In dieser Aussage einer Stationsleitung (StL) zeigt sich auch eine sehr starke Distanziertheit und der entsprechenden argumentativen Wertung zu den im SGB XI festgeschriebenen Kontrollen. Interessant ist dafür auch eine Episode aus M5 zu beobachten. Dabei kann zum einen erkannt werden, wie stark die argumentative Verbindung zu dem Symbol der Kontrolle gesehen wird. Darüber hinaus wird eine ‚Wendung‘ des Themas zu anderen Aspekten (hier: Fehlern) deutlich. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass W anscheinend die Möglichkeit hat, den von Y bedienten Argumentationsverlauf zu beeinflussen. „[Y:]138 Die Heimaufsicht sucht nur Fehler. Wo man Fehler gemacht hat. Und dann weist sie an. [W:] Aber die sind auch da, die Fehler. [lacht] [Y:] Ja klar, wer nichts macht, macht keine Fehler. Es gibt Kleinigkeiten. [Z:] Aus den Fehlern lernt man, sag ich mal so. Aus den Fehlern lernt man. Und die werden dann immer kontrolliert. [Y:] Kein gravierender Fehler.“ (V1_M5) Dabei wurde bereits festgestellt, dass diese negative Wertung der im PflegeVG fundierten Einflüsse auf die stationäre Altenpflege auch hier bei der HL als Bestimmung des Pflegeverständnisses verstanden wird. Dies erfährt eine mithin ironische Färbung in den Stories. 138 Y in M5 ist eine SL und Z eine examinierte Altenpflegekraft. 112 „Wir hatten vor einiger Zeit eine Begehung durch die Heimaufsicht und mir war schon klar, dass da natürlich wieder die Dokumentation der Ansatz Numero 1 ist, weil die stimmt nie. Da findet man immer was. Und wenn es nur formale Kleinigkeiten sind, die zwar für die Pflege nicht relevant sind groß, aber es ist halt formal ein Fehler. So, dann kamen wir in ein Zimmer rein, auf dem Nachttisch lag ein Drehplan. * Patient liegt von dann bis dann auf die linken Seiten, auf dem Rücken, auf der rechten Seite usw. Der Drehplan lag da. Der wurde auch flüchtig kontrolliert. * allein die Tatsache, dass da ein Drehplan war, war den Prüfern schon genug. Und dabei haben sie gar nicht gemerkt, dass der Patient laut Drehplan eigentlich hätte auf der rechten Seite liegen müssen, er lag aber auf der linken Seite. [lacht]“ (V1_F1) Durch diese Anekdote wird folgendes deutlich. F1 als HL beschreibt den Einfluss der Kontrollinstanzen als gewaltig und pflegt ihn entsprechend auch in die Narration von VERBENA ein. Durch die durchweg negative Färbung des PflegeVG und dessen Folgen bei F1, welche jedoch nicht die Einnahme einer Opferposition beinhaltet, ergibt sich die Narration der Reaktanz als Reaktionsmodus in der Praxis. Bei den Mitarbeiter_Innen drückt sich das so aus, dass etwaige Änderungen durch die Einführung des PflegeVG gar nicht wahrgenommen werden. „Die Arbeit hat sich vielleicht nicht geändert, aber dass wir weniger Personal und dann statt fünf Bewohner hast du acht Bewohner und dann musst du zurechtkommen.“ (V1_M4) „Ist eigentlich alles gleich, ja. Außer halt Medikamente, das machen wir nicht. Aber sonst machen wir alles auch, Verbände, alles“ (V1_M2) Eine Begründung dafür könnte darin gesehen werden, dass die Praxis in VERBENA in weiten Fällen die einer reaktanten Reaktion auf die externen Einflüsse als Erhaltung des Status quo ante ist. Ein weiterer Hauptkritikpunkt an der PV ist die damit verbundene Dokumentationspflicht. Bei der HL ist dabei abermals zu erkennen, dass die Sinnhaftigkeit dessen explizit in Frage gestellt wird. „Die Heimaufsicht verlangt, dass von jedem Bewohner, jeden Tag irgendwas drinsteht, auch wenn es gar nichts Besonderes gab. Und das verführt zum Schwafeln. Inzwischen gibt es so Standardsätze, die man dann rein schreibt, die hätte man genauso gut bleiben lassen können, aber es hat Zeit gekostet. Übertrieben ausgedrückt, um einen Patienten zu waschen brauche ich nicht so lange, wie das hinterher, um das Waschen zu dokumentieren.“ (V1_F1) Die entsprechende Narration findet sich auch bei der SL F3 „Da bin ich selbst als Fachkraft überfordert. Was soll ich da eintragen, wenn die Frau immer so ist, wie sie ist.“ (V1_F3) sowie bei F4 „Drumherum haben wir doch viel zu viel Papierkram […] wo es sein muss und wo vielleicht mit der Pflege so gut wie nichts zu tun hat.“ (V1_F4) und bei F5 „[…] das ist halt, der Medizinische Dienst, die verlangen das und dann/ die Heimaufsicht, wenn sie kommt, das muss alles stimmen, ja. Medikamentenverordnung, dann Berichteblätter * und das ist sehr viel Dokumentation. […] [W]eil es heißt ‚Hast Du es nicht geschrieben, ist es nicht dokumentiert, hast Du es nicht gemacht.‘“ (V1_F5) Jedoch wird die Narration auch von den Mitarbeiter_Innen bedient. 113 „Man schreibt ja dann diese Pflegeberichte. Ich finde, das ist eine Lüge. Es ist eine Lüge.“ (V1_M1) „Früher hat man halt sein Handzeichen noch […] was wichtig ist, eingetragen. […] Aber die Zeit, da bräuchte man fast noch eine Sekretärin.“ (V1_M2) Dabei werden wieder auch andere Aspekte deutlich. M1 ist eine Fachkraft und M2 eine Hilfskraft. In VERBENA ist es auch hier gleich, dass Fachkräfte nach dem SGB XI in enger Kooperation mit dem MDK die Kontrollen durchführen und auch nur die Fachkräfte viele Dokumentationen abzeichnen dürfen. In VERBENA scheint diese Diskriminierung keine Relevanz zu haben, denn auch die Hilfskraft bedient das Bedürfnis nach einer Schreibhilfe. Darüber hinaus scheint hier abermals die Konsistenz der Narration offensichtlich. Jedoch ist festzustellen, dass F2 eine andere Narration widergibt; zum einen was das zu erwehrende fremdbestimmte Pflegeverständnis, aber auch was die Beurteilung der Kontrollinstanzen anbelangt. „Eine gute Pflege ist das, wenn ich auf die Wünsche und Bedürfnisse vom Bewohner eingehe, das dann aber auch entsprechend in der Pflegeplanung dokumentiert habe, dass der MDK, die Heimaufsicht, wer auch immer, auch zufrieden sind, dass es irgendwo schwarz auf weiß dann steht. Also die Dokumentation muss mit dem, was ich mache, dann auch stimmig sein.“ (V1_F2) Der dritte angekündigte Hauptkritikpunkt in der Narration in VERBENA gegen die juristischen Einflüsse auf die Einrichtungen der stationären Altenpflege ist der der Standardisierungspflicht im Sinne von der Nutzung von Expertenstandards. Dabei ist der Hintergrund (auch in VERBENA) der, dass die Standards auch genutzt werden, um bei unsicherer Kenntnis über einen bestimmten Sachverhalt, nachschlagen zu können. Bei F1 erfährt dies ebenso die Wendung „Das Wort ‚Absichern‘ ist überhaupt inzwischen das Oberwort geworden von allen. Man tut’s nicht mehr, um den Bewohner zu betreuen, man tut’s um sich abzusichern.“ (V1_F1) Diese Herangehensweise drückt sich bei einer Pflegehilfskraft so aus. „Und jetzt, wie es im Standard z.B. drin steht, so muss man es halt machen. Steht im Standard drin, dass sie länger schlafen, dann muss sie länger schlafen. Steht drin, dass man sie vorher rausholt, dann muss man es machen so wie im Standard.“ (V1_M4) Jedoch scheint es in diesem Kontext in der Aneignung der argumentativen Zusammenhänge Unterschiede hinsichtlich der Sedimentation im Circuit of Performativity vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Ausbildung zu geben. Denn bei der examinierten Altenpflegekraft ist die Einschätzung eine andere, auch wenn die darin enthaltene Einschätzung zur Relevanz der Standards auch keine sonderlich positive ist. „Nicht arg. Man weiß, dass es sie gibt, jeder hält sich auch dran soweit. Aber es ist nicht so, dass man da total fixiert drauf ist.“ (V1_M1) Hingegen findet sich abermals bei F2 eine Relativierung der Erzählung von der HL. „Das schreibt doch überhaupt niemand vor. Das ist in den Köpfen von den Pflegekräften drin. Nur dann ist es eine gute Pflege. Aber es steht nirgends geschrieben, dass jeder Bewohner jeden Tag von Kopf bis Fuß geschrubbt werden muss. Das ist ein absoluter Blödsinn.“ (V1_F2) Ein weiterer thematisierter Aspekt aus den juristischen Zusammenhängen, ist die Einstufung von Zupflegenden, wodurch auch der Fachkraftschlüssel bestimmt wird, auf Basis der Dokumentation, 114 inklusive der Pflegeplanung. Dabei ist bei F3 ersichtlich, dass der entsprechende Umstand schon als negativ beurteilt wird. „Du hast auch nicht so ausführliche Pflegeplanungen, Tagestrukturen geschrieben. Das muss ja alles von Hand geschrieben werden, dann musst Du es überarbeiten alle drei Monate.“ (V1_F3) Interessant hier ist jedoch, dass in anderen Einrichtungen auch bereits EDV-Systeme genutzt werden, um die Pflegeplanungen zu erstellen. Darin könnte auch eine Besonderheit von VERBENA gesehen, welche die Aufnahme von Argumenten bestimmen könnte. Vor einem anderen argumentativen Hintergrund nimmt eine andere SL Bezug auf die Einstufung von Zupflegenden. „Auch MDK schreibt vor. Wenn sie kommen zum Einstufen, diesen Begriff haben Sie bestimmt gehört, ja, Pflegestufe so, I, II bis III: Härtefall. Es gibt für Pflegestufe 1 20 Minuten für die Körperpflege.“ (V1_F4) Und wiederum eher analog zu F3, mit Bezug auf die viele Schreibarbeit, jedoch ohne Bezug auf die generell hohe Belastung in den herausstehenden Einfluss von externen Instanzen auf die Pflege, beschreibt eine dritte SL die Einstufung. „Ich meine gut, wenn jemand mal eingestuft wird vom Medizinischen Dienst und so, und man weiß, was der an Pflege alles braucht, ja? So muss man das jeden Tag immer wieder dokumentieren.“ (V1_F5) Abermals zeichnet sich nach der Betrachtung des Juristischen ein differenziertes Bild des Falles. War in der bisherigen Betrachtung der Makro-Ebene in VERBENA der Eindruck entstanden, es zeichnet sich eine weitestgehend homogene organisationsweite Narration ab, zeigt sich nach der Betrachtung von des Juristischen, dass es in VERBENA einzelne Aspekte und Subjekte gibt, für welche eine solche Einschätzung nicht mehr in der Strenge aufrecht erhalten werden kann. So stellt sich die PDL F2 an einigen Stelle als ‚narrativer Gegenpol‘ zu den mehrheitsfähigen Argumenten und zum Rest derjenigen Narrationen dar, welche dem Gros in VERBENA entsprechen. Jedoch ist es bisher ebenso abwegig davon zu sprechen, dass sich hier abermals ‚Narrationsfelder‘ oder bestimmten Subjekten oder Gruppen zuordenbare Narrationen identifizieren lassen, auch da hier keine positionsspezifische Abkehr identifiziert werden kann. Interessant war auch, dass in der ‚Hauptnarration‘ in VERBENA Unterschiede zwischen einzelnen Hierarchien eingeebnet zu sein schienen. In der weiteren Betrachtung der Meta-Zusammenhänge werden diese Aspekte weiterhin im Blick behalten werden. d) Das Betriebswirtschaftliche Als Fundament der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wurde der demografische Wandel beschrieben. Dieser Aspekt ist dabei zu unterscheiden von der Bedienung jenes demografischen Wandels, wie er in VERBENA eindeutig unter b) dargestellt wurde. Ist der Hintergrund im Diskursiven noch der der immer älter werdenden Menschen, ist es im betriebswirtschaftlichen Sinne vielmehr die Folge dessen für die stationären Altenpflegeeinrichtungen. In VERBENA drückt sich dieses diskursive Argument so aus: „[Y:] Also, ich glaube, die Altenpflege bleibt weiterhin, denn wir haben viele ältere Leute“. (V1_M5) Daraus ist offensichtlich ein anderer argumentativer Zusammenhang erkennbar als in b) dargestellt. Im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang werden dadurch Chancen für eine gesamte Branche zum Ausdruck gebracht, welche die Basis für Potentiale einzelner Einrichtungen am Markt oder auch einer generell ökonomisch orientierten Ausprägung der Altenpflegebilden. Dabei findet sich eben jenes 115 diskursive Argument nur an einzelnen Stellen in VERBENA. Es fällt auf, dass nur Führungskräfte dementsprechende Argumente aufgreifen, wie bei der Stationsleitung (StL) in M5, welche Institutionalisierungsprozesse in dem Sektor aufzeigt. „[W:] Es geht ja um das Zertifikat, wenn die Heimbegehung kommt mit dem MDK, und die Benotung, wo jetzt vorsteht. Da können Sie nicht hinterher hinken. Das geht nicht.“ (V1_M5) Bei der SL F5 hingegen wird eher der Aspekt der Reputation der Einrichtung in den Fokus gestellt, bei der Erörterung dessen, was für VERBENA von Relevanz ist. „Wiederum für das Haus ist auch das die Qualität, als das was alles geschrieben steht. Gut, der Ruf ist ja auch/ der wird ja auch nach außen getragen, das spricht sich ja herum, wie das Haus so in sich ist.“ (V1_F5) Eindeutige und offenkundige Bezüge zu neoliberalen Argumenten, was ebenso als eine Querverbindung zu den zeitdiagnostischen Hintergründen gesehen werden kann, lassen sich bei der noch sehr jungen PDL auffinden. „Ich denke, dass vielen Pflegekräften nicht bewusst ist, dass der Pflegesektor eine Dienstleistung ist. […] Und so die Pflege hat zum Teil immer dieses Denken: Naja, ich tu ja was Gutes, die Leute sollen doch froh sein, dass ich überhaupt hier bin.“ (V1_F2) Hingegen findet sich bei einer/m Mitarbeiter_In ein genau von dieser offenkundigen Darstellung entgegenstehendes Argument. „[D]ass es der Angehörige zurecht/ alles zurecht rücken. ** dass sie ihren Willen haben. Das finde ich teilweise nicht besonders schön, weil eigentlich mehr auf die Bewohner schauen und nicht die Angehörigen pflegen.“ (V1_M2) Vor dem Hintergrund, dass sowohl explizit neoliberale Bezüge wie auch eindringliche Gegenargumente in VERBENA jedoch nur als Randerscheinungen auftreten und sich keinem bestimmten ‚Narrationsfeld‘ zurechnen lassen, da ähnliche Symbole oder auch Rhetoriken nicht weiter dargestellt wurden, soll dieser Aspekt vorerst nur den Status eines ‚Indiz‘ bekommen. Bei der weiteren Betrachtung diskursiver Argumente der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie finden sich auch bei der HL Argumente, welche dem semantischen Kern der ‚Mainstream‘ Betriebswirtschaftslehre entsprechen. „Natürlich bin ich als Heimleiter in der Situation, dass ich die Einrichtung als Ganzes betrachten muss. Also das volle Haus spielt da bei mir natürlich auch eine Rolle. Weil, wenn das Haus nicht voll ist, habe ich kein Geld, habe ich noch weniger Geld, um die Aufgaben zu bewältigen, für die wir da sind.“ (V1_F1) Darin kommt eine Orientierung an zweckrationalem Verhalten sehr deutlich zum Vorschein. Unbenommen der Tatsache, dass es auf der Hand liegt, dass eine HL die Rentabilität einer Einrichtung im Blick behalten muss, zeigt sich an dieser Stelle ja nur die Präsenz des entsprechendes Arguments des Funktionierens im Sinne einer Best Nursing Practice in VERBENA, welches auch an der Stelle in der Führungsebene „Den wirtschaftlichen Faktor finde ich auch wichtig, dass man nicht verschwenderisch ist ohne Ende oder das auch mal im Blick hat, wie läuft das Ganze, wie finanziert sich ein Pflegeheim. Nicht nur auf 116 den Bereichen sagen, wir haben kein Personal, wir haben kein Personal. Steckt ja auch was dahinter, wie sich der Personalschlüssel rechnet.“ (V1_F2) und ebenso bei den Mitarbeiter_Innen zeigt. „Gerade in der Spätschicht hat man viel Zeit, sich mit den Bewohnern auch mal zu beschäftigen.“ (V1_M3) Interessant ist dabei auch, dass in Zusammenhang mit diesem Argument und dessen Einbettung in VERBENA sogar ein gewisser Suffizienzaspekt hinzugefügt ist. „Also ich würde schon sagen. Gut, es ist nicht alles machbar. […] Wenn man auf die neuesten Messen, wo man sagt Wow und Klar und Prima, aber da muss man einfach realistisch sein und denken, es ist nicht alles machbar.“ (V1_M1) Darin drückt sich ebenso die Identifikation der Mitarbeiter_Innen mit der Einrichtung aus, welche durch die HL auch strategisch versucht wird, herzustellen. [Schutz der Mitarbeiter_Innen] „Indem ich Öffentlichkeit größtmöglicher Art herstelle. Das ist die beste Prophylaxe. […] Und natürlich begibt man sich da immer in Gefahr, was andere fürchten wie der Teufel das Weihwasser, dass die Öffentlichkeit auch Dinge sieht, die sie nicht sehen sollte. Aber sieht natürlich auch Dinge, die sie sehen soll. Und unterm Strich, so lange die positiven dann überwiegen, ist man zumindest im Umfeld dann gestärkt.“ (V1_F1) Durch Einbindung dieses diskursiven Arguments in die Organisation erreichen F1 nicht nur die Identifikation mit der Einrichtung, sondern spiegelt auch jene Aspekte der betriebswirtschaftlichen Argumentation, welche die Reflexion von Führungsstilen wie auch die Etablierung von Visionen über die Manager_Innen propagieren. Diese Vision ist auch offen kommuniziert „Und das ist nicht das, was den Gesamttenor ausmacht. Und der Tenor ist gut, dadurch, dass man die Öffentlichkeit ins Haus lässt und diese Komponente fördert. Wir betrachten uns als eine Art Kulturzentrum mitten in [Stadt].“ (V1_F1) und auch als Narration bei der StL in M5 vorhanden. „[W:] Das ist Prestige. Das ist für die Angehörigen, das ist einfach auch fürs Haus. Denn Konkurrenz ist ja groß.“ (V1_M5) Dabei ist zu sehen, dass die Narration der Verbundenheit mit der Einrichtung auch bei anderen Individuen in VERBENA vorhanden ist. „Es gibt manchmal auch negative Erfahrungen, aber die macht man ja überall. Aber so im Großen und Ganzen fühlt man sich schon verbunden und ist ja schon interessiert daran, dass dementsprechend der Ruf des Hauses also* hat ja auch Auswirkungen für einen selber und für das ganze Haus.“ (V1_F5) Die entsprechende Story ist jedoch nicht nur von den Führungskräften rezipiert, sondern auch den Mitarbeiter_Innen. „[Z:] Und das Haus ist eigentlich dabei/ sie gucken schon, dass sich hier jeder wohl fühlt von der Arbeit her.“ (V1_M5) Wobei auch festgehalten werden muss, dass diese Verbundenheit zumindest nicht bei allen Individuen auch im Privatleben der Beschäftigten von Relevanz ist. 117 „Zu Hause ist zu Hause und hier ist Arbeit, Arbeit.“ (V1_M4) Um diese Vision zu erzeugen, aufrechtzuerhalten und sie umzusetzen, müssen – wie auch in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie dargestellt – Managementideen durch einflussreiche Führungskräfte vertreten werden. „Also die Entscheidungsspielräume kann ich mir dadurch noch aufrechterhalten und den Mitarbeitern dadurch auch, indem das Haus in der Öffentlichkeit gut da steht. Solange dieses da ist, ist das ein gewisser Schutzschirm, auch Dinge machen zu können, die man vielleicht sonst nicht mehr machen könnte. Aber Dinge nicht machen zu müssen, die man sonst machen müsste. ** Das schützt im Prinzip sowohl mich, als auch mein Mitarbeiter.“ (V1_F1) Durch die Anmutung von Freiheit soll den Mitarbeiter_Innen vermittelt werden, dass sich um diese gekümmert wird. Dabei scheint es offensichtlich, dass die HL nichtsdestotrotz die Regiekompetenz für die Einrichtung in der Hand halten möchte und dieses als Mittel zu dem Zweck, den Mitarbeiter_Innen, größtmögliche Freiheiten gewähren zu können. Bei F2 drückt sich dieses diskursive Argument in der Story der ‚totalen Kontrolle‘ aus. „Wenn ich natürlich nur Leitungen über mir habe, die totale Kontrollfreaks sind und überall kommen und sagen: ‚Hier, das falsch und das ist falsch‘, dass man sich dann als Mitarbeiter vielleicht irgendwo denkt ‚O Gott, hoffentlich mache ich nicht wieder Fehler‘ oder wie auch immer.“ (V1_F2) Dieses Argument, dass die obere Führungsebene die Probleme schon gerichtet bekommt, ist auch bei den Mitarbeiter_Innen sedimentiert. „[A]ber sonst klappt das eigentlich recht gut. Also auch mit dem [Heimleiter], wenn wir irgendwelche Probleme haben, gucken wir schon, dass wir sie lösen können, also da hatten wir jetzt die ganzen Jahre noch gar keine Schwierigkeiten.“ (V1_M2) Auch bei F3 ist dieses diskursive Argument sedimentiert. „Oder, hier läuft vieles ebenso mit ‚Du musst das machen‘. Und komischerweise, dann funktioniert es auch.“ (V1_F3) Jedoch ist auch festzustellen, dass diese Narration nicht von allen Beschäftigten in VERBENA gleichermaßen weitergetragen, indem die ‚Unterwerfung‘ unter die Narration der freiheitssichernden Entscheidungskompetenz in Frage gestellt wird. „Ich sag halt mal: man redet sich viel schön. Oder man hat eine Ausrede. Also sag’s nicht unten, wir sind nachher gekündigt; auch nicht der Heimleiter, nichts.“ (V1_M1) Darin lässt sich eine starke Abwehr gegen die Narration erkennen, da sie als Rückzugspunkt identifiziert wird. F3 sieht dafür auch eine Begründung. „Wenn die Mitarbeiter dann immer nur mitbekommen ‚Ihr müsst halt. Es ist egal, wie sie ist.‘ Dann ist das halt auch nichts.“ (V1_F3) Es wird darüber hinaus deutlich, dass die Vision, wie sie von F1 in den Stories dargestellt und von einigen Mitarbeiter_Innen auch weitergetragen getragen wird, nicht mit dem diskursiven Argument der guten Führung verbunden ist. Auch stellt sich dann die Frage, ob sich hier abermals divergierende Narrationen innerhalb einer Organisation herausbilden und falls dem so ist, wer die/der Change Agent für das Einbringen neuer diskursiver Argumente ist. Zur Beantwortung dessen, bietet es sich 118 an, dieses diskursive Argument weiter zu betrachten, auch weil sich daran in VERBENA ein Bruch der Narration erkennen lässt. „Ja, so PDL und Heimleitung sehen wir eigentlich recht selten. Die Stationsleitung schafft ja mit uns, ist ja für die Station zuständig. […] Also ist nicht so, dass sie [die PDL, M.R.] jeden Tag kommt und sagt ‚Ist alles ok?‘ * Obwohl das eigentlich schön wäre [/…] Vielleicht würd sie dann vielleicht einige Sachen eher verstehen, wenn sie ein bisschen mehr mitkriegen würde, sag ich mal Heimleiter und PDL.“ (V1_M1) Hier wird deutlich, dass die ‚relevante Person‘, das was eine_N Change Agent ausmacht, in der StL gesehen wird. Interessant ist dabei auch abermals die vertretene Meinung von F3.139 [zur fehlenden Unterstützung von oben] „Von ganz oben. Ja. Weil wenn ich da was sage, da habe ich halt auch schon schlechte Erfahrungen mit gemacht. Weil Du hast ja kein Recht, irgendwie * Dich da zu äußern groß. Ich mein, das finde ich manchmal echt schade, weil eigentlich.“ (V1_F3) Darin und in ebenso der folgenden Aussage lässt sich erkennen, dass das diskursive Argument der guten, fürsorglichen Führung bei F3 sowie gleichermaßen bei M1 nicht (mehr) fortwährend narriert wird und die Sedimentation des Arguments damit nicht mehr gewährleistet ist, im Besonderen in Fällen von neuen Ideen. „Oder halt ** dass auch die dahinter stehen, sag ich mal, die so was anfangen. ‚Ja, ich führe jetzt irgendwas ein‘ und dann schläft das irgendwann ein oder verläuft sich im Sand.“ (V1_F3) Gleiches war oben auch bereits in Bezug auf F2 festzustellen. Auch da konnte festgestellt werden, dass eine innovativere, im Sinne von jüngere, Idee aus dem Rahmen der ‚mehrheitsfähigen Argumente‘ gefallen ist. Es lässt sich dabei erkennen, dass die PDL140 dabei der Narration der HL folgt. „Ich weiß es nicht. Also die Pflegedienstleitung war ja hier früher Stationsleitung und sie müsste eigentlich die Problematik selber ganz gut kennen. Ich weiß es nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, man ist einfach weg von der Pflege und man kriegt das ja nicht mehr so hautnah mit.“ (V1_F3) Dabei tritt dieses Gegenargument – für den Fortschritt – als ‚Narrationsfeld‘ und die Umsetzung dessen im Führungsverhalten auch bei den Mitarbeiter_Innen zu Tage. „Also, wie gesagt teilweise. Manchmal sieht man wirklich, da tut sich was. Ich mein klar, ich versteh die Leute auch, die haben Druck von oben, von MDK, keine Ahnung/ etc. Aber auf der anderen Seite sind halt die Leute wichtig denke ich mir und nicht der Vorstand.“ (V1_M1) Dabei ist es auch sehr interessant, dass die HL sich selbst auch in der Position als Change Agent 141 sieht. „Also wir sind eines der Häuser, die sich ziemlich lange gegen den Fortschritt gestemmt haben. Wir sind eines der letzten Häuser, das noch nicht zertifiziert ist. Wir sind eines der letzten Häuser, die noch 139 Eine gesonderte Position könnte sich daraus ergeben, dass F3 nicht nur SL sondern auch stellvertretende PDL ist. 140 Hier ist nicht F2, sondern die ‚eigentliche‘ PDL gemeint, welche zum Zeitpunkt der Erhebung nur schon längere Zeit abwesend, da krank war. 141 An dieser Stelle wird deutlich, dass ein_E Change Agent nicht ausschließlich im Wandel im Sinne eines Einbringens neuer und innovativer Argumente durch ihre/seine Position induzieren kann, sondern auch tradiert wirkende diskursive Argumente in die Organisation einzubringen vermag. 119 keine computergestützten Dokumentationen haben. Das liegt ein bisschen an mir. Aber ich kann das letztlich auch nicht aufhalten.“ (V1_F1) In Zusammenhang damit verweist F1 auch explizit auf das gute Führungsverhalten zurück, welches in VERBENA vorherrscht. „Aus sämtlichen umliegenden Häusern bewerben sich permanent Leute, und ich kann die Güte der Häuser, was das angeht, also nicht die Güte der Pflege, aber die Güte am/ der Personalführung, die kann man so ein bisschen daran ablesen.“ (V1_F1) Dabei wird auch ersichtlich, dass eine Humankapitalbindung, wie sie in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie beschrieben ist, bei F1 kein aufgenommenes Argument ist. Hingegen wird diese Argument sowohl von F3 „Ok, es ist vielleicht nicht ganz motivierend, ich weiß nicht, ob sie einen unbefristeten Vertrag jetzt, wenn Du halt immer wieder auf ein Jahr verlängert bekommst. […] Da zittern dann immer die Mitarbeiter ‚Und was meinst, werde ich übernommen oder nicht?‘ […] Ja, ich habe das Gefühl, man lässt hier alles so ein bisschen schleifen“. (V1_F3) als auch von der Pflegehilfskraft in M5 bedient. „[X:] Also man spürt das nicht so Konkurrenz, aber man spricht jetzt immer von mehr Arbeitslosen. Man denkt immer, jetzt ist der Arbeitsplatz schon gefährdet, und man spürt das oft, dass man gerade durch diese Beurteilung, was wir haben im Jahr.“ (V1_M5)142 Dabei ist ersichtlich, dass die motivatorische Wirkung auf die Pflegekräfte als diskursives Argument ausschließlich in die Narration und die Stories eingebunden ist, jedoch keine Auswirkungen auf Praktiken zu haben scheint. „Honorieren tun das die, die vorher in anderen Situationen gearbeitet haben. Die die schon lange hier sind, und die meisten unserer Mitarbeiter sind sehr lange hier, die wissen gar nicht, dass es anderswo anders sein kann. Das heißt: da wo man ist, da hat man so ziemlich immer was zu kritisieren [lacht].“ (V1_F1) Damit durchläuft das Argument nur die den Circuit of Activity und den Circuit of Performativity, jedoch nicht den Circuit of Connectivity, wodurch eine Aufnahme der diskursiven Arguments innerhalb der Organisation nicht gewährleistet ist. Es fällt auf, dass die Argumentation von der HL die Motivation der jüngeren Mitarbeiter_Innen als legitimierendes Argument in die Narration einbindet. Jedoch erscheint diese inkonsistent und im argumentativen Widerspruch, da an anderer Stelle darauf Bezug genommen wird, dass es Unterschiede im Wissen zwischen jüngeren und älteren Pflegekräften gibt, wobei gewohnte Strukturen im Arbeitsablauf eine positivere Konnotation zu erfahren scheinen. „Es besteht natürlich ein Wissensgefälle. Also die Mitarbeiter, die jetzt alle so 50+ sind, die haben ihre Ausbildung natürlich noch in einer Zeit gemacht, wo die Altenpflege mehr intuitiv gemacht wurde, während die jungen, die sind ausgebildet in dieser ganzen technisierten Geschichte und das gibt 142 Hier ist ebenso auffällig, dass die Beurteilung der Mitarbeiter_Innen als diskursives Argument ebenso nur bei den Mitarbeiter_Innen in Stories eingebunden ist. Dabei werden die internen Beurteilungen entweder in angstvollen Stories eingebunden oder die Beziehung dazu ist recht neutral dargestellt: „Also das sind auch so Fragebögen und wenn man 100% hat, kriegt man eine Sonderzahlung. ** Und das muss jedes Jahr gemacht werden.“ (V1_M2) 120 manchmal schon Reiberei, die sicher bei uns etwas geringer sind, als anderswo, aber man versucht das auch auszugleichen. Und die jungen Mitarbeiter merken relativ bald, dass gewisse Strukturen auch ihre Vorteile haben. Und umgekehrt auch die Älteren bekommen mit, dass das ein oder andere, was die Jungen mitbringen auch von Vorteil ist für den Arbeitsablauf oder sonst irgendwas.“ (V1_F1) Neben der scheinbaren Präferenz für bekannte Strukturen und dem dargelegten Widerspruch innerhalb der argumentativen Verknüpfung wird ein weiterer Punkt ersichtlich. F1 erscheint lediglich als Change Agent für eine gewisse Blockadehaltung oder für eine Rückkehr zum Status quo ante. Neben dem oben beschrieben Fehlen des Durchlaufs aller drei Circuits des Modells, kann hierin ebenso eine Begründung dafür gesehen werden, dass ein breiterer narrativer Gegenpol entsteht, welcher interessanterweise, und abermals im Gegensatz zu F1, überwiegend von den jüngeren Individuen (F2, F3, M1, M3) getragen wird. Analog stellt F3 fest: „Ich denk, das merken halt die Mitarbeiter und denken Sie sich, wenn es der egal ist oder denen, dann ist es mir fünfmal so egal. Wie soll ich sagen? Also, die haben doch dann auch keine Lust und keine Motivation.“ (V1_F3) Dabei werden auch Erkenntnisse aus der Analyse des Juristischen deutlich, in welchen festgestellt wurde, dass die Narration in weiten Teilen von VERBENA als recht revisionistisch angesehen werden konnte. Bei der Suche nach einer/m Change Agent in VERBENA im eigentlich Sinne, über die/den diskursive Argumente in den Circuit of Activity eingebracht werden und sich dann sedimentieren und die Basis für neue Stories bilden, wurde bereits auf F3 verwiesen. In der eigenen Reflexion eines guten, motivierenden Führungsstils gibt F3 an: „[M]an muss die Leute motivieren und man muss denen klar machen, dass das auch wichtig ist für das Haus. Und nicht nur ‚Ja, wenn die Heimaufsicht kommt, dann gibt es wieder Ärger.‘ Damit erreich ich groß nichts. Man muss dann schon den Leuten das auch verklickern, warum das wirklich wichtig ist, dass es eine Arbeitserleichterung ist, wenn man dann später die Pflegeplanung schreibt, oder die Tagesstruktur.“ (V1_F3) Dabei ist auffällig, dass diese Rolle auch von anderen in VERBENA mit der Position der SL verbunden ist. „Also, mit meiner Schichtleitung kann ich offener reden als mit meiner PDL, das ist klar. […] Mit der Schichtleitung reden wir eigentlich über die Probleme hier auf Station, und die Schichtleitung gibt es eigentlich der PDL weiter. […] Und sonst die Grundvorlage gibt ja das Haus. Und was auf den verschiedenen Stationen abläuft, macht die Schichtleitung dann von uns.“ (V1_M3) Von M3 wird dabei interessanterweise auch nicht auf Praktiken rekurriert, sondern vielmehr auf den Austausch, was wiederum einen narrativen Bezug nahe legt. Auch von M1 werden als Personen, die Druck aufbauen, organisationsintern zumindest nicht die HL und die PDL erkannt. „Also ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mich unter Druck gesetzt fühle, sei es von der Heimleitung, sei es von der PDL oder Angehörigen oder so.“ (V1_M1) Dabei ist es sicherlich fraglich, ob in dieser Episode zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die ‚Druckgebenden‘ an anderen Positionen stehen, zumindest ist es nicht ausgeschlossen. Es ist auch auffällig, dass F1‘ Argument des ‚motivierenden Einflusses‘ vor einem revisionistischen Hintergrund‘ abermals widersprüchlich wahrgenommen wird. Sowohl bei der SL F3 „Aber ich denke, man kann auch nicht erwarten, dass die Mitarbeiter das irgendwie in ihrer Freizeit machen. Ich habe auch schon mitgekriegt, dass viele irgendwie grad so Papierkram mit nach Hause 121 nehmen und das dann daheim schreiben. […] [M]an kann halt die Leute auch nicht motivieren, wenn man sagt ‚eine halbe Stunde kriegst Du bezahlt und die andere nicht‘.“ (V1_F3) als auch von M3 „Das wird hier akzeptiert. Es gehört zum Alltag, Dokumentation muss geführt werden. Das macht man nach einer Schicht.“ (V1_M3) sowie auch von einer anderen SL „Und für uns ist es auch schwierig, weil am Wochenende muss immer eine Schicht abdecken den ganzen Tag und dann sozusagen müssen wir immer geteilte Dienste, fast nur geteilte Dienste, arbeiten. Das ist bisschen schwierig zum Abdecken.“ (V1_F5) und selbst bei der bisher die Narration der HL bedienenden StL in M5. „[W:] Und an der [Zeit, M.R.] soll es nicht unbedingt scheitern, dass ich pünktlich heimgehen kann.“ (V1_M5) In Zusammenhang damit findet sich in VERBENA auch das betriebswirtschaftliche diskursive Argument der Wichtigkeit von Teamarbeit und einer guten Teamzusammensetzung. Bei der SL F4 kommt zum Ausdruck, dass die Bereitschaft zur Arbeit im Team als elementarer Bestandteil einer guten Pflegekraft angesehen wird. „Natürlich die Qualität der Pflegekraft sowieso und nicht an der letzte Stelle jetzt auch Teamarbeit. […] Bereitschaft in das Team einzuwachsen, zusammenzuarbeiten, kooperativ zu sein.“ (V1_F4) Dabei ist jedoch festzustellen, dass eine entsprechende Argumentation nur vereinzelt und wenn dann auch nur bei Führungskräften auffindbar ist. Hingegen findet sich bei F1 abermals ein diskursives Argument, welches in eine Story der ‚Fremdattribution‘ eingebettet ist. In Bezug auf die finanzielle Ausstattung von VERBENA wird das diskursive Argument eingebracht, dass Möglichkeiten der Einstellung von Personal nicht an die HL gebunden sein, sondern der Eindruck erweckt, auch in diesem Fall fremdbestimmt zu sein. „Und wenn man die Gesamtzusammenhänge nicht so reflektiert, dann sagt man halt ‚Wir haben viel zu wenig Leute. Und wer ist da Schuld dran? Natürlich der Heimleitung. Ist auch klar, der spart.‘ [lacht]“. (V1_F1) Es wird darüber hinaus eine Story der Delegitimation aufgebaut, welche die Erkenntnismöglichkeit oder eben Unmöglichkeit an die kognitiven Fähigkeiten der Mitarbeiter_Innen bindet. Auch dieses Argument verhaftet nicht bei den Mitarbeiter_Innen. In Verbindung mit einem juristischen Argument weist M1 eine entsprechende Darstellung der HL zurück und ‚entlarvt‘ die damit in Zusammenhang stehende argumentative Strategie der HL in Bezug auf die Belegungspläne als betriebswirtschaftliche Praxis, welche keinen Niederschlag offensichtlichen Niederschlag in der Narration der HL findet. „[R]ein rechtlich müssten ab 52 Bewohner einer zweite Nachtwache her. * Kurzzeitpflege wird aber nicht mit eingerechnet. Heißt: wir sind nie so, dass wir eine zweite rechtlich brauchen.“ (V1_M1) Ein weiteres diskursives Argument in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie war die Herausstellung der Wichtigkeit von Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter_Innen. Dieses diskursive Argument wird ausschließlich von F3 als wiedergegeben. 122 „Und * ja * ich weiß auch nicht, aber das wird ja dann auch nicht kontrolliert. Also, dass da irgendjemand sagt ‚Das habt ihr aber toll hingekriegt‘ [lacht].“ (V1_F3) In Ansätzen scheint das Argument auch bei M1 vorhanden, wobei auch wieder die elementare Rolle einer SL betont wird. „Bei uns war es am Anfang auch sehr schwierig mit den Dokumentationen. Da sind Sie nicht geführt worden. Wo ich hier angefangen habe, war totales Chaos. Da wir jetzt aber auch neue Schichtleitung gekriegt haben und wir auf unserer Station sehr viel Junge haben, wird das schon besser, also Dokumentationen sind regelmäßig geführt jetzt, und es läuft“ (V1_M1) In VERBENA werden darüber hinaus noch einige diskursive Argumente bedient, welche in der Darstellung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie als kritische Argumente präsentiert wurden. Dabei fallen verschiedene Besonderheiten auf. Zum einen können die entsprechenden diskursiven Argumente gehäuft bei der HL F1 gefunden werden. Konnte in der Darstellung der ‚Mainstream-Argumente‘ in VERBENA noch festgestellt werden, dass F1 die Entscheidungshoheit über die Abläufe gern selbst bestimmen würde und dabei auch delegitimierend in Bezug auf entgegenstellte Einstellungen einwirkt, können ebenso kritische Argumente bei F1 gefunden werden, wo ein negativer Einfluss von Führungskräften auf die Mitarbeiter_Innen auch reflektiert wird. „Und der Druck, den wir da kriegen, den geben wir natürlich an die Mitarbeiter weiter.“ (V1_F1) Das gleiche diskursive Argument der negativen Folge auf die Mitarbeiter_Innen durch Reaktionen der Führungskräfte findet sich auch bei F3. „Also wenn die Heimaufsicht da ist, dann ist erstmal ein-zwei Monate so eine kleine Krise ‚Wir müssen alles andern. Wir müssen das.‘ Dann ist man richtig aktiv, habe ich den Eindruck und man muss das und man muss jenes.“ (V1_F3) Es findet sich bei F1 darüber hinaus auch das kritische Argument, dass die Einrichtungen selbst zumindest eine Teilschuld tragen, da sie die Umstände akzeptieren und in ihrer jeweiligen Situation realisieren. „Während dieser Zeit klingelte an zwei Stellen irgendwo ein Patient, aber die Schwestern haben sich nicht von ihrem PC-Platz wegbewegt. Und das ist symptomatisch dafür, dass eine PrioritätenVerschiebung stattgefunden hat, an der Zwischengremien wie ich auch, nicht unschuldig sind.“ (V1_F1) Dabei ist jedoch festzustellen, dass eine Narration der Argumente einer kritischen Betriebswirtschaftslehre in VERBENA nicht signifikant identifiziert werden konnte. In der Analyse der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie in VERBENA konnte festgestellt werden, dass kritische Argumente kaum, hingegen die dem ‚Mainstream‘ zugeordneten Argumente recht weitverbreitet bedient werden. Es konnte diesbezüglich auch die These der narrierenden Organisation für VERBENA erhärtet werden. In Bezug auf jene diskursiven Argumente, welche die Motivation der Mitarbeiter_Innen, gute Führungsstile oder den Aufbau und die Umsetzung von Strukturen betreffen, konnte festgestellt werden, dass ein Art ‚Kampf‘ ausgetragen wird. Dabei konnte festgestellt werden, dass bestimmten Positionen die Legitimation entzogen wurde. Des Weiteren haben sich verschiedene Individuen als Change Agent positioniert. F3 war dabei die auffälligste Person. An verschiedenen diskursiven Argumenten konnte dargestellt werden, wie die Narration F3s in VERBENA eingebunden und auch weitergetragen wurde. Auch konnte gezeigt werden, an welchen Stellen des Modells andere diskursive Argumente ‚verharren bleiben‘ und 123 deswegen in der Organisation nicht weiter getragen werden können. In der weiteren Analyse der akademischen wie auch der sozialen Argumentationslinie werden die Foki weiterhin sein, ob sich das Modell der Aufnahme diskursiver Argumente weiterhin als tragfähig erweist und ob sich die Subjektpositionen des Weiteren so identifizieren lassen, dass F3 die Rolle einer/s Change Agent_S einnimmt und F1 weiterhin als Change Agent für den Status quo ante dargestellt werden kann. e) Das Akademische In Bezug auf die akademische Argumentationslinie kann im Generellen festgestellt werden, dass diese in VERBENA auch relativ stark ausgeprägt ist. Auffällig ist dabei, dass im Besonderen F2 die Argumente des semantischen Kerns Nähe zur Medizin bedient. Es ist festzustellen, dass dabei abermals – wie bereits in der Erörterung der betriebswirtschaftlichen Episteme – besonders die diskursiven Argumente bedient werden, welche auf Innovationen verweisen. „Es kann umgesetzt werden, aber man fährt in irgendwelchen Strukturen, irgendwelche Fahrwasser, die man schon seit dreißig Jahren hat, und will gar nichts Neues machen.“ (V1_F2) In Bezug auf die Frage der professionellen Systematisierung der Gerontologie über die Dokumentation des Pflegeprozesses, kann festgestellt werden, dass diesbezüglich in VERBENA eine organisationsweite Narration zu bestehen scheint. „Also sagen wir Pflegeplanung. Wir müssen für bestimmte Pflegeprozesse Planung erstellen. Das wird besprochen. Und dafür wird es gemacht, damit die Pflege einheitlich durchgeführt wird. Und dadurch wird vielleicht Pflegequalität besser. Ja? * Dann muss es sein, damit die Pflege besser wird.“ (V1_F4) „[Y:] Und das liegt an der Dokumentation. Das ist die Hauptsache. [W:] Das ist das A und O.“ (V1_M5) Bei F3, welche in der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Argumentation als Change Agent identifiziert wurde, thematisiert vor demselben argumentativen Hintergrund kritische Aspekte innerhalb der Einrichtung. „[M]an darf ja bei uns gar nicht in die Standards reingucken. Da sind ja die letzten 2006 oder 7 überarbeitet, erarbeitet, ja. Also, ich denk, es ist schon gut, aber ich habe den Eindruck, dass hier alle irgendwie damit überfordert sind“. (V1_F3) Dabei wird deutlich, dass F3 die revisionistische Herangehensweise innerhalb der Einrichtung auch in Bezug auf akademische Inhalte erkennt und nicht ausschließlich auf betriebswirtschaftliche. Diese Herangehensweise ist bei F1 auch nachweisbar, worin auch der Bezug zur Auswertung der Dokumentation als Weg zur professionellen Systematisierung zu erkennen ist und die diesbezüglich ablehnende Haltung von F1. „Es gibt auf der einen Seite das Arbeiten nach theoretischen Standards, die werden auch dokumentiert, und es gibt auf der anderen Seite die Praxis, die oft mit den Standards überhaupt nichts zu tun hat, aber das Eigentliche ist, was im Prinzip die Pflege noch zur Pflege macht. Also, überspitzt ausgedrückt: Sie pflegen heute/ oder wenn Sie gut pflegen, pflegen sie nicht gut, weil sie alle Standards erfüllen, sondern Sie pflegen gut, weil Sie trotz der Standards auch noch zusätzlich was tun [lacht].“ (V1_F1) Des Weiteren ist auffällig, dass F1 mit dieser Ansicht recht alleine dasteht. Vergleichbare Bezüge und Rekurrierungen auf dasselbe diskursive Argument, lassen sich bei keinem anderen Individuum in VERBENA finden. Darüber hinaus wird deutlich, dass F1 einen starken Praxisbezug einfordert. 124 Im Gegensatz dazu findet sich bei F2 eine explizite Befürwortung des Einflusses von Expertise zur Akademisierung der Gerontologie. „Es gibt wirklich gute, wo ich denke, das ist schon eine Bereicherung für die Pflege, dass sich da mal irgendwelche Experten hingesetzt haben und sich mal einen Kopf gemacht haben.“ (V1_F2) Darauf aufbauend findet sich bei F2 auch ein weiteres diskursives Argument, das der systematischen Pflegetheorie. „Wenn ich eine gute Fachkraft bin, dann muss ich alles im Blick haben. […] Mein Verständnis von Pflege ist, dass es ein schon sehr wichtiges Thema ist, aber nicht nur die körperliche Pflege, sondern auch die psychische Pflege der einzelnen Heimbewohner, was zum Teil oftmals auf der Strecke bleibt, weil man sich eher auf die körperliche Pflege beschränkt und auch so das Verständnis für die psychische Pflege eigentlich vergisst.“ (V1_F2) Noch deutlicher wird dieser Aspekt jedoch bei der HL, welches dieses diskursive Argument ebenso in die Stories einbindet. „Wir sind dafür da, den Patienten gut zu pflegen und zwar ganzheitlich, in seiner psychischen, sozialen und körperlichen Befindlichkeit. Das ist das Kriterium und wenn irgendwas schief geht, wird an diesen Kriterien geguckt, wo haben wir was falsch gemacht.“ (V1_F1) In Bezug auf den semantischen Kern der Professionalität ist festzustellen, dass die HL professionelles pflegerisches Handeln sehr stark mit einem alltagspraktischen Impetus versieht. „Natürlich sehe ich etwas. Das heißt: wir müssen wieder lernen, uns auf unsere Sinne zu verlassen, Augen, Ohren, Nase. Ich komme in ein Zimmer und ich spreche mit einem Patienten, guck ihn mir an und ich fühle die Atmosphäre, die in diesem Zimmer herrscht. Ich sehe, ob es sauber oder schmutzig ist. Ich sehe, ober unversehrt ist, ob er seine Ressourcen nutzen kann, oder nicht.“ (V1_F1) Dabei wird deutlich, dass F1 damit kein anti-akademisches Argument vertritt, sondern versucht Professionalität über das Erkennen der nutzbaren Ressourcen durch praktische Erfahrung im Alltag herzustellen. Hingegen drückt sich dieses Argument bei der StL in M5 wie folgt aus. „[W:] Man sieht ja, was eine gute Pflege ist, sieht man schon, wenn man in ein Zimmer reinkommt - ist alles schön aufgeräumt und sauber, ist die Bettwäsche sauber, hat der Bewohner ein frisches Nachthemd an. Ich rede jetzt nur von bettlägerigen Bewohnern. Ist er gekämmt?“ (V1_M5) Hier wiederum wird keinerlei Bezug zur Professionalität deutlich, sondern eine sehr deutliche Widergabe einer rein praktisch orientierten Gerontologie, in Verzicht auf jegliche Akademie. Ein weiteres diskursives Argument dieses semantischen Kerns ist die Gerontologie im Spannungsfeld zwischen Akademisierung und Professionalisierung. Dieses findet sich, in Bezugnahme einer theoretisch fundierten und praktisch anschlussfähigen Ausbildung, wieder bei F1 „Also die Pflege befindet sich auch in diesem Punkt auf einer Abwärtsspirale, wo die Bedeutung immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird und wo versucht wird, diesen Bereich zu akademisieren, indem man eben eine schmale Führungselite schafft, die eigentlich gar nicht mehr an dem Bewohnerbett arbeitet und eine breite Schicht, die aber immer noch zu schmal ist von der Masse her, von halbausgebildeten Leuten, die sozusagen für den Rest zuständig sind.“ (V1_F1) 125 An dieser Stelle wird der oben angesprochene Aspekt nochmals deutlich, dass F1 keineswegs der Argumentation einer Anti-Akademie folgt. Es ist offensichtlich, dass F1 sich intensiv mit dem Spannungsfeld auseinander gesetzt hat und das Argument der Alltagspraxis in vergleichender Weise die Narration einbindet. „Das angel-sächsische System war immer schon viel akademischer, als das bundesdeutsche System; oder auch das Schweizer System. Die sind anders aufgebaut. Allerdings haben die sich in ihrer Historie so entwickelt, dass die zunehmende Akademisierung nicht unbedingt ein Wegbewegen vom Patienten oder von der Praxis war, sondern eine Begleitung der Praxis, um es mal so auszudrücken. […] Und man hat dann [in Deutschland] versucht eben mit Konzepten und ganz vielen Theorien und immer neuen Berufen, mit immer höheren Qualifikationen das Ganze auseinander zu ziehen, dabei ist die Qualifikation, der direkt an der Basis Arbeitenden gesunken, parallel zur sinkenden Wertschätzung.“ (V1_F1) Dieses diskursive Argument des Spannungsfeldes findet sich auch bei F2 „Man kann auch eine individuelle Pflege machen. Die Pflegestandards widerspiegeln ja auch nicht das, was in der Pflegeplanung drin steht. Also ich kann das ja schon verbinden eine Pflegeplanung mit meinen Pflegestandards.“ (V1_F2) sowie einer SL. „Die Pflegestandards werden schon gelebt, da kann man nichts sagen. Abstriche […] Man muss umorganisieren. Vieles hängt von der Organisation [des Pflegeprozesses, M.R.] ab.“ (V1_F4) Als organisationsweite Narration stellt sich die Ausbildung als professionelle Verbindung von Praxis und Theorie in VERBENA dar. Bei der HL wird diese Verbindung sogar mit einer kulturellen Metaphorik als Story weitergetragen. „Und die Kunst ist sozusagen/ die Pflegekunst ist die, individuell auf den betreffenden Menschen, einen Standard, der für denjenigen gilt, zu erstellen. Der gilt aber für den nebenan schon nicht. Und in dieser Kunst werden die Schwestern nicht mehr unterrichtet. Die werden in Produktionsprozessstandards unterrichtet.“ (V1_F1) In Bezug auf ein zu den theoretischen Inhalten hinzukommendes praktisches Verständnis im Umgang mit Menschen gibt die SL F4 an: „Es ist nicht Zusatzleistung. Nein, das kann ich nicht sagen. Während der Ausbildung lernt man auch Gerontologie. Der Umgang mit alten Leuten gehört einfach zum Beruf. Es gehört zum Beruf“. (V1_F4) Auch bei den Mitarbeiter_Innen ist dieses diskursive Argument in alltägliche Situationen transportiert und hat damit auch den dritten Circuit des Modells durchlaufen. „Das ist immer schon ein Unterschied zwischen Schule und praktisch. Weil die von der Schule, die haben ihr eigenes Ding, wissen manchmal nicht, was in der Praxis/ […] Aber so das Grundwissen, das kriegt man schon klar. Gerade Verbände, Wunden und so, man lernt schon einiges, und das muss man natürlich auch umsetzen.“ (V1_M3) Darin könnte bei M3 eine Tendenz in Richtung der Anti-Akademie gelesen werden, da die Umsetzung der theoretischen Inhalte als eine Art Zwang dargestellt wird, welche beinahe lästig erscheint. Hingegen nutzt M1 explizit das Symbol der exakten Berufsbezeichnung, um die Professionalität ihres, durch Ausbildung erworbenen, Selbstverständnisses zum Ausdruck zu bringen. Dabei bringt M1 126 ebenso eine Verknüpfung dem diskursiven Argument der Empathie aus der sozialen Argumentationslinie. „Ich bin in erster Linie examinierte Altenpflegerin. Also ich pflege alten Leute. […] [U]nd stückweit auch Familienersatz.“ (V1_M1) Als dritter semantischer Kern in der akademischen Argumentationslinie ist die Grenzziehung zu anderen Wissenschaftsgebieten dargestellt worden. Interessant ist dabei auch, dass die HL hier keine argumentative Grenzziehung zur Medizin vollführt, sondern vielmehr zur Verwaltungswissen. Aus dargestellten genutzten Argumenten der HL in der Analyse des Juristischen und des Betriebswirtschaftlichen ist dies jedoch auch nachvollziehbar. „In meinen Augen ist die Pflege eine zentrale Stelle der eigentlich die Betreuung, der aber auch die Vermittlung um den Bewohner herum, um den Patienten herum zukommt. Das ist die fachkundige Kraft, die nicht nur auf einem Gebiet Bescheid weiß, sondern die eigentlich über alle Wechselfälle des Lebens, im psychischen, im körperlichen Bereich Bescheid wissen wollten, das ist die Vertrauensperson, die für den Patienten die Weichen stellt und die Hilfen koordiniert. […] Ich komme selber aus der Pflege, das ist vielleicht auch eine Sonderstellung. Die meisten Kollegen, die ich kenne, kommen aus der Verwaltung.“143 (V1_F1) Dabei wird deutlich, dass hier von F1 der Versuch unternommen wird, der Pflege eine zentrale Position zukommen zu lassen. Dabei wird diese Vereinzigartigung nicht ausschließlich mit akademischen Argumenten vollführt. F1 bedient sich dabei ebenso einem diskursiven Argument, welches in der sozialen Argumentationslinie klassifiziert wurde. F1 bindet in die genutzte Story die doppelte Bezeichnung „Bewohner“ und „Patient“ ein, um über die Bezeichnung die dort beschriebene professionelle Distanz zu evozieren. Darüber hinaus verweist F1 an anderer Stelle auch auf die Zusatzberufe, welche der Pflege – wie bereits thematisiert – Stück für Stück das Beschäftigungsfeld abgraben. „Da haben wir wieder den Wundmanager. Da haben wir einen, der reist in der Gegend rum und erzählt den Schwestern, wie sie eine Wunde zu verbinden haben. Ja verdammt noch mal, die haben das mal gelernt [lacht]“. (V1_F1) Auch bei der SL F4 findet sich das diskursive Argument der Distinktheit der Pflege und der Personen, die in dem Bereich tätig sind. „Aber wenn ich meinen Bereich habe, muss ich so umdenken können oder so selbstständig arbeiten können, dass ich vielleicht selber dann was ändern kann.“ (V1_F4) Ähnlich findet sich das Argument bei F2, wobei hier darauf verwiesen werden muss, dass auch Bezüge zum juristischen Hintergrund erkennbar sind, da die angesprochene Verpflichtung auch rechtlich verbindlich ist. Nichtsdestotrotz ist das entsprechend akademische diskursive Argument deutlich erkennbar. „Ich muss ja mit den Ärzten, Therapeuten, Apotheke, keine Ahnung was, Sanitätshäuser – ich muss ja mit denen zusammenarbeiten, irgendwo. Also komplett abschotten kann man sich nicht. Man kann sich eine Autonomie schaffen, aber ich denke, abschotten geht nicht.“ (V1_F2) 143143 Dabei ist hier davon auszugehen, dass F1 ‚Verwaltung‘ mit der disziplinarischen Orientierung einer Betriebswirtschaftslehre oder Jura gleichsetzt. 127 Das damit verbundene Selbstbewusstsein der Disziplin findet sich auch bei F3. „Wenn ich das Gefühl habe, dieser Akteur hat nichts auf dem Kasten und will mir da irgendwas weiß machen, dann hat der für mich als Pflegekraft keinen Einfluss.“ (V1_F3) Vor dem Hintergrund dieser disziplinären Selbstsicherheit fungiert auch das diskursive Argument der Abkehr vom Credo der Evidenzbasiertheit, welches sich in VERBENA auf der Führungsebene, so z.B. bei F1 „Der Pflegeprozess, widersetzt sich den uns bekannten der Qualitätskontrollen und ähnlichen Dingen.“ (V1_F1) „[D]ie Funktionen von Standards sind die, einen von Anfang bis Ende kontrollierten Produktionsprozess zu haben. Das ist die Funktion eines Standards. * Das funktioniert bei einer Schraube oder so, oder bei irgendeinem Produkt, was produziert wird. Es funktioniert nicht bei einem Menschen. Bei einem Menschen ist eigentlich der Standard der, dass es keinen Standard gibt.“ (V1_F1) und bei F5 findet. „Das tut uns ja nicht so einschränken in unserer Pflegetätigkeit. ** Es ist nun/ es sind Richtlinien für uns.“ (V1_F5) Das Argument findet sich in Teilen auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. Dabei ist jedoch anzumerken, dass in dieser jegliche Änderungen, Novellierungen oder Innovationen komplett negiert werden. „[V]or achtzehn Jahren haben wir genauso gepflegt wie jetzt, genau dieselbe Arbeit, genau alles das Gleiche gemacht wie jetzt. Da hat sich nichts dran/ Eher umgekehrt: Immer mehr kommt dazu.“ (V1_M4) Vor dem Hintergrund, dass in den angesprochenen Zeitraum auch die Einführung des PflegeVG fällt und dass scheinbar noch nie eine Orientierung auf die Evidenzbasiertheit des Pflegeprozesse stattgefunden hat und es bis heute nicht tut, ist sicherlich fraglich, ob dann noch von einer ‚Abkehr‘ von diesem Credo gesprochen werden kann. Jedoch wird in der Aussage eine generelle Tendenz in VERBENA bei der Betrachtung akademischer Argumente deutlich. Auch an anderer Stelle auf Ebene der Mitarbeiter_Innen fällt auf, dass bei vielen eine eher anti-akademische Prägung vorhanden zu sein scheint. Dieser bereits weiter oben thematisierte Aspekt findet sich ebenso bei M1 in Bezug auf die Ausbildung „Also ich sehe die Ausbildung […] praktisch und theoretisch das ist eigentlich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Weil, diese Praxisbesuche […] man spielt dem Lehrer eigentlich was vor.“ (V1_M1) als auch abermals bei M4. „Wie im Standard drin steht, so muss man machen. Früher hat man halt sich nicht so nach Standard. Man hat geguckt, ja, der Bewohner will aufstehen, dann steht er auf; der Bewohner bleibt liegen, dann bleibt er halt liegen. Und jetzt, wie es im Standard z. B. drin steht, so muss man es halt machen. Steht im Standard drin, dass sie länger schlafen, dann muss sie länger schlafen. Steht drin, dass man sie vorher schon rausholt, dann muss man es machen so wie im Standard.“ (V1_M4) An dieser Stelle ist bei M4 ein sehr ausgeprägter Pragmatismus zu erkennen. Dabei ist es sicherlich fraglich, ob dieser die Hintergründe nicht ggf. in einer tiefsitzenden Furcht vor der Heimaufsicht oder 128 dem MDK und den entsprechenden Folgen liegen hat.144 Dabei wird auch deutlich, dass das AntiAkademische nicht als das Soziale oder das Betriebswirtschaftliche gesehen werden kann, sondern in der Tat als Abkehr von akademischen argumentierten Hintergründen. „Natürlich ist es gleich gut gemacht wie jetzt auch. Früher waren die Bewohner auch zufrieden. Sie waren versorgt und alles ist auch gelaufen, alles wie es läuft, ob der Standard da war oder nicht.“ (V1_M4) Es fällt des Weiteren auf, dass eine anti-akademische Argumentation nicht ausschließlich bei den Mitarbeiter_Innen sedimentiert ist. Auch bei der StL in M5 lassen sich entsprechende Beispiele dafür finden, dass hier eine anti-akademische Argumentation vertreten wird. „[in Bezug auf Standards] [W:] Nee, besser finde ich nicht. Es ist vielleicht was zum Mitnehmen, was man umsetzen kann, was vielleicht noch im Hinterstübchen irgendwie ist.“ (V1_M5) Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang ebenso wieder das Argument ‚Früher war alles besser‘ vertreten. „[W:] Das alte Gerüst hält alles zusammen. Also, das ist meine persönliche Meinung. […] [Y:] Sie [die Jüngeren, M.R.] haben nicht mehr so eine Kapazität wie früher. Ich denke, sie sind nicht richtig vorbereitet, was sie erwartet.“ (V1_M5)145 Dabei fällt auch auf, dass hier ebenso legitimatorische Fassaden aufgebaut werden. „[W:] Wir fühlen uns nicht wohl, wenn die Bewohner nicht gut versorgt sein würden oder liebevoll oder ja. Da möchte ich jetzt aber, wie gesagt, die Satt-und-Sauber-Pflege ausgrenzen.“ (V1_M5) Die StL in M5 nutzte eine Abkehr von der Phrase „Satt-und-Sauber“ als Zustandsbeschreibung negativer Konnotation in der Branche für die Art von Pflege, wie sie vor Einführung der PV wohl vorherrschend gewesen sein soll. Im Allgemeinen ist dieses Schlagwort in der Branche mit schlechter, unprofessioneller Altenpflege verknüpft. Dabei bleibt es fraglichaus welchen Zusammenhängen heraus in VERBENA eine derart breite antiakademische Narration identifiziert werden konnte. Ich habe oben darauf hingewiesen, dass F1 eine sehr ausgeprägte alltagspraktische Ausrichtung in seinen Narrationen aufweist, dabei jedoch nicht anti-akademisch argumentiert. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass eine starke Praxisorientierung, wie dargestellt sowohl in der akademischen als auch in der betriebswirtschaftlichen Argumentation, in die Narrationen eingebunden wurde, wodurch bei einigen Mitarbeiter_Innen Beziehungen entstanden sind, die wiederum in den organisationalen Kontext des ‚steten Angriffs von außen‘ eingebunden wurden. Darauf aufbauend wurden die damit verbundenen Metaphern und Symbole in Beziehung gesetzt, sodass das Richtige und Gute in VERBENA derart konstruiert wurde, dass eine reine Orientierung auf das was wirklich in der Einrichtung passiert evoziert wurde. Dadurch würde abermals die Widersprüchlichkeit der HL in der Aktivierung einander entgegenstehender Argumente zum Vorschein treten, hier jedoch eher in dergestalt, dass durch die Stories und Narrationen die 144 Vgl. an dieser Stelle auch die Attribuierung auf Externalitäten durch die HL in c) und d). Für die Interpretation muss hier angemerkt werden, dass bei den soziodemografischen Daten für V1_M5 leider keine Altersangaben vorliegen. Es kann dafür hier nur die Information gegeben werden, dass W zum Zeitpunkt der Erhebung eine Berufserfahrung von 38 Jahren aufweisen konnte und Y als SL eine Berufserfahrung von 9 Jahren. 145 129 Folge der Anti-Akademie bei einigen Beschäftigen entstanden ist, welche wahrscheinlich nicht intendiert war.146 In der Analyse der akademischen Argumentationslinie in VERBENA ist deutlich geworden, dass hier andere Individuen als Change Agents in Erscheinung getreten sind. F3 war dabei hier nicht in der Art präsentiert, wie in Bezug auf die betriebswirtschaftlichen Argumente. Hingegen waren die HL und F2 viel offensichtlicher in der steten Narration über akademische Inhalte eingebunden. Dabei ist deutlich geworden, dass teilweise eine argumentative Nähe zur Medizin oder zumindest zu der Medizin zugeschriebenen Eigenschaften gesucht wurde und darüber der Professionalität in VERBENA eine starke Rolle zukommt. Zu weiten Teilen sind in diese Narration jedoch nur die Führungskräfte eingebunden und die Mitarbeiter_Innen weniger stark. Eine Begründung dafür könnte darin gesehen werden, dass sich bei den Mitarbeiter_Innen, aus oben diskutierten Gründen heraus, eine eher antiakademische Narration sedimentiert hat. f) Das Soziale Bezogen auf die diskursiven Argumente der Heimweltlichkeit vor einem sozialen Hintergrund kann festgehalten werden, dass es darüber weite Narrationen innerhalb von VERBENA gibt. Dabei ist im Besonderen die institutionalisierte Machtausübung gegenüber den Zupflegenden als Argument sedimentiert und mit Praktiken verbunden. Es fällt auf, dass dies von den Führungskräften wie auch den Pflegekräften in die Narration der Entstandardisierung und individuellen Betrachtung der/des Einzelnen eingebunden ist. „Also die Pflege ist eigentlich etwas sehr kreatives. Und diese Kreativität wird eben durch zunehmende Standardisierung unterdrückt. Weil die passen für niemanden 100%ig. Also man versucht im Prinzip nicht den Standard an den Bewohner anzupassen, sondern umgekehrt den Bewohner an den Standard. Und der eine ist näher dran, da funktioniert das einigermaßen, und der andere ist weit weg und den müssen sie praktisch vergewaltigen, um ihn dahin zu bringen. Das tun sie nicht, solange sie noch human pflegen.“ (V1_F1) „Es kann nicht jeder gleiche bekommen. Es kommt immer darauf an, was es für Krankheiten sind.“ (V1_M2) Auch folgen diejenigen, welche in den beiden bisher betrachteten Argumentationslinien teils entgegengesetzte Argumente bedienten, hier einer gleichen Narration. „Alles heißt, dass der Bewohner zufrieden ist, dass er gut gepflegt ist, so wie er sich es auch vorstellt. Es gibt Bewohner, die sagen: Nein, ich will mich nicht waschen, es reicht mir einmal in der Woche. Dann muss man das unter Umständen auch mal akzeptieren.“ (V1_F2) Jedoch ist auch hier auffällig, dass die Narration der HL von den wahrgenommen Praktiken abweicht. So ist bei F1 das diskursive Argument deutlich erkennbar, dass es um die Sicherung des Wohlbefindens der Zupflegenden geht. „Aber wenn es mal vom Fachlichem her anguckt, dann ist das Kriterium tatsächliche die Herstellung einer höchstmöglichen Lebensqualität in sämtlichen Qualitäten des Lebens.“ (V1_F1) 147 146 Diese Aussage steht nicht im konzeptionellen Widerspruch zur Herleitung des diskursiven Arguments in 2.2.1. Vielmehr kommt dabei zum Ausdruck, dass eine unreflektierte Aktivierung von Narrationen, nicht intendierte Folgen haben kann. 130 Jedoch wird dieser Aspekt von M2 in einer anders lautenden Story wiedergegeben. „Wenn wir das so besprechen, dann * war das eigentlich schon in unserem Sinne und vor allem im Bewohnersinn. Das man uns da ein wenig in den Rücken fällt und das war jetzt vielleicht schon 2-3 Mal so der Fall, wo wir gedacht haben/“ (V1_M2) Darin ist abermals das Scheitern der Narration in VERBENA im Circuit im Performativity zu erkennen. Es kommt darüber hinaus zum Ausdruck, dass hier einerseits das Argument des Kreativen zum Tragen kommt, andererseits aber ebenso die Anstrengung der Pflegekräfte – dabei sei auf den Rekurs des ‚wir‘ und ‚uns‘ in der Aussage von M2 verwiesen – sich etwas Passendes auszudenken. Auch an dieser Stelle werden Inkonsistenzen in der Nutzung der diskursiven Argumente der HL deutlich. Wird in dem oben angeführten Zitat noch auf die Kreativität der Pflege verwiesen, wird in der folgenden Story das „Köpfchen machen“ als etwas den wirtschaftlichen Zusammenhängen verhaftetes dargestellt, was in der Altenpflege nicht passend ist. „Also ganz anders, als die Philosophie in der normalen Wirtschaft, wo man sagt ‚Wenn man knappe Ressourcen hat, dann ist man gezwungen, Köpfchen anzuwenden usw. und sich zu überlegen, wie rationalisiere ich, wie mach ich etwas besser?‘ Dem widersetzt sich der Zupflegende. Der ist eben Mensch und auch Mitmensch. Und auch unter normalen Gesichtspunkten nicht in ein Raster zu bringen. Und deswegen muss ich für ihn da sein auch wenn es unrationell ist. Das meiste was wir machen ist völlig unrationell.“ (V1_F1) Ein in VERBENA weithin bedientes diskursives Argument ist die Forderung nach einer Hinwendung zu den Bewohner_Innen. Dabei ist die grundlegende Ansicht: „Die Bewohner, die wohnen hier. Das ist kein Krankenhaus, das ist ihr Zuhause.“ (V1_F4) In diese Narration fallen auch Forderungen nach einer Zuwendung über Gespräche. In der Analyse der Rezeption der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wurde deutlich, dass den SLen in VERBENA sehr starke Position zukommt und das auch von den Mitarbeiter_Innen so akzeptiert und gesehen wird. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass die SLen die gleiche Narration teilen. „Und ich finde man sollte einfach/ ja, auch für Gespräche einfach mehr Zeit haben, weil das brauchen die alten Leute.“ (V1_F3) „Wir haben viel zu wenig Zeit für die Bewohner, und ich meine jetzt nicht für die Pflege, sondern Zuwendung. Für die Zuwendung fehlt die Zeit.“ (V1_F4) „Gedächtnistraining, Singen, Gepräche […] Das wäre für uns […] auch schön, wenn wir mehr Zeit auch für so was hätten, aber leider ist unsere Zeit wirklich eingeschränkt“. (V1_F5) Diese Narration ist ebenso bei den Pflegekräften vorhanden. Selbst bei einer Pflegekraft in M5 wird das Argument in Verbindung mit von Demenz Betroffenen weitergetragen, „[Z:] Also dass die innere Unruhe weggenommen wird, versucht man halt darauf einzugehen, dass der Bewohner ruhig wird, gelassen, sich wohl fühlt allgemein.“ (V1_M5) obwohl die StL in derselben Situation ein differenziertes Verständnis argumentiert. 147 Besonders interessant ist hier die Anlage der Metapher des Fachlichen. Darin wird deutlich, dass das hier als soziale Argumentationslinie Dargestellte auch nicht als reines Bauchgefühl rezipiert wird. 131 „[W:] Ja. Ich würde sagen, zehn Köpfe, zehn verschiedene Meinungen. Das muss man dann irgendwie koordinieren. […] [W:] Da sind wir uns an und für sich alle einig, was Verständnis ist für Pflege, gute Pflege, liebevolle Pflege“. (V1_M5) Ein weiteres, insbesondere bei den Mitarbeiter_Innen, sehr stark narriertes Argument ist das des Einfühlungsvermögens gegenüber den Bewohner_Innen und die Reflexion des eigenen Handelns. „Also für mich steht an erster Linie der Bewohner. Also wenn jetzt ein Bewohner dasitzt und weint, dann ist das das Wichtigste in dem Moment.“ (V1_M1) „Es ist mehr Familie, finde ich.“ (V1_M2) Dabei stellt sich das Problem, welches auch in der gerontologischen Literatur identifiziert und beschrieben ist, dass es zu übergriffiger Nähe zwischen den Pflegekräften und Zupflegenden kommen kann, wenn eine Bindung familiärer Art zugelassen wird. Dieses Argument scheint in VERBENA zumindest aktiviert zu sein, da es von M2 so dargestellt wird. Jedoch ist auch auffällig, dass sich hier abermals Reaktanz herausgebildet hat. „Es ist uns zwar untersagt teilweise die Bewohner zu duzen, aber manche brauchen es auch. Aber das tun wir individuell umsetzen, manche brauchen es einfach.“ (V1_M2) Andererseits ist bei M3 das genaue Gegenteil der Fall, wie aus der Selbstdarstellung deutlich wird. „ Schon eine Pflege, also eine Schwester. Keine Freundin.“ (V1_M3) In der Bezeichnung „Schwester“ wird genau die ablehnende Haltung gegenüber einer distanzierten Akademie jedoch ebenso bezogen auf eine zu große Nähe deutlich. Als weitere Argumente im Rahmen der sozialen Argumentationslinie wurde in Kap. 2.2.2 das Eingespieltsein zwischen den Pflegekräften und den Bewohner_Innen sowie die therapeutische Funktion der Pflege durch die Sicherung der Autonomie der Zupflegenden durch das Konzept der aktivierenden Pflege dargestellt. Bezugnehmend auf den ersten Punkt kann für VERBENA gesagt werden, dass dieses diskursive Argument ausschließlich auf der Führungsebene identifiziert wurde. „Die Angehörigen werden mit einbezogen in die Pflege. […] Dann freut man sich innerlich auch – ach, man hat mich vermisst. Dass ist dann Erfolg.“ (V1_F4) Daran lässt sich erkennen, dass das Argument höchstwahrscheinlich nicht in der gesamten Organisation sedimentiert ist. Bei F4 hat sich hier eine deutliche Positionierung etabliert, was auch daran zu erkennen ist, dass F4 die Folgen der entsprechenden Praktik als Erfolg beschreibt. Bezogen auf den zweiten Aspekt lässt sich das diskursive Argument abermals wieder nur bei den Führungskräften feststellen. „[A]ktivierende Pflege. Wenn ich von Anfang an mehr Zeit investiere, dann bewege ich die Leute dazu, dass sie irgendwann mehr selber machen. Nur das funktioniert nicht bei jedem und nicht immer.“ (V1_F4) „[Y:] Was jetzt mit Aktivierung ist, dass es zeitlich nicht funktioniert. Denn Beschäftigungstherapie wird auch unterrichtet und alles. Aber so viel Zeit haben wir Pfleger nicht.“ (V1_M5) Dabei fällt auf, dass zwar die aktivierende Pflege als Konzept des New nursing zwar in die Narration eingebunden, jedoch mit einer eher ablehnenden Positionierung und damit auch fehlender Praktik versehen ist. 132 Als letztes diskursives Argument im Rahmen der sozialen Argumentation lassen sich, analog zur akademischen Argumentation, anti-soziale Argumente finden. Dabei ist jedoch auffällig, dass F4 als eine SL, welche bisher weitreichend in die sozialen Narrationen eingebunden erscheint, ein entsprechend anti-soziales Argument vertritt. „Aber natürlich sollte der Bewohner mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund stehen. Und soweit es geht, versuchen wir die Bedürfnisse auch zu erfüllen, aber nicht immer klappt es. Manchmal muss man auch Abstriche machen.“ (V1_F4) Als anti-sozial interpretiere ich hierbei, dass es sich explizit um eine nicht auf die/den Bewohner_In orientierte Betrachtungsweise handelt, in welcher es darum geht, Abstriche im Umgang mit den Zupflegenden zu machen, wenn es nicht anders geht. Dies ist weder im betriebswirtschaftlichen Sinne rational zu erklären, ebenso wenig wie es aus akademischen Begründungszusammenhängen heraus nahegelegt würde. Ein weiteres anti-soziales Argument findet sich bei M2. Hier wird Erfolg in der Tätigkeit empfunden, in folgendem Falle: „Wenn der Bewohner sich wohl fühlt. ** Wenn er gut gegessen hat, keine Schmerzen hat.“ (V1_M2) Auch diese Narration entspricht keiner der dargestellten Argumentationslinien oder einzelner Argumente dieser, ebenso wie keinem Element der Makro-Ebene. Dabei interpretiere ich hier ein reines Wohlfühlen, welches aus ausreichender Ernährung sowie Schmerzfreiheit besteht, nicht als aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten und dem Objektbereich (den Zupflegenden), welche die Tätigkeit bestimmen. Zusammenfassend für die Translation und Aneignung der sozialen Argumentationslinie in VERBENA lässt sich feststellen, dass über viele Aspekte des Sozialen eine Narration in der Organisation feststellbar ist. Einzelne Argumente wurden dabei wieder nur auf der Führungsebene festgestellt. In einer allgemeinen Zusammenfassung des Niederschlags des Überorganisationalen in VERBENA ist festzuhalten, dass erstmals Change Agents identifiziert werden konnten. Dabei ist aufgefallen, dass die entsprechend benannten Individuen im Normalfall nicht generell diese Position einnehmen, sondern vielmehr zu bestimmten Argumenten oder semantischen Kernen oder sogar Argumentationslinien als Change Agent zu erkennen waren. Fraglich ist dabei, ob F1 als Change Agent gesehen werden kann, da bei ihm auch sehr explizite Narrationen von diskursiven Argumenten ersichtlich waren, die auch von anderen Mitgliedern der Organisation rezipiert und weitergetragen wurden, sowohl mit der Herausbildung von Subjektpositionen als auch mit der von Praktiken. In der Gesamtschau ist diese These jedoch zu widerlegen, da bei F1 in etlichen Fällen eine ‚Doppelargumentation‘ nachgewiesen werden konnte, welche so auch bei anderen Organisationsmitgliedern als eine solche wahrgenommen wurde. Es konnte in diesem Zusammenhang auch gezeigt werden, dass einzelne Individuen, welche dieselben Argumente vertreten, an anderer Stelle einer anderen Argumentation folgen, bzw. teilweise sogar eine reaktante Narration wiedergegeben haben, welche auch eindeutig gegen die HL gerichtet ist. Es ist somit davon auszugehen, dass in VERBENA zum Zeitpunkt der Erhebung eine Art Wandel im ursprünglichen Sinne der Konzeption der/des Change Agent_S stattgefunden hat, in welchem einige diskursive Argumente bereits so weit in die Narrationen der Organisation einbracht wurden, dass sie auch alle drei Circuits durchlaufen haben, wobei die ‚alten Argumente‘ keine Anschlussfähigkeit mehr aufweisen und somit durch Akkumulation dieser auch keine Basis mehr für zukünftige Stories gelegt werden kann. Auch 133 das konnte an mehreren Stellen in der Analyse von VERBENA gezeigt werden, wie einzelne Argumente in der Organisation im Circuit of Performativity ‚untergehen‘. 4.2.3 Die Analyse von KENTIA a) Das Zeitdiagnostische Die Suche nach explizit zeitdiagnostischen Mustern und deren Rezeption in KENTIA ist eine weitestgehend frustrierende Erfahrung. Wenngleich sich insgesamt kaum Bezüge in dem Interviewmaterial finden lassen, können doch zumindest zwei Tendenzen festgestellt werden. Zum einen finden sich die Bezüge, die es dann gibt auf allen Ebenen der Organisation und zum anderen lassen sich starke Verweise in den zeitdiagnostischen Bezügen zu den betriebswirtschaftlichen MetaElementen aufzeigen. Dabei findet sich der Aspekt der sehr schnellen Kommunikation und der, im kommunikativen Sinne, Objektivation von allen Dingen in KENTIA sowohl auf Ebene der Mitarbeiter_Innen „Und man muss das jetzt schön in Worte fassen, wie der Mensch ist, aber nicht alles kann man so richtig rüberbringen aufs Papier. Denn der Mensch ist nicht jeden Tag gleich.“ (K1_M1) als auch auf Ebene der Führungskräfte. „Auch durch Gespräche. Wir haben bisher so viel Teamgespräche gemacht/ wir sind ein kleines Team und wir haben sehr gute Übergaben. Und bei der Übergabe werden nicht nur die Fakten erwähnt, sondern es werden auch kleine Fallbesprechungen gemacht. Oder wenn es mal ein Problem gibt, oder wenn es mal sehr schwierig ist mit einem Bewohner. Da sprechen wir auch einfache Dinge an. Oder wenn es um Urlaub geht, oder dass sie ständig sagen: wenn Du mich brauchst, dann rufe an.“ (K1_F3) Dieser Aspekt findet sich jedoch auch in Bezug auf die Tätigkeit und die damit verbundene Arbeit mit den Angehörigen der Zupflegenden. „Wir haben gelernt, mit unseren Angehörigen zu kommunizieren. […] Das liegt nicht daran, dass wir kontrolliert werden, dieses Vertrauensverhältnis mit Angehörigen, sondern einfach die Kommunikation. (K1_F1) Dabei ist auffällig, dass M1 im Sprechen über die Dokumentation eine Standardisierungstendenz durch die reine Verschriftlichung der Zustände der Bewohner_Innen erkennt. Bei der WBL F3 zeigt sich eine sehr starke Verknüpfung mit dem betriebswirtschaftlichen Argument der Teamarbeit. Es ist deutlich, dass in diesem Zusammenhang Kommunikation und das Besprechen möglichst aller Dinge eine komplett positive Wertung erfährt. Dieser Zusammenhang wird so auch in die Story eingebunden. Gleiches ist bei M1 zu erkennen, wobei in dieser Story die Wertung weniger offensichtlich und wenn dann keine positive ist. Die weiteren deutlicheren Verweise auf die Zeitdiagnose finden sich F1 und F3. Dabei ist bei beiden das Element der Fokussierung auf das Erzeugnis und den Charakter der Dienstleistung zu erkennen. Dabei ist dieser Aspekt bei der PDL mit einer eher positiven Wertung versehen. „Man macht permanent oder kontinuierlich seine Arbeit gut. Nicht nur – jetzt mach ich zwei Monate und dann erhole ich mich. Sondern es ist permanente Qualität da, die sich durchzieht. Das ist für mich also sehr gut.“ (K1_F1) 134 Wohingegen bei F3 im Besonderen der Dienstleistungscharakter mit Prioritätenverschiebung mit einer eher kritischen Betrachtung versehen ist. der Folge der „[E]s zählt eigentlich nur noch die Prozessqualität und nur noch das, was auf dem Papier steht, aber der Mensch/ der Bewohner/ das Klientel/ der Kunde, wie auch immer Sie das nennen mögen, der bleibt zurück.“ (K1_F3) Dabei zeigt sich hier die Besonderheiten der stationären Altenpflege in Bezug auf die Tätigkeit als solche. Durch Einführung des PflegeVG und die entsprechende Rückbindung dessen an die zeitdiagnostische Entwicklung hat sich die Orientierung in der Altenpflege weg von der Altersresidenzorientierung und damit ein ‚fixes‘ Produkt auf den Prozess der Pflege einer Person verlegt. Es zeigt sich darüber hinaus bei F3 die Rezeption des diskursiven Arguments der Bezeichnung der Bewohner_Innen aus der sozialen Argumentationslinie, durch Nennung aller möglichen Verschiebungen. Dabei wird jedoch ebenso die Beurteilung dessen narriert, indem dieser sozialargumentative Aspekt als irrelevant dargestellt wird. Es ist in der bisherigen Betrachtung von KENTIA relativ wenig deutlich geworden. Auch wenn bei der Analyse von AGAVE und VERBENA an dieser Stelle auch noch keine weitreichenden Schlüsse gezogen werden konnten, so war es doch möglich, Tendenzen aufzuzeigen, wie sich der entsprechenden Fall als narrierende Organisation konstituieren könnte. Das erschien bisher noch gar nicht möglich. b) Das Diskursive Auch das Diskursive als zweites Element der Makro-Ebene ist in KENTIA nur sehr bedingt in die organisationale Narration eingebunden. So fällt auf, dass in der Einrichtung ausschließlich Verknüpfungen zu den Altersframes gezeigt werden können. Von M2 wird bspw. das Altersframe des Angriffs auf die jüngeren Generationen getragen. „Ich denke, dass es immer mehr pflegebedürftige Leute gibt in den nächsten Jahren. Und ich denke, wenn nichts gemacht wird - ich weiß nicht, ich denke, das geht von dem Pflegeschlüssel aus; soundso viel Personal, soundso viel Köpfe für soundso viel Bewohner. (K1_M2) Dabei kommt auch zum Ausdruck, dass die Wahrnehmung bei M2 die ist, dass ältere Menschen zum einen mehr werden und darüber hinaus als Rudiment der Gesellschaft gesehen, weshalb die aktuelle Situation, gerade in der Gesetzgebung so (prekär) ist, wie sie sich darstellt. Dabei ist festzuhalten, dass M2 eine Pflegehilfskraft ist und der angesprochene Pflegeschlüssel sich über die Bewohner_Innen in erster Instanz auf die examinierten Kräfte auswirkt. An anderer Stelle wird von einer anderen Pflegekraft auf das Kollektivsymbol der schlechten Umstände in Altenpflegeeinrichtungen innerhalb des Solidaritätsframes verwiesen, welches in eine Story über das eigens Erlebte eingebettet ist. „Ich habe noch jetzt diesen Satz im Kopf. Ich hab gesagt: 'Ja, haben Sie denn nicht nachgefragt? Die liegt schon zwei Tage im Krankenhaus.' 'Ja, die ist jetzt in Ihrer Obhut.' Ich habe gesagt: 'Aber Sie haben die Vollmacht. Sie haben gesetzliche Vollmacht für Ihre Mutter, nicht ich.' Und wenn ich das so hör, die wollen alles auf uns abschieben.“ (K1_M1) Neben diesen vereinzelten Hinweisen auf einen Niederschlag des Diskursiven in KENTIA findet sich eine organisationsweite Narration in Bezug auf das vorherrschende Berufsbild, welches – wie bereits verdeutlicht – ebenfalls innerhalb des Solidaritätsframes verortet ist. 135 „Gut, ich habe viel ältere Mitarbeiter auf meinem Wohnbereich. Da merkt man einfach körperlich, dass das auf die Knochen geht mit der Zeit.“ (K1_F2) Dieser Rekurs ist sowohl bei der WBL F2 als auch bei den Mitarbeiter_Innen an einigen Stellen aufzeigbar, wobei hier nur Beispiele angeführt werden. [U]nser Job ist so schwer - nicht nur körperlich, auch geistig -, und wenn wir noch alles unterdrücken, dann sind wir irgendwann wirklich ein Menschenwrack.“ (K1_M1) „Aber 50 % langt mir voll und ganz. […] Ich habe Abnutzung in den Schultern, im Knie, denn der Beruf ist ziemlich hart.“ (K1_M2) Bei M2 wird dabei nicht ausschließlich auf die körperlichen Strapazen des Berufs Bezug genommen, sondern auch auf die ‚seelischen‘. „Gerade wenn jemand im Sterben liegt oder es ist jemand gestorben, den du jahrelang gepflegt hast es geht einem dann schon an die Nieren.“ (K1_M2) In den beiden bisher betrachteten Fällen waren auch andere Kollektivsymbole über das Alter(n), neben den Altersframes, angelegt und konnten gezeigt werden. In KENTIA wurden von den Interviewten nur die benannten Kollektivsymbole bedient. Im Gegensatz zum Zeitdiagnostischen konnte hier jedoch erstmals eine Narration in der Organisation identifiziert werden, welche sowohl von den Führungskräften als auch den Mitarbeiter_Innen getragen wird. c) Das Juristische Wie auch in den bisher betrachteten Fällen ist das Juristische in KENTIA sehr viel stärker ausgeprägt als das Zeitdiagnostische oder das Diskursive. Dabei wird sehr stark auf den Einfluss der Pflegekassen auf die Einrichtungen Bezug genommen. In der Führungsebene drückt sich das bei der WBL F2 wie folgt aus. „Ich kann nicht immer mehr Qualität wollen in dem Bereich und das Personal bleibt aber gleich. Das geht nicht. Ich meine, vorher hatten wir ja auch schon genügend Arbeit gehabt.“ (K1_F2) Dabei wird deutlich, dass hier auf die juristisch festgeschriebenen Qualitätsanforderungen rekurriert wird, welche über die Pflegekassen zum einen in Kriterien standardisiert festgeschrieben werden und zum anderen auch kontrolliert werden. Der gleichen Narration folgend stellen M1 wie auch M2 eine Story über die Engpässe in der Ausstattung mit Personal auf. „Zu wenig Personal ja. Aber das ist wieder dieser Personalschlüssel. Das liegt auch wieder nicht in unseren Händen. Wir würden uns mehr Personal wünschen auf jeden Fall.“ (K1_M1) „Was ich ein bisschen bemängele, ist vielleicht der Pflegeschlüssel. Wenn der mal erhöht werden könnte, dass mehr Personal da ist, hast du auch automatisch mehr Zeit für die Leute.“ (K1_M2) Es liegt hier auf der Hand, dass der Mangel an Pflegekräften mit dem juristischen Hintergrund verknüpft und nicht im ökonomischen Streben der Einrichtung gesehen wird. Ein weiterer Einfluss der Kassen drückt sich in einer differenten Story bei F2 aus. „Das Problem ist ja in vielen Dingen auch, dass wir immer mehr Probleme kriegen mit den Krankenkassen - Regressforderungen. Und wenn das dann nicht dokumentiert ist, dann haben wir natürlich das Problem.“ (K1_F2) 136 Hierin drückt sich die Verbindung zu einem weiteren Element des Juristischen aus. Die WBL verweist hier auch auf die Dokumentationspflicht und die Folgen, welche entstehen können, wenn diese nicht wahrgenommen wird. Dabei kann nicht außer Acht gelassen, dass diese Regressforderungen ebenso an die Einstufung der Bewohner_Innen und daraus folgenden Ermittlung des Pflegeschlüssels gekoppelt sind. Dies hängt wiederum mit dem Vorrang der häuslichen und ambulanten Pflege zusammen und ist gleichermaßen in die Narration in KENTIA eingebunden. „Also ein Mensch, der ins Altersheim kommt, ist inzwischen ein Mensch, mit Demenz, mit schwerer Demenz. Und früher waren das eben wirklich noch fitte Leute. Das wird immer weniger werden. Zumal, wenn es um den stationären Bereich [geht, M.R.].“ (K1_F3) Es fällt auf, dass die Narration über die Führung hinweg zu den Mitarbeiter_Innen geteilt wird. Dabei werden sowohl historische Bezüge in die Stories einbezogen, „Früher war das nicht so. Jetzt erstens durch diesen Pflegeschlüssel, dann alle Standards zu ... dann diese Dokumentation, ständig evaluieren.“ (K1_M1) wie auch Beispiele aus dem scheinbar aktuellen Arbeitsalltag „Zum Beispiel man macht Abstriche bei der Pflege. Das geht zum Beispiel so: Wenn ich ständig auf einer Etage arbeite, dann kenne ich mich schon besser aus. Wenn ich gestern jemand gebadet habe, dann brauche ich ihn heute nicht von Kopf bis Fuß zu waschen; wasche ich die Füße nicht oder den Rücken nicht, je nachdem. Und dann nehme ich die Zeit für andere Bewohner, die vielleicht schlimmer dran sind, und so verschiebe ich es immer.“ (K1_M3) und auch selbstkritische Bezüge in die Story eingebunden. „Zeitlich, z. B. soundso viel Pflegestufe III gibt soundso viel Personal. […] Und die, die Pflegestufe III haben und sich nicht mehr äußern können, die, die es eigentlich brauchen und denen es zusteht, da wird es abgezwackt. Denn die Leute, die 0 haben oder I, die äußern sich. Die beschweren sich, und dann muss man gucken, dass das alles in Ordnung ist.“ (K1_M4) Eine weitere gesetzlich festgeschriebene Vorgabe ist die Forderung, die Arbeit in einer Altenpflegeeinrichtung nach anerkannten medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen durchzuführen. Diese Maßgabe ist bei den Individuen in KENTIA in verschiedenen Stories Element der organisationalen Narration. So zeigt sich dieser Aspekt bei PDL in der Artikulation als Vorgabe. „[M]an ist immer gezwungen, eigentlich auf dem neuesten Stand zu sein. Und wenn man das nicht macht, dann hat man Probleme. Man ist nicht gezwungen, sondern das ist einfach vorgegeben.“ (K1_F1) Bei den Mitarbeiter_Innen ist das juristische Element der anerkannten Erkenntnisse eher in Stories eingepflegt, welche auf den Unterschied zwischen Fachkräften und Pflegekräften abstellen. Dies ist sowohl bei einer Hilfskraft der Fall „Die Fachkräfte, meiner Meinung, wissen schon, dass sie Fachkräfte sind. Und wenn man auch mal was sagt oder so, sie kommen halt dann mit ihren Fachausdrücken, wo wir zum Teil dann nicht mithalten können.“ (K1_M2) wie auch bei einer examinierten Kraft. 137 „Eine Helferin wird nie mit einer examinierten irgendwie; das ist immer auf der gleichen Ebene, die sich gegeneinander irgendwie - habe ich das Gefühl. Jeder will besser sein.“ (K1_M4) Es ist dabei jedoch zu erkennen, dass keine der beiden ‚Parteien‘ diesen Zustand als sonderlich positiv darstellt, sondern ihn als gegeben hinnimmt. Darin ist nach meinem Dafürhalten die Narration der gesetzlichen Vorgabe der Bedienung der neuesten wissenschaftlichen Einsichten zu erkennen, dadurch, dass das entsprechende Vermögen den examinierten Kräften zugewiesen wird. Diese sind darüber durch den zwanghaften Charakter nicht in jeder Hinsicht glücklich und die Hilfskräfte fühlen sich dadurch scheinbar zurückgestellt. Es wird jedoch an anderer Stelle deutlich, dass die Maßgabe zur Umsetzung der entsprechenden Vorgaben eindeutig von der PDL ausgeht. „In vielen Einrichtungen, ich hatte drei, vier Mitarbeiter von anderen Einrichtungen, die als Hilfskräfte, die froh waren, […] dass sie nicht mehr Medikamente richten müssen, dass sie nicht mehr spritzen müssen[. …] Sie dürfen das nicht machen und es wird ihnen trotzdem erlaubt. […] Ich will damit nichts am Hut haben.“ (K1_F1) Als ein weiterer Aspekt ist im SGB XI festgeschrieben, dass die Einrichtungen darauf hinzuwirken haben, eine humane Pflege zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund werden die Einrichtungen jedoch unter Umständen vor schwer zu lösende Probleme gestellt. „Das kann man schlecht sagen. Ich kann es nur an einem Beispiel sagen, wegen Sturz, wo wir schon mehrfach Probleme gekriegt haben, wo ein Bewohner eine Oberschenkelhalsfraktur gehabt hat und ein paar Monate später ist er halt wieder gefallen. Was haben wir unternommen? Fixieren wollen wir die Bewohner nicht. […] Und da ist dann die Angst schon, wie sichere ich mich ab.“ (K1_F2) In dieser Story einer WBL ist ein weiterer in KENTIA sehr präsenter Punkt thematisiert. Über die Führungs- wie auch die Pflegekräfte hinweg ist die Frage der Absicherung und des Beweisens eine generell sehr homogene Narration. Diese Homogenität findet Ausdruck abermals bei F2 „So ein Standard ist klar, Gewährleistung der Dinge über 24 Stunden und das Tag für Tag zumindest. Das wird dokumentiert. Und wenn irgendwas passiert, habe ich Dokumentiert“. (K1_F2) „Also viele Dinge laufen schon auf der Schiene, um uns abzusichern, dass, wenn irgendwas passiert/.“ (K1_F2) jedoch ebenso bei der PDL, in einer historisierenden Story „Das ist immer mehr geworden an gesetzlichen Qualitätsanforderungen, wo man beweisen muss.“ (K1_F1) sowie in explizitem Verweis auf die Absicherung. Dabei ist auffällig, wie akademische Argumente mit betriebswirtschaftlichen verknüpft werden, indem auf die starke Stimme der Pflege Bezug genommen und in einen Kontext der Effektivität verortet wird. „Denn man sichert sich auch in vielen Fällen selber ab. Ich kann es nachweisen, es sollte meiner Meinung nach – und das ist auch der Tenor in der Pflege – eigentlich ein bisschen weniger wäre vielleicht effektiver.“ (K1_F1) Auch bei einer anderen WBL findet sich diese Narration. 138 „Ich finde es schon wichtig, dass ich alles dokumentieren muss und dass ich auch einen Nachweis brauche. Es gibt ja auch/ Jahre später, dass ein Angehöriger sagt: Meine Tante, meine Mutter, mein Vater sind da nicht richtig gepflegt worden und ich brauche den Nachweis.“ (K1_F3) Dabei sind es nicht ausschließlich die bereits angesprochenen Anforderungen an Qualität der Pflege, sondern im Speziellen die Kontrolle dessen sowie die in KENTIA wahrgenommene vorgeschriebene Prioritätensetzung. „Und je länger man arbeitet, stelle ich fest, dass der Mensch als Mensch schon ein bisschen im Hintergrund bleibt, weil wir gesetzlich gezwungen sind, andere Dinge in den Vordergrund zu stellen.“ (K1_M1) „Was ich weniger sinnvoll finde ist, dass der MDK und die Heimaufsicht sich nur darauf berufen und dann da so eine Erbsenzählerei draus macht.“ (K1_F3) Die Tatsache, dass hier eine negative Interpretation dessen vorliegt, gibt nur Hinweise darüber, dass mit dem konzeptionellen Rahmen eine anscheinend tragfähige Kategorisierung der Makro- und Meta-Elemente getroffen wurde. Die Meta-Argumente können kritisiert und abgelehnt werden, wenn dies der Narration innerhalb der Organisation entspricht. Die Makro-Elemente hingegen können aufgenommen und kritisiert, aber dann nicht abgelehnt werden, wie hier auch gut zu erkennen ist. Es ist dabei nur fraglich, wie sich die entsprechende Narration konstituiert. Es fällt auf, dass die Angst, dass irgendein Aspekt doch nicht der korrekten juristischen Vorgaben entsprechen könnte eine sehr starke Narration, auch bei den Führungskräften ist. Bei der PDL finden sich für die Beantwortung dieser Frage verschiedene Hinweise. Zum einem erfolgt eine narrative Gleichschaltung der Kontrollinstanzen. „Aber man muss sie machen, egal ob das Verfahrensanweisungen [sind], ob das Standard MDK guckt/ habt ihr Standard dazu, Verfahrensanweisung dazu, Heimaufsicht auch“. (K1_F1) „Gut, das ist die Krankenkasse, der Medizinische Dienst, auch Angehörige. Wenn irgendwas passieren würde, haben wir da natürlich auch Probleme. Das ist schon klar.“ (K1_F2) Das findet sich auch bei anderen Führungskräften. „Aber die Institutionen, die das überprüfen, die schauen immer auf Dinge, die eigentlich nicht die wesentlichen sein sollten.“ (K1_F3) Zum anderen werden erfolgreich bestandene Prüfungen als Triumph ‚über‘ die ‚erbsenzählende Jurisdiktion‘ konterkariert. „Wenn die Heimaufsicht krankhaft suchen muss, dass sie irgendetwas in den Bericht schreiben kann, das ist für mich das Allerhöchste, zum Beispiel. Dann weiß ich, die Arbeit, die man macht, ist gut, ohne groß sich vorzubereiten.“ (K1_F1) Darin wird in KENTIA eine Art Schutz der Freiheit und Selbstbestimmung, ohne juristische Fremdbestimmung gesehen, wobei diese teilweise auch schon schwinden gesehen wird. „Mit zunehmender Bürokratisierung oder Dokumentationen wird es schwieriger.“ (K1_F2) Dabei werden in den Narrationen auch andere Schwierigkeiten in Zusammenhang mit dem Dokumentationszwang zum Ausdruck gebracht. Abermals historisierend wird bei F1 das exaltierende Ausmaß des Dokumentationsumfangs angeführt. 139 „Die Dokumentation war minimal. Das ist 27 Jahre her. Und die gesetzlichen Anforderungen haben sich ganz, ganz massiv verändert.“ (K1_F1) An anderer Stelle wird dieses Wertung jedoch ebenso auf die Pflicht zur Einführung von Standards übertragen. „Es gibt Standards, die normal sind. […] [V]iele sind überflüssig. Man muss sie haben, wenn jemand danach fragt.“ (K1_F1) Bei F2 wird ebenso die Sinnhaftigkeit hinterfragt, da vor Einführung des PflegeVG die Missstände auch nicht vorhanden waren. „Vor zehn Jahren ist ein Bewohner/ die Diskussion haben wir immer im Haus gehabt -der ist trotzdem gelagert worden bei uns. Wir haben keinen Dekubitus gehabt aus dem Grund. Das hat total die Struktur einfach schon vorgegeben: zum Frühstück lagern, nach der Pflege lagern, zum Mittagessen lagern, nachmittags genau dasselbe. Jetzt muss man verschiedene Dokumentationen machen, wo man das evaluiert, wie groß die Dekubitusgefahr ist.“ (K1_F2) Ähnlich – in Hinterfragung der Sinnhaftigkeit – findet sich die Narration auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Und man muss das jetzt schön in Worte fassen, wie der Mensch ist, aber nicht alles kann man so richtig rüberbringen aufs Papier. Denn der Mensch ist nicht jeden Tag gleich. Aber es wird verlangt, dass alles drin ist und alles auf neuestem Stand ist.“ (K1_M1) Eine weitere Folge der gesetzlichen Vorgaben zur Dokumentation des Pflegeprozesses findet sich bei der examinierte Pflegekraft M4. Dabei wird abermals der bereits thematisierte Unterschied zwischen Hilfs- und Pflegekräften angesprochen, jedoch abermals in kritischer Positionierung zur eigenen ‚Peer Group‘. Es ist darüber hinaus anzumerken, dass die Verbindung dieses Elements aus dem juristischen Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht an keiner anderen Stelle in KENTIA anzutreffen ist. „Denn viele nehmen dann auch die Dokumentation als Grund, hinzusetzen und andere arbeiten zu lassen. Ich sage das einfach ehrlich, wie ich es denke und wie ich es miterlebe und auch zu hören kriege. Es muss geschrieben werden – kein Thema. Aber man muss trotz allem auch arbeiten. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass das eben so ein bisschen als Vordergrund genommen wird. Da wird halt geschrieben und geschrieben und geschrieben, und die anderen arbeiten.“ (K1_M4) Ein weiterer Aspekt in den gesetzlichen Vorgaben für Altenpflegeeinrichtungen ist die Verpflichtung zur Implementierung und Umsetzung von Expertenstandards. Diese wird in eine ähnliche Narration eingebunden wie die Dokumentationspflicht. Die PDL verweist wieder darauf, dass es vor Einführung der PV ähnlich war und die Neuerungen nichts verbessert haben. „Standards gab es schon früher. Aber Expertenstandards sind jetzt neu.“ (K1_F1) Auch F2 sieht keine Verbesserung durch die Pflicht zu Expertenstandards. Vielmehr wird der WBL darauf hingedeutet, dass dadurch mindestens eine Zwickmühle entsteht, welche negative Folgen für die Bewohner_Innen oder für die Pflegekräfte hat. „Wir müssen die Expertenstandards, die jetzt nach und nach in die Pflege eingebracht werden, umsetzen. Und da geht so viel Zeit verloren, was dem Bewohner einfach abhandenkommt und was uns zusätzlich Stress verursacht. Denn wir sind in der Zwickmühle: Mehr Menschlichkeit und Erfüllung 140 der geforderten Dinge. In der Zwickmühle stecken wir eigentlich Tag für Tag. […] [U]nd jeder Standard bringt was anderes, was ich evaluieren muss. Also ich kriege manchmal eine Papierallergie.“ (K1_F2) Dabei werden hier im ersten Fall soziale Argumente angeführt, um den Einfluss der Gesetzgebung als zu stark darzustellen und zweiten Fall betriebswirtschaftliche Argumente, im Sinne des Schutz‘ der Mitarbeiter_Innen. Auch F3 sieht verweist in Teilen auf betriebswirtschaftliche Argumente, um die Pflicht durch die Gesetzgebung zu delegitimieren. So wird an einer Stelle das Argument der Verbundenheit mit der Einrichtung und deren Konzepten bedient. „Und was nützt mir ein Standard, was nützt mir ein Konzept, wenn das dann nicht gelebt wird. Und das meine ich. […] [D]ann geht es nicht um die Person, sondern es geht […] [u]nd das ist wichtigste […]: sind die Konzepte da?, sind die Standards da?, sind die abgezeichnet?, steht da was drin?“ (K1_F3) An anderer Stelle wird der Nutzen der Standards ausschließlich bei den Kontrollinstanzen verortet. „Für diese Institutionen, dass wir das internalisiert haben, was da in den Pflegestandards steht. Das ist für uns ein Nachweis- man kann auch Querverweise […] siehe Standard 1, 2, keine Ahnung wie. Das wäre das Einzige, wo ich sehe, dass es was hilft.“ (K1_F3) Dieser Schutz der Mitarbeiter_Innen wird auch bei diesen als Narration so wahrgenommen und auch im Circuit of Performativity mit Subjektpositionen und Praktiken in Verbindung gestellt. „Schutz vor, dass es irgendwann heißt, es wurde nicht gemacht, […] wenn ein Bewohner sich selbst verletzt oder Sonstiges, wenn irgendwas passiert, dokumentiere ich das, um nachher nachweisen zu können, wie das gelaufen ist und das ich das gesehen habe. Also eigentlich zu meinem Eigenschutz unter anderem.“ (K1_M4) Wenn oben die ‚Narration der Angst‘ vor Kontrollinstanzen dargestellt wurde, wird in der Analyse deutlich, dass Furcht dabei nicht als poetic trope interpretiert werden kann. Allein die Narration über die Einhaltung der Verpflichtungen und die Kontrollen folgt einer ‚angstvollen‘ Darstellung. Jedoch werden anderen Symbole und Metaphern angelegt, um das Bild der Angst innerhalb von KENTIA mit allen sich daraus ergebenden Beziehungen zwischen den Subjekten und deren Positionierungen zu vermeiden. „Meine Leute sind motiviert und alles und sie verstehen MDK, Heimaufsicht. Wir haben auch externe Audit von unserem Caritasverband.“ (K1_F1) Hierin erschließt sich abermals eine Bezugnahme der PDL zu betriebswirtschaftlichen diskursiven Argumenten. Zum einen werden hier personalwirtschaftliche, motivatorische Argumente deutlich und zum anderen der optimale Umgang mit dem juristischen Hintergrund, indem die freiwilligen externen Zertifizierungen in die Story eingebunden werden, welche auf eine im SGB XI fundierte Verschiebung der Kontrollen verweisen. Diese Motivation der Mitarbeiter_Innen, die Erklärung der Kontrollinstanzen kann, wie es oben dargestellt wurde, als Versuch der Überlistung verstanden werden, mit der Folge, dass die Mitarbeiter_Innen die gleiche Narration bedienen, welche eine poetic trope der Angst ausschließt. „Ich habe keine Angst, weil ich weiß, dass ich so gut wie möglich meine Arbeit mache, und ich weiß, dass die Bewohner zufrieden sind nachher. Und da kann mir keiner vom MDK Angst machen. Gut, sie können auch kommen und mit zugucken, wie wir das schaffen. Arbeit ist viel, das wissen sie auch 141 selber vielleicht. Und Stress ist auch in der Arbeit, aber man versucht das Beste daraus zu machen.“ (K1_M3) An dieser Stelle wird auch ein Element der Zeitdiagnose sichtbar. In der Story von M3 lässt sich eine Verschiebung der Grenzen der Normalität erkennen. Dabei wird auch deutlich, dass das kein stetiger Prozess ist, sondern dass dieser in die Subjekte internalisiert ist und ein steter Kampf in den Individuen darstellt. Dabei ist auch auffällig, dass die Kontrolle der Qualität der Pflege nicht per se als negativ erachtet wird148, sondern nur die Art und Weise der Durchführung der Kontrollen149. „MDK-Prüfungen, haben sie auch gehört, das ist jetzt ein anderes Instrument noch zum Kontrollieren. Ich finde das gut, dass man so was macht, aber es ist sehr aufwendig und sehr belastend für alle Mitarbeiter. Diese ganzen vielen Sachen, die man machen muss, die überhaupt nicht lebenswichtig sind.“ (K1_F1) Dieselbe Narration findet sich in einer anderen Story auch bei F2 „Das muss man im Hinterkopf haben, aber wenn ich das jetzt nicht so massiv hätte, wenn es jetzt nicht im Prinzip das Wichtigste im Moment, […] dass ich ja irgendwo einige Dinge noch erledigen muss, die dem Bewohner in seinem jetzigen Alltag überhaupt nichts bringen. […] Ich muss nur gucken, dass ich bei dem Bewohner wirklich nicht zu lange bin.“ (K1_F2) und auch bei der anderen WBL F3 „Wenn ich doch sehe, dass es den Bewohnern gut geht, dass sie gut gepflegt sind, dass ich keine Wunde habe, keine Seuche, kein Trallala, dann müsste es doch eigentlich ein guter Ausgangspunkt sein und nicht, dass ich das alles dokumentiert habe und wie ich es dokumentiert habe.“ (K1_F3) „Die Pflegequalität was die meinen, das ist auf dem Papier.“ (K1_F3) Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen findet sich diese entsprechend homogene Narration wieder. Das gilt sowohl für die examinierten Altenpfleger_Innen „Ist schon Druck, weil wenn der Medizinische Dienst kommt oder die Heimaufsichtsbehörde oder egal wer, der guckt sich nicht erst den Mensch als Mensch an, guckt erst in die Dokumentation, ob da alles stimmt.“ (K1_M1) „Es wird mehr Schriftliches verlangt, aber ob man wirklich Zeit für den Bewohner hat oder ob es auch wirklich gemacht ist - also habe ich das Gefühl -, zählt nicht. Es zählt nur, was geschrieben ist.“ (K1_M4) wie auch für die Pflegehilfskräfte. „Ich finde das gut, aber Sie meinen jetzt die Kontrolleure, die uns ein- oder zweimal im Jahr bewerten. Das heißt, das ist alles geheim, aber trotzdem arbeiten wir dahin, dass alles stimmt an diesem Tag. Das glaube ich nicht, dass es so geheim ist.“ (K1_M3) 148 Vgl. hier auch die Bezüge zur Disziplinargesellschaft und dem Geständnis als Befreiung. Vgl. hier auch die Bezüge zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie in der kritischen Ausprägung als ‚Anerkennung‘ der Selbstleugnung der Pflegekräfte aus dem ständigen Konflikt zwischen fachlichem Anspruch und den Rahmenbedingungen. 149 142 In KENTIA findet sich eine weitere Narration. In dieser werden explizit die seit Einführung der PV existierenden Pflegestufen und der daran gebundene Fachkraftschlüssel narriert sowie die damit einhergehenden Folge in entsprechende Stories eingebettet. „Also ich würde viel mehr Fallbesprechungen machen, Teambesprechungen machen. Aber wir sind/ Und das schreibt uns auch die Pflegestufe vor, es wird nach der Pflegestufe errechnet, wie viel Personal ich bekomme.“ (K1_F3) Es ist dabei ersichtlich, dass Narration der juristischen Fundierung auch von den Mitarbeiter_Innen so gesehen wird. „Es sind einfach zu wenig [Mitarbeiter_Innen, M.R.] da oder die werden nicht hochgestuft vom MDK. Dementsprechend wird weniger Personal und der Druck. (K1_M4) „Wenn man nur Bewohner hat mit Stufe I, dann hat man auch ganz wenig Personal. Denn Pflegestufe I heißt geringe Hilfe, vielleicht helfen das Klein anziehen oder die Strumpfhose und tschüss.“ (K1_M3) In der Analyse des Juristischen ist deutlich geworden, dass die Narrationen in KENTIA relativ homogen verlaufen. Es finden sich bisher keine entgegenlaufenden Narrationen auf, wie dies bei AGAVE und VERBENA bereits an diesem Punkt absehbar wurde. Darüber hinaus ist aufgefallen, dass sich in der Analyse der juristischen Zusammenhänge einige Bezüge zu den vorher betrachteten Makro-Elementen finden ließen, welche ja in der jeweils gesonderten Betrachtung so wenig ausgeprägt waren. Dabei wurden jedoch ausschließlich zeitdiagnostische Elemente bedient. Es konnte bisher noch kein Individuum als Change Agent ausgemacht werden. Es ließen sich einige Hinweise erkennen, dass F1 als Change Agent auftreten könnte, z.B. in der Narration über die Unterschiede zwischen examinierten Pflegekräften und Hilfskräften. d) Das Betriebswirtschaftliche Auch in Bezug auf die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie fällt für KENTIA auf, dass weitestgehend einheitliche Narrationen bzgl. der verschiedenen diskursiven Argumente bedient werden. Diese stehen augenscheinlich auch oft in Verbindung mit Interpretationen, wie sie in der Betrachtung der juristischen Inhalte naheliegend sind. Beispielhaft dafür kann – auch im Gegensatz zu vorherigen Fällen – die argumentative Abkehr von der Ausrichtung aller Akteur_Innen im Sinne einer Marktförmigkeit gesehen werden. „Es geht eigentlich nur noch darum, was dokumentieren wir, was dokumentieren wir vor allen Dingen nicht und es geht auch sehr viel um Macht, um Profit, um Geld. Es wird sehr viel privatisiert, die machen uns dann auch vor, wie man richtig Geld verdienen kann mit der Altenpflege und ich glaube, dass das zum Scheitern verurteilt ist.“ (K1_F3) Jedoch findet sich in KENTIA stärker die Aufnahme von betriebswirtschaftlichen Argumenten, denn deren Ablehnung. Dabei ist deutlich, dass auch in dem vorliegenden Fall das Argument des Funktionierens eine weitreichende Rezeption erfährt. „Also nicht, dass sie bestimmen, sondern wir stellen kurzfristig zwei Monate auf 100 % zum Beispiel. Das haben wir jetzt im Sommer gemacht. Das ist zum einen einfach dieser Wirtschaftsaspekt und zum anderen Flexibilität in der Dienstplangestaltung. Je mehr man Teilzeitkräfte hat, dann ist man unter Umständen flexibler in der Dienstplangestaltung. Was andererseits für die Bewohner nicht unbedingt befriedigend sein kann, denn am Tag kommen vier, fünf Kräfte und Versorgen, sonst nur zwei - ein 143 Frühdienst, ein Spätdienst. Das begrüße ich nicht, aber man ist gezwungen, so was zu machen.“ (K1_F1) In dieser Story von F1 wird darüber hinaus der Bezug zur betriebswirtschaftlich durchdachten Ausgestaltung von Belegungsplänen offensichtlich. Dabei wird an anderer Stelle von der PDL auch das Argument der Belastbarkeit der Mitarbeiter_Innen in die Narration eingebunden, wobei die Gleichbehandlung betont wird, um die Einrichtung funktional zu halten. „Der Mitarbeiter muss auch hundert Prozent bringen. Weil sonst, was machen wir? Bei mir habe ich einige über 50, ich bin auch schon über 50, wenn ich deren Gebrechen mit einkalkuliere, dann kann ich keine Planung machen.“ (K1_F1) Diese Narration und sogar eine dementsprechende Story findet sich auch bei einer WBL. „Gut, man kann hier und da mal einen leichteren Bewohner, aber im Prinzip wo fange ich da an, wo höre ich auf? Wenn ich viele Mitarbeiter habe, die über 50 sind und ihre Gebrechen haben und der eine trägt das auch eher nach außen und jammert und der andere, der schafft halt einfach. Wenn ich dem, der jammert sage, gut, mach halt heute einen weniger/* dann habe ich nachher nur noch ‚tote‘ Mitarbeiter. Das geht ja nicht.“ (K1_F2) Bei den Mitarbeiter_Innen drückt sich das diskursive Argument des optimalen Funktionierens einer Einrichtung in anderen Stories aus. So wird von M3 historisierend auf jene Tätigkeiten Bezug genommen, welche aufgrund von Budgetrestriktionen weggefallen sind. „Früher war das alles ein bisschen anders. Da waren Ausflüge mit Bewohnern. Da waren Sommerfeste mit Bewohnern, und das hat man alles mitgemacht. Und heutzutage ist das so, dass alles ein bisschen wegfällt wegen dem Geld.“ (K1_M3) In einer anderen Story von M4 wird die Narration der Funktionalität, wie bei F1, in Bezug zur Teilzeitbeschäftigung von Personal gebracht. Dabei ist jedoch auffällig, dass das Argument sedimentiert ist, sich jedoch – im Circuit of Connectivity – eine von F1 abweichende Subjektposition herausgebildet hat. „Die unbefristeten Verträge – es gibt keine 100%-Einstellungen mehr hier. Für das Geld, was die verdienen – Wahnsinn.“ (K1_M4) Hingegen finden sich unter den Mitarbeiter_Innen auch noch eindeutigere Einschätzungen in Bezug auf die Optimalität der Einrichtungen und die Zusammensetzung des Personals. „Ich denke, das hat mit dem Pflegeschlüssel zu tun, dass nicht mehr Beschäftigte da sind. Ich habe auch schon Vorschläge gemacht. Ich habe gesagt, es gibt auch viele wie in der Firma, wie ich schon gehört habe, Studenten in den Semesterferien.“ (K1_M2) In dieser Story von M2 ist auch die einzige Bezugnahme in dem Fall zur Best Nursing Practice zu erkennen. Gleichsam, auch im rationalen Sinne und in Rekurs auf die Personalsituation bezogen, lässt sich bei einer examinierten Kraft ein sehr weitausgeprägter Pragmatismus lesen. „Und das muss gemacht werden, bevor wir Feierabend haben. Und dann müssen Sie die Prioritäten setzen. Wem schenke ich mehr Zeit heute und wer bleibt auf der Strecke?“ (K1_M1) 144 Es ist nichtsdestotrotz auffällig, dass sich diesem diskursiven Argument entgegenstehende Positionen herausgebildet haben. „Und dort, wo dieser Fall ist, wo Hilfskräfte selber ungesetzliche Rechte haben, oder wie soll man sagen. Sie dürfen das nicht machen und es wird ihnen trotzdem erlaubt. Einfach um Geld zu sparen, Personal.“ (K1_F1) Analog zur Rezeption der juristischen Elemente, stellt F1 hier heraus, dass die funktionale Praxis anderer Einrichtung, Hilfskräften mehr Rechte als erlaubt einzuräumen, keinem optimalen Verständnis des Betriebs einer Pflegeeinrichtung entspricht. In der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wurden als ein Bereich der diskursiven Argumente innerhalb des semantischen Kerns der ‚Mainstream-Argumentation‘ Führungsstile dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die PDL versucht, sehr viel über die Vermittlung von Verständnis zu erreichen. In Bezug auf die bereits diskutierte Teilzeitanstellung stellt F1 (hier im dargestellten Dialog) heraus: „Die fragen immer nach: Wann ist es möglich, kann ich wieder aufstocken? [Nachfrage:Haben Sie Veränderungen im Arbeitsverhalten festgestellt auf Grund solcher/?] Nein. Das muss man den Leuten richtig erklären. [Nachfrage: Und das stößt dann auch auf Verständnis?] Ich hoffe es.“ (K1_F1) Dabei sind jedoch im Rahmen dieser Narration (im Gegensatz zur denen der juristischen Inhalte) keine Differenzen zwischen den Mitarbeiter_Innen verschiedener ‚Klassen‘ erkennbar. „Und dann haben wir aber bei Hilfskräften sehr viel investiert, dass wir die aufgeklärt haben, immer wachsende Aufgaben von Fachkräften an die Dokumentation und die Administration allgemein, dass die tatsächlich Pflegeplanung wie auch immer machen müssen, dass es so zeitaufwendig ist, haben wir sehr viel Vorarbeit immer wieder geleistet, nicht Vorarbeit, sondern Aufklärungsarbeit“. (K1_F1) In dieser Herangehensweise könnte ein Begründungszusammenhang für die ‚Hinnahme‘ des an entsprechender Stelle dargestellten juristischen Hintergrundes bei examinierten und bei Hilfskräften gesehen werden. Auch ließe sich heraus eine erste Mutmaßung hinsichtlich der Rolle eines/r Change Agents ableiten. Dieselbe Narration findet sich auch bei der WBL F2 „Ich glaube, das war vor Jahren schon noch anders. Da waren Differenzen. Da wurde es nicht als Arbeit angesehen. Aber mittlerweile durch das immer wiederkehrende Gespräch auch, dass das wichtig ist, dass das halt gemacht werden muss, dass das halt/ Und sie kriegen auch mit, dass das für uns Fachkräfte alles andere als Erholung ist.“ (K1_F2) Es wird jedoch an andere Stelle auch deutlich, dass F1 hier nicht zeitgleich als Vehikel fungiert, sondern den Transport der Idee oder in diesem Fall des Führungsansatzes eindeutig an anderer Stelle sieht. „Ich muss nicht alles wissen, ich muss nicht immer intervenieren. Die Wohnbereichsleitung, wenn irgendwas ist, sich ergibt oder was zu regeln ist, zu steuern ist, dann informiert sie mich entweder - das und das habe ich schon geregelt- oder dann suchen wir das Gespräch zusammen.“ (K1_F1) Dadurch wird den Wohnbereichsleitungen von der PDL eine sehr starke Rolle zugewiesen, welche von denen auch so interpretiert wird. 145 „Es gibt sehr, ich behaupte das mal, kulturelle Unterscheide. Wenn das eine die Struktur ist mit diesem dämlichen Eisberg da und das andere die Subkultur. […] Aber es gibt Unterschiede, im Führungsstil und/ ich denke auch die ganze Kultur halt.“ (K1_F3) Auch von den Mitarbeiter_Innen wird die Stärkung der Position der WBL durch PDL und in KENTIA damit einhergehende, von F3 beschriebene, Strukturierung entsprechend bedient, mit der Folge der Positionierung der einzelnen Subjekte. „Ja, von oben. Die Stationsleitung teilt die Arbeit auf, wir haben eine Arbeitstafel. Die sieht so aus, dass jeder Mitarbeiter sein Namenskärtchen hat. Jeder Bewohner und jede Tätigkeit, die gemacht werden muss, hat auch ein Kärtchen, und das wird einfach gesteckt. Der Chef plant für den ganzen Tag meinen Tagesablauf.“ (K1_M1) Auch bei den Pflegehilfskräften drückt sich eine starke Orientierung an der jeweiligen Station aus. [Zu Auffälligkeiten, die weitergetragen werden] „Ja, an die Fachkräfte halt, also entweder Schichtleitung, Stationsleitung oder mit der Fachkraft, mit der ich gerade in der Schicht arbeite.“ (K1_M2) Durch eine solche Orientierung, wie sie von der PDL vorgegeben wird und sowohl von den WBLen, den examinierten Pflegekräften als auch den Hilfskräften weitergetragen wird, sich diese Narration der ‚Etablierung von Wohnbereichsbesonderheiten‘ in KENTIA sedimentiert hat,wird zwar einerseits ein hohes Vertrauen ausgedrückt, welches motivierend wirken kann, andererseits jedoch ebenso Lasten auf viele Schultern verteilt, wobei diese Schultern nicht ausschließlich die der Führungskräfte sind. Auch examinierte Altenpflegekräfte werden durch diese Narration stärker in die Pflicht genommen, Verantwortung zu übernehmen, was wieder noch größere Anforderungen an diese stellt. „Das ist ein Fachkräftemangel und man kriegt immer weniger wirklich gute Fachkräfte.“ (K1_F3) Die entsprechenden Auswirkungen werden dabei – analog zu den Führungskräften – in den Stories der Mitarbeiter_Innen deutlich. „Wir sind ein Haus, eine Institution. Aber jeder Wohnbereich lebt sein eigenes Leben sozusagen. (K1_M1) Dabei thematisiert M1 auch, dass diese Bildung von Subkulturen auch negative Folgen für die Einrichtung als gesamtes hat, wobei dadurch auch bereits personalwirtschaftliche Argumente, der Spannungen zwischen den Pflegekräften, mit bedient werden. „Nicht als Zusammenhalt, das würde ich nicht sagen. Das wird schon ein bisschen Konkurrenzkampf sein: erstens, du hast so viel Mitarbeiter und wir haben nur so viel und wir haben schwerere Bewohner als ihr. Das wird schon eher als Kampf und nicht das familiäre Leben.“ (K1_M1) Es kann bisher festgehalten werden, dass die betriebswirtschaftliche Argumentation in KENTIA recht homogen verläuft, wobei F1 als PDL als Change Agent identifiziert werden konnte. Die Narration, welche dabei von F1 anscheinend initiiert wurde ist die der starken Wohnbereichen mit ausgeprägten Verantwortungsbereichen, bezogen auf die einzelnen dort tätigen. Dadurch sollen auch Unterschiede und Abweichungen von der Norm zugelassen werden, worin abermals ein zeitdiagnostisches Element erkannt werden kann; das der flexibel-normalistischen Kontrollgesellschaft. 146 Dabei wird den WBLen eine starke Führungsrolle zugewiesen, welche zumindest hier auch erstmals nicht an allen Positionen positiv besetzt ist. „Und zum dritten soll ich aber auch noch die ganzen Institutionen befriedigen und sollte nachweisen, dass ich ständig Blabla und Blablubb mache, dass ich Mitarbeitergespräche führe, dass ich Teambesprechungen mache, dass ich Fallbesprechungen mache.“ (K1_F3) Die gleiche Narration findet sich auch bei M1 „Bloß, ich habe immer mehr Aufgaben gekriegt - du musst noch das von den Leuten verlangen und das von den Leuten verlangen -, ich habe das wieder von oben gekriegt. Ich dachte, warum tue ich mir das an. Ich habe keinen Cent dafür mehr gekriegt.“ (K1_M1) Das Herausfallen von F3 und M1 aus der Narration kann gegebenenfalls damit begründet werden, dass hier abermals eine Unstimmigkeit bei F1 festgestellt werden kann. An anderer Stelle hält F1 fest, dass die Rolle als PDL auch speziell ausgeführt werden muss. „Alleine die Position an sich beinhaltet das, dass man doch ein bisschen anders reagiert, wenn die Pflegedienstleitung kommt. Je nachdem, wie man kontrolliert, was man macht, wie man die Mitarbeiter dann behandelt, wenn sie bei Fehlern ertappt werden oder so.“ (K1_F1) Diese wiederholt recht liberale Einstellung im Umgang mit Mitarbeiter_Innen, welche im betriebswirtschaftlichen Sinne auch motivatorische Potentiale fördern könnte, ist jedoch als Argument mit den entsprechenden Stories und den darin beinhalteten Symbole sowie der Rhetorik von den Mitarbeiter_Innen nicht auf alltägliche Situationen transferierbar. „Und dann kriegen Sie zu hören: Hast du das wieder vergessen? Warum hast du das wieder nicht gemacht? Oder solche Nebensachen. Es ist nicht nur Pflege. Wir haben auch einen Haufen Nebensachen zu erledigen am Tage.“ (K1_M1) Dabei wird deutlich, dass F1 mit diesem im partizipativen Sinn kommunizierten Anspruch der Einbindung aller und des Zulassens von Abweichungen im konkreten Fall keine Inbezugnahme mit der Alltäglichkeit im Circuit of Performativity des Modells bei allen Individuen gewährleistet konnte. Aussagen wie „Ich finde es auch vorbildlich, dass sie mir sagen, was ihnen nicht passt. Oder so. Doch, das möchte ich schon. Ich möchte schon, dass wir eine offene Kommunikation fahren.“ (K1_F1) scheinen bei manchen Subjekten in KENTIA als nicht durchweg handlungswirksam angesehen zu werden, woraufhin sich diese spezielle Narration nicht im Circuit im Performativity behaupten konnte. Neben den bisher bereits diskutierten Zusammenhängen zu personalwirtschaftlichen Argumenten lässt ganz allgemein feststellen, dass diese in KENTIA überwiegend von den Mitarbeiter_Innen bedient werden und weniger von den Führungskräften. In Bezug auf das diskursive Argument, der Vermeidung von zusätzlichem Stress der Mitarbeitenden, bedienen die Führungskräfte entsprechende Narrationen kaum. Hingegen wird bei den Mitarbeiter_Innen zumindest deutlich, dass dieser weithin existiert. 147 „Es sind auch Tage, wo ich nicht fertig bin, wo ich sage, ich habe z. B. fünf Leute zum Pflegen gehabt, aber ich habe nur vier geschafft, weil das oder das dazwischengekommen ist. Aber ich muss gucken, dass ich das dann noch aufarbeite.“ (K1_M1) Dies wirkt sich bei der Pflegehilfskraft auch auf die Verbundenheit zur Einrichtung aus. „[D]ann ist schon so ein enormer Druck, dass man manchmal das gar nicht aushält. Da ist man froh, wenn man die Tür von draußen zugemacht hat.“ (K1_M3) Bei M4 hingegen kommt eine gewisse Attribution der Schuldfrage zum Ausdruck. Dabei bleibt der Eindruck nicht verschlossen, dass hier abermals eine scheinbare Solidarität mit den WBLen zum Tragen kommt. „Immer von oben kommt Druck, der andere muss es weitergeben und weitergeben und irgendwie, so habe ich schon das Gefühl, dass von oben, egal von wo oben das ist, und dass der Druck immer weiter runter kommt, und dass auch eine Stationsleitung oder Sonstiges irgendwann auch den Druck ablässt; und dass das einfach von oben kommt, dass manchen Leuten keine andere Wahl bleibt, um das auch loszuwerden oder sagen zu müssen.“ (K1_M4) Ein vergleichbares Argument wird auch von einer/m anderen Mitarbeiter_In bedient. „Jetzt haben wir schon alles: Lifter für die Badewanne und um aus dem Bett zu holen, Badewanne, die elektrisch hoch und runter geht. […] Das geht schon. Nur der Druck geht nicht weg. Zum Beispiel unter der Woche sind wir zu sechst auf 34 Bewohner. Und am Wochenende teilt sich die Schicht auf zwei. Dieselbe Arbeit bleibt“. (K1_M3) Gleiches fällt auch für das personalwirtschaftliche Argument der Verminderung von Frustrationspotential bei den Mitarbeiter_Innen zur Motivationsbewahrung auf. Auch diese Narrationen finden sich nur bei den Mitarbeiter_Innen selbst. Da bleibst du noch zehn Minuten - das ist noch immer so schön gesagt - und machst das noch bitte fertig. Das ist immer so schön gesagt. Aber wenn ich auch nicht in diesen zehn Minuten, wenn ich z.B. zwanzig Minuten dafür brauche, dann habe ich Pech gehabt sozusagen. […] Aber ich habe noch Familie. Und da will ich auch gerecht sein. Ich will nicht nur mit Arbeit leben, ich will mein Leben voll genießen.“ (K1_M1) In Zusammenhang mit der besonderen Schichtkonstellation und des Zurückschraubens der Personalausstattung ist auch M3 in dieser Narration präsent. „Am Wochenende kann ich nicht von Erfolg sprechen.“ (K1_M3) Hingegen sind Führungskräfte auch in der Narration vertreten, welche das Argument der Teamzusammensetzung insbesondere zur Vermeidung von Spannungen betrifft. „Andere Dinge hat man aufgeteilt auf die verschiedenen Fachkräfte, wo ich aber dann auch je nach dem auch Freiräume schaffen muss, dass sie dann die Zeit haben zum Pflegeplanung Schreiben, irgendwelche Listen zu evaluieren. Wir haben jetzt halt immer mehr Listen, die man jeden Monat evaluieren muss. Das hat es vor zehn Jahren gar nicht gegeben.“ (K1_F2) In der Gestaltung der Arbeitsabläufe wird abermals die Bedeutsamkeit der Rolle der WBL in KENTIA deutlich, auch um personalwirtschaftlichen Argumenten gerecht zu werden. Ähnlich findet sich diese Narration bei einer anderen WBL, ausgedrückt in einer anderen Story. 148 „[W]enn ich sehe, dass immer dieselbe Person bei einer schwierigen Bewohnerin drin ist, dann interveniere ich auch und sage: ob das jetzt wirklich sein muss. Oder ich interveniere, wenn ich der Meinung bin, dass ein Bewohner zu zweit gepflegt werden muss.“ (K1_F3) Diese Narration wird wiederum auch von M2 geteilt. „Nicht jeder schafft für sich. Also jeder kriegt seine Bewohner zugewiesen. Es wird auch abgewechselt, dass nicht jemand vom Pflegepersonal immer die gleichen Leute pflegt. Es wird schon darauf geachtet, dass immer abgewechselt wird.“ (K1_M2) Dafür findet sich bei einer/m anderen Mitarbeiter_In das bereits oben bei M3 thematisierte Argument des Nichterfolgs an Wochenenden, was wiederum auf die Teamzusammensetzung an den entsprechenden Tagen rückschließen lässt. „Und dann wird eigentlich erwartet, wenn ein Anruf kommt, habe ich anzutanzen. Ich muss einspringen. Ich rede vom Tagdienst. Einspringen am freien Wochenende; es bleibt nicht viel Zeit, Familie bleibt ganz hinten dran.“ (K1_M4) Dabei fällt auf, dass die Kritik im personalwirtschaftlichen semantischen Kern hauptsächlich gegen eine nicht weiter zu bezeichnende ‚Obrigkeit‘ innerhalb der Einrichtung zu gehen scheint. Gleichsam ist auffällig, dass zu diesem semantischen Kern keinerlei Bezüge bei F1 gefunden wurden. Es ist somit davon auszugehen, dass durch die Verschiebung hin zur Stärkung der einzelnen Wohnbereiche auch eine Nichtberücksichtigung konkreter personalwirtschaftlicher Fragen bei der PDL eingesetzt hat, sodass entsprechende Zusammenhänge auf dieser Ebene auch nicht mehr genügend reflektiert werden können. Es finden sich letztendlich auch noch einige wenige Bezüge zum kritischen Kern der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie. Bei F1 wiederum findet sich jenes Argument, welches auch auf der juristischen Darstellung gründet, dass es die Politik die Rahmenbedingungen so ändern müsste, dass das benötigte Personal auch eingesetzt werden kann. „Es ist kein Problem, kontrolliert zu werden, aber das Problem ist Zeit.“ (K1_F1) Es finden sich darüber die einzigen überindividuellen Bezüge für das kritische Argument der Schwierigkeit in der Vereinbarkeit von Leben und Beruf. „Das einzige, was kritisiert wird, ist, dass Teilzeitkräfte mit 50 % im Spätdienst z. B. nur drei Stunden arbeiten und im Frühdienst auch drei Stunden arbeiten. Die kommen tatsächlich und in Spitzenzeiten abschaffen, nach Hause gehen. Das ist für die nicht so unbedingt befriedigend. Auch für die anderen nicht befriedigend.“ (K1_F1) Dabei fällt bei F1 auf, dass diese Schwierigkeit zwar erkannt wird, jedoch weder eine subjektive Wertung dazu abgegeben wird, noch eine (Teil-)Schuld bei sich selbst oder in den Rahmenbedingungen adressiert wird. Hingegen ist bei der WBL F2 noch ein Fokus zu erkennen, welcher die Schwierigkeiten ebenso erkennt, jedoch ist hier eine Solidarisierung durch die Bedienung der Gruppenidentität zu erkennen. 149 „Und wenn man bedenkt, wir arbeiten jedes zweite Wochenende. Wir haben Schicht -früh, spät. Und man verdient nicht unbedingt so gut und es geht auf die Knochen. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt zum Beruf Ergreifen, dann nehme ich natürlich das auch und bleibe dabei.“ (K1_F2) Auch bei M1 ist dieses kritische Argument zu belegen. „Die Arbeit macht mir unheimlich Spaß, sonst wäre ich nicht schon so viele Jahre da. Aber ich habe noch Familie. Und da will ich auch gerecht sein. Ich will nicht nur mit Arbeit leben, ich will mein Leben voll genießen.“ (K1_M1) Im Allgemeinen ist in der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie folgendes auffällig geworden. Es gibt weitestgehend homogene Narrationen in KENTIA, was gegebenenfalls darin begründet liegen mag, dass in der PDL ein_E Change Agent identifiziert werden konnte. Durch die Besonderheit im vorliegenden Fall in der Umsetzung der entsprechenden Strukturierung der Einrichtung und der Weitergabe dessen in den Narrationen der Einrichtung, erscheint es bisher so, als dass die Praktiken der PDL teilweise als abweichend von der Narration empfunden werden, sodass delegimatorische Effekte in Bezug auf F1 einsetzen. Dabei ist jedoch die Homogenität der Narrationen als solche erhalten geblieben. Es wurde darüber hinaus festgestellt, dass betriebswirtschaftliche ‚Mainstream-Argument‘ recht breit bedient wurden, wohingegen personalwirtschaftliche Aspekte schwächer und die Argumente des kritischen Kerns nur sehr bedingt narriert werden. In Bezug auf den semantischen Kern der Personalwirtschaft sind im Besonderen Narrationen innerhalb der Gruppe der Mitarbeiter_Innen auffällig geworden. Die kritischen Argumente sind, unter Einbindung der Elemente des Juristischen, in KENTIA nur dahin vertreten, dass Kritik an den Umständen für die Einrichtungen gesehen wird. Jene kritischen Argumente, welche – z.B. im Sinne einer kritischen Managementforschung – Problemlagen auch in den eigenen Praktiken der Führungskräfte, oder in allgemein organisationsinterner Zusammenhänge sehen, wurden in KENTIA an keiner Stelle narriert. e) Das Akademische Für das Akademische ist in Bezug auf den semantischen Kern der Nähe zur Medizin festzustellen, dass weitestgehend nur Führungskräfte in die Narration eingebunden sind. Im Besonderen trifft diese Aussage für die WBL F3 zu. Eine Begründung für dieses Auftreten findet sich bei F1. „In dieser Position als Pflegedienstleitung bis in die Wohnbereichsleitungen auch, man ist immer gezwungen, eigentlich auf dem neuesten Stand zu sein. Und wenn man das nicht macht, dann hat man Probleme. Man ist nicht gezwungen, sondern das ist einfach vorgegeben.“ (K1_F1) Dabei lässt sich wieder die bereits angesprochene Narration des Zwangs durch die juristischen Hintergründe erkennen, welche die Adoption dieses akademischen Arguments bedingt. Bei F3 ist das diskursive Argument stärker in eine ‚rein‘ akademische Story, ohne juristische Verweise, eingebunden. „Ich glaube auch, dass die Pflege dahin gehen wird, dass sie sich differentialisieren wird. […] Es gibt mit Sicherheit Fachkräfte, sind eher behandlungspflegerisch drauf, so wie die Krankenschwester, was oft nachgesagt wird, die können besonders gut Verbände, Wundexperten und so. Und ich glaube, dass das auch wirklich dahin gehen muss, dass sich das wirklich differenzieren muss und dass es auch immer mehr Kompetenzkräfte geben wird. […] Also das Ganzheitliche fällt halt irgendwann mal weg, was eigentlich so der Ansatz war in der Altenpflege.“ (K1_F3) 150 Dabei kommt jedoch sowohl bei F1 als auch bei F3 ein gewisses Aufblicken zur fundierten Akademiker_Innen zum Ausdruck. „[A]ber eigentlich ich würde mir nie zutrauen, irgendjemandem irgendetwas zu geben ohne ärztliche Verordnung - einfach die Verantwortung dem Menschen gegenüber, nicht dem Gesetzgeber oder Prüfer gegenüber, sondern dem Menschen.“ (K1_F1) „Und wir sind natürlich davon abhängig, dass der Arzt sagt: Montags Blutdruck messen oder einmal wöchentlich.“ (K1_F3) Argumentativ wird hier einerseits die Nähe zur Medizin gesucht, jedoch andererseits ebenso die Überzeugung narriert, dass die Gerontologie (natürlicherweise) eine solche Stellung nicht innehat oder es sogar nicht haben kann. Allerdings werden in KENTIA auch Bezüge zum diskursiven Argument der professionellen Systematisierung gezogen. „Die Standards befinden sich auf den Wohnbereichen. Wenn irgendwas ist, da können sie in der Literatur nachgucken, nachtragen und gerade Handlungsabläufe oder Verfahrensstandard ist ganz wichtig. Das ist gut.“ (K1_F1) Dabei tritt neben den bisherigen Akteur_Innen auch die WBL F2 in die Narration ein. „Es gibt schon Ältere, die dann schon hier und da Probleme [mit Dokumentation, Expertenstandards, Professionalität, M.R.] haben. Aber die haben dann immer in der Richtung schon Probleme gehabt. Es gibt ja auch Ältere, die das dann machen können. Das kann man jetzt verallgemeinern. Und die Jungen haben da natürlich einen anderen Zugang, die die neue Ausbildung machen.“ (K1_F2) Hier fällt auf, dass in dieser Story auch Bezüge zum diskursiven Argument der fundierten Ausbildung gezogen werden. An anderer Stelle hingegen wird dasselbe Argument der professionellen Systematisierung in eine andere Story einbezogen, welche deutlicher die legitimatorisch wirksame Nähe zur Medizin darstellt. „Da haben ja die Pflegewissenschaftler immer eigentlich ein Auge drauf gehabt, dass durch diese Dinge, die jetzt eingepflanzt worden sind oder werden, das nachweisbar ist nach dem Motto: Was nirgends steht, wird auch nicht gemacht.“ (K1_F2) Andererseits stellt F2 direkt im Anschluss an dieses Argument die Besonderheit der Pflege als solche heraus, was im hier dargestellten Sinnen einen argumentativen Gegensatz darstellt. „Vor zehn Jahren ist ein Bewohner/ die Diskussion haben wir immer im Haus gehabt -der ist trotzdem gelagert worden bei uns. Wir haben keinen Dekubitus gehabt aus dem Grund. Das hat total die Struktur einfach schonvorgegeben: zum Frühstück lagern, nach der Pflege lagern, zum Mittagessen lagern, nachmittags genau dasselbe. Jetzt muss man verschiedene Dokumentationen machen, wo man das evaluiert, wie groß die Dekubitusgefahr ist.“ (K1_F2) Denselben semantischen Kern bedienend, findet sich bei F3 ein schönes Beispiel für die Nutzung und Rezeption von Metaphern bei der Implementierung des diskursiven Arguments der systematischen Pflegetheorie. „Wir haben ja auch einen Ernährungsstandard. Da muss man die Küche dann mit einbeziehen. Man sagt nicht mehr "Schnittstelle", sondern die "Nahtstelle". Das wird dann schon gemacht. Und das wird jetzt auch immer mehr. Darauf wird geachtet.“ (K1_F3) 151 Ein innerhalb der Rezeption der akademischen Argumentationslinie in KENTIA weit verbreitetes diskursives Argument ist die Forderung nach Alltagspraxis innerhalb der Gerontologie. „Den Qualitätszirkel, den haben wir jetzt schon mehrere Jahre, also 14-tägig Qualitätszirkel, wo dann die Wohnbereichsleiter, Stellvertretung oder je nachdem eine Fachkraft, die zu dem Thema einfach versiert ist, wo wir dann das erarbeitet haben.“ (K1_F2) Dabei wird in der Story der WBL über die Qualitätszirkel deutlich, dass darin die Definitionsmacht für und in KENTIA besteht, festzulegen, was Qualität ausmacht, was – aus praktischen Gesichtspunkten heraus – Versiertheit bedeutet. Noch deutlicher wird Aspekt bei den Mitarbeiter_Innen. „Es werden auch hausinterne Standards festgelegt. Die finde ich realistisch. Denn das sind unsere Standards, wie das alles hier so funktioniert.“ (K1_M1) Gleiche Narration findet sich bei M2 „[I]ch pflege die Leute immer gleich. Da mache ich auch keine Ausnahme. Ich weiß nicht, wie es bei den anderen Mitarbeitern ist.“ (K1_M2) sowie M4. „Standards sind teuer und recht, aber manchmal in die Praxis umzusetzen/ Also wenn es da steht, hört sich das so toll an. Aber es ist nicht immer machbar“ (K1_M4) Auch in Bezug auf das Spannungsfeld zwischen Akademisierung und Professionalisierung und dem Erlernen des Berufs fällt auf, dass überwiegend die PDL und die WBL F3 in die entsprechende Narration eingebunden sind. F1 hält in diesem Zusammenhang fest, dass eine daraus erwachsende Zwickmühle primär für die Mitarbeiter_Innen besteht. „Die Arbeit wird mehr, Zeit wird weniger für bestimmte Tätigkeiten. Und das macht, dass die Leute irgendwie eine Gratwanderung machen.“ (K1_F1) Bei F3 ist die Narration eher in die Story der hausinternen Standards und Weiterqualifikation eingebunden. Aber das ist in der Regel so, dass man den Standard ja lebt, dass man das hier lernt. Und die wenigsten werden dieses QS-Buch lesen, obwohl es eigentlich Pflicht ist. […] Aber natürlich wird auch verlangt, dass eine Fachkraft sich weiterqualifiziert. Das wird nicht reichen, dass man nur Altenpfleger ist. Man muss Zusatzqualifikationen dann auch vorweisen können und dann auch machen, wirklich.“ (K1_F3) Hingegen tritt auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen bei M4 eine komplett divergierende Story zur Narration desselben diskursiven Arguments zu Tage. „In der Nacht lernt man das selbstständige Arbeiten. Da ist nicht irgendeine Stationsleitung, eine PDL, die ich zu jeder Zeit rufen kann. Ich bin auf mich selber gestellt und muss entscheiden, was im Tagdienst eigentlich nur die Stationsleitung macht oder die Schichtleitung.“ (K1_M4) Wenngleich auch an dieser Stelle die weiterbildenden Phasen während der Tätigkeiten als Pflegekraft thematisiert werden, wird vielmehr abermals die Rolle der WBLen, bzw. SLen hervorgehoben, bei der Verdeutlichung der autodidaktischen Fähigkeiten während verschiedener Schichtdienste. Die allgemeine Beurteilung der praktisch anschlussfähigen und theoretisch fundierten Ausbildung ist 152 wiederum zu weiten Teilen nur bei den Führungskräften nachweisbar. Die PDL sieht ein wachsendes Selbstbewusstsein Ihres Personals, auch durch eine fundiertere Ausbildung. „Die Leute sind viel selbstbewusster geworden. Allein in der Ausbildung werden die gestärkt diesbezüglich.“ (K1_F1) Bei F3 findet sich diese Narration vielmehr in einer Story eingebettet, welche die Vorbereitung der Schüler_Innen auf den beruflichen Alltag, im Besonderen auf Verpflichtungen, wie Dokumentation, vorbereitet. „Ich denke, die nachfolgenden Fachkräfte damit weniger Probleme haben werden, weil die das ja auch in der Schule lernen.“ (K1_F3) Analog zu den Narrationen in Bezug auf die Suche nach disziplinärer Nähe zur Medizin, kann für die diskursiven Argumente der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Altenpflege festgestellt werden, dass diese in KENTIA kaum Rezeption erfahren. Vereinzelt lassen sich Subjekte finden, die fragen: „Gehört das wirklich in die Altenpflege alles rein? […] Und Erfolg ist, wenn ich das hundertmal dokumentiert habe und der Arzt es endlich begriffen hat, dass da irgendwas gemacht werden muss“. (K1_M4) Darin wird zum einen abermals die bereits diskutierte Narration deutlich, die Altenpflege gibt sich zum einen den juristischen Bestimmungen hin und akzeptiert diese, auch wenn sie dadurch zunehmend fremdbestimmt ist. Zum anderen wird hier erneut eine starke Diskrepanz zwischen Pflegenden und Mediziner_Innen deutlich zum Ausdruck gebracht. Vor einem eher sozialargumentativen Hintergrund stellt eine WBL fest: „Gut, da bin ich jetzt eigentlich schon so weit, dass ich sage: Ist mir egal. Also sprich der Bewohner ist mir auf jeden Fall wichtiger. Es ist ein Druck da, aber ganz so weit geht es nicht. Wenn ich halt die Dokumentation nicht habe, gut.“ (K1_F2) Dabei wird deutlich das soziale diskursive Argument der Fokussierung auf das Wohlergehen der Zupflegenden deutlich und darüber hinaus ebenso die Abkehr vom unumstößlichen Credo der Evidenzbasiertheit. Für die akademische Argumentationslinie ist deutlich geworden, dass diese generell eine eher geringe Ausprägung in KENTIA aufweist. Damit bleiben die juristischen Elemente der Makro-Ebene und die betriebswirtschaftlichen diskursiven Argumente die am stärksten narrierten organisationskonstituierenden Bezüge. Es ist ebenso aufgefallen, dass die PDL und die WBL F3 die primär narrationsbestimmenden Subjekte bezüglich der akademischen Argumentationslinie sind. Die Narration der akademischen diskursiven Argumente wird deutlich von der PDL und der WBL als Change Agents bestimmt. f) Das Soziale Die soziale Argumentationslinie in KENTIA stellt sich leicht differenziert zur akademischen dar. Ähnlich ist dabei die Rezeptionsdichte. Anders hingegen ist die Bedienung der Argumente über die Organisation hinweg, da hier die Mitarbeiter_Innen viel präsenter in den Narrationen von KENTIA erscheinen. Dabei fällt auf, dass abermals nur zwei semantische Kerne der sozialen Argumentationslinie in den Narrationen bedient werden. Bezüglich der Heimweltlichkeit stellt M2 die 153 Prämisse von KENTIA dar, die Zupflegenden in den Fokus der Tätigkeit zu rücken, auch bei den eventuellen Problemen und wo diese ausgetragen werden sollten. „Also vor den Bewohnern auf keinen Fall. Denn der Bewohner ist hier im Haus Nummer Eins.“ (K1_M2) Damit entspricht der M2 der generellen Narration in KENTIA, welche auch bei den WBLen Ausdruck findet. „Pflege sollte eigentlich dem Bewohner dienen, sprich seinen Erfordernissen eigentlich entsprechen oder entgegenkommen.“ (K1_F2) Wobei zeitgleich gilt: „Fixieren wollen wir die Bewohner nicht. Das ist die letzte Lösung.“ (K1_F2) Die Narration findet sich auch bei F3 in der Story der Abkehr von Standardisierungen als Ausdruck einer zu umfassenden professionellen Systematisierung. „Weil das ist auch möglich und das soll auch möglich sein, dass sie nicht nur nach Standard pflegen, sondern Bewohner bezogen, bzw. individuell. […] Und es soll ein gemeinsamer Konsens werden für uns als Team.“ (K1_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen drückt sich dieses diskursive Argument auch in einer Narration der teilweisen Selbstaufopferung für die Bewohner_Innen aus. „Ob das jetzt eine halbe Stunde länger geht oder eine Viertelstunde, das ist mir dann im Prinzip egal. Ich mache die Arbeit fertig, dass für die Bewohner alles OK ist, und gehe dann.“ (K1_M2) Ein weiteres in KENTIA bedientes Argument innerhalb der sozialen Argumentationslinie ist der Mehrwert von Erfahrungswissen. Hier ist abermals die aus der Analyse der akademischen Argumentationslinie bekannte Konstellation F1-F3 zu erkennen. „Ich habe erlebt, dass die Leute, die schlechtere Noten haben, sozial sehr kompetent sind. Und diese Mischung soll stimmen, fachliche und soziale Kompetenz. Was bringt mir ein Einserschüler, der nicht mit den Angehörigen sprechen kann, der nicht mit Kollegen sprechen kann, der nicht mit Bewohnern sprechen kann. Das passt in diesem Beruf nicht zusammen.“ (K1_F1) Dabei wird von F1 auch teilweise das akademische Argument des Spannungsfeldes zwischen Professionalisierung und Akademisierung bedient. Jedoch wird hier explizit die Person mit schlechten Noten, jedoch hoher sozialer Kompetenz in die Story eingebunden, weshalb m.E. die Einordnung eindeutig zur sozialen Argumentationslinie vorgenommen werden muss. Beim Thema Erfahrung narriert F3 dasselbe Argument. „Deswegen war es auch der [Pflegedienstleitung] so wichtig, dass ich zu dem auserwählten Klientel gehöre.“ (K1_F3) Der zweite semantische Kern, welcher in KENTIA bedient wird, ist der des Umgangs mit den Bewohner_Innen. Das stärkste in diesem Zusammenhang narrierte diskursive Argument ist die Hinwendung zu den Zupflegenden. Sowohl bei den beiden WBLen, wie bei F2, in der Story des Suchens und Findens von Zeit für die Pflege, 154 „Aber im Großen und Ganzen ist es schon wichtig, dass ich mir auch Zeit lassen kann für die Pflege. Gespräch mache ich auch so, wenn ich auch keine Zeit habe.“ (K1_F2) oder auch bei F3, in der Story der Ablehnung von Funktionalität in der Pflege. „Also ich war noch nie für funktionale Pflege und gehe immer mehr davon ab. Wenn früher wichtig war, dass man alle Betten macht und allen Blutdruck misst und so dergleichen/ blödsinnig. Auch diese ganze Grund- und Behandlungspflege in dem Umfang, wie das auch die Schule wünscht/ wenn ein Mensch mit Demenz sich nicht so pflegen lassen möchte, wie ich das möchte, nicht morgens um sieben gepudert, irgendwie deodoriert und nicht so das Essen zu sich nehmen möchte, wie ich mir das wünsche, dann muss ich umdenken und nicht der Mensch. Und die Pflege muss umdenken.“ (K1_F3) Bei den Mitarbeiter_Innen findet sich die entsprechende Narration ebenso. Bei M1 findet sich dabei die Story, dass die Bewohner_Innen keine reinen Hilfsempfänger_Innen sind. „Oder ich habe den Mensch nicht als Ganzes gesehen. Ich habe ihn nur als Person, die Hilfe braucht, körperliche Pflege. Aber das Geistige, vielleicht habe ich das damals nicht so gesehen wie jetzt, wo ich den Mensch als Ganzes sehe.“ (K1_M1) Bei M2 ist die Narration vielmehr in die Story des grundsätzlich nicht-ökonomischen Charakters des Pflegeberufs eingebunden. „Und ich denke, es dürfte auf Deutsch gesagt keine Massenabfertigung dann sein. Kurz rein, waschen, anziehen und wieder raus. Ich denke, das ist den Bewohnern selber gegenüber nicht schön und fürs Personal auch nicht schön. Wenn man strikt nur nach Anweisungen dann arbeitet, denke ich, dass das für die Leute nichts bringt.“ (K1_M2) Ein weiteres diskursives Argument der sozialen Argumentationslinie wurde in der Forderung nach aktivierender Pflege dargestellt, welche die Bewohner_Innen dazu befähigt, sich selbst zu helfen und deren Ressourcen zu fördern und so lange wie möglich zu erhalten. Dieses Argument findet sich deutlich nur bei der WBL F3, welche bisher auch an der einen oder anderen Stelle als Change Agent identifiziert wurde. „Wenn sie möglichst lange noch nicht in Pflegestufe 3 sind, dann finde ich das – im Gegensatz zum Rest der Welt – sehr positiv. […] Das ist viel, viel aufwendiger, als wenn ich jemanden im Bett liegen habe, der nicht mehr Müh, nicht mehr Mäh macht, dem nur Essen reichen, Trinken reichen und labern muss. Mit Sicherheit. Und es gibt natürlich mehr Geld. Und für mich als Erfolg sehe ich, wenn ich das vermeiden kann, wenn sie möglichst lange selber essen können.“ (K1_F3) Jenes diskursive Argument, welches die Empathie und Selbstreflexion der Pflegekräfte betont ist hingegen überwiegend bei Mitarbeiter_Innen von KENTIA nachzuweisen. Bei M2 drückt sich dabei die egalitäre Einstellung gegenüber der Standards aus. „Die Standards sind schon ok. […] Meine Einstellung ist: ich gehe in die Pflege. Wie ich persönlich mich pflege, gehe ich auch an die Bewohner ran.“ (K1_M2) Bei M3 zeigt sich vielmehr auch die eigene Vorstellung, welche in die Reflexion darüber, ob die/der Bewohner_In mit der eigenen Arbeit befriedigt ist, eingebunden wird. „Wenn die Bewohner zufrieden sind und wenn die Arbeit so gemacht ist, wie ich mir das vorstelle.“ (K1_M3) 155 Eine entsprechende Reflexion des eigenen Tuns wird in der sozialen Argumentationslinie als Ausgangspunkt gesehen, um eine eingespielte Beziehung zwischen pflegender und zupflegender Person herzustellen. „Von vornherein versuchen wir den Angehörigen zu sagen, wir haben keine Angst -da kommt auch dieses Selbstbewusstsein. Wir haben keine Angst. Wir versuchen das Beste zu geben. Wenn irgendwas nicht stimmt, reden Sie mit uns.“ (K1_F1) Bei der PDL wird dabei deutlich, dass Reflexion des eigenen Tuns auch von außen, durch die Angehörigen eingefordert wird. Bei M2 drückt sich dieses Eingespieltsein eher in den sozialen Beziehungen zu den Bewohner_Innen aus. „Ich denke, weil mir der Beruf auch Spaß macht. Es tut einem selber gut, wenn man mit den Bewohnern gut zurechtkommt. Die Bewohner kennen einen, wenn man schon zur Arbeit kommt. Oder ich habe viele Bewohner, die sind immer glücklich.“ (K1_M2) Aus dieser eingespielten Situation in KENTIA heraus erwächst auch die schon familienartige Beschreibung der Beziehungen zwischen den Beschäftigten und den Zupflegenden. „Fast wie ein Angehöriger. Man wächst zusammen. Man kennt sich. Ich guck den Mensch an, er guckt mich an und er weiß, wie es mir geht, und ich weiß, wie es ihm geht. Also man wächst schön zusammen familiär. Man trauert mit ihnen, man lacht mit ihnen - bloß als Pflegende.“ (K1_M1) Bei M2 ist die Beziehung stärker als eine in der Freude basierte dargestellt. Darin wird die in der sozialen Argumentationslinie diskutierte übergriffige familiäre Nähe zwar nicht negiert, jedoch auch nicht so stark rezipiert wie bei M1 ersichtlich. „Aber ich denke, wer in dem Beruf arbeiten will, dem muss es auch Spaß machen mit den Leuten. Ich denke, sonst ist das fehl am Platz. Und von der Arbeit her denke ich, man muss nicht unbedingt eine Fachkraft sein.“ (K1_M2) Es wird an dieser Stelle auch deutlich, dass M1 in dem oben angegeben Zitat zwar versucht, die Einschätzung einer familiären Beziehung abzuschwächen, jedoch bleibt die Narration doch diejenige einer Ignoranz der aufgezeigte Diskussion um die entsprechende Übergriffigkeit. Die Analyse des Niederschlags der sozialen Argumentationslinie in KENTIA hat gezeigt, dass der Fall sich hier wieder viel stärker als narrierende Organisation darstellt, als noch in der Betrachtung der akademischen Argumentationslinie. In Hinblick auf die Bedienung der verschiedenen Argumente sind ähnliche Aspekte offensichtlich wie in der Betrachtung der beiden bisher analysierten Fälle, dass die Narration über die Bezeichnung der Bewohner_Innen annähernd keine Relevanz zu haben scheint. Allgemein kann festgestellt werden, dass in KENTIA durchaus kongruente Narrationen dargestellt werden konnten. Besonders auffällig ist, dass dies auf der Meta-Ebene auch über Argumentationslinien hinweg zu beobachten ist. So kann ein ‚anti-ökonomisch‘ anmutendes Fundament einer Narration in der sozialen Argumentationslinie und ebenso in der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie nachgezeichnet werden. Es ist auch deutlich geworden, dass in KENTIA abermals die WBLen eine besondere Rolle einzunehmen scheinen. Dabei ist hier der Sonderfall eingetreten, dass die PDL die Sonderrolle der einzelnen Wohnbereiche auch deutlich gefordert und gefördert hat. Fraglich ist dabei, ob diese Entwicklung in KENTIA analog zu der in VERBENA interpretiert werden kann, oder ob sie in KENTIA durch die PDL induziert wurde. 156 Resümierend kann festgestellt werden, dass – hierarchisch zugewiesen oder eigenständig eingenommen – diese Rolle auch entsprechend ausgefüllt und ebenso organisationsweit als solche wahrgenommen wird. Konzeptionell konnte kein ‚Abbruch‘ einer Narration – analog zu VERBENA – festgestellt werden. Die eher schwach ausgeprägte Präsenz von F1 in den Narration der Meta-Ebene kann (vom Betriebswirtschaftlichen abgesehen) in einem eventuellen Rückzug der PDL aus diesen Bereichen interpretiert werden, wie es auch angedeutet wurde (s.o.). Darüber hinaus erwies sich das Modell auch in der Analyse dieses Falles als tragfähig und hilfreich für Betrachtung der Aneignung von Überorganisationalen Elementen in der Organisation. Für die beiden obersten Elemente der Makro-Ebene konnte in KENTIA keine Narration identifiziert werden. Die juristischen Elemente wie auch die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie hingegen sind die in KENTIA am stärksten und konsistentesten narrierten Teilbereiche des Überorganisationalen. 4.2.4 Die Analyse von ZINNIA a) Das Zeitdiagnostische Für die Analyse der zeitdiagnostischen Elemente in den Narration von ZINNIA fällt bereits bei der rein quantitativen Betrachtung auf, dass diese – auch im Vergleich zu den bisher betrachteten Fällen – sehr stark ausgeprägt sind. Es finden sich sehr viele Bezüge unterschiedlicher Ausprägung in diesem Fall. Für jenen Aspekt der sehr schnellen Kommunikation über jegliche Dinge als ein Teil der Zeitdiagnose finden sich dabei noch die geringsten Bezüge. Bei der PDL drückt sich diese Perspektive in der Story über Dienstanweisung aus, welche einem steten Austausch unterliegen. „Wir haben verschiedene Dienstanweisungen, an die wir uns auch halten. Wir haben Qualitätsmanagements, wir haben Standards, wir haben Teamgespräche, wir haben verschiedene Gesprächsarten, wo wir uns austauschen. Wie gesagt Mitarbeitergespräche. […] Das wurde durch Gespräch mit Heimleitung, Pflegedienstleitung; da gab's einen QM-Zirkel, wo man die dann festgelegt hat.“ (K2_F2) Die Narration ist auch bei einer WBL vorhanden, eingebunden in eine Story über die/den VorgesetzteN. „Die jetzige Heimleitung hat für alles ein offenes Ohr. Man kann vortragen, was man will. Es wird immer gleich geguckt, dass was passiert.“ (K2_F4) Gleichsam weniger stark ausgeprägt innerhalb des Zeitdiagnostischen ist die Narration über die Fokussierung auf die Dienstleistung als Erzeugnis. Dieser Aspekt findet sich nur bei einer Pflegekraft, welche die Tätigkeit beschreibt als Fokussierung auf das äußere Gesamtbild, welche das Erzeugnis, die Pflege der alten Menschen beurteilbar macht. „Es ist unsere Aufgabe zu gucken, dass der Mensch ansprechend aussieht. […] Aber mir geht es darum: Ich fühle mich da verantwortlich, wie ein alter Mensch hergerichtet ist“. (K2_M4) Neben diesen eher schwach ausgeprägten Bezügen, welche auch keine Narration innerhalb von ZINNIA erkennen lassen, ist eine weitreichende Narration identifizierbar, welche sowohl die Normalisierungsgesellschaft als auch die Kontrollgesellschaft als Etablierung auf der Makro-Ebene erscheinen lässt. Es finden sich dafür sowohl auf der Ebene der Führungskräfte aber ebenso auf der Ebene der Mitarbeitenden Bezugnahmen zur Überindividualität von Symbolen als Basis der Normalitätskonstruktion für einen Kohärenzzwang unter den Individuen, wodurch Rationalität einen Status des Normalen verliehen bekommt. 157 „[W]enn ein Neueinzug kommt oder wie auch immer wenn hier jemand wohnt und es ist irgendwas, dann Sie: Warum habt ihr Note 1? Davor habe ich ein wenig Angst, dass so was kommt, wenn irgendein Fehler passiert, dass das zu gut ist.“ (K2_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen drückt sich diese überindividuelle Normalitätskonstruktion eher in einer Story mit arbeitspraxisnahen Bezügen aus. „Bei dem einen oder anderen würde ich dann doch denken: ‚Na ja, wenn du da nicht genau hinguckst, dann wird halt der Bauch bloß so gewaschen, nicht der Bauchnabel oder der Kopf so und nicht die Ohren.‘ Lauter solche Kleinigkeiten eben.“ (K2_M2) Durch Selbsteinschätzung der Kleinigkeiten, welche an dieser Stelle und bei der Kontrolle von Kolleg_Innen von Relevanz sind, kommt die grundlegende Wirkweise der zeitdiagnostischen Inhalte zum Ausdruck. Ein wenig eindeutiger sind die Bezüge zur Disziplinargesellschaft und zur protonormalistischen Strategie. Bei der PDL findet sich dabei abermals die Aktivierung einer ‚Mitarbeiter_Innen-Story‘ „Rafft er 's jetzt nicht oder was ist da los? Da muss man natürlich immer noch mal genauer drauf gucken. Aber ich sage jetzt einfach mal: 80 % der Mitarbeiter, Fachkräfte wissen damit umzugehen. […] Sehe ich natürlich, dass da ein Mangel ist oder ob 's der nicht verstanden hat, dann gucke ich, gehe zu dem Mitarbeiter hin und frage ihn: Hast du es nicht verstanden? Kannst du es nicht umsetzen? Ich frage ihn erst mal. Wenn er mir dann Antwort gibt und sagt: Tut mir leid, ich habe keine Ahnung. Dann verlange ich, dass er von da bis da das drauf haben muss. Ansonsten geht 's nicht.“ (K2_F2) Dabei werden verschiedene Aspekte des Protonormalismus besonders deutlich. Auf der einen Seite finden sich hier die strikten Einschätzungen dazu, was das Normale ist und was erledigt sein muss, um diese aufrecht zu erhalten. Auf der anderen Seite finden sich jedoch auch Bezüge zu dem Geständnis mit befreiendem Charakter. Bei zwei WBLen findet sich auch das Element der Institution als Disziplin erhaltende Instanz innerhalb der protonormalistischen Strategie. In Bezug auf die Frage nach Erfolgsempfinden gibt F3 an: „Wenn der Arbeitsablauf stimmt.“ (K2_F3) Ähnlich argumentiert F4, wobei hier noch die deutliche Ablehnung eines kontrollierenden Eindrucks interessant ist. „Kontrolle ist halt auch da, dass alles wirklich gut läuft - also jetzt nicht im schlechten Sinne, dass man sich kontrolliert vorkommt.“ (K2_F4) Das zeitdiagnostische Element des Geständnisses, welches wie eine Befreiung wirkt, ist dabei in ZINNIA sehr stark in die organisationale Narration eingebunden. Bei der HL F1 tritt es in einer juristisch basierten Story hinsichtlich der Kontrollen auf „Die Heimaufsichten und medizinischen Dienste prüfen eigentlich, wenn man 's mal bei Licht betrachtet, wirklich nur Basics ab. Die können die auch gern prüfen. Das ist uns auch recht, wenn da jemand kommt.“ (K2_F1) und zeigt sich auch in einer Story über die Publikation der Prüfergebnisse. „Ich finde es auch in Ordnung mit den Transparenzberichten, die da rauskommen.“ (K2_F1) 158 Auch an anderen Stelle der Führungsebene zeigt sich die Narration in einer positiven Wertung der Kontrollen, wie bei F2 „Und ich finde es gut, dass sie kontrollieren.“ (K2_F2) und bei der WBL F3. „Aber im Nachhinein [...] ist es ein positiver Druck. Denn dann kommt es auch in Gang. Sonst wäre es nie in Gang gekommen wahrscheinlich.“ (K2_F3) Die Narration findet sich dabei nicht ausschließlich bei den Führungskräften von ZINNIA, sondern ebenso bei den Mitarbeiter_Innen. Dabei fällt auf, dass M1 sogar dieselbe Story wiedergibt wie F3. „Nein, ich finde, das ist ein positiver Druck, weil ich finde, dass durch den Druck ich mehr motiviert bin zum Arbeiten. Und ich finde, wenn dieser Druck nicht wäre, würde vielleicht manche Schwester ihre Arbeit schleifen lassen. […] Denn wenn ich persönlich den Druck nicht hätte, würde ich vielleicht auch gar nicht so viel da mit reinstecken.“ (K2_M1) Ähnlich zeigt sich die Narration des zeitdiagnostischen Elements auch bei M2. „Also wir korrigieren uns hier auch gegenseitig. Also wir werden schon kontrolliert, und ich finde das auch korrekt so. Denn ohne Kontrolle weißt du ja gar nicht, ob du das richtig gemacht hast, was du tust. Ich kann nicht die anderen kontrollieren und selber sagen, ich außen vor, ich nicht. Das geht“ (K2_M2) In ZINNIA findet sich jedoch auch die flexibel-normalistische Strategie der Kontrollgesellschaft in starker Ausprägung. In Bezugnahme auf das diskursive Argument der Alltagspraxis in der akademischen Argumentationslinie verweist die HL auf eine diesbezüglich verankerte Einstellung des laissez-faire, worin das kontrollgesellschaftliche Moment der Auflösung von Erstarrungen zur Vermeidung von Momenten des Scheiterns zum Tragen kommt. „Deswegen stellen wir ja diese Standards hier für uns auf oder wir können das. Es wird nur viel zu wenig auch gemacht, weil wir uns immer wieder in kleinen Diskussionen oftmals verlieren. Also da spreche ich jetzt wirklich nicht über uns, aber die ganze Szene in Diskussionen um diese Überprüfung und ob Sinn oder nicht, das ist mir völlig egal. Die waren hier und haben geprüft; dann sollen sie prüfen, das ist für uns gut ausgegangen und dann ist das auch OK.“ (K2_F1) Ähnlich zeigt sich diese Narration bei F2. „So kann man einfach die Qualität des Hauses sicherstellen und, wenn Fehler auftauchen, sie dann auch beseitigen. Und das sind einfach noch mal externe Ratschläge, was man bekommt, und das finde ich sehr gut.“ (K2_F2) Dabei zeigt sich im Besonderen die Fehlertoleranz als Professionalität. In diese Narration und ebenso speziell in dieser Story drückt sich die Möglichkeit des Erprobens aus, wie bei F4 deutlich wird. „Man wird ja auch in dem Beruf manchmal ‚arbeitsblind‘ und sieht manche Sachen nicht. Und wenn einem da nicht mal vor Augen gehalten wird, je, warum hast du das nicht ausprobiert, denkst du auch, na ja, natürlich, bin ich auch selber nicht drauf gekommen. Das sind ja eigentlich eher Verbesserungsmöglichkeiten immer, wo man versucht, wirklich das Beste dann wieder raus zu filtern.“ (K2_F4) 159 Es zeigt sich hierin, das zeitdiagnostische Moment der Hilfssuche und -annahme bei Überforderung, um ein eigenes Scheitern zu vermeiden. Augenscheinlich wird dieser Aspekt auch dadurch, dass in der gleichförmigen organisationalen Narration in vielen Fällen eine subjektive Einschätzung in der Story vorgenommen wird. Das wird auch bei den Mitarbeiter_Innen ersichtlich, wie hier am Beispiel von M4 verdeutlicht. „Ich habe damit [Kontrolle, M.R.] kein Problem, weil ich mache, was ich kann, und ich denke, es ist richtig. Auch wenn ich in Zeitdruck bin, es gibt 's immer mal, da ist ein Notfall, dann kommt der Arzt und dann ist alles ganz anders. Dann zieht es sich halt für mich in die Länge.“ (K2_M4) Besonders deutlich wird die Disziplinargesellschaft mit ihren dargestellten Charakteristika jedoch bei in einer Story bei der WBL F3. „Flexibel, ja. Also es ist ein gewisser Ablauf jeden Tag da, aber in dem Ablauf kann man immer was rumdrehen. Also das ist nicht so.“ (K2_F3) Schon in der Analyse der Zeitdiagnostischen ist für ZINNIA festzustellen, dass eine sehr homogene Narration über die gesamte Organisation hinweg existiert. Sowohl die Elemente der Disziplinargesellschaft als auch die der Kontrollgesellschaft können in der Organisation auf verschiedenen Ebenen abgebildet werden. Durch Homogenität ist es jedoch bis zu diesem Punkt nicht möglich gewesen, ein Individuum als Change Agent auszumachen. b) Das Diskursive Bezüglich der Kollektivsymbole über das Alter(n) lässt sich eine so ausgeprägte Homogenität in der Narration wie bei den Zeitdiagnostischen Elementen nicht feststellen. Dabei wird der Aspekt des Versuchs, in den Medien kritisierte Dinge besser zu machen von der HL wiedergegeben. Es ist dabei deutlich, dass diese Kritik wahrgenommen und auch aufgenommen wurde, jedoch direkt in einer Story der Delegitimation eingebunden erscheint, welche über die argumentative Verknüpfung mit der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie erfolgt. „[E]s muss nicht das Gespräch immer sein, auf dem immer so rumgeritten wird, auch Medienlandschaft so/ es ist nicht mehr das Zeitproblem.“ (K2_F1) Dabei wird an der Stelle in ZINNIA auch die darauf aufbauende stete Mühe der Pflegekräfte bemüht, welche doch nicht ausreicht, um die Öffentlichkeit zufrieden zu stellen. „Aber Angehörige, die doch kritischer werden, denke ich, was sich auch in der letzten Zeit, im Lauf der Jahre verändert hat. […] Es ist ja immer noch so, dass man denkt, dass es hier so furchtbar zugeht im Heimalltag.“ (K2_F4) Dabei wird von der WBL F4 des Weiteren deutlich das Bild auf das in der Presse wahrgenommene Bild der schlechten Einrichtungen rekurriert und in Verbindung mit der Zeitdiagnose der Disziplinargesellschaft gebracht. „Man liest es oft genug in den Zeitungen, dass es wirklich schweinemäßige Heime gibt, wo halt Leute aufliegen mit Dekubitus oder sonst irgendwas, und es wird nichts gemacht. Oder, wie schon gesagt, es wird mit Medikamenten umgegangen, wie es eigentlich nicht sein darf. In dem Sinne finde ich es ja schon wichtig, dass Heime auch kontrolliert werden.“ (K2_F4) 160 Bei der HL findet sich einzige die Perspektive der Vergesellschaftung des Alters. In einer Story, welche das soziale Argument der Sicherung der Autonomie der Zupflegenden durch eine Balance zwischen Freiheit und Strukturvorgabe einbezieht, wird deutlich Backes‘ These wiedergegeben, jedoch ohne dass eine entsprechende Narration in ZINNIA feststellbar ist. „Da beziehe ich mich ganz klar darauf, was ich natürlich weiß über diese Quartiersbildung. Wir sind auch im Moment dran, eine Kooperation mit Familienheimen hier zu schließen schon, dass also praktisch dieses alt = im Heim und da dann auch eine Situation geschaffen, die ja nicht natürlich, sondern es wird eher so in der Umwelt greifbar werden. Alle Leute werden ja nicht mehr stationär untergebracht werden können. Und somit werden das vielleicht wirklich auch lebbarere Unterbringungen.“ (K2_F1) In Bezug auf die Aufnahme und Wiedergabe der Altersframes fällt auf, dass die ersten beiden Frames je nach hierarchischer Position in der Organisation unterschiedlich aufgenommen wurden. Das Frame des Angriffs auf die jüngere Generation wird nur von Führungskräften wiedergegeben. So ist bei F1 sehr deutlich, dass das gesamte System der Altenpflege vor diesem Hintergrund hinterfragt wird. „Bei mir reicht es aber auch nur zum Renault, der ist auch nicht schlecht. Aber ich denke, man muss es mal auch ehrlich dann ansprechen, wie viel Pflege kann man sich eben auch leisten. Was ist Grundversorgung und was kommt noch dazu? Also was ist der Mercedes, was ist der Renault? Und das kann nicht einfach aufhören beim Pflegesetting aus meiner Sicht. Wir müssen es mal ehrlich auch ansprechen. Es soll niemand verwahrlosen. Das wird auch nicht passieren. Und bei uns hier schon gar nicht, in Deutschland auch nicht.“ (K2_F1) Bei der WBL F4 hingegen wird vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung „Erstens werden immer mehr alte Leute.“ (K2_F4) jener Teil des Frames aufgegriffen, dass die Alten keinen Kontakt zu den jüngeren Generationen bekommen und segregiert unter sich leben und vor allem auch bleiben. „Wir haben jetzt diese Einzelbetreuung […] und ich sehe, dass die Leute zusammensitzen und eigentlich Spaß haben, lachen […] und so mit der Sache hier zufrieden sind, sich damit auch abgefunden haben, dass sie hier im Heim wohnen und dass es die Endstation irgendwo ist“. (K2_F4) Das Altersframe, in welchem Alter als Krankheit und Verlust zusammengefasst ist, wird hingegen nur von den Pflegekräften wiedergegeben. „Mit dem Alter ist ja was negativ besetzt: Alter = Krankheit.“ (K2_M4) Gleiches ist bei M3 deutlich, wenn auch in Bezug auf die Endstation Altenheim, in welcher oftmals von den Bewohner_Innen nicht mehr viel erwartet werden kann. „Der Mensch, wenn er rein kommt, das ist die letzte Station, also wenn es keine Kurzzeitpflege ist. Und das muss man sich selber auch sagen. Man gibt den Menschen noch das, was man geben kann. Man ist freundlich und man macht die Aufgaben. Manche sagen ja auch noch, was sie wünschen.“ (K2_M3) Das einzige Altersframe, welches ebenso in ZINNIA bedient und auch von Führungskräften wie auch Mitarbeitenden bedient wird ist das der Solidarität. Besonders Ausdruck findet das Frame in der Wiedergabe des Kollektivsymbols von per se sehr schlechten Altenpflegeeinrichtungen und dem Beruf im Speziellen. Das findet sich auch bei der HL F1, wobei hierbei festgestellt werden kann, dass das entsprechende Element zwar aufgenommen und in die Narration eingebunden ist, jedoch in der 161 Wiedergabe in der Story umgekehrt wird, indem es die Story abermals vor einem diskursivargumentativen Hintergrund der ‚Mainstream-Betriebswirtschaftslehre‘ fungiert. „Und wenn das auch öffentliche Meinung, dann wird immer ins Feld geführt, ja, es ist kaum noch Zeit für die Zuwendung oder das Gespräch. Oder einfach mal zu untersuchen, was das auch heißt und dass eben diese Zuwendung auch in sehr kurzen Kontakten stattfinden kann eher wie in einem dreistündigen Gespräch, was einem schon auf die Nerven geht.“ (K2_F1) Ebenso findet sich die Narration bei M4, wobei hier keine Umdeutung vor einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund erfolgt. „Es haben schon genügend Leute Berührungsängste mit einem Heim.“ (K2_M4) Die weiteren Stimmen in der Narrationen beziehen sich dabei vermehrt auf das schlechte Berufsbild, welches in der Gesellschaft vorherrschend ist. So findet sich die Narration bei F4 „[S]o wie halt alle – Altenpflege, man hat bloß mit Fäkalien zu tun“. (K2_F4) und ebenso abermals deutlich bei M4 „Ja, die haben halt irgendwie nur das Bild: Wir Altenpflege müssen nur Windeln wechseln und Exkremente wegputzen“. (K2_M4) Wenn dabei bisher und auch in der Folge das schlechte Bild des Berufsstandes in das Solidaritätsframe eingebunden wurde, wird spätestens hier bei M4 deutlich, dass die Begründung dafür keine willkürliche Zuweisung war. „Zum Beispiel gab es ja auch schon Stimmen: ‚Du lernst drei Jahre, um anderen Leuten den Hintern zu putzen?‘ […] Also ich kriege von meinen Freunden immer so das Feedback: ‚Wie kannst du nur und ich könnte es nie.‘ – Ja einfach mehr Respekt, finde ich, sollte Pflege bekommen.“ (K2_M4) Darin ist augenscheinlich, dass die Narration des schlechten Berufsbildes in der Gesellschaft, dem Solidaritätsframe entspricht, da hier genau das Frame aktiviert wird, dass Altenpfleger_Innen sich um die alten Menschen kümmern, welche isoliert sind und Hilfe benötigen und dafür diesen Pflegekräfte dann auch Achtung eingebracht werden sollte. In Bezug auf die Angehörigen und deren hohe Forderungen an die Pflegekräfte und deren schlechte Einstellung gegenüber Altenpflegeeinrichtungen kann bei F4 eine Erklärung gefunden werden. „Vielleicht ist es auch manchmal das schlechte Gewissen, dass man jemand abgegeben hat im Heim.“ (K2_F4) In der Betrachtung der diskursiven Zusammenhänge in ZINNIA ist deutlich geworden, dass hier nicht annähernd eine konsistente Narration gezeichnet werden konnte, wie es in Bezug auf die zeitdiagnostischen Hintergründe möglich war. Hauptsächlich sind hier nur drei Subjekte in die Narration eingebunden, wobei es sich dabei überwiegend um eine HL und eine WBL handelt. Vor diesem Hintergrund war es abermals nicht möglich, eine_N Change Agent zu identifizieren. c) Das Juristische In den bisher dargestellten Fällen ist in der Analyse der organisationalen Narration juristischer Elemente stets deutlich geworden, dass ein mehr oder minder starker Bezug zu den grundlegenden 162 Änderungen, die durch die Einführung des PflegeVG herbeigeführt wurden, feststellbar ist. Für ZINNIA hingegen stellt sich die Narration komplett differenziert dar. Einzig bei der HL finden sich – und auch hier gering ausgeprägte – Bezüge dem starken Einfluss der Pflegekassen durch die Verhandlungen der Einrichtungen über die Art und den Umfang der Leistungen. „Wir beziehen uns hier auf ganze enge Pflegeleistungen und entsprechend dieser Pflegeleistung und der Pflegeplanung sind die Leute ja eingestuft und entsprechend ist wiederum Personal da.“ (K2_F1) Dabei kommt bereits an dieser Stelle bei F1 ein gewisser Pragmatismus zum Ausdruck, mit dem juristischen Hintergrund entsprechend sachlich umzugehen. Für die darüber hinaus gehende Narration juristischer Elemente ist daneben festzustellen, dass F1 zum einen in den Hintergrund tritt und zum anderen, eine weitestgehend einheitliche Narration in ZINNIA identifizierbar ist. In Bezug auf die Dokumentationspflicht des Pflegeprozesses ist dabei jedoch im Besonderen auffällig, dass die Homogenität der Narration ebenso in der individuellen Zerrissenheit in der entsprechenden Beurteilung enthalten ist. Diese (auch subjektinterne) Spaltung changiert zwischen einer Wertung als Übertreibung des Geforderten und einer eher rationalen Betrachtungsweise – ähnlich der Darstellung in KENTIA – des Schutzes gegenüber verschiedenen Optionen. Bei der WBL F4 drückt sich dieser Konflikt als anerkennende Schutzfunktion wie folgt aus: „Nein. Aber wir können 's halt dann nachweisen und sagen, nein, so war 's, auch wenn der Bewohner jetzt vielleicht gerade in dem Augenblick was anderes sagt oder die Angehörigen der Meinung sind, wir haben was anderes gesagt und haben einen Nachweis zu sagen, nein, an dem und dem Tag haben Sie das gesagt und Sie wollten, dass das so passiert.“ (K2_F4) Hingegen findet sich an anderer Stelle die negative Betrachtung der Dokumentationspflicht, da dadurch sehr viel Zeit von den Zupflegenden abgezogen, wo wiederum soziale Argumente in die Story eingebunden werden. „Natürlich ist das alles Zeit, was dann für den Bewohner fehlt. Also in der Zeit, wo ich dem eigentlich was zu essen reichen könnte, tu ich es dokumentieren oder überprüfe, ob es dokumentiert wurde.“ (K2_F4) Dieselbe Narration findet sich auch bei den Mitarbeiter_Innen, hier am Beispiel der examinierten Altenpflegekraft M2, als positiver konnotierter Ausdruck „Dann schreibe ich halt, habe heute das und das aus dem und dem Grund anders gemacht.“ (K2_M2) sowie negativ, aufgrund des Zeitaufwandes, betrachtet. „Es geht nicht nebenbei, wenn man es wirklich ernsthaft machen will. Selbst wenn man es mittlerweile im Schlaf kann, geht 's nicht nebenbei. […] Man muss sich doch schon viel dazu überlegen.“ (K2_M2) Für ZINNIA fällt auf, dass sich starke Bezüge zu Narrationen anderer Elemente der Makro-Ebene aufzeigen lassen. In diesem Zusammenhang finden sich bei der Pflegehilfskraft Anschlüsse zu einer Story der HL im Rahmen des Diskursiven. „Gut, die Kontrolle ist da. Es wird also keiner ‚unterpflegt‘. Denn man muss ja. Man kann ja nicht einfach nur hinschreiben, ich habe das und das gemacht. Es muss ja. Es hat mit Sicherheit Vorteile, dass es einfach übersichtlicher ist.“ (K2_M5) 163 Die Verbindung sehe ich dabei sehr deutlich in der Einbindung des Symbols des ‚Unterpflegtseins‘ und F1‘ Story zur Unmöglichkeit der Verwahrlosung älter Menschen, insbesondere in Deutschland. Durch eine solche Story der Undenkbarkeit schlechter Pflege – was sich auch in der (Nicht-)Rezeption der entsprechenden Kollektivsymbolik ausdrückt – wird die schlichte Hinnahme der entsprechenden Sicherungsmaßnahme durch den Gesetzgeber akzeptiert, weil das natürlicherweise nun mal so ist und von der Einrichtung durchgeführt werden muss. Deutlich wird das zum einen in der annähernd nicht vorhandenen Narration der juristischen Elemente, welche eine solche Bezugnahme herstellen (s.o.) und in der Story der PDL über die Gespräche mit den Mitarbeiter_Innen und die darin enthaltene Festlegung darin, welchen Zweck die Dokumentation erfüllt. „Natürlich macht ihr das. Wir sehen, dass wir das machen. Aber die Externen wissen nicht, was ihr macht. Das muss alles eingetragen sein, um das nachvollziehen zu können. Deswegen müsst ihr schauen: Eintragung, Dokumentation ist A und O.“ (K2_F2) Die Auslegung des Zwecks in dieser Story ist – nachweislich hier zumindest nur auf der Führungsebene – geknüpft an die Einschätzung des Sinns der Dokumentation. Wie bereits an anderer Stelle dieser Narration verdeutlicht, zeigt sich im Folgenden auch die Anlegung und vor allem aber die fortwährende Bedienung der Narration, sodass die Symbole, die Rhetorik und die Metaphern, welche darin eingebunden werden, in ZINNIA Rezeptivität aufweisen. In der thematisierten (einheitlichen) Zerrissenheit lässt sich darüber hinaus erkennen, dass diese Narration in ZINNIA auch im Circuit of Connectivity Beziehungen angelegt und Subjektpositionen transportiert hat. „Aber es macht für mich keinen Sinn, wenn bei den ADTLs erfasst werden muss, fühlt sich der Bewohner als Mann oder Frau, und man kann einfach keine Aussage machen und schreibt irgendeinen Mist da hin, nur damit da was steht und nur damit nachher dann irgendwo der Medizinische Dienst sieht, da steht was.“ (K2_F1) Aus dieser und der oben betrachteten Story der PDL im Rahmen dieser Narration ergeben sich für die Mitarbeiter_Innen zum einen die Einbindung aller Kolleg_Innen „Zum Beispiel morgen kommt eine Schülerin und ich schicke die zum Herrn Soundso rein, dann drücke ich ihr die Pflegeplanung in die Hand oder den Ablaufplan und sage: Hier kannst du nachlesen, was man am Morgen macht oder am Mittag oder in der Nacht - einfach so auch Hilfsmittel für uns, woran wir uns orientieren können.“ (K2_M1) und zum anderen auch die oben angesprochene Zerrissenheit. „Obwohl für uns Fachkräfte jetzt – ja, natürlich ist es stressig [… ]. Aber es erleichtert die Arbeit auch, weil man dann viel besser im Kopf hat das Ganze von den Leute einfach.“ (K2_M1) Die rationale Suche nach Schutz durch die Dokumentation drückt sich in einer Narration aus, welche sich so und ähnlich auch in anderen Einrichtungen findet. „Weiß nicht, meine Lehrerin hat mir damals gesagt: In dem Job steht man immer mit einem Bein im Knast. Das hört sich zwar jetzt drastisch an, ist aber so. Ein Pflegefehler kann überall passieren. Aber wenn man's nicht dokumentiert hat oder so […], dann muss man halt mit Konsequenzen rechnen.“ (K2_F4) Darin und in Verbindung mit der vorherigen Narration zur Dokumentation als solche erschließt sich auch die Wertung der Kontrollinstanzen. Auch hier zeigt sich die Aktivierung der gleichen narrativen Muster bei F2, zur Frage nach einflussnehmenden externen Akteur_Innen 164 „Ich finde, der MDK und die Heimaufsicht, denn die sind ausschlaggebend.“ (K2_F2) sowie bei F4 schon mit der Explikation der Wertung.150 „MDK, Heimaufsicht und wie sie alle heißen mögen, wo dann, glaube ich, mittlerweile mehr rumrennen als die Altenpfleger.“ (K2_F4) Dabei zeigt sich auch hier die Rezeption der Narration, wiewohl, wenn auch nicht so durchgehend, wie in der vorherigen Narration, die Zerrissenheit einzelner Individuen. „MDK wird immer so groß geredet halt.“ (K2_F3) Und hingegen an anderer Stelle: „Also, wir haben alle Angst vor dem MDK. Einfach nur, wenn ich sage, wie an dem Tag, wo es war, der MDK ist jetzt da, bitte nicht ins Schwesternzimmer kommen, einfach mal nicht reinkommen.“ (K2_F3) Und dadurch findet sich die homogene Narration in ZINNIA, bei den Führungskräften wie auch bei den Mitarbeiter_Innen, auch dahingehend, dass alle Dinge des Pflegeprozesses so in die Dokumentation eingetragen werden, damit die Kontrollinstanzen zufriedengestellt sind, damit der eigenen Person nichts passieren kann. In der Narration lässt sich abermals die bereits an anderer Stelle thematisierte Rationalität in ZINNIA erkennen, denn in einer Story über Dokumentation als Schutz vor negativen Folgen: „Zu so was kann man es auch gut gebrauchen“. (K2_F3) Gleichsam ist diese rationale Betrachtungsweise bei den Mitarbeiter_Innen sedimentiert und auch mit eigenen Subjektpositionen und entwickelten Praktiken verbunden. „Ich mein, bescheißen kann man viel. Also heißt es: Nur das was geschrieben steht, ist gemacht.“ (K2_M4) „Wenn man weiß, die kommen, die guckt man schon vielleicht mal ein bisschen genauer, könnte ja auch sein oder so. Ja, man muss dann eigentlich auch gewieft sein.“ (K2_M2) Bei M2 finden sich darüber hinaus wieder die Bezüge zur Zeitdiagnose der Herstellung von Normalität im protonormalistischen Sinne. „Wenn ich das begründen kann und wenn die [der MDK, M.R.] sehen, ich tu was dafür, dass es wieder zur Normalität kommt, dann ist das kein Problem.“ (K2_M2) Auch in Bezug auf andere Narrationen zeigt sich der Niederschlag bei den Führungskräften wie auch den Mitarbeiter_Innen in ZINNIA. Für die Festlegung der Pflegestufen aus der Dokumentation heraus stellt sich die dabei bediente Story bei F1 in Verbindung mit dem betriebswirtschaftlichen Argument der Marktförmigkeit dar. 150 Diese subjektiv spezielle Wertung, welche jedoch auch in der gesamten Organisation als (de)legitimatorischer Effekt zu Tragen scheint, kann an anderer Stelle bei F4 Begründung erfahren: „Aber wie schon gesagt, die ganzen Richtlinien werden halt von Leuten gemacht, die eigentlich mit der Sache gar nicht viel zu tun haben.“ (K2_F4) 165 „Es ist ja so, dass wir entsprechend der Pflegestufen soundso viel Personal hier haben müssen auch entsprechend noch mal 50 % Fachkraftquote und dann ist gut. Wir dürfen da natürlich nicht drüber liegen, weil wir sonst nicht refinanziert sind.“ (K2_F1) Bei M4 hingegen ist dieselbe Narration des Elements aus dem Juristischen interessanterweise in eine praxisorientierte Story eingebunden, in welcher die oben bediente Möglichkeit des ‚Beschiss‘ auch rausfällt. „Ich muss schon richtig dokumentieren. Denn daraus ergibt sich ja nachher die Pflegestufe und so und die Pflegeplanung. Sind viel Dinge sehr wichtig.“ (K2_M4) Als letztes Element des Juristischen, welches in eine Narration in ZINNIA eingebunden ist, findet sich die Publikation der Prüfergebnisse des MDK. Hierbei fällt jedoch auf, dass diese Narration ausschließlich auf der Führungsebene narriert wird. Bei der PDL ist dabei eine deutlich negative Beurteilung der entsprechenden Maßgabe vorhanden. Die entsprechende Story ist der Vergleich zur Schulzeit und dem dortigen Druck bei der Notenvergabe. „Aber dieses Notensystem, das kennen wir ja alle von der Schule her, das ist dann noch mal ein bisschen so mit Angst verbunden. Und es sagt nicht direkt was über das Haus aus.“ (K2_F2) Bei der WBL F3 ist die Story vielmehr eine betriebswirtschaftlich inspirierte durch den Rekurs auf die Wettbewerbssituation zwischen den Einrichtungen, „Für jedes Heim ist es ein Druck. Denn du kriegst ja keine Leute mehr rein, wenn du hier eine Drei stehen hast. Du kriegst einfach keinen mehr rein, wenn der nebendran eine Zwei hat. Für das Haus an sich finde ich es nicht gut. Für Angehörige finde ich es gut“. (K2_F3) wohingegen bei der anderen WBL abermals die Sinnfrage gestellt wird, da die Story die Genauigkeit der Abbildung hinterfragt. „Wobei ich jetzt wieder sagen muss, mit dieser ganzen Beurteilung, die da jetzt im Laufen ist, ist ja alles schön und gut, aber es spiegelt auch nicht das wahre Bild vom Heim wider.“ (K2_F4) Vor dem Hintergrund, dass die HL angibt „Ich kann es Ihnen so sagen: Wir haben eine 1,0 und wir haben das natürlich hier veröffentlicht und die Mitarbeiter waren - wir sind da stolz drauf. Wie ich mit dieser 1,0 im Weiteren umgehe, wenn ich nächstes Jahr eine 1,7 habe, das weiß ich auch noch nicht.“ (K2_F1) ist es schwierig eine Begründung zu finden, warum die Narration ausschließlich auf der Führungsebene Niederschlag gefunden hat und von keiner/m Mitarbeiter_In bedient wurde. Eine Möglichkeit wäre die in den Interviewsituationen wiedergegebene ablehnende Haltung gegenüber dem sehr guten Prüfergebnis durch die Führungskräfte. Eine etwaige generell abschätzige Narration innerhalb der Einrichtung könnte bei den Mitarbeiter_Innen – im Gegensatz zu F1‘ Annahme des Stolzes über die Leistung – bei den Mitarbeitenden dazu geführt haben, das Ergebnis gar nicht zu würdigen, da die Wertung in ZINNIA die ist, dass die Benotung für ein Haus nicht gut ist, die Realität nicht wiederspiegelt und unterm Strich nichts aussagt. Für die Analyse des Niederschlags des Juristischen in ZINNIA konnte festgestellt werden, dass weitgehend konsistente Narrationen vorherrschen. Es ist aufgefallen, dass selbst Unklarheiten in der Positionierung über die drei Circuits hinweg übernommen werden können, wie es im vorliegenden 166 Fall deutlich wurde. Es konnte in der Analyse der juristischen Elemente abermals kein_E Change Agent in ZINNIA identifiziert werden. d) Das Betriebswirtschaftliche Es zeigt sich auch in Bezug auf die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie eine sehr kongruente Narration in ZINNIA. Dabei ist auch die Basis der Argumentationslinie in der gerontologischen Literatur in der Organisation angelegt. „Es kommt ein Riesenkuchen auf uns zu. Das ist demografisch begründet einfach mal Tatsache. […] Wer von diesem Kuchen was abbekommt, ist eben noch die große Frage.“ (K2_F1) Es wird bereits hier deutlich, dass die Einbettung in eine Story anders verläuft als bei den Elementen der Makro-Ebene. F1 bedient hier Tatsachen und bindet diese in die Story durch die Nutzung weithin einer anschlussfähigen Metaphorik ein. Im Sinne der Ergebnisse des analytischen Rahmens ist damit ein Grundstein für die betriebswirtschaftliche ‚Mainstream-Argumentation‘ angeeignet, was sich in der Narration weiterer Argumente zeigt. Es finden sich folglich in ZINNIA der Wettbewerbsgedanke in der Tätigkeit der Altenpflege und die darauf aufbauende Maßgabe der Ausrichtung an den Marktgegebenheiten. Dabei stellt die HL die Frage eines Wettbewerbsvorteils durch die Trägerschaft von ZINNIA, wobei diese Story auch argumentative Zusammenhänge des Sozialen aufweist. „Setzen sich hier private Anbieter durch, die auf Grund ihrer Nicht-Tarifgebundenheit sehr viel zum Teil auch günstiger anbieten können wie wir als kirchliche Einrichtung, oder bewahrheitet sich, dass wir aus der Historie her eben die sind, die Altenhilfe in Deutschland dominieren?“ (K2_F1) Die entsprechende Narration ist jedoch widererwarten nicht die, dass eine konfessionelle Einrichtung alleinig durch eine assoziierte Reputation in der Gesellschaft einen Vorteil erlangen könnte, sondern vielmehr die einer ökonomisch geprägten Hilfstätigkeit, welche den äußeren Schein glückseligen Verrichtung behält. „Es ist eine Dienstleistung, keine Frage. Nur schauen wir natürlich auch darauf, dass dann die Bewohner bzw. die Mitarbeiter das Verständnis mehr nicht nur auf den Hinblick auf Dienstleistung sehen, sondern es muss Spaß machen. Und nur dann kann man was erreichen.“ (K2_F2) In anderen Stories fällt jedoch auf, dass dabei nicht nur die Mitarbeiter_Innen, sondern ebenso die Zupflegenden in diesen Schein eingebunden werden, um am Markt zu bestehen. „Und ich sage mir die [die Bewohner_Innen, M.R.] repräsentieren unser Heim.“ (K2_M4) Dabei zeigt sich in ZINNIA auch organisationsübergreifend deutlich das diskursive Argument der Best Nursing Practice, welche im Besonderen von Funktionalität geprägt ist. Bei F1 findet sich dieses Argument in der Story über die Negation des Zeitproblems. „Und es ist ein Klischee, dass man früher mehr Zeit hatte. Das stimmt nicht.“ (K2_F1) Bei der WBL F3 drückt sich das diskursive Argument im optimalen Umgang mit der Situation aus, welche nur entsprechend im Ablauf organisiert werden muss. „Man muss sich nur organisieren, dann geht das auch. Das ist alles im Ablauf mit drin. Das gehört dazu. Wenn ich einen Bewohner mache, wenn ich fertig bin, mache ich meine Dokumentation und gehe zum nächsten. Dann ist das erledigt.“ (K2_F3) 167 Die Dokumentation wird, wie bereits in der Analyse des Juristischen angesprochen, ebenso pragmatisch betrachtet und funktional in den Pflegeprozess eingebettet, wie es auch bei M2 zum Ausdruck kommt. „Neben der Pflege her. Ich muss ja nicht mehr denken. Zumindest wenn man länger schon dabei ist, braucht man nicht mehr denken: Jetzt muss ich waschen, jetzt muss ich so. Das geht ja automatisch. Du wäschst, wechselst die Einlagen, du setzt jemand auf den Topf und nebenher wird geredet.“ (K2_M2) Dabei wird deutlich, dass durch die standardisierte Organisation des Pflegeprozesses auch ein Nachdenken über die Abfolge von Arbeitsschritten als unnötig erachtet wird. Hingegen werden Hinweise von Kolleg_Innen in Form von Feedback über eventuelle inhaltliche Entwicklungsmöglichkeiten von der WBL F4 als Potentiale beurteilt, da diese ja ebenso aus der (organisationsinternen) Praxis für wiederum die eigene Praxis kommen. „Das sind ja eigentlich eher Verbesserungsmöglichkeiten immer, wo man versucht, wirklich das Beste dann wieder raus zu filtern.“ (K2_F4) Anhand dieser Narration ist im besonderen Maße zu beobachten, wie sich verschiedene Stories mit Metaphern und Symbolen um eine Narration ‚ranken‘. Bei M1 wird deutlich, dass sowohl die Zupflegenden und deren Erscheinung mit der Ablehnung der Existenz eines Zeitproblems argumentativ in Einklang gebracht werden. „Aber meistens nehme ich mir auch die Zeit einfach. Denn es hat auch für mich keinen Sinn, wenn ich hier nur rumrenne und nur im Stress bin. Und das spiegelt sich ja auch auf die alten Leute ab.“ (K2_M1) Es drückt sich auch hier wieder der starke pragmatische Impetus aus, welcher in ZINNIA stark präsent ist. Bei F1 stellt sich dieser Aspekt auch in der Nutzung der Pflegestufen für die Finanzierung der Einrichtung heraus. „Wir haben ja großes Interesse daran, Leute auch in Pflegestufe III rein zu pflegen und die dann, bitteschön, dort auch zu lassen.“ (K2_F1) Ähnlich, wenn auch in einer anderen Story und anderen Verknüpfungen stellt sich dasselbe diskursive Argument bei der PDL und auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen heraus. „Aber so der Standard, wie handelt eine Fachkraft nach Expertenstandard jetzt gesehen, funktioniert jetzt, weil die Einführung von Expertenstandards jetzt auch optimal durchgeführt wurde. Es gab eben Fortbildungen, wo die Fachkräfte sich getroffen haben und wo dann die Expertenstandards vorgeführt wurden und sonach strukturiert abgearbeitet wurden.“ (K2_F2) Bei M2 fällt auf, dass auch hier ein sehr starker Pragmatismus ausgebildet ist. Weiter oben wurde M2 noch zitiert mit einem Bezug auf das unnötige Nachdenken durch einen standardisierten Arbeitsprozess. Dabei wird jetzt deutlich, dass dies keinesfalls als Resignation zu interpretieren ist, da hier der sachdienliche Hintergrund dessen hervorgehoben wird. Es ist ja Vorschrift, dass ich mich an die Standards halte. Aber wenn ich einfach sehe, heute geht 's nicht, dann […] von mir aus heute nicht. Das hat ja auch keine Konsequenzen, also rechtliche Folgen oder so. Aber da, wo rechtlich einfach was draus entstehen könnte oder auch Gefahr entstehen könnte. Wenn man einmal nicht wäscht, entsteht ja keine Gefahr für den Menschen.“ (K2_M2) 168 Ein weiteres diskursives Argument der betriebswirtschaftlichen ‚Mainstream‘-Argumentationslinie ist das der Etablierung eindeutiger Belegungspläne für die Mitarbeitenden, sodass sich daraus, neben Zeiten, ebenso eindeutige Zuständigkeiten ergeben. Dieses Argument findet sich bei der HL, wobei hier auffällig, dass darin ebenso das Argument des Empowerments der Mitarbeiter_Innen in die Story integriert ist. „Es gibt auf den Stationen Bezugspflegekräfte. Denen sind jeweils eine Anzahl x Bewohner zugeordnet und die kümmern sich darum, dass die Pflege dort so ausgeführt wird, wie sie grundsätzlich auch geplant ist. Aber das hat mit der Pflegedienstleitung oder gar mir überhaupt nichts zu tun.“ (K2_F1) Das diskursive Argument der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie des Empowerments der Mitarbeiter_Innen, um deren Potentiale besser für die Organisation nutzen zu können, findet sich nicht nur bei der HL, sondern auch bei der PDL. „Es ist so, dass die Fachkräfte, dadurch dass wir sie eben selbstständiger arbeiten lassen - sie wissen, sie sind Fachkraft, sie haben die Schichtleitung, sie sind automatisch Schichtleitung, sie wissen, was sie zu tun haben im Hinblick auf Teamgespräch, wo man das immer wieder erläutert, einfach da noch mal genauer drauf zu gucken, was ist denn eigentlich Aufgabe.“ (K2_F2) Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen ist das Argument als solches auffindbar, wobei hier anzumerken bleibt, dass bei M2 eher die Folge der Praktik, auch im Sinne einer Subjektposition, dargestellt wird, denn das diskursive Argument als solches. Daraus ergibt sich nur ein Hinweis darauf, dass eben jene Narration den Circuit of Connectivity ‚erfolgreich‘ erreicht und durchlaufen hat. „Also irgendwo die Rückkopplung schon, sicherlich. Und dadurch kam das zustande, schätze ich einfach, weil ich einfach dann auch freier wurde im Umgang und mir nicht mehr überlegt habe, wenn ich dies sage oder jenes sage, hoffentlich kommt das jetzt nicht falsch an, sondern ich kann so sein, wie ich bin.“ (K2_M2) Hierfür ist darüber hinaus anzumerken, dass sich das Empowerment als diskursives Argument nur bei Führungs- und examinierten Kräften aufzeigen ließ, bei Hilfskräften jedoch nicht. Abermals in Bezug auf die Narration der Eindeutigkeit in den Belegungsplänen, kann festgestellt werden, dass dieses diskursive Argument auch bei der WBL F4 präsent ist, indem sie die Unterschiede in zwischen examinierten Pflegekräften und Hilfskräften verdeutlicht, ohne dabei jedoch die Hilfskräfte geringzuschätzen. „Wobei halt die Pflegehelfer wirklich für die Bewohner da sind, natürlich auch ihre Eintragungen machen, aber wirklich im hauptsächlichen Sinne gucken, dass es den Bewohnern gut geht, also dass da alles stimmt. Natürlich wir sind auch in der Pflege drin, aber wir können auch nicht die Übersicht über alles haben. Ohne Helfer geht es halt nicht.“ (K2_F4) In der Narration des Arguments in ZINNIA kommt zum Ausdruck, dass es eindeutige Vorgaben hinsichtlich der Handlungsabläufe und Kompetenzbereiche gibt, sodass es überflüssig wird, dass die Mitarbeiter_Innen situative Anleitungen durch Vorgesetzte benötigen. Darüber hinaus kann hier das erste Mal der Kreis um potentielle Change Agents enger gezogen werden. Durch eine hierarchisch bedingte Position konnte hier offensichtlich das Argument in den organisationalen Diskurs eingebunden werden. Die Narration ist dabei abermals über die gesamte Organisation hinweg feststellbar. Bei M1 als examinierte Kraft findet sich bspw. ebenso die Achtung vor der Arbeit der Hilfskräfte. 169 „Beides. Ich denke, für die Hilfskräfte ist es auch nicht immer einfach. Sie müssen auch viel machen, wo wir nicht gerade Zeit dafür haben“ (K2_M1) Dabei werden dadurch entstehende Konfliktpotentiale zwar erkannt und auch in die Story eingebunden, jedoch in derselben Story wieder relativiert. „Helfer müssen schon ein bisschen mehr rennen. (lacht) Das ist wirklich so. Die Fachkräfte haben halt mehr zu dokumentieren, zu schreiben. Dann ist es für mich eigentlich klar, dann gehe ich auf die Klingel, wenn 's klingelt.“ (K2_M3) „Ich bin jetzt Helferin. Das ist natürlich was anderes als eine Fachkraft. Fachkräfte haben ganz andere Aufgaben. Als Fachkraft mache ich Sachen, die eine Helferin nicht macht, oder auch umgekehrt. […] Die werden hektisch und schieben natürlich dann auch Aufgaben vielleicht einfach an uns Helfer ab. […] Also uns belastet es genauso wie die Fachkräfte. Es wird halt auf uns abgewälzt.“ (K2_M5) Es scheint sich jedoch auch zu belegen, dass die Change Agents hier zwar anscheinend die Narration vorgeben und initiieren konnten, jedoch auch ein Wandel in den Stories durch die Akkumulation von diskursiven Argumenten innerhalb einer Organisation dargestellt werden kann, wie es in der oben dargestellten, von F4 zum Ausdruck gebrachten Achtung vor den Pflegehilfskräften erkennbar wird. Dieser Einfluss ‚von unten‘ wird auch von der examinierten Pflegekraft M4 beschrieben. „[I]ch habe das auch schon erlebt, dass da eine Helferin meint: ‚wir haben ja einen schlauen Job, wir sitzen nur im Schwesternzimmer rum und schreiben ein bisschen; das möchte ich auch mal und ich muss draußen rennen und auf die Glocke‘ usw.“ (K2_M4) Nichtsdestotrotz ist dabei von der Führungsebene deutlich hervorgehoben, dass das diskursive Argument der Qualität des Personals stark daran gebunden ist, wie die Mitarbeiter_Innen bereit sind, sich den strukturellen Vorgaben, auf Basis dessen eigenständige Entscheidungen getroffen werden können, anzupassen. Dieses Argument finden sich sowohl bei der HL „Fluktuation auch von uns ausgelöst, gerade in den letzten drei Jahren ist natürlich auch so, dass wir einen gewissen Anspruch haben. Und da merken verschiedene, das passt nicht mehr zu mir, ich kann mir hier mein Ding nicht mehr ausleben.“ (K2_F1) wie auch bei der PDL „Das sind lauter so Sachen gewesen, wo einfach nicht einstimmig war, ja dann rufen wir die Wohnbereichsleitung an, die muss sich darum kümmern. […] Und das in die Köpfe zu bekommen, das hat ein bisschen Arbeit gekostet, aber es hat sich bewährt, und eben durch die Formalitäten mit der Stellenbeschreibung usw. und Gespräche klappt das wunderbar.“ (K2_F2) und einer WBL, welche darüber hinaus und als einzige mit dem Fachkräftemangel argumentiert. „Zweitens findet man - ich weiß nicht, ob es jetzt wenig gut ausgebildete Kräfte, die halt dann auch in das Heim passen.“ (K2_F4) In Zusammenhang damit werden auch zwei weitere diskursive Argumente der betriebswirtschaftlichen Mainstream-Argumentation in die Narration von ZINNIA eingebunden. So stellt die HL in Bezug auf das Teamwork heraus: „Ich glaube nicht, dass ich jetzt jemand da so rausnehmen kann, dass ich sage, gut, machen Sie hier nur fünf Bewohner, wenn er eigentlich zehn müsste.“ (K2_F1) 170 Dasselbe Argument findet sich auch bei der M4 auf Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Aber für mich ist es Kollegialität, wenn ich auch auf die Glocke gehe. […] [I]ch weiß ja, die ist auch beschäftigt, und dann gehe auch ich, obwohl ich da noch Schreibkram hätte.“ (K2_M4) Diese Förderung von Teamwork ist auch der Identifikation mit der Organisation als solche zuträglich. Auch dieses diskursive Argument findet sich in ZINNIA. In Zusammenhang mit dem Klima unter den Beschäftigten stellt F4 fest, dieses sei „Gut bis sehr gut. Wir gehen miteinander essen, wir machen Ausflüge zusammen. Man verbringt so viel Zeit hier, Wochenenden, Feiertage. Also wenn da das Team nicht stimmen würde, ich glaube, dann wäre es wirklich schwer.“ (K2_F4) Die Story der gemeinsamen Ausflüge als Integration fördernde Maßnahme wird dabei ebenso von F1 aktiviert. „Ich nehme viele Mitarbeiter wahr, dass sie schon sehr identifiziert sind mit der Einrichtung, mit dem, wie ich das hier leite. Also die machen einfach mit. Zum Beispiel waren jetzt so Sachen, dass wir mit Bewohnern eine dreitägige Freizeit in Weißloch machen. Das habe nicht ich initiiert, sondern das kommt aus den Reihen der Mitarbeiter. Die haben da Lust dazu.“ (K2_F1) Es ist hierin offensichtlich, dass F1 diesen Zusammenhalt explizit als seinen Führungserfolg verbucht. Des Weiteren fällt auf, dass diese Narration überwiegend von den Führungskräften getragen wird und weniger von den Mitarbeitenden. Eine Erklärung dafür könnte darin gesehen werden, dass die Rückbindung dessen auf diskursive Argumente aus der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie so in dieser Art überwiegend auch nur von Individuen getragen kann, welche sich mit den entsprechenden Argumenten auseinander gesetzt haben. Da diese Argumente auch eher handlungsweisenden Charakter haben und weniger erklärenden Charakter aufweisen, sind sie unter Umständen auch nicht über verschiedene hierarchische in die Stories und Narration von ZINNIA eingebunden und können somit auch keine Rezeptivität bei den Beschäftigten aufweisen, da sie nur in der Konsequenz der Handlung wahrgenommen werden. In Verbindung mit diesen diskursiven Argumenten steht das von F1 bereits dargestellte Führungsverhalten als wichtiges Argument in Zusammenhang mit dem betriebswirtschaftlich legitimierten Betreiben einer stationären Altenpflegeeinrichtung. Dabei ist bei der PDL an etlichen Stellen der Verweis auf eine Mitarbeiter_Innenführung, welche darauf hinwirkt, dass die Beschäftigten Spaß an der Arbeit haben. „Es kommt nur darauf an, wie man die Mitarbeiter führt, wie man sie lenkt, wie man sie darauf hinspitzt, das so zu sehen, dass es Spaß macht.“ (K2_F2) Dabei fällt auch auf, dass sie für die gesamte Führungsebene spricht, wobei sie den WBLen eine gesonderte Stellung einräumt. „Aber wenn dann quasi die Wohnbereichsleitung oder die Führungsebene allgemein darauf lenkt und wie es jetzt auch ist, das Klima -muss ich wirklich sagen -, dann kommt es zu dem Punkt, dass es Spaß macht. Und es muss eine Einheit sein. Ohne das funktioniert es in meinen Augen nicht.“ (K2_F2) Die Adressierung des gesamten Leitungspersonals kann dabei in der argumentativen ‚Abgabe‘ der entsprechenden Position durch die HL gesehen werden. 171 „Wenn Sie sich die anderen Häuser angucken - gut, es ziehen welche nach, aber ich denke, wir sind hier schon relativ weit -, dann ist es so, dass die dominante Person im Haus die Pflegedienstleitung ist.“ (K2_F1) In Zusammenhang damit steht auch die entsprechende Weiterbildung der PDL in Hinblick auf ihre Führungsqualifikation. Diese wurde über zwei Jahre hinweg finanziert durch den Verband, von welchem ZINNIA getragen wird, und hat für F2 einen besonderen Wert „[d]enn es ist einfach für die Personenentwicklung noch mal mehr, wie man damit umgeht.“ (K2_F2) Das im Rahmen der Weiterbildung gewonnene Führungsverständnis von F2 drückt sich wie folgt aus. „Es ist erst mal so, dass die Wohnbereichsleitungen mit Mitarbeiter führen und lenken und demnach wenn irgendwelche kritische Situationen sind, die Informationen an mich weitergehen, ich dann versuche, mit dem Mitarbeiter zu sprechen. Ich mache dann ein anlassbezogenes Mitarbeitergespräch, erkläre ihm dann, wie und was, warum das so ist. So kann ich es einfach nur herausfinden durch ein Gespräch und kann natürlich dann auch im Hinblick dann Druck geben: Wenn das dann so und so nicht passiert, dass es dann je nachdem Konsequenzen gibt.“ (K2_F2) Dabei fallen mehrere Aspekte auf. Zum einen wird hier ein eher patriarchales Führungsverständnis151 deutlich, welches F2 als gütige Autorität mit Weisungsvermögen und –bestreben darstellt. Zum anderen stellt F2 sich hier ebenso, wie bereits F1, als den WBLen nachgestellte hierarchische Instanz dar. Diese ‚Zuweisung‘ von Führungsverantwortung wird auch bei den WBLen so aufgenommen und in der Narration weitergegeben. „Bei mir war es am Anfang auch so, dass ich gedacht habe: hm, ob sie mich so akzeptieren? Denn es sind alle älter als ich. Aber jetzt merke ich auch von denen, dass sie mich voll akzeptieren und das, wenn ich irgendwas sage, wie es laufen muss, dass es gemacht wird. Ich habe jetzt kein Problem mehr.“ (K2_F3) „Jeder geht halt ein bisschen anders vor als Stationsleitung, hat so ein bisschen auch vielleicht eine andere Führungsebene, wo er die Leute hinbringen will. Aber jeder hat seine andere Herangehensweise“ (K2_F4) Dabei ist zwar deutlich, dass den WBLen – wie auch bereits in vorher untersuchten Fällen – eine besondere Rolle attestiert wird, jedoch findet sich auch in Bezug auf die Story von F4 eine eher entgegenstehende Haltung der HL. „Wir haben da auch ein hausinternes Leitbild. In dem Leitbild stehen auch verschiedene Kriterien drin, an die wir uns halten. […] Das ist auch in jedem Wohnbereich ausgehangen. Das sehen die Mitarbeiter und das wissen sie auch, dass es das gibt.“ (K2_F1) 152 Daraus ergibt sich für ZINNIA, dass eine WBL sich nicht, wie es in den vorher betrachteten Fällen teilweise beobachtet werden konnte, als Change Agent etabliert. Vielmehr werden die Führungskompetenzen der WBLen dem Anschein nach durch das Auftreten der HL weiterhin an F1 gebunden. Dies drückt sich bei den WBLen selbst aus. 151 Es ist offensichtlich, dass hier keine annähernd fundierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Führungsstilen, deren Charakteristika und Bestimmungen geleistet werden kann. 152 Es versteht sich von selbst, dass in diesem Leitbild nicht ausschließlich führungsrelevante Inhalte enthalten sind, sondern ebenso Fragen des Umgangs mit den Bewohner_Innen und Aspekte, welche im weiteren Verlauf in der Analyse der akademischen und der sozialen Argumentationslinie deutlich werden (vgl. K2_F1). 172 „Doch. Ich bin jetzt auch von dem Heim sehr überzeugt. Seit unser [Heimleiter] da ist, hat sich viel geändert, es ist sehr viel ins Positive gewandert. Wo ich angefangen habe, gab es schon noch einige Mängel. Es war noch nicht optimal und ist jetzt eigentlich auf einem guten Stand. […] Die jetzige Heimleitung hat für alles ein offenes Ohr. Man kann vortragen, was man will. Es wird immer gleich geguckt, dass was passiert. Kontrolle ist halt auch da, dass alles wirklich gut läuft - also jetzt nicht im schlechten Sinne, dass man sich kontrolliert vorkommt. […] Und ich denke auch, das Zusammenspiel in der oberen Etage ist gut. […] Ich denke, das Klima ist einfach in Ordnung im Heim.“ (K2_F4) Ebenso lassen sich entsprechende Hinweise bei der PDL finden, indem eine scheinbar nachgeschobene, randständige Nennung der WBLen bei der Beurteilung des Anteils an der Qualität des Personals in der Story erfolgt. „Und die Mitarbeiter, die wir jetzt haben, die sind aufgerüstet worden. Die sind jetzt nach dem Standard gerüstet, wie wir es uns vorstellen. Und deswegen denke ich einfach mal als erste Linie die Ebene der Führungsleitung sprich Heimleitung wirkt da viel dazu, Pflegedienstleitung und natürlich auch Wohnbereichsleitung.“ (K2_F2) Des Weiteren findet sich dieser Aspekt auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Ja natürlich, das trägt auch dazu bei. Aber ich finde, so wie es gerade läuft mit unserem neuen Chef, so gehört sich's auch. Also er ist streng, er setzt seine Sache durch, so soll es ja auch sein. Er guckt wirklich drauf. Aber er ist auch nett und kann auch einem zuhören und so.“ (K2_M1) Es wird hierin abermals der starke Bezug innerhalb von ZINNIA zu dem Zeitdiagnostischen deutlich. Gleichwohl wird das Führungsverhalten der HL mit betriebswirtschaftlich fundierten Symbolen versehen, auf welchen, ähnlich der entsprechenden Aussage F1 weiter oben, die positive Erscheinung der Einrichtung basiert. Es wird darüber hinaus deutlich, dass Erfolg damit in ZINNIA auch mit dem Innehaben von Positionen assoziiert wird. „Ich denke, erfolgreich in dem Beruf würde ich mich persönlich erst fühlen, wenn ich irgendeinen hohen Stellenwert hier im Haus hätte. […] Wundmanagerin oder Wohnbereichsleitung oder/“ (K2_M1) Für den semantischen Kern der ‚Mainstream-Argumentation‘ in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie finden sich ein letztes diskursives Argument in der organisationalen Narration von ZINNIA. Neben den bereits aufgezeigten Bezügen zur Kontrollgesellschaft findet sich darüber hinaus auch das diskursive Argument der Wichtigkeit von Kontrolle und Überwachung für einen guten (im hier vertretenen Sinne der Argumentationslinie) Betrieb der Einrichtung. Bei der HL drückt sich diese Narration in der Narration darüber aus, dass die Organisation der Einrichtung so gut funktioniert, dass die PDL an sich keine Kontrollfunktion mehr übernehmen muss, sondern nur noch die Durchführung der Kontrollen sicherstellen muss. „Die Pflegedienstleitung muss höchstens mal noch kontrollieren, ob die Pflegevisiten dann, die wir ja auch durchführen, die sie kreuzweise über die Station macht, ob die durchgeführt werden.“ (K2_F1) An dieser Stelle ist das Argument auch bei den Mitarbeiter_Innen sedimentiert und in die Narration eingebunden. Bei M1 stellt sich eine Story dar, in welcher ein durch die Kontrolle und Überwachung der Tätigkeit entstehender Druck mit einer geringen Wertung versehen wird und eine im Grundsatz positive Notation erfährt. „Natürlich steht man immer ein bisschen unter Druck. Denn wenn irgendwas immer kontrolliert wird, will man es ja gut machen, und es läuft halt nicht immer gut.“ (K2_M1) 173 Bei einer weiteren examinierten Kraft M2, werden die de facto durchgeführten Pflegevisiten gar nicht (mehr) als Kontrolle empfunden, sondern sind in eine Story des Vertrauens gegenüber den Beschäftigten eingebunden. „Doch, am Anfang war schon mal Kontrolle. Aber man hat auch ein Vertrauen zu den Mitarbeitern, und das muss man auch haben.“ (K2_M2) Auch bei den Hilfskräften findet sich die Narration der Wichtigkeit von Überwachung, eingebunden in eine Story über alltägliche Situationen, wie sehr schön in der Rückbindung auf das aktuelle Geschehen in der Erhebungssituation zu sehen ist. „[H]eute ist anscheinend auch Bürotag, und da schreibt die Fachkraft dann ihre Bewohner, tut sie bearbeiten; guckt, ob das ordentlich gemacht ist mit dem Wiegen oder ob man jemand vergessen hat.“ (K2_M3) Dabei ist auffällig, dass hier zum einen Kontrolle delegiert ist, über die oben beschriebenen Mechanismen der Zuweisung von Führungsverantwortung. Andererseits sticht natürlich ebenso ins Auge, dass auch diese Narration des diskursiven Arguments das komplette Modell der Aufnahme überorganisationaler Elemente in einer narrierender Organisation durchlaufen hat. In ZINNIA finden sich auch Bezüge zu einem weiteren semantischen Kern der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie. Dabei kann jedoch gleich an dieser Stelle festgehalten werden, dass Narrationen personalwirtschaftlicher Argumente nur sehr gering ausgeprägt sind. Neben den bereits dargestellten Fragen der Teamzusammensetzung ist die Narration zur Motivation der Mitarbeiter_Innen abermals nur bei Führungskräften illustrierbar. Eine etwaige Begründung dafür könnte in den gleichen Zusammenhängen gesehen werden wie oben. Die Narration bei den Führungskräften zeigt sich bei der HL in der Präsentation der Mitarbeiter_Innenbefragung in der Interviewsituation.153 „Es gibt eine relativ aktuelle Befragung - glaube ich, ein Jahr alt -, wie zufrieden die sind.“ (K2_F1) Auch bei der WBL F3 zeigt sich die geteilte Narration dieses Arguments. „Schon zufrieden. Ich höre es immer wieder. Ich gucke auch immer, dass ich irgendwas mache. Jetzt habe ich ein Wunschbuch gemacht für Dienstpläne, wo sie ihre Wünsche eintragen können. Ich gucke auch, dass ich entgegenkomme, dass ich alles mache, dass die zufrieden sind.“ (K2_F3) Bei der PDL zeigt sich das Argument der Reflexion über die Motivation und die Zufriedenheit der Mitarbeiter_Innen, abermals in einer Story über den eigenen Stil im Führungsverhalten. „Denn ohne das kommen wir auch nicht weiter, wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden sind und wenn sie nicht die Arbeit leisten, wie wir uns das wünschen. Und wenn sie dann unzufrieden sind, denke ich einfach mal, wären wir auch nicht auf diesem Stand. Also ich muss dann schon gucken, dass die Einheit Mitarbeiter, dass die einfach zufrieden sind. Ohne das kriegen wir das nicht hin.“ (K2_F2) Der Vollständigkeit halber ist noch zu vermerken, dass der dritte semantische Kern, welcher in der in der Analyse der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie identifiziert wurde, die kritische Betriebswirtschaftslehre, in ZINNIA an keiner Stelle in narrativ wiedergegeben wurde. Es ist somit 153 In einer Darstellung der Befragung war das Ergebnis, dass 62 % der Befragten angaben, die Arbeit gefalle ihnen gut 174 davon auszugehen, dass die entsprechenden diskursiven Argumente keinerlei Aneignung in diesem Fall erfahren haben. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Narrationen der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie in ZINNIA über den gesamten Fall hinweg sehr gut nachzuzeichnen sind. An den ausgewiesenen Stellen konnte gezeigt werden, dass die HL und die PDL teilweise als Change Agents agieren, und die darüber initiierten Narrationen auch weitergetragen werden und weitestgehend homogen sind. Es ist deutlich geworden, dass personalwirtschaftliche Argumente kaum Niederschlag erfahren in ZINNIA erfahren und diskursive Argumente einer kritischen Betriebswirtschaftslehre gar nicht rezipiert wurde. e) Das Akademische Für die akademische Argumentationslinie kann zunächst festgestellt werden, dass alle drei semantischen Kerne auch in den Narrationen von ZINNIA nachgewiesen werden können. In Bezug auf den semantischen Kern der Suche nach Nähe zur Medizin, kann abermals eine homogene Rezeption bei den Führungskräften wie auch den Mitarbeiter_Innen gezeigt werden. Das diskursive Argument der Aufnahme von pflegerischen wie medizinischen Innovationen zeigt bei F1 in der Story über die fachspezifische Fokussierung im Alltag und die darin enthaltene Bezugnahme zu medizinischen Berufsgruppen. „Denn jeder Pflegende, auch ich, hat eine gewisse Beobachtungsgabe. Das wissen Sie auch. Und jeder Arzt guckt und jeder Krankenpfleger guckt einfach schon aus seiner pathologischen Sicht, weil der halt auch zehn Jahre lang in allen möglichen Institutionen, Krankenhäusern und so gearbeitet hat, und ich sehe das halt oder ich gucke so. Also ist dieser ganzheitliche Ansatz beim gleichzeitigen Auftreten einer Berufsgruppe für mich schon mal ausgeschlossen und von daher auch Quatsch in sich.“ (K2_F1) Die Entwicklung in der Gerontologie und die entsprechenden Auswirkungen auf den ‚Blick‘ der Pflegekräfte zeigt sich auch bei den Mitarbeiter_Innen. Aber vor fünf Jahren war das, als ich angefangen habe mit der Ausbildung, schon wieder ganz anders wie jetzt, weil ja die Pflegeforschung immer weiter wächst und weiter und es kommen neue Papiere und es kommen neue Forschungen über Wunden und die muss man ja alle wieder auffrischen und es verändert sich immer.“ (K2_M1) Gleichsam findet sich das diskursive Argument des Strebens nach Anerkennung über die Wahrnehmung als wahrhaftige Wissenschaft. Abermals bei F1 drückt sich das Argument in der allgemeinen Beschwerde über die kognitiven Fähigkeiten der in dem Beruf Tätigen aus „Das ist halt so ein Phänomen in dem Beruf, dass eigentlich Leute, die auch vielleicht zerebral etwas fähiger sind, die verlassen den Beruf irgendwann mal. […] Das sind einfach Themen, da müssen wir mal grundsätzlich ran bei uns.“ (K2_F1) sowie in einer selbstkritischen Story bezüglich der Einschätzung und Auswahl eines angemessenen Systems zur Dokumentation „Die können ja auch nichts dafür, wenn wir zu blöd sind, um was anderes vorzulegen. Kein Mensch vom Medizinischen Dienst oder Heimaufsicht verpflichtet mich, nach der Monika Krohwinkel zu pflegen. […] Wir sind zu blöd, um das in die Hand zu nehmen.“ (K2_F1) 175 Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigen sich andere Stories. Bei M5 werden Symbole, welche ggf. im herkömmlichen Sinne der Medizin entlehnt sind, rezipiert und mit der Ausbildung zur examinierten Pflegekraft verknüpft. „Ich kann nicht einfach sagen, ich bin jetzt angelernt, ich kann das. Das funktioniert nicht. Das ist medizinisch, Anatomie, Medikamentenlehre - das sind alles so Sachen, die man nicht mal eben im Vorbeigehen kann.“ (K2_M5) In der entsprechenden Story bei M3 kommt die Zuschreibung zu Tage, die Kompetenz zum Austausch mit den Ärzten über Veränderungen bei den Zupflegenden liegt bei den Fachkräften. „Und das muss man dann der Fachkraft Bescheid sagen und sie gibt’s dann dem Arzt weiter.“ (K2_M3) Auffällig, besonders in Bezug auf die Rezeption der hochwertigen Ausbildung zur examinierten Altenpflegekraft, ist hier noch, dass sowohl M3 als auch M5 Pflegehilfskräfte sind. Dabei trägt sich in die Narration über die Nähe zur Medizin auch das Argument der Evidenzbasiertheit, was bei der PDL abermals in die Story über die Güte einiger Mitarbeiter_Innen eingebunden ist. „Im Hinblick jetzt auf Fachlichkeit gibt es immer ein oder zwei Mitarbeiter, wo genau drauf geschaut werden muss immer wieder auf Fachlichkeit, wo man immer wieder drauf gucken muss: Wieso hast du jetzt so gehandelt? Das muss so oder so passieren.“ (K2_F2) Dieselbe Narration und sogar dieselbe Story zeigen sich bei der WBL F3. „Aber dann sage ich: Wir arbeiten hier im Haus nach unseren Standards und so ist es.“ (K2_F3) Als weiteres diskursives Argument innerhalb der akademischen Argumentationslinie wurde das Streben nach einer Reputation analog zu der der Medizin herausgestellt. Dieses Argument ist das am stärksten vertretene im Rahmen des semantischen Kerns der Nähe zur Medizin. Über die Führungsebene findet sich das Argument in einer Story über das grundständige Vermögen der Gerontologie, in welchem eine kleinteilige Diskussion obsolet ist, „Deswegen stellen wir ja diese Standards hier für uns auf oder wir können das. Es wird nur viel zu wenig auch gemacht, weil wir uns immer wieder in kleinen Diskussionen oftmals verlieren. Also da spreche ich jetzt wirklich nicht über uns, aber die ganze Szene in Diskussionen um diese Überprüfung und ob Sinn oder nicht, das ist mir völlig egal.“ (K2_F1) und ebenso in einer Story, welche das eigene Selbstbewusstsein zum Ausdruck bringt. „Wir wissen, was wir tun. Und ich finde, das, was wir machen, machen wir sehr gut.“ (K2_F2) Wie geradeeben bereits festgestellt, findet sich auch in der Narration dieses Arguments eine gespiegelte Aussage von F2 bei F3. „Ich denke schon, dass wir wissen, dass wir sehr gut sind.“ (K2_F3) Bei den Mitarbeiter_Innen drückt sich das Streben nach Reputation oder Legitimation in anders gelagerten Stories aus. Bei M1 ist die Story eine historisierende, welche die disziplinären Änderungen in der Altenpflege, evoziert durch die Einführung des PflegeVG, im mangelnden Vertrauen in die Pflege begründet sieht. Aus diesem Zusammenhang heraus scheint die Pflege früher „[e]infacher, stressfreier. Man musste einfach nicht auf so viele Sachen achten wie heute.“ (K2_M1) 176 An dieser Stelle muss unterstrichen werden, dass M1 zum Zeitpunkt der Erhebung 22 Jahre alt war und eine Berufserfahrung von 5 Jahren aufwies. Aus diesem Umstand lässt sich schlussfolgern, dass eine Narration über das diskursive Argument besteht, welche M1 aufgenommen hat und weiterträgt, da es aus mangelnder Primärerfahrung heraus keine subjektive Einschätzung sein kann. Bei der examinierte Pflegekraft M4 stellt sich eine komplette andere Story dar. „Wir sind die Schwestern für die, als ob wir Krankenschwestern wären oder so. Und das will ich aber gar nicht so sein, die Schwester. […] Ansprechpartner auf jeden Fall.“ (K2_M4) Dabei kommt hier die Narration des Strebens nach Legitimation in einer Story zum Ausdruck, welche eine beinahe schon abschätzige Beurteilung der Referenz deutlich macht. Der Hintergrund dessen findet sich in einer weiteren Aussage von M4, in welcher zum Ausdruck kommt, dass Altenpflegekräfte eine höhere Honorierung ihrer Leistungen erfahren sollten, da sie primär auf sich selbst gestellt sind. „Eine Krankenschwester hat immer einen Arzt, den sie fragen kann. Aber wenn die Fachkraft im Dienst ist, ist die allein.“ (K2_M4) Die Begründung dafür wird sowohl auf der Führungsebene wie auch auf der Ebene Mitarbeiter_Innen in derselben Narration ausgedrückt. Dabei findet sich auch ein Zusammenhang zum dritten semantischen Kern der akademischen Argumentationslinie, dem argumentativen Streben nach Eigenständigkeit der Altenpflege. „Das ist ja auch diese Sache mit Pflege, die ist extrem fremdgesteuert, weil keine Lobby usw. Das wissen wir alles.“ (K2_F1) „Ob es immer genügend Personal hat, bezweifle ich, weil die Altenpflege hat keine gute Lobby, weil ja die Gesellschaft sich mit diesem Thema groß nicht auseinandersetzt.“ (K2_M4) In argumentativen Zusammenhang damit steht das diskursive Argument der Wahrnehmung der Altenpflegekräfte bei Außenstehenden. In ZINNIA drückt sich dieses diskursive Argument im Besonderen in Stories über die eigenen Möglichkeiten der Etablierung dessen aus. „Die Sozialisierung von Pflegenden ist einfach ein ganz spannendes Thema. Bin ich selber und habe das reflektiert. Ich weiß ganz genau, wie die drauf sind.“ (K2_F1) Es fällt hier bei der HL auf, dass abermals ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein zu Tage tritt. Darüber hinaus wird über die Story explizit der Eindruck erweckt, dass F1 sich mit den diskursiven Argumenten auseinander gesetzt hat und diese zum einen auch transportieren möchte und damit – sowie folglich auch die Akkumulation der diskursiven Argumente – natürlich auch die zukünftigen Stories der Organisation beeinflusst. Dasselbe Argument findet sich auch weiterhin auf der Führungsebene, wie hier bei der WBL F3, jedoch nicht auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Und morgens die Pflege, die Bewohner sind in Gruppen eingeteilt. Jeder hat seine Gruppe und die machen auch immer die gleichen Leute, dass die Bewohner sich an die gewöhnen und auch eine Bezugsperson haben. Und da macht jeder morgens seine Gruppe.“ (K2_F3) Weiterhin sehr ausgeprägt ist das diskursive Argument der professionellen Systematisierung über die Akademisierung durch die Dokumentation des Pflegeprozesses und die Standardisierung. Bei F1 drückt sich das diskursive Argument in mehreren Stories aus. Einerseits sieht F1 in der Altenpflege 177 allgemein eine zu gering ausgeprägte Systematisierung der Arbeitsprozess, was in Zusammenhang mit dem betriebswirtschaftlichen Argument der Best Nursing Practice steht. „Der Berufsstand beklagt ja, dass ständig zu wenig Zeit zur Versorgung vorhanden ist. Und wenn man das aber genauer untersucht, dann stimmt das nicht immer, sondern das liegt wirklich an vielen ungeklärten Arbeitsabläufen und auch an verschwendeter Zeit wirklich an den falschen Punkten, an falschem Pflegeverständnis zum Beispiel.“ (K2_F1) Dabei fallen auch die verschiedenen genutzten Metaphern auf, wie z.B. die ‚genauere Untersuchung‘, um Wissenschaftlichkeit zu betonen. An anderer Stelle erscheint dasselbe diskursive Argument in direktem Bezug auf die Expertenstandards. „Ich bin z. B. großer Fan von diesen nationalen Expertenstandards, die jetzt auf den Markt kommen, die wir umsetzen müssen. Das ist wirklich eine fachlich ganz tief gegriffene Untersuchung verschiedener kritischer Bereiche bei uns. Und es ist sehr wichtig, dass die mal gut aufgearbeitet sind in nationalen Standards, worauf man sich auch beziehen kann. Und die leben wir auch.“ (K2_F1) Bei der PDL findet sich genau dieselbe Narration des Arguments, in derselben Story ausgedrückt und hier sogar mit Rekurs auf die HL. „Es wurde auch nicht so mit Dokumentation allgemein sehr gut umgegangen - gravierende Mängel, was sich aber durch den Heimleiterwechsel [Heimleiter] einfach sich zum Positiven entwickelt hat. Er hat die Anforderung gestellt. Er hat Klartext gesprochen, wie das hier laufen muss, und das hat sich eigentlich auch sehr rasch diesbezüglich umgewandelt.“ (K2_F2) Ähnlich ist dies bei der Story über die Expertenstandards. „Das erkenne ich an der Dokumentation zum Beispiel, wenn nicht fachgerecht eingetragen ist, wo wie’s sein muss nach Expertenstandard.“ (K2_F2) Hier wird deutlich, dass F1 als Change Agent adressiert wird und dadurch als solche_R identifiziert werden kann. In der Analyse der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie wurden F1 sowie F2 als mögliche Change Agents identifiziert, wobei F1 explizit auf F2 als starke Persönlichkeit innerhalb der Einrichtung verwiesen hat. Hier wird jedoch deutlich, dass F1 Change Agent in ZINNIA ist und die PDL F2 als eine Art Katalysator der eigenen Narrationen nutzt, indem F2 eine starke Rolle zugeschrieben wird, worüber wiederum zwei als machtvoll wahrgenommen Positionen in ZINNIA durch F1 ‚kontrolliert‘ werden können. Diese durch F1 als Change Agent evozierte Änderung, zeigt sich auch bei F3 in Bezug auf die Dokumentation. „Ich finde sie gut. Früher schlecht, jetzt gut.“ (K2_F3) Auch in Bezug auf die Standards und deren Nutzung stellt die WBL fest: „Nein, die werden schon gelebt. Auch alle Pflegehelfer wissen, wo die Standards sind, wenn sie selber was für sich gucken wollen. Bei uns sind die schon sehr angesagt.“ (K2_F3) Darin kommt zum Ausdruck, dass die entsprechende Narration in ZINNIA eine sehr weitreichende ist. Die Narration und die entsprechende Nutzung des diskursiven Arguments zeigen sich auch bei einer anderen WBL. „Nein, das halte ich schon für wichtig, dass es da was Einheitliches gibt. Das finde ich schon eine gute Sache, dass man auch hier eine Richtlinie hat, wo man sich dran zu halten hat.“ (K2_F4) 178 Dabei ist das diskursive Argument auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zu finden. „[N]atürlich ist es stressig. Aber es erleichtert die Arbeit auch, weil man dann viel besser im Kopf hat das Ganze von den Leuten einfach.“ (K2_M1) Bei M2 zeigt sich interessanterweise nicht die Hilfestellung der Standardisierung und Systematisierung für sich selbst, sondern vielmehr für die Anweisung oder Unterrichtung von Kolleg_Innen. „Was ich aber eben wichtig finde, dass ich eine Handhabe habe, wenn jetzt ein Mitarbeiter kommt und macht eben ganz und gar alles anders, komplett anders oder tut gerade, was er will, dass ich dann sagen kann: Guck mal bitte nach.“ (K2_M2) Darüber hinaus ist auch das diskursive Argument einer systematischen Pflegetheorie bei den Führungskräften, aber ebenso bei den Mitarbeiter_Innen erkennbar. „Mein Leben besteht auch nicht nur aus einer Berufsgruppe, der sich ausgeliefert bin, und es besteht auch nicht nur aus einer Bezugspflegekraft, die ja auch so hoch gelobt wird, sondern mein Leben besteht aus vielen Facetten am Tag. Und deswegen habe ich da auch eine andere Sicht, weil ich einfach mehr aus dem ambulanten Bereich komme, und da ist es so, dass wir einfach ein Pflegearrangement einrichten. Da ist dann die Pflegekraft am Tag eben eine Stunde da und dann geht das Leben weiter. Dann kommt die Nachbarin, die Tochter, der Sohn etc. Das halte ich für ganzheitlich, das halte ich einfach für normales Leben. Ich weiß auch nicht, wie ganzheitlich ich heute lebe oder bin. Ich weiß auch nicht, was der Quatsch soll.“ (K2_F1) Bei der PDL findet sich dieses diskursive Argument ebenso, wobei die Einbindung in eine Story der Organisation dessen ersichtlich ist. „Der Pflegeprozess allgemein ist für mich die Organisation. Ohne Organisation funktioniert nichts. Und das muss erst einmal geklärt sein, finde ich, um dann quasi den Pflegeprozess voranzutreiben.“ (K2_F2) Bei M4 zeigt sich ebenso die Bestrebung einer möglichst allumfassenden Berücksichtigung verschiedenster Bereichen des Lebens der Zupflegenden, um diese in einen systematischen Zusammenhang zu betrachten. „Aber da hängt ja vieles noch damit zusammen: Ernährung, Gerontopsychiatrie, Ärzte, Arzneimittel, Krankheiten. Da hängt sehr viel damit zusammen.“ (K2_M4) Auch der zweite semantische Kern der akademischen Argumentationslinie findet sich in ZINNIA. In Bezug auf die professionelle Ausrichtung der Altenpflege findet sich das diskursive Argument der Alltagspraxis – teilweise in schon bekannten Stories – bei der HL F1, eher in Bezugnahme auf pflegetheoretische Aspekte „Da tun wir aber nicht mehr dramatisieren hier. Das finde ich einen guten Weg auch weg von diesen großen Pflegetheorien – Wahnsinns Ansatz […] – hin einfach zu dem, dass wir handwerkliche Sachen haben, wo wir gut arbeiten können.“ (K2_F1) und an anderer Stelle hinsichtlich einer eher kritischen Betrachtung einer ganzheitlichen Herangehensweise. 179 „Ich denke, das ist relativ revolutionär, und ich kriege dafür auch oftmals ein paar hinter die Ohren, wenn ich sage, diese Ganzheitlichkeit halte ich eigentlich für nicht so, dass die einer jetzt bieten kann.“ (K2_F1) An gleicher Kritik ansehend, findet sich bei M2 eine Story über Selbstverständlichkeiten in einer gerontologischen Alltagspraxis. „Es ist selbstverständlich für mich, dass unsere alten Leute keine Schuhe tragen, die hinten offen sind; selbstverständlich, rede ich sofort mit den Angehörigen, wenn ein neuer Bewohner kommt.“ (K2_M2) Gleichsam findet sich bei M4 der Verweis auf die Wichtigkeit der Adaption theoretischen Wissens auf die konkrete Situation der Einrichtung. „Und das sind schon auch wichtige Dinge, die da durchgearbeitet werden. Es gibt ja verschiedene Pflegemodelle. Wir haben eben das Krohwinkel, und da wurde das ausgearbeitet. Das ist an sich eine gute Sache. […] Das waren teilweise freiwillige Fachkräfte und eben die Leitung.“ (K2_M4) Das am stärksten rezipierte diskursive Argument dieses zweiten semantischen Kerns ist Spannung zwischen einer Akademisierung und einer Professionalisierung der Altenpflege. Dieses findet sich auf der kompletten Führungsebene, bei der HL F1 „Inwieweit das jetzt bei jedem Mitarbeiter so verinnerlicht ist, dass es sich um das abspielt, würde ich bezweifeln. Ich würde sagen, der Durchsatz an dem, wer Pflegeplanung jetzt hier richtig versteht, liegt bei den Fachkräften vielleicht bei 70 %, bei den Hilfskräften sicher unter 50.“ (K2_F1) sowie bei der WBL F4. Dabei zeigt sich jedoch eine andere Story über Differenzen zwischen examinierten und Pflegehilfskräften als Ausdruck des Spannungsfeldes zwischen Akademisierung und Professionalisierung. „Und ich denke, die Fachkräfte haben einfach andere Aufgaben, und sie tun sich leider immer mehr auf die Akten verrücken, was haltschade ist. […] Wobei halt die Pflegehelfer wirklich für die Bewohner da sind, natürlich auch ihre Eintragungen machen, aber wirklich im hauptsächlichen Sinne gucken, dass es den Bewohnern gut geht, also dass da alles stimmt.“ (K2_F4) Die gleiche Story, jedoch in einer anderen Wertung zeigt sich bei einer anderen WBL. „Aber die Pflegehelfer kennen die Pflegeplanung, sie wissen, wie es aussieht, sie lesen es sich durch, aber sie wissen nicht, was jetzt da komplett richtig ist und was falsch ist. Deswegen wissen sie auch nicht, wie viel sich geändert hat. […] Dann gehe ich hin und sage, was da los ist. Dass die das gelernt hat und die dir das zu sagen hat – ganz einfach.“ (K2_F3) Es ist deutlich, dass hier auch das Argument des Spannungsfeldes aufgenommen, jedoch mit einer individuell differenten Subjektposition versehen ist, als es in der organisationalen Narration der Fall ist. Es zeigt sich auch, dass diese ‚Gegen-Narration‘ keine einzeln auftretende ‚Meinung‘ ist, sondern auch von auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen Rezeption findet, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diesbezüglich zwei Narrationen in ZINNIA existieren, wovon sich noch keine endgültig durchgesetzt hat. „Die [Hilfskräfte, M.R.] sehen da nicht so richtig, dass die Dokumentation ja sein muss. Und das ist nicht so, dass man sich da ausruht und keine Lust hat zum rumrennen, sondern es muss auch sein. Und manch einer denkt, wir hätten es da gut erwischt und die schreibt ja nur und ich muss rumrennen.“ (K2_M4) 180 Dabei findet sich jedoch auch die ‚herkömmliche Narration‘ auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. Bei M1 lässt sich das Argument sehr schön in der Story über die Ausbildung und damit verbundene eigene Unsicherheit direkt, da eben zu diesem Zeitpunkt noch keine umfassende professionelle Praxiserfahrung vorhanden, zeigen. „Ich hatte ein bisschen Angst nach der Ausbildung vor der ganzen Verantwortung. […] Und dann steht man plötzlich von einem Tag auf den anderen als Fachkraft da, hat zwar das Wissen und alles, ist aber trotzdem noch unsicher. Das kam jetzt erst mit den Monaten, mit dem Jahr, dass ich wirklich denke, ich weiß viel und ich kann das gut, und bin dann auch sicher geworden in dem Beruf.“ (K2_M1) Die gleiche Story findet sich bei einer anderen Pflegefachkraft, M2. „Gut, mein Alter macht da schon ein bisschen was aus, dass ich dann doch mal was ‚rausnehmen‘ kann, also dass sie dann doch nicht ganz so arg auf mir, wenn ich was mache, was nicht so ist, wie sie möchten. Im Normalfall spricht man drüber.“ (K2_M2) In den Stories und der jeweiligen Nutzung von Symbolen auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen wird deutlich, dass die bedeutungsstiftende Dimension für einen Prozess der Professionalisierung die Erfahrung im Beruf ist. „Und das ist manchmal ja nicht so ganz einfach. Wenn es jemand ist, der vielleichtschon zehn Jahre da schafft, der lässt sich von mir Grünschnabel im Prinzip nicht gern was sagen.“ (K2_M5) Wie in der Storykonzeption in Bezug auf andere diskursive Argumente bereits an etlichen Stellen deutlich hervorgehoben, ist eine weitere präsente Narration innerhalb von ZINNIA die Ausbildung mit einem ausgeprägten praxisnahen, aber ebenso fundierten Charakter. Auch diese Narration findet sich auf der Führungsebene wie auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. Bei der PDL wird auch in diesem Zusammenhang eine sehr starke Story über Erwartungshaltung aktiviert, um das Argument zu transportieren. „[U]nd wenn einer den Beruf macht, erwarte ich eigentlich auch von ihm, dass er auch ein Interesse dran hat und nicht nur die Ausbildung macht, weil das jetzt eben gerade mal ein Job ist, der krisenfest ist. Das merkst du ja auch, wenn du einen Schüler hast, der nur das macht, weil es ein krisenfester Job ist.“ (K2_F2) Auch bei der WBL F3 findet sich eine analoge Story ‚der Beschwerde‘, in Bezug auf die Ausbildung und die – an die Organisationspraxis angepassten (s.o.) – Standards. „Also wenn dann welche kommen und wieder irgendwas sagen, was sie sagen, dass es nicht stimmt, aber ich weiß genau, dass es so richtig ist - ich kann das dann sehr gut auch erklären. Mein Fachwissen kann ich gut rüberbringen, dass ich die dann überzeuge und dass die dann auch wissen, dass es so richtig war; und wenn ich mit den Standards komme.“ (K2_F3) Bei der WBL F4 hingegen findet sich das Argument, ohne viele Metaphern und Symbole, welche das eindeutige Erkennen des Arguments auch nicht erschweren. „Also weniger Schreibkram, sondern eigentlich für das, wofür man eigentlich die Ausbildung gemacht hat. […] Es gibt auch viele Sachen, die einfach unnötig dokumentiert werden.“ (K2_F4) Auf Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigt sich das Argument abermals in einer ‚Story der Erfahrung‘ und des praktischen Zugangs. Bei der Pflegehilfskraft M3 zeigt sich deutlich, dass die praktische Bedeutung zwar erkannt wird, jedoch die theoretische Unterfütterung dessen als Verlust in der eigenen Tätigkeit gesehen wird. 181 „Vor allem wenn man schon ein paar Jahre in dem Beruf mit drin ist. Deswegen ist man eigentlich schon am Überlegen: Soll man das lernen oder nicht oder soll man doch was anderes tun.“ (K2_M3) Bei der examinierten Kraft M1 zeigt sich hingegen eine Abwertung der früheren Ausbildung, welche ältere Kolleg_Innen absolviert haben. „Ich denke halt auch, wo die früher gelernt haben, für die ist es einfach schwerer, das ganze Ding umzusetzen, wie wir jungen Schwestern, die jetzt schon da reingewachsen sind, die das auch schon in der Ausbildung alles hatten. Denen fällt‘s einfach extrem schwer.“ (K2_M1) Als Begründung für diese negative Narration und die Nutzung einer entsprechenden Story könnte – neben der denkbaren individuellen Disposition, welche jedoch ggf. bis dato noch nicht augenscheinlich als Narration in ZINNIA zu Tage getreten ist – die Narration der Führungskräfte gesehen werden, bzw. im Besonderen die Rolle der HL als Change Agent, in welcher die Wichtigkeit innovativen Handelns, die Teilhabe und Beeinflussung an der Entwicklung des Umfelds sowie der optimale und pragmatische Umgang mit den Hintergründen einer Einrichtung betont wird. Durch dieses Bedürfnis der stetigen Innovationsbereitschaft scheinen älterer Mitarbeiter_Innen – analog zu den Alten in der Gesellschaft und dem entsprechenden Altersframe – abgehängt zu werden. Dieses Streben der Führungsebene und der darin enthaltene Pragmatismus drücken sich bei F1 nochmals in Verbindung mit dem diskursiven Argument der Forderung einer Pflegeforschung anstatt einer Pflegewissenschaft aus. „Ich finde es gut auch persönlich, in einem Land zu leben, wo der Kostenträger und auch die staatliche Organisation richtig hinguckt, was passiert mit den alten Leuten; ist schon wichtig. Also wir haben da ein gutes Verhältnis aus dem Grund, weil ich da auch mit am Entwickeln bin mit denen zusammen.“ (K2_F1) Der dritte semantische Kern der akademischen Argumentationslinie ist der der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Altenpflege von äußeren disziplinären Einflüssen. Entgegen der Erwartung, welche aus dem breit vermittelten Selbstbewusstsein heraus resultiert, dieser semantische Kern wäre sehr stark ausgeprägt, finden sich hier nur wenige Bezüge in ZINNIA. Diese sind jedoch auffällig in eine homogene Narration eingebunden, welche jedoch ausschließlich auf der Führungsebene anzutreffen ist. Dies trifft insbesondere für das diskursive Argument zu, die Pflege müsse, aufgrund ihrer Beschaffenheit, auf eine besondere Position zwischen anderen Disziplinen hin drängen. Bei F1 ist dieses Argument in eine (bei F1 bereits bekannte) Story der Ablehnung des Anspruchs der Ganzheitlichkeit eingebunden, welcher – im argumentativ disziplinären Sinne – ‚von außen‘ in die Pflege hinein getragen wurde. „Das ist für mich aber noch kein ganzheitlicher Ansatz. Das ist eine Normalität, wo man einfach sagt, man guckt mal, was er früher gemacht hat, und macht 's jetzt auch noch. Da wird ein Riesentheater drum gemacht. Wir sagen das nur - ich sage mal wir, weil ich mich auch noch nicht trauen würde zu sagen: bei uns 'ganzheitliche Pflege' ist einfach Pflege.“ (K2_F1) Daraus schließt für F1 der Schluss zu „Aber im Grunde genommen ist es so, dass wir eigentlich darüber hinaus souveränerweise selber unsere Qualität hier bestimmen müssen und auch selbstbewusster auftreten dürfen dahingehend.“ (K2_F1) Darin ist ebenso der Ruf nach einer starken Stimme der Pflege, im Sinne einer wahrnehmbareren Lobby für die Pflege erkennbar. Auch bei der PDL findet sich diese diskursive Argument sehr deutlich, 182 ausgedrückt in einer Story, der Ablehnung von Unterwürfigkeit gegenüber externen Positionen, auch durch die Einbindung des poetic tropes der Gemeinschaft. „Aber Hörigkeit oder irgendwie drauf zu schauen, wir sind so klein, die sind so groß, auf keinen Fall. Das sehe ich auf keinen Fall so. wir sind, wie gesagt, auf Ratschläge dankbar für jeden Ratschlag und für jeden Vorschlag.“ (K2_F2) Ebenso argumentiert die WBL F4, indem sie denjenigen, welche die Richtlinie für die Altenpflege erstellen die entsprechende Kompetenz zur Beurteilung der Besonderheit abspricht. „Mittlerweile. Hat man so das Gefühl. Aber wie schon gesagt, die ganzen Richtlinien werden halt von Leuten gemacht, die eigentlich mit der Sache gar nicht viel zu tun haben.“ (K2_F4) Dabei ist jedoch auch zu erkennen, dass der scheinbare Widerspruch zum – sehr stark rezipierten – ersten semantischen Kern erkannt wird. „Auf der einen Seite sind wir natürlich wahnsinnig schnell wieder verschlungen von diesem medizinischen Apparat. Ich denke auf der anderen Seite, da sind schon Sachen, die müssen wir jetzt nicht noch mal neu anfangen.“ (K2_F1) Dieses teilweise Abrücken kann damit erklärt werden, dass eine Forderung nach einer höheren Legitimation der Altenpflege möglicherweise einfacher erscheint, wenn die Altenpflege stärker an bereits bekannten und legitimierten Disziplinen, wie zum Beispiel der Medizin, ausgerichtet ist, als wenn die Altenpflege erst neue Kollektivsymbole ‚anlegen‘ müsste, sofern das überhaupt möglich ist. Dieses Argument als Erklärung findet sich zum einen bei der HL „Wenn wir unsere Dokumentationen angucken, die wir nach der Monika Krohwinkel machen, die halte ich für Quatsch. Ich mache sie mit, weil sie im Moment alle mitmachen.“ (K2_F1) und zum anderen ebenso bei der WBL F3. „Das ist dann der Erfolg beim Bewohner - beim Befinden des Bewohners. Und dann gibt es Erfolg im Ablauf, wenn ich weiß, dass alle gewogen sind, die gewogen werden müssen, dann gibt es Erfolg irgendwas mit Wunden, ob eine Wunde zu ist. Also in jedem Einzelnen gibt 's einen Erfolg. So ein Gesamterfolg würde ich jetzt nicht sagen, das war ein super Tag, weil ich denke, alles gut komplett läuft nie.“ (K2_F3) Auch in der Analyse der Aufnahme der akademischen Argumentationslinie in ZINNIA lässt sich eine weitestgehend konsistente Narration der diskursiven Argumente aufzuzeigen. Dabei ist jedoch festzustellen, dass die Führungskräfte in Bezug auf diese Zusammenhänge der Meta-Ebene eine weit stärkere Präsenz in der Rezeption aufzeigen, als die Mitarbeiter_Innen. Das kann in der höheren Ausbildung der Führungskräfte begründet liegen, aber ebenso in einem höheren Gestaltungsbewusstsein wie auch -drang der eigenen disziplinären Hintergründe. Das entsprechende Bewusstsein rührt eindeutig aus der Konsistenz der Narration der/s Change Agent_S, welche_R in der Person der HL F1 identifiziert wurde. Es konnte in Bezug auf ein diskursives Argument festgestellt werden, dass zwei entgegenlaufende Narration parallel existieren. Dabei fiel jedoch auch auf, dass sich die beiden Narration nicht gegenseitig diffamierten, wie es schon in der Analyse anderer Fälle gezeigt werden konnte, sondern in einer Art ‚friedlichen Koexistenz‘ zu bestehen scheinen. Fraglich ist dabei, welche der beiden Narration sich in ZINNIA zukünftig als die tragfähigere und nützlichere erweisen wird. 183 f) Das Soziale In der Analyse der Rezeption der sozialen Argumentationslinie fällt auf, dass diese in ZINNIA einen Niederschlag auf allen Ebenen der Organisation findet, jedoch weniger stark ausgeprägt, als es für die bisher betrachteten überorganisationalen Elemente (abgesehen vom Diskursiven) festgestellt wurde. Dabei werden allerdings nur zwei semantische Kerne der sozialen Argumentationslinie in die Narrationen der Einrichtung eingebunden. Für den Kern der Bezeichnung der Bewohner_Innen finden sich abermals keine Anzeichen des Niederschlags in den Narrationen. In Bezug auf den semantischen Kern der Vermeidung von Machtausübung gegenüber den Zupflegenden durch die Institution zeigt sich abermals ein gewisser pragmatischer Impetus, welche jedoch nicht mit sozialer Kälte einhergeht. Ein analoges Argument wurde bereits in der Analyse des Betriebswirtschaftlichen als Narration dargestellt. Folglich zeigt sich das diskursive Argument auch im diskursiven Argumentationszusammenhang des Sozialen. Bei der HL findet sich das Argument in einer Story, welcher ebenso einen innovativen Charakter aufweist. „Und ich denke, wir sind im Moment alle am Suchen nach neuen Wegen auch in der Unterbringung. Gerade mit dem, was wir vorher thematisiert hatten, so wenig Institution wie möglich eben aufzuweisen“. (K2_F1) In einer Story über den sinnfreien Dokumentationsaufwand bei entgegenstehenden Bedürfnisäußerungen der Zupflegenden findet sich das diskursive Argument auch bei der WBL F4. „Das ist ein Haufen Schreibkram, den man da jeden Tag zu erledigen hat, wo man bloß einträgt, was der Bewohner zu sich nimmt. Aber es führt eigentlich im Grunde zu nichts. Denn wenn der Bewohner nicht will, dann will er nicht. Dann bringt es uns auch nichts, wenn wir's dokumentieren.“ (K2_F4) Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen findet sich das diskursive Argument, bei M3 eingebunden in eine Story, welche die an den Bewohner_Innen orientierte Ausgestaltung der Heimweltlichkeit in den Fokus rückt. „Sie freuen sich, und das ist einfach ein Mensch, der jetzt hilft. Also nicht so herrschermäßig – so, machen Sie jetzt das, machen Sie das. Das nicht.“ (K2_M3) Dieselbe Story findet sich auch bei M1, wobei der argumentative Hintergrund hier mehr auf das diskursive Argument der Sicherung des Wohlbefindens der Zupflegenden rückt. „Betreuung alter Menschen, rundum die ganze Person. Also nicht nur die Pflege mit Waschen und keine Ahnung -, sondern es geht ja auch noch um die Betreuung, die Alltagsgestaltung, alles.“ (K2_M1) In Bezug auf die Heimweltlichkeit als ein semantischer Kern der sozialen Argumentation lässt in ZINNIA darüber hinaus feststellen, dass eine entsprechende Narration vorhanden ist, welche auf die konfessionelle Trägerschaft der Einrichtung abstellt. Bei der HL wurde eine entsprechende Story – sowie die Verbindung – bereits in der Analyse des Betriebswirtschaftlichen deutlich. Im hier betrachteten diskursiven Zusammenhang liegt der Fokus jedoch nicht auf jener Dimension der Story, welche einen Wettbewerbsvorteil zum Ausdruck bringt, sondern darauf, dass konfessionelle Träger schon immer eine Pflege geleistet haben, welche den Bedürfnissen der Zupflegenden gerechter wird, ihnen damit auch am nächsten steht und die höchste entsprechende Kompetenz aufweist. Gleichsam findet sich dasselbe Argument auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. 184 „Nur ich denke, das mit der Nächstenliebe gehört halt schon ein Stück dazu.“ (K2_M5) Dabei bleibt jedoch festzuhalten, dass dieses diskursive Argument auch hier nur wenig Niederschlag in der Narration von ZINNIA findet. In der Betrachtung des semantischen Kerns des Umgangs mit den Zupflegenden fällt auf, dass sich sowohl das diskursive Argument des Hilfsberufs findet „[E]infach im Alltäglichen das, was sie nicht mehr machen können, halt helfen, unterstützen.“ (K2_M3) als auch das Argument, die Zupflegende nicht als reine Empfänger_Innen von Hilfstätigkeit zu betrachten. Dabei fällt auf, dass beide Argumente in ZINNIA in starker Verbindung stehen und nicht deutlich voneinander getrennt erscheinen. „Den Menschen mit seinen Problemen sehen, den Menschen mit seinen Freuden sehen, mit seinen Gewohnheiten, einfach nicht nur sehen die Krankheit, einfach sehen, dass noch ein ganzes Leben dahintersteckt. Nicht, der ist jetzt hier und der ist jetzt so, wie er hier ist, sondern der hat ein ganzes Leben erlebt und - einfach als Ganzes sehen und nicht als irgendein Produkt, wo man jetzt schnell waschen muss oder irgendwas.“ (K2_F3) Auch bei einer anderen WBL findet sich das diskursive Argument, wobei hier nochmals deutlicher wird, dass es sich um ein soziales Argument und nicht um ein akademisches handelt. „Aber ich habe dann gemerkt, dass es mir dann doch irgendwo liegt; halt der Umgang mit den Menschen.“ (K2_F4) Bei den Mitarbeiter_Innen zeigt sich das diskursive Argument deutlich in einer Story über die Ablehnung der ‚Satt-und-sauber-Pflege‘. „Nicht ‚satt und sauber‘, wie es früher immer war - natürlich auch satt und natürlich auch sauber -, aber für mich steht doch der Mensch im Mittelpunkt.“ (K2_M2) Gleichsam findet sich dieser Aspekt bei M4, wobei hier der Fokus stärker auf dem Umgang liegt und auch wieder einen bedeutenderen Ausschlag in Richtung des Arguments des Hilfsberufs aufweist. „Ich hatte damals eine Anstellung, bin aber aus freien Stücken in die Altenpflege, weil es mich interessiert hat, Pflege, Soziales mit Leuten, und ich habe gern Umgang mit Leuten, und ich denke, ich bin da auch hier so richtig aufgegangen.“ (K2_M4) Als weiteres diskursives Argument in der Narration von ZINNIA findet sich die Hinwendung zu den Bewohner_Innen, im Besonderen wenn diese eine demenzielle Erkrankung aufweisen. So lässt bei den WBLen eine historisierende Story erkennen, welche den Einbezug des biografischen Hintergrundes transportiert. „Es hat sich viel geändert, also gerade das biografische Arbeiten, dass jetzt viel mehr auf die Biografien geguckt wird, wie oft sich jemand früher gewaschen hat, ob er überhaupt gewaschen wurde, wie er mit Mädchennamen hieß, dass Demente damit angesprochen werden und da reagieren die meistens viel besser drauf, oder nur mit Vorname oder dass gerade danach gearbeitet wird. Das finde ich ganz wichtig. Und es hat sich sehr viel geändert.“ (K2_F3) Bei F4 zeigt sich noch eine Erweiterung der Story um die dafür nötige Zeit. 185 „Also gut, ich meine, das ist was, was sich fast jeder Altenpfleger wünscht, dass man mehr Zeit für die Bewohner hat einfach“. (K2_F4) Dabei fällt auf, dass hier in diesem diskursiven Zusammenhang ein scheinbarer Widerspruch zur Analyse der akademischen Argumentationslinie entsteht. Bei M4 wird dieses Argument und die daraus folgenden Praktiken als ‚richtiger Weg‘ dargestellt. „[I]ch weiß, es ist nötig und wichtig. Und das haben die Leute sich auch verdient, richtig behandelt zu werden.“ (K2_M4) Darauf aufbauend findet sich auch ein weiteres diskursives Argument. Das Erfordernis von empathischen Vermögen bei den Pflegekräften und der Selbstreflexion in der Tätigkeit zeigt sich in der Narration von F1 auf der Führungsebene „Es ist sehr variabel. Es kommt ja auch auf die Stimmung der alten Leute an. Hier ist kein Tag wie der andere.“ (K2_M1) sowie in einer anderen mit expliziterem Bezug zur Selbstreflexion „Aber ich würde hier mal genau hingucken und auch mal überlegen, wie es einem selber geht, wenn man irgendwo was hat, dann möchte man eigentlich nur, dass es erledigt ist.“ (K2_F1) und auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen bei M1. „Allgemein. Zum Beispiel ich komme am Morgen zu einer Frau rein und die ist total traurig und ich muntere die auf, ist das ja schon ein Erfolg in meinem Beruf.“ (K2_M1) Dabei wird auch das diskursive Argument des Eingespieltseins zwischen Pflegekräften und Zupflegenden bedient. Auf der Führungsebene findet dies Ausdruck in der Story von F3 über den 24stündigen Pflegeprozess. Dabei kommen abermals auch zeitdiagnostische Elemente zum Ausdruck, indem auf die unablässige Kommunikation verwiesen wird. „[I]ch denke, das ist ein Prozess, der geht über 24 Stunden. Wenn ich da bin, weiß ich eigentlich immer, was jeder gerade macht. Und das will ich auch wissen. Wenn jemand im Zimmer ist, dann gucke ich schnell rein und gucke, was er macht, dass ich weiß, was eigentlich der den ganzen Tag so treibt, weil es mich einfach interessiert, wie er sich beschäftigt, ob er sich überhaupt noch beschäftigen kann.“ (K2_F3) Die dadurch entstehende Beziehung ist auch Teil der Story von M2 auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. An dieser Stelle ist es interessant festzuhalten, dass sowohl durch das diskursive Argument selbst als auch durch die Narration dessen und die Aufnahme in ZINNIA Subjektpositionen dargestellt werden und aufgebaut werden. „Wenn du keinen Bezug aufbaust, kannst du den Beruf meiner Meinung nach nicht machen.“ (K2_M2) Gleiches gilt für das diskursive Argument des Umgangs mit den Zupflegenden in Bezug auf die Balance zwischen Distanz und zu starker Nähe. Dieses Argument zeigt sich als homogene Narration ausschließlich auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen, wobei die Positionierung und die Praktiken anscheinend in dem dargestellten Kontinuum mehr in Richtung der Nähe auszuschlagen scheint. 186 „Da hat sie ihre Arme genommen und mich gedrückt und mich geschaukelt und so. Es ist ein Nehmen und Geben. Und das macht den Beruf auch für mich sogar attraktiv und eben auch tragbar. Also ohne das geht’s gar nicht. Also das Mentale ist enorm wichtig.“ (K2_M2) Auch bei M4 zeigt sich dieses Argument in einer Story, welche die Beziehung als Wohngemeinschaft ausdrückt. „[I]ch sehe das als miteinander wohnen.“ (K2_M4) Auch bei der Hilfskraft M5 zeigt sich die Narration durch den Ausdruck der gesuchten Nähe, welche anscheinend schon immer vorhanden war und hier auch ausgelebt werden kann. „Die Menschlichkeit. […] Und die Fürsorge. […] Ich habe schon immer einen sozialen Tick gehabt. Wenn jemand Probleme hatte, musste ich immer da sein. Das konnte ich gar nicht anders, und das kann ich hier voll ausleben.“ (K2_M5) Darin wird deutlich, dass das diskursive Argument in die Narration der Organisation eingebettet und darüber hinaus auch alltägliche Relevanz aufweist. In der Analyse der Aneignung der sozialen Argumentationslinie in ZINNIA wurde deutlich, dass auch hier eine recht homogene Narration in der Organisation vorhanden ist. Dabei kann auch hervorgehoben werden, dass die konfessionelle Trägerschaft mit den diskursiven Argumenten des Sozialen in die Narration eingebunden wird. Es ist des Weiteren auffällig, dass die Narrationen des Sozialen im Allgemeinen, im Vergleich zu den Narrationen der anderen überorganisationalen Elemente, nicht sonderlich stark ausgeprägt sind. Die Identifikation von F1 als Change Agent, wie sie in der Betrachtung des Akademischen getroffen wurde, ist hingegen in Bezug auf das Soziale nicht erkennbar, da F1 generell nicht so stark in die Narrationen des Sozialen eingebunden ist. Auch konnte kein_E andere_R Change Agent für die diskursiven Argumente des Sozialen identifiziert werden. In einer allgemeinen Betrachtung von ZINNIA kann eine sehr starke Homogenität der Narrationen verschiedenster Art herausgestellt werden. Es ist deutlich geworden, dass die HL eine sehr präsente Position in der Organisation einnimmt und folglich auch als Change Agent identifiziert wurde. Sowohl auf der Führungsebene wie auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen finden sich jene Narrationen, welche von F1 nachweislich initiiert oder zumindest vorsätzlich bestärkt wurden. Der PDL wurde in den Stories eine starke Position zugeschrieben, jedoch wurde in der Betrachtung der Narrationen deutlich, dass die PDL die starke Position eher in der argumentativen Stützung der durch F1 legitimierten Narration einnimmt. Gleiches ist für die WBLen festzustellen. Es lässt sich für ZINNIA auch eine ‚Gegen-Narration‘ herausstellen. In diesem Zusammenhang wurde jedoch auch deutlich, dass – im Gegensatz z.B. zu VERBENA – keine ‚aggressiven‘ Positionierungen in den gegenläufigen Narrationen auftreten, wodurch ein ‚diskursiver Kampf‘ deutlich würde. Inhaltlich bleibt resümierend festzuhalten, dass auf der Makro-Ebene das Diskursive kaum ‚narrative Beachtung‘ in ZINNIA erfährt. Jene Elemente sind dabei jedoch auch die einzigen, die nicht narriert werden. Die Begründung dafür kann darin gesehen werden, dass in der Betrachtung des Juristischen und der darunterliegenden Meta-Ebene ein sehr ausgeprägter pragmatischer Impetus auffällt, sodass Kollektivsymbole, welche auf der Makro-Ebene als Repräsentationen in der Gesellschaft auftreten keine Relevanz erfahren, da sie nicht rational betrachtet werden können. Hingegen sind die zeitdiagnostischen Bezüge deutlicher, da diese auch und besonders Einfluss auf die darunterliegenden Elemente aufweisen. 187 4.2.5 Die Analyse von PIERIS a) Das Zeitdiagnostische Die Elemente des Zeitdiagnostischen finden sich nur sehr gering ausgeprägt in PIERIS. Dabei muss allerdings festgestellt werden, dass sich die wenigen Bezüge, die auffindbar sind in einer konsistenten organisationalen Narration darstellen. Es lassen sich sowohl auf der Führungsebene wie auch bei den Mitarbeiter_Innen Bezugnahmen zur Disziplinargesellschaft feststellen. Bei der WBL F3 wird das protonormalistische Element der Institution zur Erhaltung von Disziplin deutlich. „Ich schau immer hinterher. Das auf jeden Fall. Ich gucke regelmäßig mir die Akten an, gucke, was gemacht worden ist usw.“ (P2_F3) Dabei lässt sich schließen, dass das stetige Hinterherschauen (nach den Mitarbeiter_Innen) und die regelmäßige Konsultation der Akten als institutionalisierte Praktik und Materialität gesehen werden kann. Bei der PDL F2 zeigt sich stärker das disziplinargesellschaftliche Element des Geständnisses als Befreiung. „Ich könnte einfach meinen Pflegevisiten regelmäßiger nachkommen, wenn ich nicht so viel damit zu tun hätte.“ (P2_F2) F2 stellt in der Story ihrer Kontrollfunktion anscheinend eine mangelhafte Ausprägung aus. Gleich worin dieser Missstand begründet liegt, wird darin das Bedürfnis deutlich, dass es F2 anscheinend besser ginge, würden die Pflegevisiten regelmäßiger durchgeführt. Auch bei der WBL F4 zeigt sich, die positive Assoziation der geständigen Praxis im Rahmen von Kontrollen, während derer auch offen über ‚Vergehen‘ gesprochen werden soll. „Wir wissen wo unsere Defizite sind und die brauchen wir nicht verschweigen, verheimlichen, wie auch immer. Das ist einfach so. Und ich finde es eigentlich auch nicht schlecht, wenn die herkommen und sagen: so und so sieht es aus.“ (P2_F4) Bei der Pflegehilfskraft M2 zeigt sich das befreiende Geständnis als zeitdiagnostisches Moment und der Befürwortung der Kontrolle der eigenen Arbeit. „Eigentlich mag ich meine Arbeit auch richtig machen und versuche es auch so einzuhalten. Und deswegen ist das auch ok, wenn da mal jemand reinkommt. […]Ich finde, man hat mit Menschen zu tun und ich finde schon, dass da auch ruhig kontrolliert werden darf.“ (P2_M2) An anderen Stellen finden sich – etwas stärker rezipiert – Bezugnahmen zur flexibel-normalistischen Strategie. Dabei wird deutlich, dass die protonormalistische und die flexibel-normalistische Strategie eng miteinander verbunden sind, da abermals die WBL F3 an anderer Stelle zu verstehen gibt. „Man muss nicht mit dem Ziel rangehen, dass, wenn eine Kontrolle, ob sie intern stattfindet über den Arbeitgeber oder extern über die Heimaufsicht, dass wir eine Eins bekommen und das Superheim sind. Wenn es so gut läuft, dann funktioniert irgendwo anders wieder was nicht.“ (P2_F3) Auch die WBL F4 bedient Elemente der Kontrollgesellschaft. „Es ist wichtig, dass sie kommen. Es ist auch wichtig, dass sie danach schauen, aber muss halt fair/ Ich finde so eine Fairness, so eine Toleranz muss einfach da sein. Bei so und so viele Bewohner mit nur so und so viele Pflegekräfte in einem Stationsalltag ist es einfach nicht machbar.“ (P2_F4) 188 Dabei wird auch deutlich, dass dieses zeitdiagnostische Element sich auch in den Praktiken äußert, da F3 für PIERIS angibt: „Aber man muss nicht – was ich zumindest dazugelernt habe – jedes Mal kritisieren und rumschimpfen, wenn was nicht funktioniert.“ (P2_F3) Unter den Mitarbeiter_Innen drückt sich die Kontrollgesellschaft u.a. in einer Story über Kontrolle aus. Dabei fällt bei M3 auf, dass sie den Versuch unternimmt, die negative Konnotation des Wortes zu relativieren. „Kontrolle ist eigentlich das falsche Wort, würde ich sagen. Ja, ich weiß auch nicht. Die [Pflegedienstleitung, M.R.] guckt schon, ob die Arbeit getan ist, oder die Stationsleitung. Wir Mitarbeiter, wir Kollegen untereinander, wir kontrollieren uns ja auch selber immer wieder gegenseitig – sei es direkt oder indirekt.“ (P2_M3) Hingegen findet sich bei M4 eine komplett differenzierte Story. Hier zeigt das Element des Abwendens von Scheitern in der Pflege der Bewohner_Innen, wobei ebenso eine gewisse Flexibilität in der Beurteilung dessen auffällig ist. „Ein Prozess ist es indem welche, die wir haben, die baue ich wieder auf, dass Sie fortkommen und anderen ist es halt ein Prozess, dass es nicht schlechter wird. Und sollte es eben mal schlechter werden, ist es was, was halt blöd ist. Aber das kann ich auch nicht aufhalten. Das habe ich auch erst lernen müssen, damit umzugehen.“ (P2_M4) Für die Analyse des Zeitdiagnostischen in PIERIS kann festgehalten werden, dass sich wenige Bezüge finden lassen, diese jedoch in einer jeweils homogenen Narration, unter Nutzung verschiedener Stories, über die Mitarbeitenden und die Führungskräfte hinweg erscheinen. Dabei tritt jedoch kein Individuum derart in der Vordergrund, dass bereits an dieser Stelle eine Mutmaßung hinsichtlich der Position als Change Agent möglich ist. b) Das Diskursive In Bezug auf das Diskursive ist – ähnlich den Ausführungen zum Zeitdiagnostischen sowie analog zu einem Großteil der bisher analysierten Fälle – festzustellen, dass die Kollektivsymbole über das Alter(n) eher gering ausgeprägt sind. Dabei finden sich hier kaum konsistente Narrationen des Diskursiven. Hingegen stellt sich die Kollektivsymbolik der Dunkelheit und des Gefangenseins in Altenpflegeeinrichtungen sowie des nicht ausreichenden Versuchens des Personals, Dinge zu verbessern noch am deutlichsten auf der Ebene der Führungskräfte sowie ebenso der Mitarbeiter_Innen dar. „Dass die Presse nur negativ berichtet, das ist es halt. Es wird nicht das Positive im Alltagsgeschehen in den Pflegestationen in der Presse erwähnt. Und das erleichtert uns die Arbeit nicht, weil schon viele Menschen mit Vorurteilen, wenn sie was mit einem Heim zu tun haben oder mit Leuten dort, dann schon mit Vorurteilen rangehen.“ (P2_F3) Bei der HL F1 ist diese Elemente des Diskursiven eingebunden in einer Story, welche die Einführung des PflegeVG und im Speziellen die entsprechende Ausdifferenzierung als Folge der Kollektivsymbolik über die Altenpflege umschreibt. „Aber gleichzeitig hat die Pflege immer mit diesem negativen Image zu kämpfen, wobei ich auch sage, es wird immer so ein Stück weit auch unterstellt: Bewohner werden nicht richtig versorgt und wie 189 auch immer. Und auf Grund dieser negativen Berichterstattung, was sicherlich auch die Grundlage war, dass es in der Tat auch in manchen Heimen nicht korrekt zugegangen ist. Aber das hat ja letztendlich zu dieser ‚Überwachungsmanie‘ geführt.“ (P2_F1) Darin wird die Herstellung der Beziehungen und Referenzen mittels der bedienten Stories im Circuit of Activity verdeutlicht. Auch bei den Mitarbeiter_Innen in PIERIS zeigt die Aufnahme dieses Kollektivsymbols, wobei M1 sogar eine ähnliche Story wiedergibt wie F1. „Das stand ja auch in der Kritik mit den Medien. Aber mich wundert so was. Anstatt es weniger wird mit dem Schreiben, wird es immer umfangreicher.“ (P2_M1) Bei M2 wird auch in diesem Zusammenhang die Story bedient, welche schon in der Analyse des Zeitdiagnostischen dargestellt wurde. „Weil man hört ja immer wieder durch Zeitschriften, was dann so passiert. Und da finde ich es schon ok, dass da jemand dahintersteht und mal guckt.“ (P2_M2) Dabei wird das Kollektivsymbol in eine analoge Story eingebettet, jedoch findet es in einer differenzierten Positionierung von M2 Ausdruck. In der Aneignung der Altersframes lassen sich für PIERIS keine homogenen Narrationen erkennen. Vielmehr kann festgestellt werden, dass diese überwiegend getrennt nach hierarchischer Ebene rezipiert werden. So wird das Konfliktframe nur den Führungskräften bedient. Bei der HL drückt sich dieser Angriff in einer Story der Relation zu anderen Berufsgruppen aus, welche auch für die jüngere Generation tätig ist. „Wenn ich gelernter Dachdecker bin, habe ich einen Bruttostundenlohn von 10,86 Euro. Also wirklich 2,30 Euro mehr, als wenn ich andere Menschen pflege. Ich will nicht hingehen und sagen, das eine ist weniger als das andere. Aber die Pflege bewegt sich dann eher am unteren Niveau. Aber ich denke, das wird der Markt regulieren.“ (P2_F1) Dabei wird hier eine explizite Bezugnahme zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie deutlich, da hier das Argument der Marktförmigkeit eingebunden wird. Bei der WBL F3 wird das Konfliktframe in der Umsetzung der Story sogar ausgeweitet über andere Pflegeberufe, welche in der angelegten und genutzten Symbolik eine ähnlich schlechte Wertschätzung im gesellschaftlichen Sinne erfahren. „Ob sie sich irgendwann entscheiden, auch den Pflegebereich so zu akzeptieren und die Wertstellung zu geben, die er verdient eigentlich, also ambulante Pflege, stationäre Pflege, Krankenhäuser auch, dass nicht dort immer weiter die Einschnitte gemacht werden.“ (P2_F3) Hingegen wird das Frame des von Krankheit und Verlust geprägten Alters nur von den Mitarbeiter_Innen bedient. Bei M4 zeigt sich dieses in der Story über den Hintergrund der eigenen Berufswahl. „Dann habe ich Altenpflege gemacht. Die haben ihr Leben gelebt. Wenn die sterben, dann haben die was vom Leben gehabt.“ (P2_M4) In einer anderen Story wird bei M1 deutlich, dass dieses Altersframe nicht zwangsläufig mit einer abschätzigen Beurteilung verbunden ist. „Die Bewohner stellen doch keine Forderungen. Sie passen sich auch nur dem Ganzen eigentlich an.“ (P2_M1) 190 In der Betrachtung des Solidaritätsframes fällt ein Aspekt besonders auf. Bei den Führungskräften drückt sich die Solidarität in Stories über die schlechte Beurteilung von Pflegeeinrichtungen aus. „Was beim MDK ganz vorne auf der Liste steht und bei der Heimaufsicht letztendlich auch, steht bei den Angehörigen extrem weit hinten.“ (P2_F1) „Das sind Angehörigenaussagen teilweise, die dann einfach nur mal für eine halbe Stunde oder Stunde vor Ort sind und die ganze Tagesstruktur gar nicht kennen und sich daraus ihr Meinungsbild machen. […] Und die stellen dann schon ganz direkte Anforderungen und sagen, soundso hat das nicht zu laufen, soundso hat das nicht zu laufen.“ (P2_F3) Hierbei wird, im Besonderen bei F1, deutlich, dass der Bezug die Einrichtung als solche ist. Bei den Mitarbeiter_Innen hingegen schlägt sich das Frame in der Ausprägung des schlechten Berufsbildes nieder. „Aber dann denke ich, dass dieser Beruf einfach auch nicht mehr schmackhaft genug gemacht wird für die jungen Leute, wo die dann sagen: Nein, so was lerne ich nicht; ich tu mir nicht meinen Buckel krumm arbeiten.“ (P2_M3) Dabei findet sich ebenso wieder das Kollektivsymbol des Frauenberufs. „Und wenn viele Frauen auf einen Haufen sind, ist das oftmals so. Das ist so (lacht). Und wenn ein Mann dazwischen ist, wird das oftmals ruhiger.“ (P2_M4) „Hier sind so viel Frauen miteinander auf einem Haufen, das muss man einfach so sagen, wo es dann schon öfters mal, dass man miteinander aneckt.“ (P2_M3) Bei M4 findet sich in diesem Zusammenhang auch eine Story über die Betonung des angenehmen Arbeitens mit alten Menschen als Ausdruck der Solidarität und der Hilfstätigkeit. „Aber schaffen ist schon ein schönes. Mit alten Leuten kann man auch schön schaffen.“ (P2_M4) Darüber hinaus findet sich bei der HL das Kollektivsymbol der Freude der alten Menschen am Konsum. Dabei ist jedoch festzustellen, dass die entsprechende Story bei F1 nicht auf die ‚autonomen Alten‘ und die darin beinhalteten übrigen Symbole und Metaphern rekurriert. Vielmehr kommt darin die Einbindung in den organisationalen Kontext zum Ausdruck, wo kein Bezug auf Sportivität, Reiselust und lebenslanges Lernen bei den Bewohner_Innen genommen wird. „Bei uns sind Gradmesser: Wie gut schmeckt das Essen? Wann kann ich essen? Wo kann ich essen? Aber vor allem wie gut schmeckt es mir?“ (P2_F1) Hierbei ist jedoch ebenso festzustellen, dass diesbezüglich keinerlei Narration in PIERIS identifizierbar ist und dieser Aspekt des Diskursiven ausschließlich von F1 adressiert wird. In der Betrachtung der diskursiven Elemente der Makro-Ebene in PIERIS können nur weniger stark ausgeprägte Narrationen nachgewiesen werden. Auffällig ist an dieser Stelle, dass zwar dieselben Altersframes Anwendung finden, jedoch in unterschiedlichen Teilen, sodass der Eindruck einsteht, dass die Führungsebene von der Ebene der Mitarbeitenden losgelöst narriert und andersrum. Aus diesen Zusammenhängen heraus lässt sich hier weiterhin kein_E Change Agent identifizieren. 191 c) Das Juristische In der Betrachtung der Aneignung der juristischen Elemente in PIERIS fallen folgende grundsätzliche Punkte auf. Zum einen sind die Führungskräfte sehr viel präsenter als die Mitarbeiter_Innen, was nicht damit begründet werden kann, dass es eine Ungleichheit in der Anzahl der jeweiligen Interviewpartner_Innen gab. Darüber hinaus stellen die Narrationen, welche ersichtlich werden nicht in jedem Fall konsistent in der Rezeption durch unterschiedliche hierarchische Ebenen dar. Bezüglich der grundlegenden Veränderungen, welche durch die Einführung der PV entstanden sind, findet sich eine beinahe ausschließliche ‚Leitungs-Narration‘, welche den Einfluss der Pflegekassen und den Vertragsschluss mit den Einrichtungen in den Kontext von PIERIS einbindet. Bei der HL drückt sich dieses Element in einer Story über den Pflegeschlüssel und den Zeitaufwand durch die Dokumentation aus. „[W]enn man hingehen würde und sagen würde, ihr müsst mehr dokumentieren und dafür bekommt ihr mehr Stellenanteile - mehr Stellenanteile können nur durch höhere Pflegesätze faktisch finanziert werden -, wäre das Ganze kein Problem“ (P2_F1) Diese Narration, der Fremdbestimmmtheit durch externe Vorgaben, findet sich auch bei M1. „An mir liegt es nicht, dass die Zeit knapp ist.“ (P2_M1) Bei der PDL F2 finden sich zu diesem Element zwei verschiedene Stories. Zum einen wird hier ebenso der Rekurs auf den Fachkraftschlüssel deutlich, „Das ist natürlich schon in dieser, wie wir es haben, Leistungsqualitätsvereinbarung mit drin, unser Pflegeschlüssel praktisch. Und dann muss man natürlich schauen, wie plane ich meine Mitarbeiter. Wir haben einen kleinen Spielraum, wo man immer sagt, natürlich ist das eine oder andere immer mal machbar.“ (P2_F2) zum anderen findet sich auch folgende Story, in welcher die Leistungen für die Bewohner_Innen und die damit verbunden Folgen für die Einrichtung narriert werden. „Wo es natürlich Schwierigkeiten oftmals gibt, sind Krankenkassen, wo man sagen muss: Wie kriege ich meinen Bewohner zu dem Facharzt nach [Stadt]? Der hat keine Pflegestufe II oder hat keine außergewöhnliche Gehbeeinträchtigung. Wer übernimmt die Kosten des Transportes, weil er allein nicht mehr fahren kann? Das sind Dinge, die erschweren das Leben immens.“ (P2_F2) Auch von der WBL F3 wird die Story des Fachkraftschlüssels bedient, wobei hier auch auffällt, dass ein Bezug zum betriebswirtschaftlichen Argument der Optimalität gezogen wird. Darüber hinaus kommt auch die Bindung an die Trägerinstanz zum Ausdruck. „Wir werden abgerechnet nach SGB XI, und nach SGB XI werden wir kontrolliert. Und es ist sehr schwierig, in diesen SGB XII, in den psychiatrischen Bereich reinzukommen. Aber dafür muss man einiges mehr bieten, und das will [Trägereinrichtung] an sich nicht wirklich.“ (P2_F3) Gleichsam findet sich die gleiche Story bei einer weiteren WBL. „[V]on 97 weg bist jetzt hat sich schon einiges geändert. Nicht nur die Bewohner oder der Pflegealltag an sich, auch viele Gesetze, die jetzt in Kraft getreten sind, was früher nicht war, viele Kürzungen, viele Streichungen und die ganzen Sachen.“ (P2_F4) 192 Ein weiteres Element, welches sich ausschließlich bei Führungskräften findet ist der juristisch fundierte Kontrolldruck durch externe Instanzen. Dabei ist es auffällig, dass dieses Element erstmal nur von Führungskräften, aber nicht ebenso von den Mitarbeiter_Innen einer Einrichtung in die Narration eingebunden ist. Dafür kann hier abermals von einer ‚Leitungs-Narration‘ gesprochen werden. Bei der PDL wird in diesem Zusammenhang eine Story wiedergegeben, welche die Wichtigkeit der/des Zupflegenden zentralisiert, jedoch im Allgemeinen einen gewissen Pragmatismus ausdrückt. „Wichtig ist ja, dass es um den Bewohner geht. Aber wir müssen ja immer sagen: Bitteschön, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht den Behörden gegenüber.“ (P2_F2) In demselben Kontext verweist die WBL F3 auf die starke Machtposition der Kontrollinstanzen. „Was allerdings ist, was auch Genehmigungen oder sonst irgendwas dann noch betrifft, hat die Heimaufsicht und der MDK, vor allen Dingen die Heimaufsicht hier bei uns in der Region eine sehr hohe Machtstellung, wenn wir davon sprechen, weil die grundlegend vorgeben können, was ist Norm und was nicht.“ (P2_F3) Diese Machtposition findet auch Ausdruck bei F4, jedoch in einer eher historisierenden Story, „Das ist jetzt der negative Bereich, was sich von 97bis jetzt geändert hat. (lacht) Also früher hat man schon mehr Zeit für die Leute gehabt […]. Es wird halt immer mehr.“ (P2_F4) wohingegen F1 als HL den einzigen entsprechenden Bezug in einer allgemeinen Aussage trifft. „MDK und Heimaufsicht sind z. B. sehr stark pflegeorientiert“. (P2_F1) Hier könnte die Vermutung gestellt werden, dass diese Instanzen von F1 dementsprechend wahrgenommen werden, jedoch noch weitere Instanzen gesehen werden, die hier von höherer Relevanz angesehen werden und eine Orientierung auf nicht-pflegerische Aspekte legen. Dabei fällt auf, dass sich entsprechende Bezüge auch bei der WBL F3 wiederfinden, wobei die an F1 angelegte Interpretation für die F3 nicht zutrifft, sondern hier einfach interessant ist, dass auch solche Stories in PIERIS aufgenommen und weitergetragen werden. „Das Gleiche macht die Heimaufsicht mittlerweile auch. Die haben sich ihre Richtlinien abgeändert und haben sich schon sehr stark oder sehr viel noch vom MDK mit rausgenommen, was sie in ihre Kontrollen jetzt auch noch mit rein machen, was sie in ihr Hoheitsgebiet rein machen.“ (P2_F3) Es zeigt sich als weiteres Element des Juristischen der Bezug auf die gesetzlich festgeschriebene Dokumentationspflicht. Hier fällt abermals eine ‚Leitungs-Narration‘ auf. Darüber hinaus ist das Element auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen präsent, jedoch, wie gleich deutlich wird, in einer divergenten Narration zu den Führungskräften. Bei diesen ist auffällig, dass eine ablehnende – oder zumindest kritische – Haltung gegenüber der Dokumentationspflicht narriert wird. Bei der HL zeigt sich die Einbettung in den organisationalen Kontext zusammenführend wie folgt: „Die Pflege steht da ziemlich unter Druck.“ (P2_F1) F1 bindet dies auf die Vorgaben an das Dokumentierte zurück, unter der Nutzung von Metaphern, welche den Umfang der Dokumentationsleistung verdeutlichen sollen. Auch hier zeigt sich gewissermaßen ein Pragmatismus, da auf die wahrgenommenen Anforderungen rekurriert wird. 193 „Und es gibt dennoch dieses ungeschriebene Gesetz: bei jemand in der Pflegestufe I muss mindestens dreimal in der Woche was eingetragen werden. In der Pflegestufe II sollte täglich was eingetragen werden. In der Pflegestufe III sollte jeden Tag Minimum eine Eintragung da sein. Führt dazu, dass letztendlich die Pflegekräfte irgendwann dasitzen und sich überlegen, was soll ich jetzt eintragen. Entweder sie tragen dann irgendwelche Banalitäten ein oder sie tragen ein ‚Zustand wie gehabt‘ und dann so mit Strich darunter.“ (P2_F1) Dabei werden in der Storykonstruktion von F1 mehrere Dinge deutlich. Zum einen adressiert F1 abermals andere Instanzen und zum anderen wird – als poetic trope – auf die Gemeinschaft der Führungsebene verwiesen. „Wir können immer nur im Prinzip versuchen deutlich zu machen - das sind wieder an unseren Kommunikationsorten, die wir haben, also einmal so als Leitungsteam innerhalb der Einrichtung -, dass man z. B. auch diesen Dokumentationswahn nicht ad absurdum führt.“ (P2_F1) Dabei wird die Dokumentation metaphorisch auch in Verbindung mit Absurdität gesetzt, was sich – historisierend – auch bei der PDL zeigt. „Es zieht sich durch. Wir haben früher, bevor die Pflegeversicherung in Kraft trat, gar keine Dokumentation geführt.“ (P2_F2) Als Folge erkennt F2: „[D]as geht alles vom Bewohner ab.“ (P2_F2) Dabei zeigt die entsprechende Narration auch bei den WBLen von PIERIS. „Gut, wenn wir nicht dokumentieren, so wie es vorgegeben ist, dann bekommen wir Probleme mit der Heimaufsicht und mit dem MDK. An diesen Richtlinien können wir nichts ändern. Die werden vorgegeben.“ (P2_F3) Bei F3 wird hier die oben dargestellte Story von F1 deutlich. Ähnlich wird bei F4 die Nutzung der dargelegten Story von F2 offensichtlich. „[D]ie [Pflegekräfte, M.R.] haben, klar, auch noch eine Dokumentation, aber [dass, M.R.] das letztendlich doch so viel ist, dass man nur noch als Büroangestellte dasitzt und alles aufschreibt, ist schon ziemlich traurig.“ (P2_F4) Hingegen zeigt sich bei den Mitarbeiter_Innen eine andere Wertung. Die Dokumentation ist auf dieser Ebene eher positiv konnotiert und zwar in zweierlei Hinsicht. Einerseits wird auch in PIERIS das Symbol der Schutzfunktion der Dokumentation in den Stories aktiviert. „Für uns halt zur Absicherung, in erster Linie zur Absicherung und dann halt meistens für die Aufsicht.“ (P2_M1) Dabei wird hier auch deutlich, dass keine explizite Ablehnung der ‚Leitungs-Narration‘ vorhanden ist, da ebenso jener Aspekt bedient wird, dass die Dokumentation für die Kontrollinstanzen ist. Das Symbol der Absicherung findet sich ebenso bei M4. „So ein Gedanke ist schon immer da: Du bist verantwortlich für alles, und Vorbildfunktion und alles möglich und Mentor bist Du auch noch. Aber manchmal so der Gedanke: ‚Hast Du es aufgeschrieben?‘, ‚Hast Du es aufgeschrieben?‘, weil das ist wichtig. Aber mittlerweile bin ich so, ich schreibe es vorn sofort auf. […] Nicht dass man mir doch mal was ankreiden kann.“ (P2_M4) 194 Andererseits zeigt sich auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen ebenso die Bewertung der Dokumentation als ‚wichtig‘ für die Pflege. Darin wird die Bezugnahme zur akademischen Argumentationslinie deutlich, mit dem diskursiven Argument der professionellen Systematisierung, wobei in der Story von M1 sogar eine Priorisierung zum Ausdruck kommt. „Dass ich es halt erledigt habe, so dass es halt gemacht ist. Klar, das andere ist auch wichtig zur Absicherung. Aber das Zweite ist schon wichtiger für mich.“ (P2_M1) Bei der Pflegehilfskraft zeigt sich dieselbe Konnotation. „Also ich will für mich immer das richtig machen und nicht bloß/“ (P2_M2) 154 Auch bei M3 zeigt sich die Aneignung dieses Elements des Juristischen auch in der hier vorgetragenen Wertung. Dabei ist in der entsprechende Story ebenso der Bezug zu den Kontrollinstanzen hergestellt und auch die Bezugnahme zu dem Symbol der Schutzfunktion gegenüber diesen Instanzen. Darüber hinaus fällt die Konstruktion als Normalität auf. „Für uns ist es wichtig und natürlich halt auch für den MDK. Das ist ja unser Nachweis, was passiert mit den Bewohnern. […] Aber das ist unser täglich Brot. Da wächst man einfach mit rein.“ (P2_M3) Die Narration der Mitarbeiter_Innen stellt sich somit eindeutig als ‚Gegen-Narration‘ zu den Führungskräften dar. Dabei wird jedoch bei einem genaueren Blick deutlich, dass die negative Tendenz in der Narration der Führungskräfte – abermals vor einem pragmatischen Hintergrund – etwas relativiert wird. „Es ist einfach ein Nachweis, was habe ich getan, was wurde am Bewohner getan.“ (P2_F3) Hierin zeigt sich deutlich die als ‚Gegen-Narration‘ dargestellte Positionierung der Mitarbeiter_Innen. Es ist somit davon auszugehen, dass Führungskräfte eine Story ‚nach außen‘ haben, welche als ‚Leitungs-Narration‘ in den Interviews wiedergegeben wurde und die sinnstiftende ‚BinnenNarration‘ eher der Narration der Mitarbeiter_Innen entspricht, wobei die ‚Leitungs-Narration‘ unter Einbezug pragmatischer Metaphern eingeebnet wird. Diese These wird durch eine Story von F2 gestützt, welche neben der Dokumentationspflicht auch auf die Standardisierung in den Einrichtungen abstellt. „Zum einen ist es einfach, dass wir uns immer vergegenwärtigen müssen, worin besteht unsere Arbeit jetzt für uns erst mal. Und es gilt auch als Haftungsrecht. Denn wir stehen ja nach wie vor dermaßen in der Haftung, so dass man auch diesen Themenbereich immer wieder diskutieren muss und worauf kommt es an. Wie ist es, dass der Bewohner nicht irgendwo zu Schaden kommt in unserer Arbeit, und wie können wir uns auch schützen? Dazu stehen die Standards schon da.“ (P2_F2) Im Kontext dieser pragmatischen Betrachtungsweise bedient M4 eine bereits aus anderen Einrichtungen bekannte Metaphorik. „Nur was geschrieben ist, ist gemacht heißt es ja immer.“ (P2_M4) In Bezug auf die gesetzlich festgeschriebene Veröffentlichung der durch den MDK erhobenen Pflegenoten zeigt sich abermals beinahe eine ‚Leitungs-Narration‘, wobei auffällig ist, dass das einzige Individuum der Ebene der Mitarbeiter_Innen wieder M1 ist. Dabei zeigt in der Narration 154 Darüber hinaus ist hier interessant, dass M2 als Hilfskraft mit Dokumentationsaufgaben betraut ist. 195 selbst die negative Beurteilung oder zumindest eine Anzweiflung des Sinns des sogenannten PflegeTÜVs. Bei der F2 drückt sich dies in einer Story über die Unmöglichkeit der Notenvergabe bei der Involvierung von Weisungsbefugten aus. „Da wo ich arbeite, wo ich Angestellte habe, da kann ich nicht mit 1,0 abschließen. Ich will mich jetzt nicht schlechter machen. […] Natürlich freue ich mich, ich lobe mein Personal dafür – ihr macht richtig tolle Arbeit, das ist einfach ein Spiegel eurer Arbeit. Aber wiederum muss ich für mich sagen, dass es so nicht funktionieren kann.“ (P2_F2) Auch bei den WBLen zeigt sich ein negatives Bescheiden. „Ich finde das Schulnotensystem absolut schwachsinnig. […] Ich muss mit dem, was wir bieten, was wir machen, was wir tun, das muss ich rechtfertigen können. Und da ist es mir persönlich am Ende relativ egal, ob sie mir dafür eine 1, 2 oder 3 geben.“ (P2_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen findet sich bei M1 eine Story des Hinterfragens der Aussagekraft der Benotung. Gleichsam ist darin deutlich, warum der oben dargestellte Pragmatismus in PIERIS eine so starke Ausprägung hat. „Das finde ich auch ein wenig komisch. Das ist nur das Oberflächliche, was man sieht. […] Wenn die Akten gut sind und wenn der Ablaufhier stimmt und alles/ Das heißt nun nicht, dass das Heim unbedingt besser ist. Aber danach wird es halt dann bewertet. Hauptsächlich.“ (P2_M1) Letztlich finden sich noch einige vereinzelte Bezüge zu anderen Elementen des Juristischen, wobei an diesem Punkt keinerlei Narration auf irgendeiner Ebene erkennbar wird. So zeigt sich sowohl bei der PDL als auch bei M2 die Begründung, weshalb M2 als Hilfskraft auch mit Dokumentationsaufgaben betraut ist. F2 gibt dazu an: „Wir halten uns auch an diese Vorgaben. Und dann wird eben auf den Bewohner Rücksicht genommen.“ (P2_F2) Daraus ist erkennbar, dass die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zwar weitestgehend eingehalten werden sollen, aber in zweifelhaften Situationen die Priorität der Pflegekräfte auf den Bewohner_Innen liegen soll. Fraglich ist dabei, woraus sich hier der konkrete Bezug zur Dokumentation durch Hilfskräfte ergibt, denn diese scheint nur toleriert zu sein. Bei M2 selbst hingegen ergibt sich sowohl der Hintergrund der Gesetzeslage, als auch die Begründung des Abweichens, auch in einer analogen Story unter Nutzung der Metaphorik des Wohls der Bewohner_Innen. „Manchmal dürfte ich es nicht mehr. Aber ich nehme mir einfach das Recht raus. Weil ich [möchte, M.R.] den Bewohner noch als Mensch zu behandeln. Also wenn ich das mal anders machen müsste, oder man das verlangt, ich glaube, dann müsste ich den Arbeitsplatz wechseln oder den Beruf wechseln.“ (P2_M2) In der Betrachtung der Aneignung der juristischen Elemente in PIERIS haben sich folgende Erkenntnisse ergeben. Zum einen wurde deutlich, dass auch hier und somit bezogen auf alle Elemente der Makro-Ebene kaum homogene, organisationsweite Narrationen ausgeprägt sind. Auf der anderen Seite jedoch wurde in der Analyse des Juristischen deutlich, dass zunächst gegenläufig erscheinende Narrationen mittels Pragmatismus so ‚gleichgeschaltet‘ werden, dass es nicht zu Brüchen innerhalb der Organisation kommt. Jedoch konnte auch hier bislang kein_E Change Agent 196 identifiziert werden, welche die ‚Leitungs-Narration‘, die ‚Gegen-Narration‘ oder den Pragmatismus als ‚harmonisierendes Moment‘ initiiert. d) Das Betriebswirtschaftliche In der bisherigen Betrachtung der Makro-Ebene und deren Niederschlag in den Narrationen von PIERIS konnten an der einen oder anderen Stelle Bezüge zur Meta-Ebene verdeutlicht werden. Somit ist auch klar, dass die Meta-Ebene im Allgemeinen stärker rezipiert ist als die Makro-Ebene und die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie dabei eine hervorstehende Position einnimmt, da hier auch der bereits häufig in den Narrationen gefundene Pragmatismus begründet liegt. Grundlegend zeigt sich dieser bei F1 in der Wiedergabe des diskursiven Arguments der Anpassung aller Marktakteur_Innen an die Gepflogenheiten des Marktes. „Eben der wirtschaftliche Druck auf die Einrichtungen ist größer geworden, sind auch in den vergangenen drei, vier Jahren letztendlich auch manche Überkapazitäten aufgebaut worden. Es gibt kaum einen Landkreis in Deutschland, der nicht Überkapazitäten aufweist. Also, wie gesagt, auch hier im Schwarzwald-Baar-Kreis, wir haben etwa 400 Pflegeplätze, die eigentlich über Bedarf sind; die nicht belegt sind.“ (P2_F1) An anderer Stelle zeigt sich in einer Story desselben diskursiven Arguments bei F1 jedoch auch die Reflexion über die negativen Folgen dessen. „Heute werben Sie um die Klienten. Heute hat fast jede Einrichtung freie Kapazitäten, die belegt werden müssen. Eben der wirtschaftliche Druck auch auf die Einrichtungen ist größer geworden, sind auch in den vergangenen drei, vier Jahren letztendlich auch manche Überkapazitäten aufgebaut worden.“ (P2_F1) Eine erste Narration kann in Bezug auf das diskursive Argument der Optimalität und der funktionalen Ausrichtung einer Einrichtung erkannt werden. Bei F1 findet sich in diesem Zusammenhang abermals die Story der externen Instanzen, hier jedoch das erste Mal in Bezeichnung des Trägernamens. „Da haben die Privaten, und vor allem große Private wie [Trägername] mit über fünfzig Häusern in ganz Deutschland mit Hauptverwaltung, die alle mit Fachleuten bestückt sind; wir haben einen eigenen Geschäftsführer für den Bereich Finanzdaten und Controlling.“ (P2_F1) Hingegen ist bei der WBL F3 die Bedingung der Metapher des Perfekten erkennbar. „Wichtig ist, dass es funktioniert. Es muss nicht perfekt/ Wenn es irgendwo sehr gut läuft an der Grenze zum Perfekten in irgendeinem Bereich, ist es wunderbar.“ (P2_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigt sich in diesem Zusammenhang deutlich die Bezugnahme zur Best Nursing Practice. „Also praktisch: nur weil es jetzt länger dauert, man Ihnen das Gesicht nicht selber wäscht. Da kann man sich ja auch ein bisschen selber organisieren, dass man zwischendurch zu jemand anders geht.“ (P2_M2) In Bezug auf das diskursive Argument der Ausgestaltung von Personalbesetzungen in einem wirtschaftlichen Sinne zeigt sich eine weitere Narration, die über die gesamte Organisation hinweg nachweisbar ist. Interessanterweise zeigt sich bei der HL auch für dieses Argument eine Einbettung in die Story der externen Instanzen. Wobei hier abermals auffällt, dass der Träger als Symbol der 197 Fremdbestimmung und -attribution eingeführt wird und mit der Metapher der ‚Chefetage‘ gestützt wird. „Wir sind im Moment immer schon drüber auf Grund unseres jungen Klientels im Wohnbereich 2. Aber mehr kann ich nicht. Und wenn eben die Chefetage sagt nein, du bist jetzt am obersten Limit, dann kann ich nicht noch jemand einstellen.“ (P2_F1) Bei F1 fallen dabei abermals die Rezeption und die Nutzung des entsprechenden diskursiven Arguments auf, wobei immer in der individuellen Wiedergabe über die Stories jeweils sofortig ein Rückzugspunkt der Fremdbestimmtheit über den Träger bedient wird. Es fällt auch auf, dass bisher diese Story und der verdeutlichte argumentative Rückzugsraum von keinem anderen Individuum narriert werden. Jedoch wird von F1 selbst wie auch anderen in die Narration Integrierten eine weitere Facette dieses diskursiven Arguments bedient. Die oben genannte Story kann dabei als Ausdruck des Arguments ‚in Reinform‘ interpretiert werden. Daran anschließend kann jedoch festgestellt werden, dass auf dem reinen Argument aufbauende Praktiken ebenso in Stories eingebunden werden, damit in derselben Semantik bleiben und als Narration des diskursiven Arguments als solches gesehen werden können. Neben den bisherigen Fällen wird dies abermals hier deutlich, wenn in der Folge die Narration der Praktik der Personalbelegungsplanerstellung über den Fachkraftschlüssel und sich daraus ergebende Verteilung von Fach- und Hilfskräften dargestellt wird. Darin ist im besten Fall zu erkennen, dass das diskursive Argument im Circuit of Connectivity des Modells ‚angelangt‘ ist. „Das heißt, ich plane einmal im Jahr vor, welche Belegung prognostiziere ich für das nächste Jahr, in welchen Pflegestufen sieht diese Belegung aus. Und dann plane ich faktisch noch mal jedes Quartal nach. Das heißt, ich versuche dann immer wieder die Planung entweder anzuheben, wenn ich merke, wir sind besser belegt als geplant, oder ich ziehe sie entsprechend auch runter. Und dann habe ich im Prinzip genauso wie auch in anderen Einrichtungen immer wieder die Pflegepersonalschlüssel, die mir dann im Prinzip anzeigen, habe ich zu viel Personal an Bord, habe ich zu wenig Personal an Bord.“ (P2_F1) Bei der PDL F2 zeigt die Narration der Praktik mit einer sehr starken ‚Rückbindung‘ an das reine diskursive Argument. „Wir haben z. B. hier im Haus 58 % Fachkraftanteil. Man muss natürlich immer unterscheiden. Deshalb ist, glaube ich, auch jede Einrichtung bemüht, so viele Teilzeitkräfte wie möglich einzustellen, damit wir prozentual die Köpfe einfach stellen können. Was nützt mir, wenn ich eine 100-%-Kraft, einen Kopf habe, könnte dafür aber zwei Köpfe haben, wenn ich 50-%-Mitarbeiter einstellen könnte. Damit ist mir viel mehr geholfen, wenn ich eben Teilzeitkräfte habe. […] [D]as ist die Struktur, und dann läuft 's in die Prozessqualität mit rein, dass ich dann sage, was habe ich für Möglichkeiten. Welche Personaldecke habe ich praktisch?“ (P2_F2) Abermals zeigt sich im Besonderen auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen die Narration der Praxen und der Positionierung. Bei M1 wird dabei die Story des Teams aktiviert, wenn es um die Quote von Fach- und Pflegekräften geht sowie um die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Gruppen. „Und ich persönlich mache da auch keine Unterschiede. Ich finde, wir arbeiten zusammen. Jeder hat seinen Bereich. Gut, die Helfer machen was anderes als die Examinierten, aber im Grunde muss man zusammen harmonieren. Und das ist ein Team und das muss alles ineinander greifen.“ (P2_M1) 198 Bei der Pflegehilfskraft zeigt sich die Narration in derselben Story, sodass die zum Ausdruck gebrachte Achtung auch so wahrgenommen wird und sich ebenso in der Subjektpositionierung von M2 ausdrückt. „Also ich muss sagen, hier auf der Station ist das eigentlich nicht so. Da wird man schon als normale Schwester angesehen einfach. Klar, man sagt dann: das darf ich jetzt nicht tun, ich hol mal meinen Kollegen oder so. Das sage ich dann schon mal. Aber sie kommen eigentlich auch mit allem zu mir. Ich muss sagen, das ist auch schön. Also auch von den Kollegen her, komme ich mir nicht so vor, als ob ich jetzt irgendwie/“ (P2_M2) In diesem Zusammenhang wird abermals auf die Durchführung der Dokumentation durch Hilfskräfte eingegangen, welche ebenso die Achtung gegenüber allen Mitarbeiter_Innen verdeutlicht und somit auch eine entsprechende Praktik der Inklusion im Rahmen des diskursiven Arguments der wirtschaftlichen Ausgestaltung der Personalausstattung darstellt. „Also bei [uns, M.R.] im Haus ist es schon so, dass wir die pflegerische Sache usw. abzeichnen dürfen, nur eben nicht die medizinische Sache. Die tragen dann schon die Fachkräfte ein. Jetzt gibt es ja auch so ein Berichteblatt, da dürfen wir auch reinschreiben, was uns auffällt, auch medizinisches. […] Aber so ist das bei uns im Haus schon üblich, dass wir das auch machen.“ (P2_M2) Die Begründung dafür wird auch eindeutig in der entsprechenden Handreichung durch die Führungsebene gesehen. „Also schon von oben, dass wir auch die pflegerische Sache abzeichnen dürfen und das was uns auffällt, das tragen wir schon ein, bei uns auf dem Stock und sagen es dann weiter.“ (P2_M2) Daraus kann ein Rückschluss gezogen, wo ein_E potentielle_R Change Agent ausgemacht werden könnte. Dabei wird darüber hinaus deutlich, dass hier auch ‚das Haus‘ gemeint ist und nicht – wie es oben scheinen könnte – die Station. Somit liegt wiederrum der Schluss nahe, dass die HL F1 oder die PDL F2 als Change Agent zu identifizieren ist. Der Schluss wird gestützt von einer weiteren Story von F1, in welcher genau dieser Aspekt Ausdruck findet. „Das Gehalt nach meinem Denken ist immer noch ein großer Gradmesser, ob ich einen Mitarbeiter bekomme oder nicht. Andererseits ist auch noch mal einfach das Gepräge des Hauses wichtig und ein Stück weit auch die Teamorientierung. Und da zählt natürlich dann auch für Mitarbeiter sehr viel, was höre ich denn von anderen. (P2_F1) Es zeigt sich jedoch auch hier abermals der Rückzug von F1 auf die Position der Schuldfreiheit und die Attribution der Verantwortung auf die Externalität durch den Träger. „Das ist zwar bei Privaten, jetzt auch bei [Trägername] eingeführt, dass es ein Bonussystem gibt für alle Leitungskräfte, d. h. Heimleitung, Pflegedienstleitung, Hauswirtschaftsleitung und die Wohnbereichsleitung und ihre Stellvertretung sind in diese Bonussysteme eingebunden. […] Und dann hat man zu wenig Möglichkeiten, um die Mitarbeiter im quasi zweiten Glied auch entsprechend zu bewerten. Also es ist manchmal schon auch bei uns hier sehr umständlich, wenn man sagt, ich habe da wirklich einen guten Mitarbeiter und dem möchte ich jetzt vielleicht auch mal 5 bis 6 % mehr geben in seinem Gehalt.“ (P2_F1) Daraus ergibt sich eine Problematik in Bezug auf die Besetzung offener Stellen, welche von F1 so auch erkannt und in die ‚Story des Rückzugs‘ eingebunden wird. 199 „Aber mittlerweile hat man auch bei [Trägername] verstanden, dass sich ein großes Fachkraftproblem auftut und dass man eben nicht erst warten kann, bis es zu spät ist.“ (P2_F1) Dabei zeigt sich, dass die ‚Story des Rückzugs‘ – zumindest bei den WBLen – in der Tat keine Rezeptivität aufweist, sondern explizit zurückgewiesen oder nicht wahrgenommen wird. „Zum einen bin ich nicht für die Belegung zuständig, und den Druck drumherum, was die Belegung betrifft, der liegt nicht bei uns auf der Station, der liegt beim Heimleiter oder auch Pflegedienstleitung. Nicht bei uns. Und den Schuh setzen wir uns auch gar nicht auf.“ (P2_F3) Dabei wird an anderer Stelle deutlich, dass hier nur die Story der HL des Verantwortungsentzugs zurückgewiesen wird, jedoch nicht die grundlegende Kausalität durch die Trägerschaft, wobei hier abermals die oben erwogene Position der/des Change Agents verdeutlicht wird. „Ein ‚normaler‘ Mitarbeiter, ein einfacher Angestellter, ein Pflegehelfer oder eine einfache Pflegefachkraft kann an der Struktur des Konzerns, des Unternehmens nichts ändern. Aber nur dann, wenn man weiß, das und das funktioniert nicht im Haus, und wenn die Mitarbeiter das sagen, kann es weitergegeben werden über Pflegedienst- und Heimleitung und dann in den entsprechenden Sitzungen, die die dann wieder haben.“ (P2_F3) Dabei wird die Gebundenheit an die Vorgaben der Trägerschaft auch von der PDL gesehen, jedoch nicht in eine ‚Story des Rückzugs‘ eingebunden. Vielmehr wird hier eine positive Konnotation zum Ausdruck gebracht, welche über die Metapher der Vernetzung als Erfahrungsaustausch ausgedrückt wird. „Wir sind ja miteinander vernetzt. Wir arbeiten immer ganz eng mit unserer Zentrale zusammen.“ (P2_F2) Diese Story und die Narration von F2 werden auch von F1 getragen. „Das macht es beim Privaten etwas einfacher. […] [D]as betriebswirtschaftliche Management wird bei Privaten professioneller gestaltet als in der freien Wohlfahrtspflege. Das merke ich hier. Man redet auf einer ganz anderen Ebene auch mit den entsprechenden Leuten. Also wenn wir auch hier mit unserem Controlling zusammenarbeiten, wenn wir unsere Budgets planen und auch überprüfen und auswerten, geschieht das auf einer ganz anderen Ebene, wie das früher bei frei-gemeinnützigen war; bei den freigemeinnützigen heute zwar auch anders, habe ich es auch bei der Lebenshilfe und bei der AWO genauso erlebt. Da war es auch wichtig, dass einfach die Hütte belegt ist.“ (P2_F1) Neben der Rezeption der Argumentation von F2 ist hier zu erkennen, dass die ‚Story des Rückzugs‘ von F1 nicht nur auf die eigenen Person, sondern auch auf den Träger Anwendung erfährt. Diese bei F1 ausgedrückte Rechtfertigung wird jedoch von der WBL F3 zurückgewiesen. „Ja gut, das ist so ein Bild, was vom Unternehmen her vorgegeben wird, was als Ziel gesetzt wird, eine volle Auslastung usw. Aber das ist nicht unser Augenmerk.“ (P2_F3) Darin wird jedoch ebenso deutlich, dass das ‚einende‘ Element abermals der Pragmatismus ist, da sowohl die HL als auch die WBL die entsprechende Praktik in PIERIS als negativ aber ebenso unabänderlich darstellt; bei F1 in Bezug auf die Befristung von Arbeitsverträgen „Und auch da arbeiten natürlich Private noch mal anders. Es wird bei privaten Trägern viel mehr mit befristeten Verträgen gearbeitet, mit Zeitverträgen gearbeitet, als ich es z. B. vorher kannte.“ (P2_F1) 200 und bei F3 mit der gleichen Bezugnahme, jedoch mit einer Konstitution im Juristischen. „Die Stellensituation an sich ist dadurch, dass irgendwo vorgegeben wird, das ist das, was ihr mindestens haben müsst, und das ist klar, dass Deutschland ein Wirtschaftsunternehmen ist an sich schon, dass die einzelnen Firmen oder Unternehmensgruppen dann auch gucken, dass sie möglichst am Minimum arbeiten, solange es funktioniert.“ (P2_F3) Dabei wird deutlich, dass das pragmatische Moment stark durch die Narration des Teamgedankens als diskursives Argument transportiert wird. Das zeigt sich nicht nur auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen, wie es an einigen Stellen bereits aufgezeigt wurde, sondern auch sehr augenscheinlich auf der kompletten Führungsebene. Bei der HL findet sich das Argument in einer Story über das wahrgenommene Fehlverhalten bei zwei Mitarbeiter_Innen in der eigenen Einrichtung. „Ich denke, ein Fehlverhalten wäre es, wenn z. B. der Teamgedanke auch bei den Mitarbeitern nicht adäquat entwickelt ist. Wir haben im Moment zwei Mitarbeiter im Haus, wo es ganz ganz schwer ist, mit denen umzugehen, denn die nehmen – und das spürt man sehr deutlich – die Einrichtung, die Leitung, die Kolleginnen und Kollegen quasi so als eine Art Selbstbedienungsladen. Also immer nur ich will etwas haben, aber ich werde nie etwas geben.“ (P2_F1) Bei F3 wird dabei deutlich, dass Teamarbeit vor dem betriebswirtschaftlich rationalen Hintergrund fungiert, den Betrieb der Einrichtung zu optimieren und fehlerhafte Aspekte zu verbessern. „Und allgemeine Sachen, dafür haben wir unsere Teambesprechung, wo dann alle da sind, wo dann grundlegende Sachen, die einfach besser sein müssen, angesprochen werden.“ (P2_F3) Bei der WBL F4 zeigt sich darüber hinaus, dass mit Teamwork auch die Metapher der Harmonie verbunden ist. „Es kann sein, dass wir uns täglich eine Frühstückspause zusammen gönnen und zusammen hinsitzen und das trägt ja auch schon viel dazu bei, dass man einfach ein harmonisches Miteinander hat, mit den Mitarbeitern. Dass man zusammen sitzt und das einfach auch mal genießt. Teampflege, Teamkultur, wie auch immer.“ (P2_F4) Es zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter_Innen eine Einbindung in das Team stark an die Führungskräfte knüpfen. Dabei ist jedoch offensichtlich, dass sich auch an dieser Stelle ein sehr ausgeprägtes pragmatisches Moment zeigt. Darüber hinaus wird in der Story von M3 deutlich, dass dadurch auch eine Verbundenheit mit der Einrichtung nicht gewährleistet ist. Die Begründung dafür kann zum einen in der so präsenten ‚Story des Rückzugs‘ gesehen werden, wodurch eine eher personell verknüpfte Bindung entsteht und zum anderen darin, dass ein entsprechendes diskursives Argument nicht in die Narration von PIERIS eingebunden ist und somit auch nicht angeeignet wurde. „Und die Heimleitung, [Name] - es ist schon eine sehr große Respektsperson. Das ist klar. Und das ist für jeden so. Und meiner Meinung nach muss das einfach auch so sein. […] Er ist sehr freundlich zu uns, hilfsbereit, er setzt sich für einen ein, man kann mit ihm auch reden, aber man hat immer den Hintergedanken: Es ist einfach mein Chef, und wenn er sagt, so wird 's gemacht, dann wird 's auch so gemacht - keine Widerrede. Das ist ganz klar. […] Es interessiert einen schon auch, bei welcher Firma man angestellt ist. […] Eine wirkliche Verbundenheit […] glaube ich nicht, dass das jeder Mitarbeiter hat.“ (P2_M3) 201 Diesbezüglich zeigt sich auch das diskursive Argument der Anforderungen an Manager_Innen, einflussreiche Operator_Innen zu sein, welche Prozesse begleiten und Sinn stiften können. Bei der HL findet sich dementsprechend eine Story über den Versuch der Vorgabe organisationskultureller Elemente. „Zum einen versuche ich relativ stark die Ethik vorzugeben und mische mich auch immer wieder mal in bestimmte Bereiche ein. Für die Mitarbeiter ist es dann oft eben so, und da war [Name des Vorgängers] eben anders. Herr [Name des Vorgängers] hat im Prinzip alles so laufen lassen, wie es die Mitarbeiter für richtig gehalten haben, während ich einfach sage, ich möchte gern ein einheitliches Gepräge im Haus. Ich möchte einfach bestimmte Sachen dann auch umsetzen.“ (P2_F1) Dabei zeigt sich der Versuch von F1, sich als Change Agent zu etablieren, indem auf das Bestreben hingewiesen wird, auf „bestimmte Bereiche“ Einfluss zu nehmen und auf die Unterschiede zum Vorgänger verwiesen wird. Es zeigt sich dabei jedoch, dass diese Position der HL als Change Agent nicht angenommen wird. Auf der Führungsebene werden als relevante Positionen für das Personal stärker andere Führungskräfte bedacht. „Für den Mitarbeiter an sich und den Pflegehelfer, die Pflegefachkraft ist das am Ende relativ egal. Interessiert daran, dass diese Sachen funktionieren usw., sind dann die Stationsleitung, die Pflegedienstleitung.“ (P2_F3) Gleichsam findet sich bei den Mitarbeiter_Innen eine analoge Narration, indem zwar Symbole wie ‚Chef‘ angelegt sind, jedoch durch die Einbindung in den organisationalen Kontext ein beinahe abwartenden Charakter im Umgang mit F1 nahegelegt wird, welcher an ‚Chef‘ nicht die Position der/des Change Agent_S bindet. „Aber wenn man dann manchmal zum Chef geht und der sagt Ja und wir wissen nichts davon, das passt nicht. Er muss sich erst in dieses Bild einfügen. Aber das wird auch noch kommen. Wir mussten auch erst zueinander finden.“ (P2_M4) Dieser Aspekt verdeutlicht sich noch in einer Story über den eigenen Verantwortungsbereich. „So ein Gedanke ist schon immer da, Du bist verantwortlich für alles und Vorbildfunktion und alles Mögliche und Mentor bist Du auch noch.“ (P2_M4) Die Ablehnung der einflussreichen Position der HL als Change Agent kommt dabei zum einen bei der WBL F3 zum Ausdruck, in einer Story, welche einerseits einen vergangenen Bruch der Narration der HL aufzeigt, andererseits die Bezugnahmen als Enttäuschung darstellt und darüber hinaus eine eigene exponierte Position in der Story hervorhebt. „Es sind aber auch Sachen, vor denen ich vorher schon gewarnt hatte, wo ich gesagt hatte, das wird nicht so werden, wie es jetzt versprochen wird. […] Vom Heimleiter. Und dem Heimleiter habe ich von Anfang an erklärt, das wird nicht so werden. […] Und die Mitarbeiter, die ihm Gehör geschenkt haben dafür, die nicht auf mich gehört haben, wo ich gesagt habe, das wird nicht so werden, die sind dann halt dementsprechend frustriert - zu negativ das Wort, aber/ […]. Durch meckern, durch schimpfen und sich immer auf diese Worte noch beziehen. Und da bleibt halt nichts weiter übrig zu sagen: Ich habe es euch gesagt, ihr wusstet es eigentlich auch. Deswegen es kommt immer auf den einzelnen Mitarbeiter an.“ (P2_F3) 202 Zum anderen könnte, wie an anderen Stellen schon oft unterstrichen, eine Begründung in der ‚Story der Rückzugs‘ der HL liegen. Hier zeigt sich jedoch augenscheinlich, dass auch F1 die Schwierigkeiten für die Individuen in der Organisation erkennt, sich jedoch abermals zurückzieht „Mir gegenüber ist eher, dass die Mitarbeiter auch zu Recht darauf hinweisen auf die schwierigen Situationen in ihrer Arbeit, mehr eigentlich immer bemängeln, es müssten mehr Mitarbeiter da sein. Und ich nehme diese Äußerung auch immer sehr ernst, aber ich kann da nicht viel dran ändern.“ (P2_F1) und darüber hinaus eine entsprechende Verantwortung an die Mitarbeiter_Innen abgibt. „Was natürlich auch hinzukommt, sind die Komponenten: Wie gut können Mitarbeiter organisieren? Wie gut können Mitarbeiter strukturieren? Wie flexibel sind Mitarbeiter auch? Das ist für mich eigentlich so immer das Wichtige auch innerhalb einer Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern.“ (P2_F1) Dabei zeigt sich jedoch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen abermals ein Bruch, da eine folgende Verantwortungsübernahme in der organisationalen Praxis keine Honorierung erfährt. „Ich habe mich dann öfters auch mal mit Leuten ins Zimmer gesetzt. Ich habe halt gedacht, das ist angebracht, dass man mit denen redet im Zimmer. Und da habe ich damals auch Ärger gekriegt. Da hat man manchmal gesagt: Was hockst du da schon wieder bei dem Bewohner rum?“ (P2_M1) Darin zeigt sich, dass neben der Narration des Pragmatismus zwar andere Narrationen initiiert werden, jedoch nicht alle drei Circuits durchlaufen, sodass Subjektpositionen und Praktiken entwickelt sind. Der personalwirtschaftliche semantische Kern der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie ist in PIERIS ebenso, wenngleich – analog zu den bisher betrachteten Fällen – auch nicht sonderlich stark ausgeprägt. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, welche bisher für die narrierende Organisation des Falles PIERIS gewonnen werden konnten, zeigt sich für das Personalwirtschaftliche eine erwartbar ausdifferenzierte Narration. Es zeigt sich, dass die HL in dieser Narration gar nicht vorhanden ist, sondern von den Führungskräften ausschließlich die PDL und die WBLen aktiv in die Narration eingebunden sind. Bei den Mitarbeiter_Innen lassen sich keine Unterschiede hinsichtlich des Status feststellen. Bei der PDL findet sich explizit das diskursive Argument der Vermeidung von Stress und als Folge Burnout bei den Mitarbeiter_Innen. „Und da möchte ich eigentlich dieses sogenannte Ausbrennen, wie wir es so schön immer nennen, vermeiden, dass meine Mitarbeiter einfach zu schnell ausbrennen, weil auf der einen Seite Unmut da ist oder auch kein Vertrauen mehr entgegengebracht wird.“ (P2_F2) In der hier vorgetragenen Story zeigt sich dabei deutlich, dass es eine (bewusste oder unbewusste) Abkehr von Enttäuschung, welche oben bei F1 von der WBL und Mitarbeiter_Innen adressiert wurde und darüber hinaus auch eine Bezugnahme zu Vertrauen als Basis für Sinnstiftung aber auch die Vermeidung von Stress. Bei der WBL F3 ist hingegen eher eine Story der Motivation des Personals aktiv, wobei auffällt, dass auch eine Bezugnahme zu dem Beruf im Allgemeinen und nicht zur Einrichtung gezogen wird. „Ein guter Mitarbeiter ist ein Mitarbeiter, der motiviert zur Arbeit kommt auf jeden Fall. Das gehört grundlegend dazu, man muss motiviert sein, hier oder in dem Beruf allgemein zu arbeiten.“ (P2_F3) 203 Solche allgemeinen Bezugnahmen erscheinen dabei wiederum in einer argumentativen Nähe zu der oben bei F1 mehrmals festgestellten ‚Story des Rückzugs‘ zu stehen. Interessanterweise zeigt sich in der Narration über die Motivation der Mitarbeiter_Innen erstmals eine Rezeption dieses Moments bei anderen Individuen in PIERIS. Bei M3 wird in diesem Zusammenhang argumentativ auch eine Art Rückzug etabliert, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, dass ein genereller Mangel besteht und die eigene Einrichtung hier nicht schlechter agiert als andere. „Weil halt auch überall gespart wird. Das ist halt einfach so. Oder dass auf Grund dieses Personalmangels, der halt immer wieder herrscht – heutzutage ist es so: In dem einen Heim ist es schlimmer, im anderen ist es besser.“ (P2_M3) Bei M4 findet sich dasselbe Argument in einer Story über das generelle Zeitproblem, wobei hier abermals der Pragmatismus zum Ausdruck kommt. „[U]nd die Zeit hat man ja so gut fast nicht. […] Mehr geht auch nicht, denn die laufende Arbeit muss weitergehen“ (P2_M4) Bei M1 zeigt sich sogar, dass die Führungsebene wie auch der Träger in Schutz genommen wird, wobei ebenso der Pragmatismus dahingehend zum Ausdruck, dass die Allgemeinsituation zwar als negativ erachtet wird, aber es in PIERIS ‚schon in Ordnung so sei‘. „Ich bin zufrieden eigentlich hier. Gut, die Defizite […]. Da kann der Träger nichts dafür. Da kann auch die Leitung nichts dafür. Im Grunde genommen bin ich zufrieden. […] Der Träger oder die Heimleitung können da nichts ausrichten. Aber von oben herab, da könnte man für alle Heime bessere Bedingungen schaffen. Aber so, wie es momentan ist, ich denke, das ist schon in Ordnung so.“ (P2_M1) In einer Story über die motivatorische Wirkung hinsichtlich Materialbeschaffungen zeigt sich schlussendlich abermals ein mögliches Indiz für die Position einer/s Change Agent_S in der PDL. „[M]anchmal ist es [eine, M.R.] Geldfrage, aber wir haben jetzt auch einen Lifter bekommen. Wir haben mal gekämpft und das hat sie [die PDL, M.R.] eigentlich auch eingesehen.“ (P2_M2) Wider der Erwartung aus dem bisher Analysierten, den finanziellen Hintergrund und entsprechende Diskussionen mit F1 verbunden zu sehen, wird hier die Subjektposition der PDL in der Narration stark gemacht als diejenige, welche in der Situation zur Einsicht gekommen ist. Für die Aneignung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie in PIERIS lässt sich festhalten, dass vereinzelte Narrationen von diskursiven Argumenten über alle Ebenen der Organisation festgestellt werden konnten. Dabei ist jedoch augenscheinlich, dass das einzige weithin bediente Argument die pragmatische Ausrichtung jeglichen Handelns zu sein scheint, da dieses Argument in annähernd allen übrigen Narrationen als letztendlich gültiges und teilweise auch einzig verbleibendes in PIERIS erscheint. Als ein weiterer Aspekt ist aufgefallen, dass die HL eine ‚Story des Rückzugs‘ auf eine Position der Schuldfreiheit verfolgt. Diese konnte in der Betrachtung des personalwirtschaftlichen semantischen Kerns sogar als Rezeption auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen festgestellt werden. Dabei muss jedoch einschränkend erwähnt werden, dass dieselbe Story im Rahmen der betriebswirtschaftlichen ‚Mainstream-Argumentation‘ delegitimatorische Effekte für die Position der HL als Change Agent aufweist. Vielmehr erhärtet sich hier am Ende die Mutmaßung, dass die PDL F2 eine Rolle als Change Agent in PIERIS generell oder zumindest in Bezug auf die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie einnimmt. Letztlich bleibt 204 noch die Anmerkung, dass für die Aneignung von Argumenten des semantischen Kerns der kritischen Betriebswirtschaftslehre im vorliegenden Fall keinerlei Hinweise oder gar Stories nachzuweisen sind. e) Das Akademische Die akademische Argumentationslinie stellt sich in der Hinsicht dardifferenziert, dass sowohl reine ‚Leitungs-Narrationen, Narrationen ausschließlich auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen sowie homogene Narration über die Ebene hinweg erkennbar sind. Der semantische Kern der Nähe zur Medizin stellt sich dabei zunächst als überwiegend von den Führungskräften angeeignet dar. Dabei zeigt sich im Besonderen bei der PDL eine starke Rezeption der (medizinischen) diskursiven Argumente. „Wenn ich einen Bewohner aufnehme und der hat dicke Beine – ich nenne Ihnen gerne diese Beispiele, damit man einfach den Sinn der Sache so ein bisschen erfasst – dann sage ich, da liegt vielleicht eine Nieren- oder eine Herzinsuffizienz zugrunde, und woher kommt das. Also dass ich das ganze Drumherum sehe.“ (P2_F2) Dabei zeigt sich eine starke Bezugnahme der PDL zum einen zu den medizinisch basierten Wissensressourcen und zum anderen auch zu der Einbettung in den gerontologischen Kontext im Sinne einer systematischen Pflegetheorie, wie biologische, psychologische wie auch soziale Aspekte umfasst. „Erst mal das Wissen selbst [spielt eine Rolle, M.R.], dann die Häufung des Wissens […] und der Bewohner selbst sollte natürlich grundsätzlich auch erst mal im Mittelpunkt stehen.“ (P2_F2) Wobei auch hier bereits die Ausbildung zur Pflegefachkraft in die Story von F2 eingebunden ist. „Einfach das Gesamtbild zu erkennen, so wie auch die Ausbildung heute erfolgt. Wir lernen oder arbeiten in Lernfeldern. Wir sehen das Ganze.“ (P2_F2) Dabei fasse ich die Nutzung der Metapher der Häufung des Wissens als Hinweis auf eine evidenzbasierte Sicht in Hinblick auf die Messbarkeit der Pflege vor dem Hintergrund einer Steigerung und Sicherung der Reputation und Legitimation der Pflege. Dieses diskursive Argument ist im Speziellen bei F2 sehr stark ausgeprägt und zeigt sich in verschiedenen Stories. „Also wir haben uns qualitativ sehr, sehr weit entwickelt. Die Pflege hat sich schon bei weitem mehr etabliert auch, als es zuvor der Fall gewesen ist. Ich denke, mit Einzug der Pflegeversicherung oder mit Wirkung der Pflegeversicherung hat sich immens viel verändert.“ (P2_F2) Es zeigt sich ebenso, dass die die PDL von PIERIS den Versuch unternimmt, nicht nur die Nähe zu weithin bekannten medizinischen Feldern herzustellen, sondern ebenso zu dem psychiatrischen Bereich, da dieser für die Gerontologie von besonderer Relevanz aufgrund demenzieller Erkrankung ist. „Wir sind keine typische Pflegeeinrichtung, wie es eigentlich allgemein bekannt ist. Denn wir haben ja noch den Fachbereich für psychisch kranke Menschen hier, und dadurch ändert sich bei uns vieles oder handhaben wir es anders als in anderen Pflegeeinrichtungen, wo nur typische Seniorenpflege ist. Wir unterscheiden uns dort definitiv von anderen Häusern.“ (P2_F2) 205 Dabei wird die starke Rolle der PDL in Bezug auf die Narration dieses Arguments deutlich. Zum einen zieht F2 eindeutige Bezüge zur Praktikabilität dieser Nähe für die Einrichtung, „Wir haben hier unsere Ärzte, die wir kennen. Das sind dann fünf Ärzte mit Fachärzten zusammen. Man kennt sich über die Jahre. Die kennen uns über Jahre hinweg, und es sind kaum Änderungen da zu beobachten, und dadurch ist das auch ein eingespieltes Team.“ (P2_F2) zum anderen stellt F2 auch die eigene Position in diesem Prozess heraus. „Und wenn dann alle Stränge reißen und es funktioniert gar nichts mehr, dann spreche ich mit den Ärzten und den Krankenkassen.“ (P2_F2) Dabei wird zum einen hierin der Versuch der PDL deutlich, sich als Change Agent für die Aufnahme der diskursiven Argumente dieses semantischen Kerns zu etablieren. Zum anderen ist hierin zu erkennen, dass in der Argumentation kein Obrigkeitsempfinden gegenüber der Medizin ausdrückt. Vielmehr zeigt sich hier das Bestreben nach Kommunikation auf einer Ebene und Wahrnehmung als gleichberechtigter, gleich legitimierte_R Akteur_In. Durch diese sehr starke Präsenz der PDL innerhalb dieses semantischen Kerns bildet sich auf der Führungsebene als Folge eine ‚LeitungsNarration‘ heraus, welche die fundierte Arbeit in PIERIS „immer auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (P2_F2) sieht. Diese Narration zeigt sich in der Ansicht über akademische Charakter einzelner Aufgabenbereiche „Eine Pflegeplanung für einen Bewohner zu schreiben ist mittlerweile fast zu einer wissenschaftlichen Arbeit geworden. Und das macht es sicherlich auch schwer.“ (P2_F1) aber ebenso in der Beurteilung der dafür nötigen kognitiven Kapazitäten. „Also die professionelle Pflege, also das Verständnis dafür, was die Arbeit des anderen betrifft, liegt in der Intelligenz bei den einzelnen Leuten, ganz eindeutig, inwieweit sie da Unterscheidungen machen können.“ (P2_F3) In dieser ‚Leitungs-Narration‘ wird deutlich der Bezug zum diskursiven Argument der Gerontologie als ‚richtige Wissenschaft‘, gleich der Medizin hergestellt und das Bestreben innerhalb der Organisation, die alltägliche Tätigkeit dementsprechend auszurichten, auch wenn es unter Umständen zusätzliche Mühe kostet. Dabei wird auch deutlich, dass die sehr auf die Akademie orientierten diskursiven Argumente nicht von den Mitarbeiter_Innen getragen werden. Hingegen zeigt sich in Bezug auf das diskursive Argument der professionellen Systematisierung über die Auswertung der Dokumentation, im Rahmen desselben semantischen Kerns, eine Narration auf beiden Ebenen der Organisation. Bei F1 drückt sich das in einer Story über die Schwierigkeit des Erlernens dessen für die weniger gut ausgebildeten Hilfskräfte aus.155 „Und für wen es noch schwieriger ist, das sind im Prinzip unsere Pflegehelfer, die angelernten Pflegekräfte, die in der Regel mit sehr viel Skepsis diesem Ganzen gegenüberstehen und vor allem […] die dann sagen: Meine Kollegin, die Pflegefachkraft, die sitzt immer nur im Büro und schreibt, und ich muss hier die ganze Arbeit machen. Da kommt dann auch noch mal so dieser Unterschied zwischen Fachkraft und Hilfskraft zum Vorschein, denn eben das meiste an der Dokumentationsarbeit muss die Fachkraft erledigen.“ (P2_F1) 155 Zur Erinnerung: es wurde festgestellt, dass Hilfskräfte in PIERIS in die Dokumentationsarbeit eingebunden sind. 206 Dabei zeigt sich die enge Verbindung der verschiedenen Narrationen innerhalb des semantischen Kerns, da hier ebenso die kognitiven Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter_Innen in die Story eingebunden werden. Bei der PDL F2 werden mehrere Aspekte augenscheinlich. Zum einen wird eine positive Entwicklung dargestellt und zum anderen wird hier auch die dahinterstehende Gemeinschaft attribuiert. „Das sind Dinge, die wurden einfach komplett verändert. Die Maßnahmen wurden alle verändert. Wir haben Dokumentationssysteme geschrieben, die sich immer mehr bis heutzutage entwickelt haben, bis hin jetzt in die heutige Zeit mit Expertenstandards einfach, wo wir jetzt mit arbeiten. Das ist einfach so professionell geworden.“ (P2_F2) Die dabei thematisierten Praktiken werden im Sinne einer professionellen Systematisierung in den hausinternen Standards gesehen, wobei auch hier das eigene Engagement als Einbindung in den organisationalen Kontext auffällt. „Es wird oft hausintern noch mal runter gebrochen. Wir haben ja ein QM-Handbuch, das ist allgemein gefasst. Und dann gibt es ja nochmal so mit geltende Dokumente, die wir nur speziell für unsere Einrichtung entwerfen. Und zwar entwerfen oder entwickeln wir dieses hier in unserem Qualitätszirkel.“ (P2_F2) Es findet sich in direkter Konnotation zu dieser Story von F2 eine abweichende Darstellung bei der WBL F3. „Also wir haben die Möglichkeit, wenn wir Standards entwickeln, die so bei [Trägereinrichtung] einzureichen und evtl. werden die dann genehmigt.“ (P2_F3) Dabei wird das hier betrachtete Argument als solches ebenso narriert, jedoch wird der poetic trope der Attribution von Gemeinschaft und des organisationalen Kontexts in der Story von F2 zurückgewiesen, wenngleich ohne einen Hinweis darauf, dass dies bewusst als reaktante Handlung zum Ausdruck gebracht wurde. An anderer Stelle wird bei F3 eine andere Story wiedergegeben, welche das Symbol der einfacheren Arbeit in der Organisation einbindet, welche sich durch die Standardisierung ergibt. „Es erleichtert die Arbeit, wenn alle Mitarbeiter nach diesen Standards arbeiten. Dann ist es eine Arbeitserleichterung, weil dann grundlegend gleichmäßig gehandelt wird. Das heißt, dass Arbeitsabläufe einfach generell besser strukturiert sind.“ (P2_F3) Auch die WBL F4 ist in die Narration eingebunden, wobei deutlich wird, dass über die Story alle Mitarbeiter_Innen eingebunden und in eine Beziehung zu dem diskursiven Argument und der materialisierten Praxis – den Exemplaren der Standards – gesetzt werden. „Es weiß halt auch jeder Mitarbeiter, also auch Nicht-Fachkräfte, was zu tun ist. Und dann, dass es eben auch wirklich einheitlich gemacht wird.“ (P2_F4) Bei den Mitarbeiter_Innen ist die Narration ebenso angeeignet und weist Rezeptivität auf. So zeigt sich bei M2 ein deutlicher Bezug zur Auswertung der Dokumentation. „Die Vorteile sind schon: wenn es genau aufgeschrieben ist, kann man besser prüfen, wie hat er sich verschlechtert, hat er sich verschlechtert. Wie schnell geht es, wie reagieren wir, dass wir noch ein bisschen was rausholen. Das hat schon auch Vorteile, wenn man alles aufschreibt.“ (P2_M2) 207 Bei M3 ist der Fokus in der Story stärker auf die Disziplin und die Generalisierung der Wichtigkeit der Dokumentation und der Erfassung von allen Gegebenheiten gelegt. Dabei zeigt sich ebenso, wenn auch nicht explizit, die Bezugnahme zu dem diskursiven Argument der Evidenzbasiertheit des Pflegeprozesses. „Sehr wichtig. Die Dokumentation ist ein ganz hoher Stellenwert in der Altenpflege. Denn es muss einfach alles dokumentiert werden. Also alles.“ (P2_M3) Das Gleiche wird bei M4 deutlich. „Es ist wichtig, weil für die Übergabe, wir sind alles nur Menschen, es kommt mal was unter, aber da steht es doch noch geschrieben. Da wird es gelesen und dann läuft es rund.“ (P2_M4) Darüber hinaus kommt zum Ausdruck, dass als Maßgabe für das Handeln die Systematik in Form des Standards gesehen wird. „Aber sonst im Großen und Ganzen passen wir uns immer dem Standard an.“ (P2_M3) Einzig bei M1 zeigt sich ein gewisses Abrücken in der Story, wodurch deutlich wird, dass in diesem Fall die entsprechende Beziehung nicht zu M1 in die alltägliche Situation transportiert wurde. „Gut, die Dokumentation führe ich auch korrekt. Aber das stimmt mich halt nicht zufrieden. Ich habe es halt gemacht, ich freue mich jetzt nicht drüber. ‚Ha, ich habe die Dokumentation super gemacht‘ und alles so. ‚Jetzt habe ich meine Arbeit gut gemacht.‘ ‚Jetzt bin ich zufrieden.‘“ (P2_M1) M1 bringt in dieser Story zwar die geteilte Narration zum Ausdruck, indem die Dokumentation als professionelle Systematisierung als gute Durchführung der Arbeit metaphorisiert wird, jedoch zeigt eine abneigende Positionierung durch darin begründete ausbleibende Zufriedenheit. Bezüglich des semantischen Kerns der Etablierung einer grundsätzlichen Professionalität zeigt sich abermals eine weitestgehend homogene Narration. Dabei stellt sich abermals die PDL F2 als eine Weichenstellerin für die Narration des diskursiven Arguments des Spannungsfeldes zwischen einer akademisch fundierten Ausbildung einerseits und einer professionellen Herangehensweise, jenseits einer reinen ‚Schreibtischtätigkeit‘, andererseits heraus. „Wir unterteilen ja unsere Pflege in spezielle Pflege, Behandlungspflege und in Grundpflege. Alles, was Behandlungspflege ist, wird nur von Fachkräften gemacht und Grundpflege kann jeder Mitarbeiter machen, auch angelerntes Personal.“ (P2_F2) Es zeigt sich, dass genau diese Narration auch von den Mitarbeiter_Innen so getragen wird. So verdeutlich M3 bspw. die große Differenz zwischen den verschiedenen Bereichen, „[D]as Arbeiten als Fachkraft ist ein himmelweiter Unterschied wie das Arbeiten als Hilfskraft oder als Praktikantin oder Azubi. […] Aber das Wissen, das ich erlernt habe in der Schule, das kann ich schon jeden Tag anwenden, und ich weiß, dass ich auch ein großes Fachwissen habe.“ (P2_M3) wohingegen sich bei M4 ein expliziter Bezug zur Praxisverbundenheit findet und darüber hinaus wird hier ebenso die Position der PDL als Change Agent unterstrichen. „Also ich würde sagen, es hängt viel mit unserer PDL zusammen. Sie war auch mal Wohnbereichsleitung und sie hat auch viel/ Sie ist auch jemand, die das Ding hebt. Ich glaube, wenn sie ging, würden viele gehen.“ (P2_M4) 208 Hingegen zeigt sich bei der HL F1 eine Positionierung innerhalb des Spannungsfeldes welche den älteren Mitarbeiter_Innen eine gewisse Unfähigkeit zum Folgen der Entwicklung in der Altenpflege attestiert. „Gerade die jungen Altenpflegekräfte haben nicht so sehr das Problem damit, weil die natürlich auch jetzt in der Schule in der Ausbildung darauf getrimmt werden. Aber die langjährigen Pflegefachkräfte können das nicht, die können Sie auch so nicht mehr nachschulen.“ (P2_F1) Dieselbe Narration zeigt sich bei der WBL F3, jedoch bei keinem weiteren Individuum in PIERIS. „Die besseren Mitarbeiter und die guten Mitarbeiter wissen, was zum einen in den Standards drin steht. Und von dem her wird dann auch eher damit noch gearbeitet, also wenn gute Sachen mit drin stehen, vor allen Dingen. Was schwierig wird, ist bei den Mitarbeitern, die schon 20, 25 Jahre in der Pflege arbeiten. Die sind nicht bereit, neue Sachen anzunehmen. Das ist ein Problem, was es allgemein in der Pflege gibt. Und desinteressierte oder qualitativ schlechte Mitarbeiter interessiert es halt einfach gar nicht.“ (P2_F3) In Bezug auf das diskursive Argument der theoretisch informierten und in der Praxis anschlussfähigen Ausbildung findet sich bei F2 eine Story, die so auch bereits bei F1 dargestellt wurde. „Die Qualitätsanforderungen verändern sich ständig, wo ich mit angelerntem Personal nicht viel bewegen kann, weil einfach das Hintergrundwissen fehlt. Und dazu ist einfach auch eine gute Ausbildung vonnöten.“ (P2_F2) Als angelerntes Personal sind dabei die Pflegehilfskräfte zu verstehen. Es zeigt sich, dass dieses Argument im hier betrachteten semantischen Kern auch von den Mitarbeiter_Innen narriert wird. So stellt die Pflegehilfskraft M2 in Bezug auf die Nutzung der Standards fest: „Als Hilfskraft schon. Wie es den Fachkräften geht, weiß ich nicht. Die haben schon mehr Wissen. * Also ich muss schon sagen, dass ich da ab und zu schon gern noch nachgucke, wie war jetzt das.“ (P2_M2) Bei M4 hingegen wird darauf verwiesen, dass die Praxis des Dokumentierens Bestandteil der Ausbildung ist, „Aber das [sofortige Dokumentieren, M.R] habe ich schon in der Schule so beigebracht bekommen.“ (P2_M4) wohin M1 die Feststellung unternimmt, einiges an theoretischem Wissen vermittelt bekommen zu haben, diese Anschlussfähigkeit dessen jedoch in Frage stellt. „Man hat einiges gelernt. Man lernt dort schon einiges. Man lernt vieles, was man dann später eigentlich gar nicht mehr so braucht.“ (P2_M1) Es deutet sich bereits hierin eine weitere Narration in PIERIS an, welche jedoch ausschließlich auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zu Tage tritt. Es zeigt sich sowohl bei einigen Mitarbeiter_Innen eine Narration eines anti-akademischen Arguments, wie es bereits ebenso in VERBENA identifiziert wurde. Es verdeutlicht sich dabei in dieser Narration in PIERIS, dass die Einbettung in die entsprechenden Stories über eine Lapidarisierung der akademischen Argumente und Praktiken erfolgt, um die argumentative Wirksamkeit abzuschwächen. 209 „Ja, gerade, wenn vielleicht noch Defizite sind, da kann man da immer mal nachgucken, so als kleiner Wegbegleiter.“ (P2_M1) Neben M1 zeigt sich eine solche Narration der Anti-Akademie auch bei M2. „Ja, wenn ich mir überlege: beim Waschen, wie man wäscht, da muss man ja schon ein bisschen eine Regel einhalten irgendwo, das hat schon Sinn. Dass man die Waschschüssel noch mal auswäscht oder so was. Das macht schon Sinn. Hält natürlich auf, aber finde ich schon, macht Sinn.“ (P2_M2) Die anti-akademische Narration zeigt sich jedoch nicht auf der gesamten Ebene der Mitarbeiter_Innen. Darüber hinaus fällt in PIERIS auf, dass es keinerlei Bezüge zu diskursiven Argumenten des semantischen Kerns der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Gerontologie als Disziplin gibt. Das erscheint auch nachvollziehbar, da die Orientierung an der Medizin und die Etablierung der argumentativen Nähe zu dieser sehr ausgeprägt und auch in einer homogenen Narration feststellbar waren. Einzig bei F2 findet sich eine ablehnende Einschätzung des Arguments des Erfordernisses einer Pflegefachsprache in Zusammenhang mit dem sozialen Argument der Sicherung des Wohlbefindens der Bewohner_Innen. „Wir müssen hier nicht mit Fachchinesisch anfangen, sondern einfach diese Menschlichkeit soll hier gelebt werden. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir hier alle in anderen Sphären uns unterhalten und diskutieren, sondern hier erfolgt das ganz normale Leben unserer Bewohner, so wie die ihr Leben gelebt haben.“ (P2_F2) In der Betrachtung der Aneignung der akademischen Argumentationslinie ist deutlich geworden, dass die PDL F2 hier eine sehr präsente Position einnimmt, sodass es möglich ist, dass F2 hier als Change Agent zu identifizieren. Es ist darüber hinaus ersichtlich, dass die ausgeprägte narrative Präsenz von F2 im Rahmen der akademischen Argumentationslinie als Basis für eine ‚Leitungs-Narration‘ und mehrere homogene Narrationen über die gesamte Organisation hinweg gesehen werden. In PIERIS ist ein weiteres Phänomen festzustellen, welches in der Analyse der vorher gehenden Fälle bereits auffiel – die Rezeption einer anti-akademischen Narration. Für den hier betrachteten Fall kann die Vermutung aufgestellt werden, dass durch einen weithin narrierten Pragmatismus in der Organisation die Basis für eine fundierte und tiefgründige Auseinandersetzung mit disziplinären Inhalten bei einigen Individuen entzogen wurde, sodass es eine Verortung in den organisationalen Kontext im Rahmen des Circuit of Performativity nicht mehr ohne weiteres möglich ist, da sich dieser Kontext als ‚zu pragmatisch‘ für eine akademische Auseinandersetzung darstellt. Zusammenfassend kann noch festgestellt werden, dass die HL F1 in den Narrationen der akademischen Argumentationslinie eine eher zurückgestellte Position einnimmt, was sich in einer verstärkten Präsenz sowohl der PDL als auch der WBLen verdeutlicht. f) Das Soziale In der Analyse der sozialen Argumentationslinie lassen sich in PIERIS drei verschiedene Narrationen nachzeichnen. Für den semantischen Kern der Heimweltlichkeit stellt sich die Narration über den gesamten Kern hin recht geschlossen dar. Neben den bisher bereits aufgezeigten Bezugnahmen im Rahmen der anderen Elemente des Überorganisationalen finden sich in diesem Zusammenhang starke Bezugnahmen auf die Heimweltlichkeit der Bewohner_Innen. Dabei findet sich jedoch bei F3 eine leichte Relativierung dessen, worin erkenntlich wird, dass die akademische Prägung hier der sozialen überwiegt. 210 „Das Hauptaugenmerk in der Alterspflege liegt halt auf der Pflege an sich, also wirklich dafür, dass sie grundversorgt sind, das Essen und dann auch in gewissem Maße, je nachdem was es für Menschen sind, dann auch der soziale Bereich noch, irgendwo Gespräche oder Aktivierung dann noch.“ (P2_F3) Bei der WBL F4 ist der soziale Aspekt hingegen in der Story deutlich hervorgehoben. „Zufriedenheit steht an erster Stelle, ganz klar.“ (P2_F4) Auch bei den Mitarbeiter_Innen findet sich eher eine Betonung auf das diskursive Argument der Vermeidung von Bevormundung und der Sicherung des Wohlbefindens. „Da denke ich mir immer, klar, das ist deren Wohnraum hier. [...] Aber ich finde einfach, für mich möchte schon jeden gleich behandeln, auch wenn der eine mir vielleicht schon mehr liegt, als der andere, aber da muss man sich auch immer wieder selber ein bisschen reflektieren und gucken, ist das noch so.“ (P2_M2) Dabei wird bei M4 eine Story zum Ausdruck gebracht, welche eine starke selbstreflektierende Komponente aufweist. „Ich vergleiche das immer, möchte ich das auch? Möchte ich auch gern so behandelt werden, wenn ich alt bin oder wenn es mir nicht gutgeht. Oftmals, wenn sie so ein bisschen nervig sind, sag ich mal, wer weiß, wie ich mal bin, wenn ich alt bin.“ (P2_M4) Bei M1 findet sich das diskursive Argument der Sicherung des Wohlbefindens in der Story über die Sorgen der Zupflegenden ausgedrückt, „Aber ich denke in erster Linie der Bewohner, dass es dem gut geht, dass er gepflegt aussieht, dass er sauber ist und dass er halt mit den Sorgen zu einem kommen kann und es ihm gut geht einfach auch in dem Bereich. Das ist mir halt wichtiger.“ (P2_M1) wobei auch in diesem Zusammenhang auch eine Mischung der Narration mit dem diskursiven Argument – im Rahmen des Umgangs mit den Bewohner_Innen – des Spannungsfeldes zwischen Distanz und Übergriffigkeit durch zu viel Nähe zum Ausdruck kommt. „Ja, schon in erster Linie eine Hilfe, so als Versorger sozusagen. Aber ich finde halt, Seelenpflege oder so gehört eigentlich auch dazu.“ (P2_M1) Im Rahmen dieses semantischen Kerns der sozialen Argumentationslinie – des Umgangs mit den Zupflegenden – stellen sich zwei Narrationen dar. Die erste Narration zeigt sich ebenso in der gesamten Organisation. Bei der PDL zeigt sich in dieser Narration eine entgegen gesetzte Story zur akademischen Narration. „[I]ch denke, bei diesem ganzen Management, wie wir es ja heute alles nennen, vergessen wir ganz leicht mal den Menschen. Es ist alles so durchstrukturiert heute. […] Wir arbeiten heute meine Tagesstruktur ab - wo bleibt der Mensch dort? Und da ist es einfach erforderlich, dass man wirklich Bedürfnisse hinterfragt oder akzeptiert auch.“ (P2_F2) Es zeigt sich dabei, dass hier verschiedene Argumentationslinien bedient werden, durch viele für die Organisation auch verschiedene sinngebende Komplexe aufgebaut werden. Somit entsteht für sowohl F2 als auch für die Organisation hier kein Konflikt, dadurch dass von der PDL in dieser Narration entgegenstehende Argumente bedient werden, hier in diesem Fall das Argument, dass 211 Zupflegende keine reine Hilfsempfänger_Innen sind. Dasselbe Argument zeigt sich auch bei der HL F1. „Für mich ist zunächst mal wichtig, einmal eine ganzheitliche Sicht von Pflege zu haben, eine Pflege zu haben, die, wenn man jetzt auf die Senioren geht, die im Prinzip praktisch auch den Mensch sieht hinter den Pflegeleistungen, dass ich also nicht nur im Prinzip das Pflegeobjekt sehe; nicht nur den hinfällig gewordenen Menschen, sondern eben auch versuche zu gucken, was hat dieser Mensch denn alles auf seinen Stationen faktisch erlebt. Das halte ich für ganz wesentlich. Ich halte es weiterhin für wesentlich, dass auch noch im hohen Alter eine Pflege durchgeführt wird, die stärker versucht, noch den Bewohner auch in die Abläufe mit einzubeziehen, was natürlich dann auch zeitintensiver wird.“ (P2_F1) Auch bei F1 wird hierin eine gegenläufige Argumentation zum Pragmatismus und zur Standardisierung deutlich, im Besonderen, da das diskursive Argument der Einbindung der Zupflegenden in den Pflegeprozess explizit einem pragmatischen Vorgehen entgegen steht und dies sogar in der Story von F1 so thematisiert wird. Es lässt sich darüber hinaus feststellen, dass die starken Systematisierungs- und Standardisierungstendenzen im Besonderen in der akademischen aber ebenso in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie durch den Pragmatismus auch bei den WBLen in der Analyse der sozialen Argumentationslinie in entsprechend gegenläufige Narrationen eingebunden sind. Bei F3 findet sich so, die deutliche Orientierung an einer individuellen Betrachtung einzelner Bewohner_Innen. „Man kann nicht mit jedem Patienten oder Bewohner nach so einem Standardverfahren arbeiten. Das geht gar nicht. Jeder braucht das irgendwie individuell.“ (P2_F3) Dabei zeigt sich bei F4 auch die Reflexion eines eventuellen Konflikts, welcher bei der Suche nach der Balance zwischen Strukturvorgabe und Freiheitssicherung entstehen kann. „Die Sachen müssen ja genauso gemacht werden, wie für den Bewohner da zu sein. Und entweder man kriegt es gut hin und kann sich damit arrangieren und weiß, das und das ist jetzt einfach am wichtigsten und wiegt es ab. Oder wenn man in der Hinsicht sehr labil ist, dann hat man damit ein Problem und somit auch gleich ein Burn-Out. (lacht) Ja, das ist so.“ (P2_F4) Dieser anscheinende Widerspruch erfährt interessanterweise abermals Reflexion und Einbindung, was wiederum zur Harmonisierung führt, in einer Story über eine grundsätzlich positive Herangehensweise und Betrachtung von Umständen. „Und da kommt sicherlich auch noch mal hinzu mein anderes Menschenbild. Ich habe ein sehr positives Menschenbild.“ (P2_F1) Es findet sich jedoch auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen die oben für die Führungskräfte festgestellte Diskrepanz über verschiedene Argumentationslinien hinweg. In Bezug auf dasselbe diskursive Argument fällt jedoch für M4 auf, dass – ähnlich wie bei F4 – ein eventueller Konflikt Reflexion erfährt. „Also es ist schon wichtig, aber es ist halt zeitaufwendig, wo man sonst noch mehr Zeit hatte. Wenn ich denke, da habe ich auch noch mehr Aktivierung gemacht, aber man hat nicht mehr so viel Zeit.“ (P2_M4) 212 Auch M2 ist in die Narration des diskursiven Arguments der Sicherung von Autonomie als therapeutische Funktion einer Pflegekraft eingebunden, was sich hier in einer Story über das individuelle Erfolgsempfinden zeigt. „Erfolg ** würde ich jetzt einfach sagen: ich freue mich, wenn die Leute zufrieden sind, wenn ich ihnen helfen kann, wenn ich ihnen was Gutes tun kann. So. * Was natürlich ganz schön ist, wenn man den Fortschritt sieht. Denn im Altenheim ist es natürlich so, dass die Leute immer mehr abbauen, aber manchmal erlebt man doch auch Fortschritte und da freut man sich natürlich umso mehr dann.“ (P2_M2) Es wird deutlich, dass M2 hier in die Narration eingebunden ist, da M2 auch in der anti-akademische Narration in Erscheinung getreten ist. Es zeigt sich außerdem eine Narration, welche von allen Individuen getragen wird, welche auch in der anti-akademischen Narration präsent waren. Dabei wird das diskursive Argument der Empathie und Selbstreflexion der Pflegekräfte bedient. Es ist in diesem Zusammenhang sowohl bei M1 als auch bei M2 auffällig, dass explizite Bezugnahmen zu Argumenten anderer Argumentationslinie in die Stories eingebunden werden. „Die Qualität ist schon wichtig Aber zur Qualität gehört dann auch noch was anderes – auch Gespräche und so was.“ (P2_M1) „[Ä]ltere Menschen sind eben langsamer. Da geht das nicht immer alles Ruckzuck Das muss man dreimal sagen, bis das dann im Kopf angekommen ist. Das sind lauter solche Sachen.“ (P2_M2) Es kann abschließend für die soziale Argumentationslinie festgestellt werden, dass diese keine sonderliche Ausprägung in PIERIS aufweist. Nichtsdestotrotz können einige Narrationen festgestellt werden, welche in der gesamten Organisation auftreten. Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die anti-akademische Narration als Spiegelung in der Narration von sozialen diskursiven Argumenten erscheint. Für PIERIS konnte hingegen ebenso keine Aneignung von diskursiven Argumenten festgestellt werden, welche eine Bezeichnung der Zupflegenden reflektieren. Auch kann in diesem Zusammenhang kein Individuum als Change Agent identifiziert werden. Auch die PDL F2, welche in der vorherigen Analyse als Change Agent erkannt werden konnte, tritt in der sozialen Argumentationslinie nicht übermäßig in Erscheinung, sodass ein entsprechender Rückschluss abwegig erscheint. In einer Gesamtreflexion erscheinen die Makro-Elemente kaum in eine homogene Narration eingebettet. Dabei ist ebenso auffällig, dass es keine narrativen Brüche innerhalb der Organisation gibt. Die Narrationen werden über einen argumentativen Pragmatismus harmonisiert, sodass eine inhomogene Narration der Makro-Elemente irrelevant für PIERIS bleibt. Es erscheinen dadurch jegliche Narrationen für die Organisation als sinnstiftend, solange sie vor einem pragmatischen Hintergrund in PIERIS eingebunden werden können. Es konnte dabei festgestellt werden, dass es mehrere Individuen gibt, welche eine hervorstehende Position einnehmen. Zum einen ist das die HL, welche in annähernd jegliche Story eine ‚Story des Rückzugs‘ einbindet, was wiederum einerseits zu einer Stärkung der harmonisierenden Narration über den Pragmatismus führt, anderseits jedoch zur delegitimierten Position der HL in Bezug auf eine Position als Change Agent. Zum anderen stellt sich die PDL als Change Agent heraus. Dabei wird ebenso deutlich, dass in die Etablierung von Narrationen gezielt die WBLen einbezogen werden, sodass eine Translation und Sedimentation der neu eingebrachten Elemente gewährleistet wird, wobei eine Narration durch spezielle Stories, abermals wegen des harmonisierenden Pragmatismus, ohne Relevanz ist, was sich auch in der 213 Genese einer Anti-Akademie zeigt. Daraus leitet sich die These ab, dass somit zumindest im Umkehrschluss sozial-argumentative Narrationen entstehen, was aus einer pragmatischen Sichtweise ‚begrüßt‘ wird, da es auch in den pragmatisch-harmonischen Kontext von PIERIS passt. Dafür lassen sich jedoch nur Indizien finden, sodass die These nur als Vermutung gehalten werden kann. 4.2.6 Die Analyse von RADIES a) Das Zeitdiagnostische In der Betrachtung der Aneignung zeitdiagnostischer Elemente in RADIES zeigt sich eine Besonderheit, die so bisher in noch keinem Fall beobachtet werden konnte. Es zeigt sich eine sehr homogene und stark ausgeprägte Narration, welche im Sinne der Disziplinargesellschaft verläuft und dabei verschiedene Elemente dessen bedient. So lassen sich bei der PDL Bezüge zur Wichtigkeit eines institutionellen Gefüges zur Erhaltung der Disziplin feststellen. „Es läuft gut. Was allerdings ist, man muss wirklich immer ein bisschen kontrollieren, ein bisschen überprüfen und die Leute immer wieder motivieren, immer wieder erinnern.“ (R1_F2) Dabei wird an anderer Stelle deutlich, dass die eigene Position im Rahmen des institutionellen Gefüges von RADIES als besonders wichtig erachtet und so auch in einer Story zum Ausdruck gebracht wird. „Also es war, als ich hierher kam, ein großer Nachholbedarf, was vielleicht auch daran gelegen haben mag, dass in den letzten Jahren hier sehr viel Wechsel in der Pflegedienstleitungsebene war. Und dadurch war keine Kontinuität gegeben. Denn das müssten sie einfach überprüfen, sie müssten am Ball bleiben.“ (R1_F2) Auch bei der stellvertretenden PDL F3 finden sich entsprechende Verweise zur Erhaltung von Disziplin über eine starke Institution. „Aber was ich auch sagen muss, ich bin ständig dran zu kontrollieren […], dass ich eigentlich jetzt nicht mehr so viel Bauchweh habe vorm nächsten Mal. Aber das braucht‘s.“ (R1_F3) Es zeigt sich hier zum einen die starke Verbindung zwischen den Aussagen der beiden PDLen, was erste Hinweise auf eine homogene Narration auf der Führungsebene schließen lässt. Zum anderen wird auch die jeweils explizite Subjektpositionierung deutlich. Bei F3 lässt sich dies (vorerst) damit begründen, dass F3 auch die Position der Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) einnimmt. Jedoch zeigt sich die disziplingesellschaftliche Narration, mit dem Bezug zur Institution für die Erhaltung von Disziplin, auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Aber ich denke, das ganze Heim, das hängt ja alles zusammen – die Hauswirtschaft, die Küche. Diese Kontrolle ist einfach nötig.“ (R1_M1) Dabei wird hier deutlich, dass auch bei den Mitarbeiter_Innen der Anschluss zum organisationalen Kontext hergestellt ist und die Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen der Organisation geschaffen und aufgezeigt werden. Dabei zeigt sich die protonormalistische Strategie der Disziplinargesellschaft noch stärker und in einer ausgeprägteren Narration über die gesamte Organisation hinweg, im Sinnbild des Geständnisses als Befreiung. Bei der HL F1 wird dieser Zusammenhang in eine Story über die freiwillige Zertifizierung eingebunden. Neben der juristischen Option findet dabei besonders deutlich die damit verbundene geständige Praxis Ausdruck. 214 „Wir sind das zweite Mal zertifiziert worden. Wir haben uns überlegt nachher, ob wir dann auf Grund der MDK-Prüfungen […] vom Zertifizierungsverfahren Abstandnehmen sollten. Wir haben gesagt: Nein, machen wir nicht, weil das Zertifizierungsverfahren wesentlich schärfer gehalten wird als die Vorgaben vom MDK.“ (R1_F1) Bei der PDL zeigt sich das Bild des Geständnisses ebenso, wobei hier auch die Vielzahl der Kontrollen und der damit verbundene Druck positiv gewertet narriert werden. „Also es ist schon ein gewisser Druck/ wird schon empfunden durch diese Kontrollgremien. Wobei ich denke, es ist gut, dass es sie gibt.“ (R1_F2) Interessant ist in diesem Kontext, dass die von F1 bediente Story an anderer Stelle auch von F2 wiedergegeben wird, wobei an diesem Punkt ebenso die Wichtigkeit der steten Kommunikation zum Vorschein kommt. „Zertifizieren lassen wir uns, weil wir von einem neutralen Gremium wissen wollen, wo wir stehen. Und die kontrollieren total akribisch und mit denen ist auch eine Kommunikation und ein Austausch möglich. Und auch eine beratende Situation erleben wir da.“ (R1_F2) Bei der stellvertretenden PDL F3 wird hingegen eine andere Story hervorgehoben. So wird deutlich, dass hier keine Kontrolle empfunden wird. Dabei ist jedoch festzustellen, dass in den oben geschilderten Stories auf die externe Kontrolle rekurriert wird und hier auf die intern wahrgenommene Kontrolle. „Nein, ich werde nicht kontrolliert. Ich habe wirklich freie Hand. Es läuft auf Vertrauensbasis. Ich sage immer wieder zu [Pflegedienstleitung], ich würde mir sogar manchmal wünschen, dass [Heimleitung] einfach mir auch mal einen Auftrag gibt, um dann zu prüfen, hat sie das jetzt gemacht, hat sie es recht gemach, wie ist es denn. Das läuft immer so irgendwie unterschwellig.“ (R1_F3) Es zeigt jedoch, dass die Wertung dessen in dieselbe Narration eingebunden ist und es sogar als Wunsch geäußert wird, dass auch intern mehr Kontrollen stattfinden. Dabei ist der Bezug zum Geständnis besonders hervorzuheben, da sich am Beispiel von F3 verdeutlicht, dass eine Kontrolle durch eine höhere Instanz innerhalb von RADIES befreiende Wirkung hätte. Bei der WBL F4 zeigt sich abermals der, in die entsprechende Story eingebundene, Bezug zu den externen Kontrollen „Es soll auch kontrolliert werden. Denn ich denke, wir haben da nichts zu verbergen und müssen unsere Arbeit auch transparent machen. Das ist schon vollkommen in Ordnung.“ (R1_F4) Diese Narration des Zeitdiagnostischen zeigt sich auch in der Breite auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. Bei M1 zeigen sich zum einen der Bezug zu den externen Kontrollgremien sowie die scheinbare Loslösung von der Exekutive der Vorgesetzten und ebenso die befreiende Wirkung auf die eigene Tätigkeit durch die Kontrolle als Geständnis. Dabei ist auch die Zeitdiagnose der Austauschbarkeit von Subjekten zu erkennen. „Weil’s einfach ein Kontrollorgan ist und das brauchen wir. […] Ich denke Kontrolle ist immer gut. […] Die Kontrolle ist vielleicht auch einfach, dass man selber auch darauf aufmerksam gemacht wird, wenn man was vergessen hat oder irgendwie schludrig wird aus Zeitmangel. Die Kontrolle ist ja nicht nur da, dass man eine auf den Deckel kriegt, sondern die soll einem vielleicht ja auch helfen. Ich sehe es nicht unbedingt als nur negativ an.“ (R1_M1) Gleiches findet sich bei M2. 215 „Ich finde es [Kontrolle] gut, ich finde es auch notwendig. […] Ja und es ist einfach auch für mich besser, denn ich präge mir das ja ein. Ich weiß dann, auf was ich achten muss, und ich mache das dann automatisch und man muss es mir nicht immer wieder sagen einfach.“ (R1_M2) Bei der Pflegehilfskraft M5 zeigt sich sogar die Story des Drucks, wobei auch hier deutlich wird, dass dieser – wie bei einem Geständnis – keine negative Wertung erfährt. „Dass man sich selber dann in manchen Situationen unter Druck setzt automatisch, das steht auf einem anderen Blatt. Das muss man mit sich selber abmachen.“ (R1_M5) Vielmehr wird hierin die Relokation der Macht in die Subjekte deutlich. Bei einer anderen WBL F5 zeigen zudem Elemente der Kontrollgesellschaft, hier in der Flexibilität und der ‚Prämisse der steten Reflexion‘. „Man muss sich weiterentwickeln. Man muss Fortbildung machen. Man muss lesen. Dann hilft manchmal wirklich so von einer höheren Stelle oder irgendwas, dass man sagt, gut.“ (R1_F5) Für die Aneignung und Narration des Zeitdiagnostischen in RADIES lässt sich zusammenfassend unterstreichen, dass hier eine sehr ausgeprägte und homogene Narration über die gesamte Organisation hinweg feststellbar ist. Dabei ist aufgefallen, dass die hier narrierte Zeitdiagnose vielmehr der Disziplinargesellschaft entspricht, denn der Kontrollgesellschaft, bzw. Elemente beider Strategien aufweist. Es ist zu diesem Punkt der Analyse von RADIES noch kein_E Change Agent im Konkreten identifizierbar. Es gibt Hinweise darauf, dass die beiden PDLen F2 und F3 eine besondere Position im narrativen Gefüge von RADIES einnehmen, jedoch ist dies durch Selbstzuweisungen in der Selbstpositionierung zum Vorschein gekommen, dass eine genaue Zuweisung als Change Agent daraus nicht möglich ist. b) Das Diskursive Bei der Analyse der Aneignung des Diskursiven zeigt sich ein leicht differenziertes Bild in RADIES. Dabei finden sich Bezüge zum besonderen Fokus der Medien auf die stationäre Altenpflege auf der Ebene der Führungskräfte. Bei F1 zeigt sich dies abermals in einer Story, welche eine Verknüpfung zur freiwilligen Zertifizierung einer Altenpflegeeinrichtung zieht. Dabei ist hier jedoch auffällig, dass dies – im Gegensatz zur entsprechenden Story im Zeitdiagnostischen – vor einer betriebswirtschaftlichen Argumentation verläuft und nicht vor einem juristischen Hintergrund. „Und ich weiß, es gab vor einigen Jahren auch in der Presse immer wieder Aufrufe, man konnte sich über Einrichtungen informieren, wenn man eine Einrichtung gesucht hat. Aber da war immer wieder der Punkt: Achten Sie darauf, ob die Einrichtung zertifiziert ist oder nicht. Und da haben wir uns also zertifizieren lassen.“ (R1_F1) Dabei ist gerade in diesem Zusammenhang augenscheinlich, wie verschiedene narrative Verknüpfungen in den Stories wiedergegeben werden, um die Argumentation zu stützen, denn an anderer Stelle heißt es bei F1 „Ich denke auch, es kann nicht sein, dass, wenn man in der Presse hört und in den Medien verfolgt, wie Einrichtungen teilweise schlechte Pflege bieten oder nicht die Pflege bieten, die eigentlich erwartet wird -das kann nicht sein, dass die Einrichtung mit einem Einser rausgeht. Da stimmt was am System nicht.“ (R1_F1) 216 Es zeigt sich hier, dass das diskursive Element Niederschlag bei der HL gefunden hat, jedoch nur als eine Art ‚Grundstock‘ fungiert, um darum verschiedene diskursive Argumente zu etablieren, indem sie in die Stories zu dem jeweiligen Elemente der Makro-Ebene eingebunden werden. Das diskursive Element der Rezeption in der Medien zeigt sich fragmentarisch auch bei der WBL F5, „[…] hatte mal einen schlechten Ruf gehabt, was auch mal sehr viel in der Zeitung […]“ (R1_F5) wobei hier deutlich wird, dass einerseits eine historisierende Perspektive eingenommen wird und andererseits die negative Berichterstattung in der Presse starken Niederschlag gefunden hat, ähnlich wie es in der Betrachtung der bisherigen Fälle deutlich wurde. Das gleiche zeigt sich bei M3, wobei in der entsprechenden Story ein stärkerer Bezug des Vergleichs zu anderen Einrichtungen deutlich wird. „[Z:] Die Negativpflege beeinflusst die 99% gute Pflege. Das ist wahnsinnig.“ (R1_M3) 156 Bei einer anderen WBL zeigt sich hingegen die Verbindung des Diskursiven mit dem Zeitdiagnostischen der protonormalistischen Strategie der Disziplinargesellschaft. „Was ich positiv finde, dass die Altenpflege zum Teil ein bisschen in den Fokus gerückt ist, besser, als sie es vor 10, 15 Jahren noch war, dass auch vermehrt Kontrollen stattfinden. Es soll auch kontrolliert werden. Denn ich denke, wir haben da nichts zu verbergen und müssen unsere Arbeit auch transparent machen. Das ist schon vollkommen in Ordnung.“ (R1_F4) Bis hierher fällt auf, dass dieses Element des Diskursiven einerseits stärker bei den Führungskräften Aneignung findet und andererseits keinerlei Homogenität in der Narration des Elements vorherrschend ist. In der Rezeption der Altersframe zeigt sich abermals eine Unterscheidung hinsichtlich der Ebenen bei der Rezeption der einzelnen Frames. Das Frame des Angriffs auf die jüngere Generation kommt ausschließlich auf der Ebene der Führungskräfte zum Ausdruck, wobei festzustellen ist, dass dabei dasselbe Kollektivsymbol des demografischen Wandels narriert wird. Bei der stellvertretenden PDL zeigt sich das in einer Story, welche auch das schlechte Bild des Berufs einbindet. „Einmal ist sicher, dass man noch mehr Pflegekräfte braucht in den nächsten Jahren. Das liegt schon an der demographischen Entwicklung. Aber es muss noch sehr viel passieren, damit das Image des Pflegeberufs sich verbessert, weil sonst sehe ich wirklich schwarz. Ich bin kein Schwarzseher - ganz sicher nicht -, aber wir müssen an unserem Image unbedingt arbeiten.“ (R1_F3) Bei der WBL F4 zeigt sich dabei sogar dieselbe Story. „Also wenn ich jetzt überlege, wenn man die demographische Entwicklung anguckt, wenn man sieht, wie viel ältere Leute wir in den nächsten zwanzig Jahren zu versorgen haben, denke ich, ist das schon wichtig, dass hier was passiert, dass einfach dieses Berufsfeld an sich positiver dargestellt wird; dass man auch die Leute motivieren kann, in diesen Beruf einzusteigen. Wenn ich heute rumfrage, wer Interesse hat, in der Altenpflege mal tätig zu sein, dann schlagen die alle die Hände über dem Kopf zusammen.“ (R1_F4) In dieser Narration wird deutlich, dass der Angriff auf die jüngere Generation hier darin gesehen wird, dass es keinen Kontakt mehr zwischen den Generationen gibt, sodass in der Folge zu wenig Junge bereit sind, den Beruf zu ergreifen und den Alten Betreuung und Pflege zuzugestehen. Es liegt dabei die Vermutung nahe, dass dieses Altersframe in dieser Story nur von den Führungskräften 156 Z ist in die/der hinzugekommen Alltagsbegleiter_In in R1_M3. 217 bedient, da die sinnstiftende Komponente im Besonderen bei den entsprechenden Individuen von alltäglicher Relevanz ist, wenn es um die Einstellung von Personal geht. Ein weiteres Altersframe, welches in RADIES in die Narration eingebunden ist, ist das der Solidarität. Bei der HL zeigt sich das im Ausdruck über das schlechte Bild von Altenpflegeeinrichtungen im Allgemeinen. „Aber es ist auch ein psychische Hemmschwelle, jemanden in ein Pflegeheim geben, weil immer noch so das Makel, man schiebt jemanden ab aus der Familie.“ (R1_F1) Bei der PDL wird dabei stärker auf das negative Bild des Berufs eingegangen, wobei sich dabei abermals das Bild zeigt, dass den Einrichtungen und dem Berufsstand Achtung entgegen gebracht werden sollte, da sich hier um die alten Menschen gekümmert wird. „[D]ie Altenpflege ist ein schwerer körperlicher Beruf, also um das mal salopp zu sagen, Knochenarbeit.“ (R1_F2) Diese – auch in anderen Fällen vorgenommene – Interpretation verdeutlicht sich auch bei F3. „[U]nd auch in der Bevölkerung überall so das Bild vermittelt, pflegen kann jeder – in der Altenpflege sowieso. […] Und da müssen wir auch selber hinstehen und sagen, Du, das ist doch ein schöner Beruf, das gibt einem ganz viel. Dass wir einfach das Image mal wieder aufpolieren. […] Sagt ja heute keiner mehr.“ (R1_F3) Eine gleiche Wiedergabe kommt bei der WBL F4 zum Ausdruck. „[I]nteressant, sehr anstrengend körperlich und psychisch sehr belastend, aber es hat auch seine schönen Seiten.“ (R1_F4) Dasselbe Kollektivsymbol zeigt sich auch in einer anderen Story bei der stellvertretenden PDL als Darstellung der individuellen Lebenskonzeption. „[W]eil ich einfach so die Weichen stellen wollte, so für‘s Alter einfach irgendwie eine Tätigkeit zu haben, die jetzt nicht so körperlich anstrengend ist.“ (R1_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen drückt sich das Solidaritätsframe – wie auch bereits in den anderen Fällen verdeutlicht – in einer Story über die Altenpflege als Frauenberuf aus, „Und da, wo viele Frauen sind, wird viel gezickt. […] Und wenn Männer im Team mit dabei sind […] die bringen da ein bisschen Ruhe rein.“ (R1_M1) genauso wie einer Story, welches das von der PDL transportierte Bild ‚Altenpflege kann jede_R‘, wiedergibt. „[X:] Wenn sie nirgends mehr ankommen, dann schickt man sie halt zur Altenpflege. Und dieser Touch, der hängt immer noch ein wenig dran. Und manchmal muss man natürlich auch sagen, sind viele total desinteressierte Leute; Hauptsache, sie sind da vom Arbeitsamt her und die schaffen hier. Die reißen dann praktisch das ganze Klischee ziemlich runter.“ (R1_M3)157 Dabei zeigt sich, dass das Solidaritätsframe auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen nur von examinierten Kräften in die Narration eingebunden ist. Auch von M4 wird die negative 157 X ist die Pflegehilfskraft in R1_M3, mit welcher das komplette Interview geführt wurde. 218 Wahrnehmung über den Beruf in einer Story zum Ausdruck gebracht, welche die Bemühungen der Pflegekräfte verdeutlicht, die Vorstellungen über die Tätigkeit aufzubessern, wobei hier auch Bezugnahmen zur akademischen Argumentationslinie erkennbar sind, die das Bedürfnis zur Eigenständigkeit der Pflege versinnbildlichen. „Wir sind halt gezwungen, das ist vielleicht, weil der Beruf in der Gesellschaft nicht so anerkannt wird, weil wahrscheinlich nicht nur Altenpflege als schmutzige Arbeit bezeichnet wird, sondern auch wie vielleicht Hilfsberuf - nicht allein stehender Beruf, sondern wie [ein, M.R.] Hilfsberuf.“ (R1_M4) Es lässt sich für das Diskursive feststellen, dass hier keine weithin homogene Wiedergabe der Kollektivsymbole über das Alter(n) in RADIES feststellbar ist. Es finden sich vielmehr Bezüge, die größtenteils nur von Führungskräften in Narrationen eingebunden sind. Einzige teilweise Ausnahme bildet hier das Altersframe der Solidarität mit den Älteren. Dabei konnte jedoch festgestellt werden, dass dieses Frame nur von Führungskräften und von examinierten Altenpfleger_Innen, jedoch nicht von Pflegehilfskräften, getragen wird. Auch ist hier abermals kein_E Change Agent zu identifizieren, wobei nach der Analyse des Zeitdiagnostischen und des Diskursiven auffällt, dass die HL F1 die Elemente der Makro-Ebene in eher geringer Ausprägung wiedergibt. c) Das Juristische Aus einer rein quantitativen Betrachtung heraus sind Elemente des Juristischen sehr viel stärker in den Narrationen von RADIES enthalten als die bisher betrachteten Elemente der Makro-Ebene. Dabei fällt auf den ersten Blick auf, dass die Führungskräfte sehr viel stärker in die Narrationen des Juristischen eingebunden sind als die Mitarbeiter_Innen. Im Besonderen fällt das in Bezug auf die Narrationen der grundlegenden Änderungen durch die Einführung des PflegeVG auf. Es zeigt sich darin die durch die HL umfassend rezipierte Einführung des Gebots der Wirtschaftlichkeit einer Altenpflegeeinrichtung. „Der Grund warum die Einrichtungen im Wettbewerb stehen zueinander, hat den Grund: die Pflegeversicherung. Der Gesetzgeber will ja, dass der ambulante Dienst gestärkt wird. Das sieht man ja an den Erhöhungen, die jeweils dann dem ambulanten Bereich die Pflegepauschale, die da bezahlt wird, und will, dass der Bewohner relativ lange im häuslichen Bereich versorgt wird - wohnortnah und im häuslichen Bereich. Das heißt also, dadurch, dass der Gesetzgeber diese Anforderung stärkt, ist es natürlich so, dass der ambulante Bereich noch einen Großteil der Leute länger versorgt, als es bisher der Fall war. Die Folge ist, dass die Einrichtungen grundsätzlich Probleme haben, die Betten zu belegen. Vor der Pflegeversicherung war es anders.“ (R1_F1) Dabei fällt auch die Bezugnahme zur Stärkung des ambulanten Dienstes auf, welcher in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht in den Stories transportiert wurde. Es zeigt sich dabei, dass eine einhellige Narration auf der obersten Führungsebene zu Änderungen entsteht, wobei auffällt, dass bei F1 diesbezüglich sehr umfangreiche Stories mit vielen Bezugnahmen und Verortungen in den organisationalen Kontext narriert werden. „Aus dieser Konstellation heraus durch die Stärkung des ambulanten Dienstes und das längere Zuhausebleiben des Pflegebedürftigen ergibt sich zwangsläufig, dass das Nachfrageverhalten der Angehörigen in den Einrichtungen drastisch zurückgeht. Viele Einrichtungen haben freie Plätze, die sie nicht belegen können. Ich kenne Einrichtungen, die haben 10, 15 freie Plätze, die nicht belegt werden können. Das bedeutet, dass eine Einrichtung sich so positionieren muss. Das ist ein Wettbewerb unter den Einrichtungen. Jeder will, wenn jemand im Raum steht, ihn haben, damit er seine Belegung garantieren kann, damit auch sein Betrieb dann läuft. Und das hat sich seit 1997 verschärft. Das heißt 219 also, es ist harter Wettbewerb auf dem Pflegemarkt nach Pflegebedürftigen, die jetzt in der Anfrage sind. Nehmen wir an, es ist jemand im Krankenhaus, kann nicht mehr nach Hause, muss in ein Pflegeheim. Da müssen Sie sich bei den Krankenhäusern anpreisen.“ (R1_F1) Bei der PDL sowie der stellvertretenden PDL verdeutlicht sich jeweils die genaue Wiedergabe der Narration von F1. „Was auch sicher noch mit eine Rolle spielt, dass die ambulanten Pflegedienste politisch sehr gestärkt wurden und im Prinzip die stationären Einrichtungen eher beschnitten wurden, auch finanziell, weil natürlich für die Kassen ist es billiger, jemanden ambulant zu Hause zu pflegen als stationär.“ (R1_F2) „Das war ja dann auch so, dass der Anreiz entstehen sollte, dass die Angehörigen vermehrt ihre Eltern zu Hause lassen und zu Hause versorgen, weil das ja billiger war. Das waren schon alles die Hintergründe, und das war nicht so verkehrt. Aber irgendwo die Heime belastet das zu sehr. Die Pflege zu Hause mag darunter gar nicht mal so sehr leiden. Aber die Heime belastet das.“ (R1_F3) Dabei ist auffällig, dass die PDL F2 auch Verbindungen zu den starken Einflussmöglichkeiten der Pflegekassen seit Einführung des PflegeVG zieht. In dieser Narration, welche nur auf der obersten Führungsebene von RADIES vorhanden ist, dort jedoch sehr intensiv gezeigt werden kann, zeigt sich auch die starke Verbindung des juristischen Hintergrundes als Basis für eine betriebswirtschaftliche Argumentation. Dabei werden hier kaum explizite betriebswirtschaftliche Argumente narriert, jedoch – und dies wird bei F1 besonders deutlich – eine entsprechende Rhetorik verwendet, sodass in den Stories Metaphern und Symbole angelegt und transportiert werden, welche wieder das Fundament für eine folgenden Rezeption der Meta-Argumente bilden. Es zeigt sich dabei deutlich, dass F1 sehr umfangreich die entsprechende Narration bedient, wobei hier auch keinerlei Wertung dessen offensichtlich ist. F2 und die stellvertretende PDL F3 scheinen die Narration, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung, weiterzutragen, sodass hier davon ausgegangen werden kann, dass die HL F1, durch die hohe Quantität und die Anlage der Symbole und Metaphern in den Stories für eine Rezeption ökonomischer Argumente, als Change Agent Identifiziert werden kann, indem in der Narration dargestellt wird, dass das Gesetz zur Ökonomisierung der Altenpflege geführt hat. Es zeigt ein etwas differenziertes Bild für die Narration der Einfluss‘ der Pflegekassen durch die Vertragsschließung mit den Einrichtungen. Dabei fällt auf, dass die in der Anlage der Narration sehr präsente HL in dieser Narration kaum eingebunden ist, gleich der kompletten obersten Führungsebene. Es findet sich bei F1 nur ein kurzer Bezug. „Der Gesetzgeber hat zunächst gefordert, dass die Einrichtung zertifiziert werden muss, damit überhaupt die Einrichtung berechtigt ist, Vergütungsverhandlungen zu führen.“ (R1_F1) Dabei ist deutlich, dass hier keine freiwillige, private Zertifizierung gemeint ist, sondern die Zertifizierung bei den Pflegekassen, sobald von einem vollständigen privaten Betrieb einer Einrichtung abgesehen wird. Dabei zeigt sich jedoch, dass eine homogene Narration, wie sie oben dargestellt werden konnte, in Bezug auf dieses Element des Juristischen nicht vorhanden ist. Bei der WBL F4 zeigt sich die Narration dieses Element in einer Story über die Bestimmung des Umfangs der Leistungen durch die Pflegekassen. „Von der Pflegeversicherung selber her die Grundidee an sich finde ich persönlich auch sehr gut, dass da was geht oder dass man da Unterstützung bekommt, wenn man in ein Pflegeheim geht. Aber die 220 Art und Weise von der Umsetzung her und wie man das hat mit einer Zeitvorgabe, ich finde, das ist nicht wirklich hilfreich.“ (R1_F4) Deutlich wird hier, dass einerseits eine grundlegend positive Beurteilung der PV vorgenommen wird, wobei unklar bleibt, worin dies – neben der Unterstützung für die Betroffenen – im Detail begründet liegt. Es kann hier der Rückschluss gezogen werden, dass die positive Wertung grundsätzlich darauf beruht, dass die oben dargestellte Narration der PDLen und der HL zwar keine Wertung, aber ein Fundament für den organisationalen Kontext anlegen und dieser somit eine eher positive Betrachtung erwirkt. Andererseits zeigt sich eine ‚nicht hilfreiche‘ Beurteilung der Festlegung der Arbeitszeit durch die Pflegekassen. Es zeigt sich hierin bei der WBL ein deutlicherer Einbezug der jeweiligen Praktik im Vergleich zu der obersten Führungsebene. Noch deutlicher wird dieser Aspekt bei M1. „Das sind nicht vom Haus gemachte Probleme, sondern sind einfach Probleme, die einfach so sind. Aber die sind in jedem Pflegeheim so. Es gibt den Personalschlüssel, und den kann man natürlich nicht nach oben hin ausdehnen, wie man gerade so will. Denn die Gelder sind ja auch nicht da. Und über das schimpft man halt.“ (R1_M1) Dabei ist eindeutig zu erkennen, dass die Narration der HL auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen so rezeptiert wird und die ‚Problemhaftigkeit‘ in der Gesetzlage erachtet wird. An anderer Stelle lässt sich darüber hinaus erkennen, dass die damit verbundene Kalkulierbarkeit der Arbeitsleistung ebenso weitergetragen wird. „Die Pflege ist die gleiche. Wir haben andere Vorgaben, aber es gab früher auch Vorgaben vor der Pflegeversicherung. Das ist nur einfach jetzt klarer benannt, was bei wem zu tun sein muss, damit er Pflegestufe I, II oder III kriegt. Aber das war vorher schon. Man hat genauso viel Arbeit gehabt.“ (R1_M1) Darin wird deutlich, dass die ‚ökonomische Anlage‘ von der HL bis auf die Ebene der Mitarbeiter_Innen in den Stories transportiert und auf alltägliche Situation angewendet wird. In Bezug auf die gesetzliche Vorgabe der Arbeit nach anerkannten medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen, was sich auf die Kompetenzen von examinierten Kräften und Hilfskräften auswirkt, zeigt sich eine interessante Narration in RADIES. Auf der Ebene der Führungskräfte erfolgt die Narration entlang der juristischen Festlegung. So zeigt bei der PDL eindeutig die Wiedergabe des Verbots bestimmter Tätigkeiten für Hilfskräfte. „Wir haben viele Mitarbeiterinnen, die sind angelernte Pflegehelferinnen. Und die dürfen einfach viele Tätigkeiten nicht erledigen und haben das aber früher gemacht, z. B. Medikamente gerichtet. Sie dürfen es jetzt nicht mehr.“ (R1_F2) Auch bei der stellvertretenden PDL F3 zeigt sich diese Narration in derselben Wiedergabe, wobei in der entsprechenden Story auch ein gewisses Unverständnis gegenüber den Hilfskräften und deren Reaktion auf den folgenden Kompetenzentzug zum Ausdruck gebracht wird. „Und nun müssen wir, auch weil das so in der Dokumentation steht, dürfen das nur noch Fachkräfte machen. […] Das haben wir hier durchgezogen. Das mussten wir. Die haben da überhaupt kein Verständnis dafür. Und dann hat eine kürzlich mal zu mir gesagt: ‚Aber wiegen dürfen wir noch, oder?‘ Also so süffisant, wo ich dann so gesagt habe: ‚Mein Gott, mach doch jetzt nicht so einen Aufstand. Ich kann doch auch nichts dafür.‘“ (R1_F3) 221 Auch bei den WBLen zeigt sich die Wiedergabe der Narration analog zu den juristischen Vorgaben. Bei F4 wird dabei jedoch deutlich, dass – im Gegensatz zu F3 – über die Einbindung in die Story ein gewisses Verständnis gegenüber den Hilfskräften vorhanden ist. „Und mittlerweile ist es so, dass die Arbeit dieser Pflegehilfskräfte praktisch immer mehr abgewertet wurde, aber nicht von der Einrichtung her, sondern vom Gesetzgeber her einfach, die immer sagen, die und die Tätigkeit darf eben nur fachlich examiniertes Personal durchführen, und da haben die Pflegekräfte gesagt: ‚Dann sind wir nichts mehr wert.‘, ‚Die ganze Zeit, seit zwanzig Jahren schaffe ich hier selbstständig, versorge den Bereich, jetzt darf ich nicht mal mehr Tabletten verteilen, weil es der Gesetzgeber nicht mehr erlaubt.‘“ (R1_F4) Dabei zeigt sich deutlich, dass zum einen der Bezug zur Fachlichkeit in der gesetzlichen Vorgabe gezogen wird. Zum anderen ist ebenso zu erkennen, dass die Vermittlung an die Mitarbeiter_Innen über eine Verdeutlichung des gesetzlichen Verbots verläuft und nicht über ein in der Einrichtung begründetes. Gleiches zeigt sich auch bei der WBL F5. „Da habe ich gesagt: ‚Nein, Leute, ihr dürft das nicht machen. Ich hätte nichts dagegen, aber es darf nicht sein.‘ […] Aber dass hier so eine Rivalität war zwischen Pflegefachkraft und Pflegehelferin, ist bei uns nicht. Denn sie haben ihre Stellenbeschreibung, die Helferinnen wissen, was sie machen.“ (R1_F5) Dabei wird auch auf eine eventuelle, daraus entstehende Rivalität zwischen Hilfs- und Fachkräften verwiesen, welche es in RADIES jedoch nicht zu geben scheint. In der Gesamtschau der Narration dieses juristischen Elements auf der Führungsebene fällt auf, dass a) die HL nicht in der Narration vertreten ist. Des Weiteren nimmt b) die Rigidität der Narration des juristischen Hintergrundes ab, je geringer die Hierarchie wird. Und schließlich zeigt sich c), dass die Perspektive der Mitarbeiter_Innen analog dazu stärker in die Stories eingebunden ist. Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass die engere alltägliche Konfrontation mit den sich daraus ergebenden Praktiken ein tieferes Verständnis für die Folgen des organisationalen Gefüges mit sich bringt. Für die Individuen auf der obersten Führungsebene zeigt sich eher eine Narration ‚fern der Praktik‘, nah an der gesetzlichen Vorgabe. Für jene Führungskräfte, welche in direktem Kontakt zu den Mitarbeiter_Innen stehen lässt sich eine eher ‚weichere‘ Interpretation und Narration des juristischen Elements erkennen.158 Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen lässt sich erkennen, dass viele Fachkräfte eher die Narration der WBLen teilen. „Es wird ja vorausgesetzt, dass jetzt eine Helferin darf schon mal gewisse Dinge einfach nicht machen, weil sie die Ausbildung dazu nicht hat und dann.“ (R1_M1) Dabei ist jedoch zu erkennen, dass eine Fundierung im Juristischen weniger stark zum Ausdruck gebracht wird. Bei M2 zeigt sich sogar die Story der entstehenden Rivalität zwischen Fach- und Hilfskräften. „Ich würde sagen, die werden schon geachtet. Bloß natürlich wie es auf anderen Bereichen aussieht, kann ich nicht sagen. […] Ich habe auch schon mitbekommen, dass Pflegehelfer dort keine Achtung erfahren.“ (R1_M2) Bei der Alltagsbegleitung in R1_M3 zeigt sich sehr deutlich die starke Position und die Honorierung des Einfluss‘ der WBLen. 158 Zur Verdeutlichung der starken Differenzierung nach Hierarchien hier und in der Folge, sei auf die in Kap. 4.1 dargestellte Konstellation von RADIES als eine sehr große Einrichtung verwiesen. Daraus ergibt sich eine viel stärker ausgeprägte Hierarchie im Besonderen auf der Führungsebene. 222 „[Z:] Wir haben hier wirklich das Glück, dass wir wirklich eine tolle Hausleitung haben, die die Stärken des Einzelnen wirklich gezielt einsetzt, egal, ob er das darf oder nicht darf. Im Endeffekt darf er‘s. Aber das ist so dermaßen gezielt und situationsgerichtet, das ist einfach Klasse. Da fühlt sich jeder in sich bestätigt, bestärkt. Das ist hier eigentlich wirklich ein großes Glück.“ (R1_M3) Dabei wird deutlich, dass die WBLen die Narration nicht nur über die Stories transportieren, sondern dass sich auch entsprechende Praktiken entwickelt haben. Diese werden bei der Hilfskraft in R1_M3 deutlich. „[X:] Da heißt es dann, der Pflegehelfer darf das nicht und der darf jenes nicht. Wir haben das alles geregelt, indem wir praktisch das uns haben bescheinigen lassen von Ärzten, Apothekern usw., dass wir nach wie vor Medikamente vor allem verteilen dürfen.“ (R1_M3) Bei der examinierten Kraft M4 zeigt sich, dass die Regelung auf der Station, auf dem Wohnbereich getroffen wird, wodurch die starke Position der WBLen abermals unterstrichen wird und sich darüber hinaus die sinnstiftende Komponente für das organisationale Umfeld herausstellt. „Gut, das ist natürlich unterschiedlich auf jeder Station, das höre ich auch. […] Bei uns auf Station haben wir gleich gesagt, wir machen das nicht, wir machen zusammen, und die helfen uns viel.“ (R1_M4) Bei der Pflegehilfskraft M5 wird dabei die konkrete Praktik der Umsetzung ‚wider dem Juristischen‘ deutlich. „Ja. Ich darf das auch. Das kommt dann auch wieder darauf an, wie die Pflegeleitung mich sieht. […] Eigentlich sollten wir das und das nicht. Aber wir haben bestimmte Vorgaben, da muss praktisch die Pflegedienstleitung das unterschreiben, was ich machen darf und was meine Chefin mir zutraut.“ (R1_M5) Es ist eindeutig erkennbar, dass die WBLen – auch im Sinne der oben dargestellten Narration – in Bezug auf dieses Element des Juristischen eine Art Change Agent für ihren jeweiligen Wohnbereich darstellen, da durch die Nähe zur Praxis und den entsprechenden Mitarbeiter_Innen ‚legere‘ Praktiken durchgesetzt werden, welche einer ‚legereren Narration‘ der WBLen entsprechen. In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass die Rigorosität, welche in der oben dargestellten Narration des Elements bei den PDLen zum Ausdruck kam, scheinbar nur bedingt Handlungswirksamkeit nach sich zieht. Eine Begründung dafür kann darin gesehen werden, dass in der Interviewsituation gegenüber der externen Person des Interviewers eine Narration wiedergegeben wurde, welche der Gesetzeslage entspricht, jedoch im organisationalen Kontext offensichtlich die Narration der WBLen jene ist, welche auch im Circuit of Connectivity über die gesamte Organisation hinweg entwickelte Subjektpositionen und Praktiken aufweist. Bezüglich eines anderen Elements des Juristischen ist ebenso eine weitestgehend homogene Narration in RADIES festzustellen. Sowohl auf der Führungsebene wie auch der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigt sich die Aneignung der Vorgabe der Dokumentation in einer entsprechend positiven Wertung. Diese Narration findet sich auf der obersten Führungsebene ausschließlich bei der stellvertretenden PDL, der QMB. „Ich kenne auch hier das [Einrichtungsname] vor Einführung der Pflegeversicherung. Da waren wir manchmal Personal ohne Ende. Und auch nicht dokumentiert, wobei ich jetzt immer sage, o Gott, wieso haben wir nie dokumentiert? Haben wir überhaupt mal aufgeschrieben, welchen 223 Blutzuckerwert ein Bewohner hatte, um mal zu schauen, wie ändert sich das? Ich kann mich nicht erinnern.“ (R1_F3) Hier ist deutlich zu erkennen, dass F3 die Dokumentation als Teil einer qualitativ hochwertigen Tätigkeit innerhalb einer Altenpflegeeinrichtung versteht. Bei der WBL F4 zeigt sich hingegen die Einbindung desselben juristischen Elements in eine komplett andere Story. „Also sind wir regresspflichtig, schadenersatzpflichtig, Schmerzensgeld usw. Wir sagen, ja, der ist schon so gekommen. Und dann wird gesagt, wo steht das? Wenn dann im Dokumentationssystem gar keine Aufnahme oder Teilaufnahme – nichts – vermerkt ist, dass der Mann mit dieser tiefen Wunde kam von zu Hause zu uns, dann steht in dem Fall Aussage gegen Aussage. Meistens haben dann in der Regel auch die Angehörigen Recht, denn vor Gericht kann ich nicht beweisen, dass das nicht bei uns entstanden ist, weil es nicht dokumentiert ist. Also so meine ich jetzt, dass das schon eine Versicherung für uns ist.“ (R1_F4) Auch bei der WBL F5 zeigt sich die Verortung der Narration in den organisationalen Kontext als Schutzfunktion vor rechtlichen Folgen. „Es ist schon ein eigener Schutzpunkt. Sein eigener Schutz und ist vielleicht auch für den Bewohner ein Schutz, dass man das schreibt alles. Das ist schon wichtig. Es ist manchmal nicht nur der Bewohner, es sind manchmal auch die Angehörigen ganz schlimm, die dann auch sagen: ‚Halt, die Beule oder die Blutung, die aufgetreten ist, und ihr habt euch nicht drum gekümmert.‘ Und dann kann man sagen: ‚Halt, wir haben alles gemacht.‘“ […] Sollte was sein, haben wir uns abgesichert. Das steht in der Doku drin, wir haben den Doktor angerufen, das und das sollen wir machen, bei Verschlimmerung sollen wir wieder anrufen, ansonsten nur beobachten. Es ist wirklich für uns eine Absicherung.“ (R1_F5) Gleiches zeigt sich bei der PDL, wobei hier auffällt, dass ein stärkerer Bezug zum betriebswirtschaftlichen diskursiven Argument des optimalen Umgangs mit dem juristischen Hintergrund gezogen wird. „Das Erste, was ich gesagt habe, die Dokumentation muss einfach schlüssig sein. Was ich meine zum Schutz für sich selber, das z. B.in einer Dokumentation stehen soll, wenn sich ein Bewohner drei Tage nicht waschen lässt. Und zwar deshalb zum Schutze für sich selber: Wenn dann morgen die Heimaufsicht kommt und sagt, Moment mal, hier ist ja gar nicht abgezeichnet, der ist ja nicht gewaschen worden, was ist das denn? Da kann ich sagen: Moment, hier in der Dokumentation steht, der Bewohner hat das verweigert. Dann ist der Mitarbeiter geschützt. Dann kann man uns nicht nachsagen, wir haben den nicht gewaschen.“ (R1_F2) Dabei ist deutlich zu erkennen, dass eine andere Story bedient wird als bei der QMB F3. Hier wird auch der Bezug zu den Mitarbeiter_Innen deutlich, sodass die prozessuale Perspektive über die Qualität des Pflegeprozesses weniger Relevanz aufweist, da auch in der jeweiligen Position innerhalb der Einrichtung die Schutzfunktion der Dokumentation von höherer Relevanz für die WBLen und die PDL erscheint, da diese Funktion auch für die Mitarbeiter_Innen von höherer Relevanz ist, wie sich auch in der Narration dieser ausdrückt. „Wir haften für unsere Unterschrift dafür, was wir getan haben.“ (R1_M5) Es zeigt dabei jedoch neben der Narration der Schutzfunktion der Dokumentation ebenso eine weitere Narration in RADIES, welche ebenso von den WBLen und den Mitarbeiter_Innen getragen wird. Diese alternative Narration drückt die übertriebenen Anforderungen an das Dokumentierte aus. 224 „Aber die Art und Weise, wie das zum Teil durchgeführt wird oder was man da an Dokumentationsflut auf einmal zu bewältigen hat, das ist irre. Also das hat meiner Meinung nach mit Altenpflege nichts mehr zu tun“. (R1_F4) Bei F5 findet sich die dabei ein expliziter Rekurs auf die organisationsinterne Verantwortung der entsprechenden Verpflichtung. „Und für unsere Wirtschaft oder für unsere Heimaufsicht ist der Schriftkram wichtiger wie die Bewohner eigentlich.“ (R1_F5) Darin ist deutlich eine explizite Reaktanz auf die Narration von F3 zu erkennen. Das gleiche zeigt sich bei der Pflegehilfskraft in R1_M3, durch den Bezug auf das ‚Draußen‘. „[X:] Das würde draußen kein Mensch machen. Aber hier wird alles gefordert, und das kostet unwahrscheinlich Zeit.“ (R1_M3) In Bezug auf das juristische Element der Dokumentationspflicht ist für RADIES festzustellen, dass es eine Narration auf der oberen Führungsebene gibt, welche dabei von F3 getragen wird, welcheR als QMB durch die hierarchische Positionsbeschreibung inhaltlich am nächsten mit der Dokumentationspflicht beschäftigt ist und eine entsprechende Narration aufbaut. Diese wird jedoch nirgends in RADIES aufgenommen und weitergetragen, sodass darauf zu schließen ist, dass die entsprechenden Beziehungen und Referenzen zu dieser Narration nicht aufgebaut werden können, da mehrere – von den WBLen initiierte – ‚Gegen-Narrationen‘ existieren, welche wiederum Rezeptivität aufweisen. Dabei fällt des Weiteren auf, dass die Rezeption dessen auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen nur bei den Pflegehilfskräften gezeigt werden kann. Jegliche Stories oder gar Narration, welche die Dokumentation in RADIES betreffen und von examinierten Kräften narriert werden, erfolgen vor einem rein akademisch-argumentativen Hintergrund, wie in e) deutlich werden wird. Es zeigt sich in RADIES eine weitere Narration des juristischen Elements der Kontrollen durch die Exekutivinstanzen wie den MDK oder die Heimaufsicht. Dabei fällt auf, dass hier eine reine ‚LeitungsNarration‘ vorherrscht. Bei F1 zeigt sich dieses Element in einer Story, welche die Verbindung zur freiwilligen privaten Zertifizierung zieht. „Den MDK hat bisher die Pflegedokumentation nur am Rande interessiert. Und damit wir die Vorgaben der Pflegedokumentation erfüllen, dafür bestätigt uns das Zertifizierungsverfahren ‚Gut, ihr habt die Vorgaben erfüllt‘, ‚Ihr habt die Pflegedokumentation ordentlich geführt durch Pflegeplanung, durch Pflegeanamnese und und und.‘“ (R1_F1) Dabei zeigt sich eine relative wertfreie Haltung der HL gegenüber dem MDK. Anders hingegen bei der PDL F2. Hier wird interessanterweise inhaltlich dieselbe Story bedient, jedoch mit einer Wertung, welche zum Ausdruck bringt, dass die von F1 bediente Bestätigung durch die private Zertifizierung nicht den erhofften Erfolg mit sich brachte. „Offen gesagt, haben wir uns das auch anders vorgestellt. Als wir das erste Mal zertifiziert wurden, war das natürlich schon so mit dem Hintergedanken, ja, das braucht doch jetzt irgendwie jeder, und wenn dann der MDK kommt, dann sind wir schon zertifiziert, dann lässt er uns so ein bisschen in Ruhe. Das war wirklich so der Gedanke, dass der MDK dann sagt: Na ja, die sind zertifiziert, da müssen wir jetzt die nicht ‚auseinander nehmen‘. Und dass dem nicht so ist, haben wir dann schnell gemerkt.“ (R1_F2) 225 Diese Divergenz zeigt sich auch hier in der Nähe zur Materie begründet zu liegen. Bei der PDL kann davon ausgegangen werden, dass die Position eine engere Einbindung in die Kontrollen durch den MDK mit sich bringt, woraufhin sich die differenzierte Beurteilung ergibt. An anderer Stelle zeigt sich trotzdem abermals die Story ‚nahe an der gesetzlichen Vorgabe‘, wobei hier auch Verbindungen zum Element der Wirtschaftlichkeit einer Pflegeeinrichtung und zur betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie bedient werden. „Die Qualitätsvorgaben sind ja so streng […] erst in den letzten 15, 20 Jahren im Prinzip. Und dem muss man natürlich Rechnung tragen. Wir haben ganz andere Strukturen als vor 30 Jahren. Und das kostet natürlich alles Geld.“ (R1_F2) Es ist dabei unverkennbar, dass die PDL F2 besonders stark in dieser ‚Leitungs-Narration‘ präsent ist, da an anderer Stelle auch deutlich wird, worin die oben gezeigte Divergenz zur HL begründet liegt und darüber hinaus, dass ‚Nähe zur juristischen Vorgabe‘ nicht bedeutet, dass die Exekution dessen ebenso positiv erachtet wird. „[W]enn einem ein Kontrollgremium nicht wohl gesonnen ist aus irgendwelchen Gründen, dann haben die viel Macht, die ihnen eigentlich nicht zusteht […]. Und wenn Sie so ein Kontrollgremium haben, dann ist die Gefahr groß, dass Sie die nicht mehr ernst nehmen. Denn wir sind einfach unserer Sache sicher und wir fühlen uns – ich sag‘s Ihnen einfach – schikaniert und nicht mehr fair und objektiv beurteilt.“ (R1_F2) Diese Narration der ablehnenden Haltung gegenüber den gesetzlich legitimierten Kontrollinstanzen zeigt auch bei der stellvertretenden PDL in einer Story über die in der privaten Zertifizierung tätigen Personen in Abgrenzung zum MDK, denn bei den Zertifizierungseinrichtungen wird – dem Anschein nach, im Gegensatz zum MDK – eine Fokus auf die Pflegetätigkeit gelegt. „Für mich sind natürlich diese Prüfer, die kommen auch aus der Pflege. Die legen da einfach ein großes Augenmerk auf die Pflege und kennen sich da bestens aus.“ (R1_F3) Bei der WBL F4 verdeutlicht sich diese Narration in einer Story, welche eine bereits bekannte organisationsübergreifende Metaphorik bedient. „[W]o man also stellenweise schon gar nicht weiß, wie man das alles soll über die Bühne kriegen, ohne mit einem Fuß im Knast zu stehen oder sogar mit beiden.“ (R1_F4) Über diese gesamte Narration hinweg zeigt sich eine ablehnende Haltung gegenüber den gesetzlich legitimierten Kontrollinstanzen, mit vielen Bezügen zu der freiwilligen privaten Zertifizierung, wobei sich die leicht divergenten Bewertungen abermals aus der direkte Nähe zum jeweiligen Objektbereich ergeben. Ebenso ausschließlich auf der Führungsebene zeigt sich eine weitere Narration in der Rezeption des juristischen Elements der Veröffentlichung der Prüfergebnisse durch den MDK. Die Narration wird dabei von der kompletten Führungsebene sehr homogen getragen. Bei der HL ist die Story dabei in der Bewertung der Benotung noch relativ moderat ausgeprägt. „Ich finde, das System muss geändert werden. Es ist unglaubwürdig, dass man von 99 % der Einrichtungen 1 bis 1,5 erzielt. Das kann nicht sein. Und meiner Ansicht nach spiegeln die Ergebnisse nicht die Qualität wider, die eigentlich die Einrichtung hat.“ (R1_F1) 226 Dabei ist erkennbar, dass das System nicht im Grundsatz negativ beurteilt wird, sondern vielmehr geändert werden könnte. Schärfer in der Beurteilung, jedoch in der Tendenz ähnlich, zeigt sich das bei F2. „Von den Pflegebenotungen halte ich gar nichts. Die sind eine absolute Farce. Sie können Bewohner haben, die Dekubiti haben, pflegerisch schlecht versorgt sind. Aber Sie haben eine schöne Grünanlage, Sie haben ein tolles Freizeitangebot und Sie bieten leckeres Essen an. Dann können sie alles ausgleichen.“ (R1_F2) Gleichsam zeigt sich die Narration bei der stellvertretenden PDL. „Ich vertraue nicht auf diesen MDK-TÜV - sicher nicht -, weil da kriegt jeder die Note 1 oder 1,1. […] Das Notensystem ist völlig/ das geht gar nicht, denn da kann man eine schlechte Note mit einer guten irgendwie ausgleichen und nachher ist alles ganz toll.“ (R1_F3) Dabei ist zu erkennen, dass sich die Stories der PDL F2 und der stellvertretenden F3 sehr stark ähneln, was wiederum die These stützt, dass Positionen innerhalb RADIES‘, welche inhaltlich mit ähnlichen Themenbereichen betraut sind, auch gleichen narrativen Episoden folgen und sogar gleiche Stories als Ausdruck dessen nutzen. Jedoch zeigt sich in Bezug auf dieses juristische Element auch bei der WBL F4 eine analoge Story zu den PDLen. „Ich finde es Schwachsinn, wenn so eine Noten entsteht, wenn praktisch Äpfel mit Birnen zusammengeschmissen werden und dann einfach dividiert und fertig.“ (R1_F4) Bei der anderen WBL F5 hingegen drückt sich die Narration über die Pflegenoten in einer eher moderaten Story, analog der Beurteilung bei F1 aus, wenngleich auffällt, dass F5 nicht sonderlich stark in der Narration präsent ist. „Ein Text wäre besser.“ (R1_F5) Abschließend zeigt sich nur bei der PDL und bei den WBLen jener Aspekt aus dem Juristischen, welcher die Festlegung der Pflegestufen durch den MDK verdeutlicht. Bei der PDL F2 lässt sich dabei erkennen, dass die ansonsten weitgehend negative Ansicht des MDK hier keinerlei Einbindung in die Story erfährt. Vielmehr wird ein kooperatives Verständnis der Beziehung zum Ausdruck gebracht, was wiederum in narrativer Verknüpfung mit dem betriebswirtschaftlichen diskursiven Argument des optimalen Umgangs mit den juristischen Gegebenheiten steht. „Nicht dass wir den MDK überzeugen, sondern dass wir mit dem MDK gemeinsam das quasi festlegen, inwieweit wir sie einstufen. Und es gibt tatsächlich Kriterien, wonach man diese Bewohner einstufen kann. Aber uns war das vor ein paar Jahren so gar nicht bewusst, weil wir eben hier auch mehr auf die Altenpflege fixiert waren“ (R1_F2) Die gleiche Story als Wiedergabe der Narration kann bei den WBLen gesehen werden. „Dann müssen wir die Pflegeplanung anders schreiben, und dann können wir auch eine Höherstufung beantragen. Und deswegen steht das auch alles so haargenau drin. […] Das ist ein Kreislauf. Macht man es nicht, dann kommt man nicht in die andre Pflegestufe, kriegt man nicht mehr Geld, kriegt man nicht mehr Personal. Irgendwie greift alles ineinander ein.“ (R1_F5) Es lässt sich hier der Rückschluss aufstellen, dass da die Wertung der öffentlichen Kontrollinstanzen bei den WBLen auch über verschiedene Narrationen hinweg gleich bleibt, bei F2 jedoch verschieden 227 ist, ein Bruch der Narration – ähnlich wie es in der Analyse von VERBENA deutlich wurde – wahrgenommen wird. Darin könnte die Begründung dafür liegen, dass für die oben dargestellte Narration der PDLen keine Rezeptivität auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen festgestellt werden kann. Da F2 und F3 weithin kongruent in den jeweiligen Stories erscheinen, liegt der Rückschluss nahe, dass beide in der Organisation als eine Art ‚narrative Entität‘ wahrgenommen werden, für welche, durch den identifizierten Bruch in der Narration, keine fortwährende Narrationen in RADIES gewährleistet sind. Es lässt sich zusammenfassend für die Aneignung des Juristischen in RADIES feststellen, dass einige ‚Leitungs-Narrationen‘ vorhanden sind. In diesen stellt sich jedoch mithin eine Trennung zwischen der oberen Führungsebene – bestehend aus F1, F2 und F3 – und den WBLen heraus, wobei auffällt, dass die HL F1 generell weniger stark in die Narrationen des Juristischen eingebunden. In jenen Narrationen, welche über die gesamte Organisation hinweg identifizierbar sind, lässt sich feststellen, dass in sachspezifische Divergenzen die Mitarbeiter_Innen eher der Narration der WBLen folgen. In demselben Zusammenhang wurde auch deutlich, dass die höheren Positionen einer engeren Narration entlang der juristischen Vorgaben folgen. Daraus kann in der Analyse des Juristischen die These abgeleitet werden, dass die Praktiken einen sehr hohen Einfluss auf die Aneignung einer entsprechenden Narration aufweisen. Durch die dargestellte ausgeprägte Hierarchisierung und positionsspezifische Arbeitsteilung in RADIES stellen sich für die Subjekte, neben eindeutigen Positionierungen innerhalb der Organisation auch konkrete Praktiken heraus, welche wiederum die Aneignung der entsprechenden Narration beeinflussen. d) Das Betriebswirtschaftliche Die betriebswirtschaftlichen diskursiven Argumente sind augenscheinlich die Elemente des Überorganisationalen, welche in RADIES am stärksten angeeignet sind. Dabei fällt wiederum auf, dass sich bei der HL die stärksten Bezüge zur marktförmigen Ausrichtung aller Akteur_Innen finden lassen. F1 erklärt diese Ausrichtung auch als Folge der Einführung des PflegeVG. „Es ist so: die Zeiten sind vorbei, wo man sich zurücklehnen kann und warten kann, bis Angehörige kommen und nach einem Heimplatz suchen. […] Wir haben ein Marketingmanagement aufgebaut, mit dem wir versuchen, die Leute anzusprechen bzw. auch das Nachfrageverhalten zu fördern“. (R1_F1) Wobei an anderer Stelle deutlich wird, dass diese veränderte Ausrichtung nicht ausschließlich auf RADIES bezogen ist, sondern auf den gesamten Sektor. „[M]it der Folge, dass sich die Einrichtungen dann eben Gedanken gemacht haben, wie kann ich mich auf dem Markt präsentieren.“ (R1_F1) Darin wird in der folgenden Story deutlich, dass F1 bei anderen Einrichtungen ein Defizit im Vergleich zu RADIES erkennt. „Viele Einrichtungen sehen den Pflegebedürftigen als Pflegebedürftigen. Das heißt: er ist auf uns angewiesen. Er ist nicht auf uns angewiesen, sondern wir sind auf ihn angewiesen. Das ist ein Unterschied.“ (R1_F1) In dieser Story kommt die Deutung der Pflegebedürftigen zum Ausdruck als Kund_Innen, als diejenigen, welche der Einrichtung die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg verschaffen. Darüber 228 hinaus zeigt sich darin auch die Abgrenzung zum diskursiven Argument der Bezeichnung der Bewohner_Innen in der sozialen Argumentationslinie. Als Folge ist RADIES „quasi wie so ein Managementbetrieb.“ (R1_F1) wobei F1 in diesem Zusammenhang auch deutlich hervorhebt „Das heißt also, die Einnahmen und Ausgaben müssen stimmen. Und das unterscheidet sich dahingehend, dass also meine Tätigkeit überwiegend im Verwaltungsbereich sich darstellt. Das heißt also, Sie können an diese Position zum Beispiel einen Heimleiter einer kleinen Einrichtung nicht setzen, weil er das Know-how nicht hat. […] Denn die Dinge, die hier durchlaufen, sind mit großem finanziellen Hintergrund, und dahingehend ist es so, dass man das Know-how mitbringen muss vom kaufmännischen Bereich, vom betriebswirtschaftlichen Bereich, um die Einrichtung wirtschaftlich zu führen.“ (R1_F1) Neben der Nennung der wirtschaftlichen Fakten der Einrichtung, welche über alle Interviews hinweg auch nur hier dargestellt wurden,159 fällt bei F1 auf, dass der darin liegende Erfolg auch zum einen mit der eigenen Person, „[D]as ist heute gar nicht mehr denkbar, dass in leitende Positionen keine Betriebswirte sind oder Volkswirte. […] Es ist ja dann so, dass der kaufmännische Teil dadurch einen wesentlichen Anteil hat. Das heißt also, dass es hier etwa so ist, dass Leute gesucht oder gebraucht werden in den Häusern, die eben eine kaufmännische Ausbildung haben“. (R1_F1) und zum anderen mit der bereits in der Analyse des Juristischen erkannten positionsspezifischen Arbeitsteilung verbunden ist. „Bei mir spielt der sozialpädagogische Bereich bestimmt die zweite Rolle. Dafür habe ich meine Leute.“ (R1_F1) In dieser sehr starken Rezeption des diskursiven Arguments der Orientierung an einer Marktgerechtigkeit bei der HL F1 zeigt sich jeweils in verschiedenen Stories der Anschluss an mehrere Aspekte, die bereits in der Analyse der verschiedenen Elemente der Makro-Ebene deutlich wurden. Dabei ist des Weiteren eine Rezeption dieser Narration auf der Führungsebene feststellbar. Bei der stellvertretenden PDL zeigt dabei deutlich die Rezeption der Story der Orientierung auf die Bewohner_Innen, verstanden als Kund_Innen von RADIES, welche die Basis für den Erfolg im wirtschaftlichen Sinne darstellen. „Also ich sehe das jetzt schon so, dass das kundenorientiert sein sollte, weil der Bewohner, der hierher kommt, der bezahlt für eine Leistung. Und das ist einfach eine Dienstleistung.“ (R1_F3) Des Weiteren zeigt sich die Story des Wettbewerbs zwischen den Einrichtungen um diese Kund_Innen. „Also ich habe schon den Anspruch, dass wir uns einfach abheben von anderen Häusern, dass hier konzeptionell gearbeitet wird, dass hier wirklich eben die Bewohner einfach zufrieden sind, dass die Angehörigen natürlich zufrieden sind, dass das Haus einfach einen guten Ruf hat.“ (R1_F3) Gleiches findet sich bei der WBL F4. 159 Zur Vollständigkeit: ein Bilanzvolumen von 34 Mio. € und ein Ausgabevolumen von 14 Mio. € (vgl. R1_F1) 229 „Klar, Wettbewerbsfähigkeit - die Heime schießen auch wie Pilze aus dem Boden.“ (R1_F4) Dabei ist auffällig, dass die Narration um das diskursive Argument der Marktförmigkeit zwar auf der Führungsebene getragen wird, jedoch nicht in der Masse oder differenzierten Story-Wiedergabe wie es bei F1 zu erkennen ist. Es zeigt im Zusammenhang mit diesem Argument auch abermals eine Verbindung zu einem Element, welches bereits in der Analyse des Juristischen präsent war. In Bezug auf die freiwillige Zertifizierung einer Altenpflegeeinrichtung lässt sich hier deutlich erkennen, dass dies nicht nur aus einer juristisch fundierten Motivation heraus geschieht, sondern auch aus betriebswirtschaftlich argumentativen Zusammenhängen. Bei F1 lässt sich in diesem Zusammenhang erkennen, dass es sich eben nicht um eine empfundene Verpflichtung handelt, sondern um eine zusätzliche Etikettierung der Einrichtung mit plakativem Charakter und die dargestellte Erwartung ‚nur‘ die Einbettung in die Story darstellt. „Vom Grundsatz her haben wir es nicht nötig. Das ist eine reine Außenwirkung. […] Die Zertifizierung man bräuchte sie nicht. Aber das ist ein Erfordernis, was die Leute von uns erwarten.“ (R1_F1) Gleichsam findet das Argument abermals bei der stellvertretenden PDL F3 Ausdruck in der Negation des expliziten Suchens. „Das ist aber auch noch nicht so in den Köpfen der Allgemeinheit. Die Angehörigen, die jetzt ihre Angehörigen da herbringen, die schauen da jetzt noch nicht so explizit danach.“ (R1_F3) Wobei an anderer Stelle bei F3 auch deutlich wird, dass das betriebswirtschaftliche diskursive Argument der elementaren Wichtigkeit des Betriebsmodells einer Einrichtung in Zusammenhang mit der Marktförmigkeit in der betriebswirtschaftlich argumentativen Narration der freiwilligen Zertifizierung steht. Wobei dieses spezifische Betriebsmodell – die Kombination von stationärer Altenpflege und psychiatrischer Pflege – an späterer Stelle noch deutlich wird. „Das wäre wahrscheinlich in einer reinen Altenpflegeeinrichtung bestimmt ein Vorteil. Bei uns spielt es eher nicht so die Rolle, weil wir ja, wie gesagt, auch dieses psychische Klientel haben, wo man sagt, die kämen sowieso. Das behaupte ich immer. Die kommen sowieso, denn die sind in Not.“ (R1_F3) Die Narration zeigt sich, wenngleich in sehr geringer Ausprägung, auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „[X:] Klar, wenn die Zertifizierung durch ist, dann kann man sagen, wir sind zertifiziert; wir sind ein Haus, das sich in der Öffentlichkeit präsentieren kann.“ (R1_M3) Eine Narration auf der Führungsebene wie auch der Ebene der Mitarbeiter_Innen findet sich in Bezug auf das diskursive Argument der ‚Mainstream-Argumention‘ der Funktionalität und optimalen Ausrichtung jeglicher pflegerischer Handlung im Sinne einer Best Nursing Practice. Bei F1 zeigt sich dieses diskursive Argument abermals in einer Story über den eigenen Beitrag zu Sicherstellung der Rentabilität der Einrichtung. „Ein Heimbewohner kann nur optimal versorgt werden, wenn finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Auf der einen Seite will ich, dass der Heimbewohner optimalst versorgt und betreut wird in unserer Einrichtung, und auf der anderen Seite ist meine Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass ich die finanziellen Mittel zur Verfügung stelle, damit diese Zielsetzung erreicht wird.“ (R1_F1) 230 Dabei wird auch das Sinnbild eines Spagats aus der Perspektive der Einrichtungsleitung bedient. An anderer Stelle wird unmissverständlich ein entsprechendes Pflegeverständnis zum Ausdruck gebracht über eine Story der Erwartungshaltung an die Mitarbeiter_Innen. „So wie ich gepflegt werden möchte, so erwarte ich, dass die Leute versorgt und gepflegt werden. Und das ist sicherlich eine hohe Erwartungshaltung, und ich möchte - das ist immer wieder ein Punkt, wo man dann immer wieder mal anspricht und auch mal drauf hinweist -, dass der Bewohner hier sich wohl fühlt, dass er optimal versorgt, betreut und gepflegt wird. Und meine Zielstrebung ist auch noch: Das ist die letzte Heimat des Bewohners, und da soll er sich eigentlich wohl fühlen. Und das Wohlfühlen, als Gast bei uns zu sein.“ (R1_F1) Es zeigt sich in dieser Story auch eine Verbindung zur sozialen Argumentationslinie, indem hier die Bewohner_Innen mit dem ‚Gast-Status‘ versehen werden. Dabei wird deutlich, wie hier – im Gegensatz zur Darstellung des vorhergehenden diskursiven Arguments – nicht mehr die Bezeichnung ‚Kundin‘ oder ‚Kunde‘ in der Story eingebunden wird, sondern, in Bezug auf das hier narrierte diskursive Argument, das Symbol ‚Gast‘ passfähiger erscheint. Dieser Aspekt verdeutlicht sich auch in der im ersten Blick kontrovers erscheinenden Story hinsichtlich der Setzung von Prioritäten. „Einmal grundsätzlich an der Zufriedenheit der Bewohner und zweitens am wirtschaftlichen Ergebnis.“ (R1_F1) Anhand dieses Beispiels zeigt sich besonders deutlich, wie Stories mit Symbolen und Metaphern genutzt werden, um unterschiedliche diskursive Argumente zu akzentuieren und deren Aneignung, Weitergabe und Sedimentation zu garantieren. Bei der PDL zeigt sich der Niederschlag des diskursiven Arguments der Funktionalität in der Story, dass eine entsprechende Ausrichtung anstrengend ist, es aber auch primär um eben die Durchführung im Allgemeinen und nicht um die detailgenau ‚richtige‘ Durchführung eines Ideals geht. „Es ist auch oft zu viel, auch keine Frage. Wir müssen lernen oder haben schon immer lernen müssen, auch Abstriche zu machen. Wir müssen sehr gut überlegen, wo wir diese Abstriche machen, ganz klar, denn ideal schaffen wir es nicht. Den Idealfall kriegen wir nicht. Auch wenn ich jetzt Personalengpässe habe, wenn Kranke da sind - die sagen, wir schaffen das nicht, jetzt müssen wir noch nach dem Standard und bla bla und da und dort, dann bin ich mit den Mitarbeitern absolut einig - Abstriche. Und wenn es notwendig ist, überlegen wir gemeinsam, wo wir das machen.“ (R1_F2) Die Narration zeigt sich dabei ebenso auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. „Man muss sich schon gut organisieren und manches Mal ist man dann halt auch mal zehn Minuten, Viertelstunde länger da.“ (R1_M1) Es ist hierin deutlich zu erkennen, dass M1 nicht die Narration teilt, sondern ebenso einige Praktiken in die Story einbindet, um das diskursive Argument zu unterstreichen; hier in diesem Fall das Ableisten von Überstunden. An anderer Stelle werden von M1 auch die entsprechenden Praktiken der Führungsebene zum Ausdruck gebracht, welche die Alltäglichkeit des Arguments bescheinigen. „Unsere Leitung plant uns da mal einen Dokumentationstag ein, dass man sich ein paar Stunden aus der Pflege ausklinken kann, und dafür macht man Dokumentation. Ansonsten würde es nicht gehen.“ (R1_M1) Auch bei M2 verdeutlicht sich die Narration in einer Story, welche das individuelle Erfolgsempfinden zum Ausdruck bringt. 231 „Erfolg ist für mich, […] dass ich meine Arbeit ordentlich erledigt habe […, dass] ich meine Arbeit gewissenhaft erledigt habe, dass ich nichts liegenlassen habe, dass ich einfach alles gemacht, was zu machen war und dass die Bewohner zufrieden sind.“ (R1_M2) Neben der Darstellung des diskursiven Arguments des funktionalen Umgangs mit den praktischen Gegebenheiten zeigt hierin auch die Einbindung des sozialen Arguments der Sicherung des Wohlbefindens der Bewohner_Innen. Auch im Sinne der Best Nursing Practice zeigt sich bei der HL eine weitere Story, über welche das Argument transportiert wird. „Ich kann ihm widerlegen, dass die Personalsituation dementsprechend ist. Ich kann ihm auch widerlegen, dass er keine Zeit gehabt hat. Ich habe Fakten, die ihn überzeugen werden, dass es nicht so ist. Denn im Pflegebereich ist es immer so, man hat immer zu wenig Personal. Aber für jeden Pflegebereich kann ich Ihnen sagen nachher, wie ihr Pflegeschlüssel aussieht bzw. wie viel Pflegepersonal brauchen sie und wie viel haben sie tatsächlich. Und da stellt sich dann immer heraus, dass eigentlich mehr Pflegepersonal auf der Station ist, als eigentlich die Einstufung der Bewohner hergibt. In der Regel übertreiben es alle.“ (R1_F1) Diese Story der Negation des Zeitmangels in RADIES zeigt sich auch bei anderen Führungskräften, wie bei der PDL „Der Zeitfaktor ist ein Totschlagargument in der Pflege. ‚Natürlich haben wir keine Zeit.‘ Das sage ich ganz provokativ. Keiner hat Zeit. Wir haben die Stunde mit 60 Minuten, nicht mit 120, die wir oft bräuchten. Hätten wir die 120 Minuten, hätten wir immer noch keine Zeit. Ich denke, es kommt ganz viel darauf an, wie wir unsere Arbeit strukturieren und wie wir uns organisieren. Und wenn ich gut organisiere, dann habe ich die Zeit zwischendurch genauso wie am Ende“. (R1_F2) sowie der WBL F4. „Aber viele sind nicht so reflektiert. Sie denken dann halt, der Schuldige muss hier sein in der Verwaltung, weil er kann uns ja Personal geben. Wir können Personal reinklopfen ohne Ende, es würde trotzdem nicht reichen. Das ist eben der Fakt.“ (R1_F3) Dabei ist deutlich zu erkennen, dass selbst diese Story, in welcher die Pflegekräfte – wie am Beispiel von F2 zu erkennen – mit Hohn adressiert werden, bei den Pflegekräfte ebenso sedimentiert ist und diese in die Narration eingebunden sind. „Die meisten von unsren Bewohnern brauchen Hilfe bei der Körperpflege. Das geht ja dann schon morgens los, und dann bin ich ja sowieso schon da. Und da kann ich ja ein Gespräch führen und nebenher denjenigen waschen, baden, duschen. Man muss ja nicht stillschweigend seine Arbeit verrichten, sondern das kombiniert man dann.“ (R1_M1) Bei M1 zeigt sich dabei besonders deutlich, dass diese Story der Narration des diskursiven Arguments der Optimalität zuzuordnen ist. Auch bei M4 zeigt sich die Narration des Arguments in der Story der Zurückweisung eines Zeitproblems. „Aber dann versuche ich vielleicht am nächsten Tag mehr Zeit oder wenn ich spüre, dass der Bewohner will einfach Gespräch haben, er braucht ein Gespräch, dann versuche ich am nächsten Tag vielleicht mehr Zeit. Man findet immer Zeit. Man muss bloß halt ein bisschen gucken, wie man die Arbeit gestaltet.“ (R1_M4) 232 In Bezug auf die Einbindung der Pflegekräfte in die Narration dieses Arguments ist auffällig, dass es sich hierbei ausschließlich um examinierte Kräfte handelt. Pflegehilfskräfte scheinen hingegen nicht in die entsprechende Narration von RADIES eingebunden zu sein. Aus dieser Auffälligkeit ließe sich die Symbolik der geringeren Reflexion mancher Mitarbeiter_Innen von F3 erklären, dass damit von der stellvertretenden PDL primär Hilfskräfte gemeint sind. Dabei wird ein weiterer Aspekt hinsichtlich dieses diskursiven Arguments auffällig. Die WBL F4 zeigt als einziges Individuum eine der gerade dargestellten Narration entgegenstehende Position. „Aber dieses Argument von der Leitungsseite her, von der Vorgesetztenseite, wie Sie jetzt gesagt haben, wenn ich diese Omi wasche, rede ich ja auch mit ihr, das setzt aber dann voraus, wenn ich mit meiner Tätigkeit fertig bin, mache ich die Tür zu und bin weg.“ (R1_F4) Dabei zeigt sich jedoch eine Vermischung der Attribution der ‚Schuldfrage‘ an die Einrichtungsleitung und in direktem Zusammenhang an die juristischen Umstände, wobei die Argumentation stark vor einem sozialen Hintergrund verläuft. „Aber das sind halt die Sachen, die Zeit kosten, die zeitintensiv sind und ich diese Zeit nicht habe. Und das kann ich ja in Minutenwerten, wo wir dann beim MDK sind, zum Beispiel, oder bei der Pflegeversicherung. Das kann ich in Minutenwerten ja gar nicht erfassen. Ich gehe ja nicht mit totem Material um wie am Fließband, sondern ich gehe mit Menschen um, tagtäglich.“ (R1_F4) Dabei ist jedoch auch zu erkennen, dass in Bezug auf die Dokumentation und die Durchführung dessen während der Arbeitszeit, die entsprechende Attribution eindeutig in Richtung der Einrichtung ausschlägt. „Aber dann muss ich auch vom Arbeitgeber erwarten können, dass er mir die Möglichkeit gibt, dies während meiner regulären Arbeitszeit auch zu tun.“ (R1_F4) Diese Story zeigt sich bei F4 sehr oft und ist mithin auch hartnäckig in die Narration anderer Elemente und diskursiver Argumente eingebunden. Eine Erklärung dafür ist sehr schwierig zu finden. Es bleibt für RADIES in diesem Kontext festzustellen, dass es sich hier um eine individuelle Kundgabe handelt und nicht um eine Narration, welche auch von anderen Individuen getragen wird. In der Betrachtung des Juristischen wurde bereits deutlich, dass in RADIES Bezüge zum diskursiven Argument des optimalen Agierens vor dem gegebenen juristischen Hintergrund im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie in die dortigen Narrationen eingebunden werden. Bei der HL zeigt sich dieses diskursive Argument in einer Story über Praktiken zur Vollbelegung in RADIES. „Andererseits nimmt man keine Nuller auf und geht bloß auf die I, II oder III, 160 was viele ja machen die haben Betten leer, wir haben keine leer. Und von 0 kommen die Leute in der Regel mit der Zeit auf I, vielleicht auf II. Aber bis ich warte, bis die dann die Pflegestufe erreicht haben, sind die vom Markt weg. […] Durch die Größe der Einrichtung kann man natürlich auch die Nuller, wo der Betreuungsaufwand nicht vergütet wird, kann man natürlich auch durch organisatorische Maßnahmen den Personalbedarf so regeln, dass es sich trotzdem unterm Strich rechnet.“ (R1_F1) Dabei zeigt sich, dass diese Story auch von der PDL F2 narriert wird und dabei ebenso mehr Details offenbart. 160 ‚Nuller‘ steht an dieser für jene Menschen, die keine Pflegestufe haben. Analog dazu stehen die römischen I bis III für die Pflegestufen nach SGB XI. 233 „Also wir partizipieren im Prinzip von den Einstufungsmodalitäten aus den PsychiatrienKrankenhäusern und haben das für uns jetzt quasi auch - wenn man so will - entdeckt, die Chance, dass wir die eben sehr wohl auch ganz legitim einstufen können. […] Denn da sind gerade viele sehr junge Männer dabei, die haben Pflegestufe 0. Nur sind wir im Moment jetzt auch dabei mit dem MDK, dass wir Möglichkeiten haben, auch diese Bewohner einzustufen […], dass wir da zumindest die Möglichkeit haben, auf die Stufe 1 zu kommen und dass ich dann die Bereiche einfach auch besser mit Personal versorgen kann.“ (R1_F2) Des Weiteren zeigt sich an anderer Stelle auch die gesonderte Position von F2 im Rahmen dieser Narration. „Da mache ich gar kein Geheimnis draus. Ich hätte gern den Psychiatrieschlüssel. Da würden wir völlig anders dastehen. […] Ich kompensiere das im Prinzip aus den Schwerstpflegebereichen. Ich muss schon den Psychiatriebereich je nachdem ein bisschen überbesetzen personell.“ (R1_F2) Dabei zeigt sich zum einen die eigene Positionierung in RADIES und zum anderen auch, dass die hier bediente Praktik eine langfristige Anlegung aufweist, da vorerst mehr Probleme für RADIES entstehen, denn Vorteile. Ähnlich lassen sich diese Aspekte in Bezug auf die eigene Altenpflegeschule in RADIES und der entsprechenden Story abermals bei F2 erkennen. „Also es ist so, dass wir Zuschüsse kriegen vom Land für die Schülerstellen und die Schüler uns auch auf den Stellenplan angerechnet sind. Die Schüler rechnen mit 1:4 auf dem Stellenplan.“ (R1_F2) Daraus lassen sich zwei Aspekte erkennen. Zum einen kann aus der Positionierung von F2 gelesen werden, dass F2 hier als Change Agent gesehen werden kann, da in den Stories der PDL eine stärkere Ausdifferenzierung des diskursiven Arguments feststellbar ist und auch eine generelle stärkere Rezeption. Zum anderen wird deutlich, dass sich Subjektpositionen und Praktiken in diesem Zusammenhängen so stark herausgebildet haben, dass hier auch ein seltenes Indiz für den konzeptionellen Teil der Anlage zukünftiger Stories gesehen werden kann. Dieser Teil des Modells, welcher in konzeptioneller Sicht nachvollziehbar angelegt sein muss und im Normalfall, wenn überhaupt, nur ex-post in einer diachronen Betrachtung empirisch belegt werden kann, ist hier durch die Langfristigkeit der Anlage der Praktik verdeutlicht. Darin ist zu erkennen, dass sowohl das diskursive Argument der optimalen Nutzung der gesetzlichen Gegebenheiten, wie auch das in den Stories inkludierte Argument der Gestaltung der Personalbelegungspläne, in deren Akkumulation und dem Einbezug der hier verdeutlichten Story sowie den Praktiken, die zukünftigen Stories in RADIES beeinflussen werden. Neben den WBLen, bei welchen die Bezüge zu diesem diskursiven Argument bereits in der Analyse des Juristischen dargestellt wurden,161 zeigt sich diese Narration auch teilweise auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen, wie hier bei der examinierten Altenpflegekraft M4 zu erkennen ist. „In manchen Sichten ist es schwer, denn dieses Gesundheitssystem in Deutschland ist […] halt so. Wir sind gezwungen ein bisschen auf Sparmaßnahme[n] angucken, was ändern. Aber ich denke, das ist abhängig von jedem, wie man mit dem Problem umgeht.“ (R1_M4) Dabei ist deutlich zu erkennen, dass bei M4 auch die eigene Position und Handlungsoption betont wird und kein reines Abstellen auf das organisationale Gefüge geschieht. Darin ist ebenso die Aneignung des diskursiven Arguments ersichtlich. 161 Zur Vollständigkeit ist hier anzumerken, dass die Story der Aufnahme von ‚Nullern‘ auch von F5 bedient wird, hier nur nicht mit angeführt ist. 234 Es lässt sich für ein weiteres diskursives Argument des semantischen Kerns der ‚MainstreamArgumentation‘ in RADIES abermals die Aneignung auf der Führungsebene und nur zu geringen Teilen auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigen. In Bezug auf die Finanzierungsmöglichkeiten von Arbeitsmaterialen zeigt eine eher kritische Betrachtung bei der PDL „Dann haben wir hier erlebt – das habe ich gerade neulich auch wieder sehr unzufrieden thematisiert – dass Hauswirtschaftsbedarfsbestellungen, die kommen über die Investitionen, ewig ausgesessen werden, dass die Leute die Sachen nicht kriegen, z. B. technische Hilfsmittel usw., Ersatzbeschaffung von Duschliegen usw., was man für die Pflege einfach braucht. Das Zeug kommt nicht an Land und die Mitarbeiter warten teilweise Jahre drauf oder sie kriegen es gar nie oder sie warten ein Dreivierteljahr. Das macht unzufrieden und das kann ich gut verstehen, habe ich viel Verständnis dafür. Ich kann es nur leider nicht ändern.“ (R1_F2) wie auch bei der WBL F5, welche festhält: „Das ist ein langer Büroweg.“ (R1_F5) Dabei wird auch deutlich, dass der Hintergrund dessen auf die HL attribuiert wird. „Und ich gehe dann auch öfters hin und bleibe dann eigentlich auch am Ball. Ich gehe dann auch gleich mal zum Chef rein und sage: ‚Halt, ich weiß, es ist grünes Licht, warum kommt das nicht?‘“ (R1_F5) Es zeigt sich hier, dass bei der PDL und bei F5 die ‚aussitzende Zögerlichkeit‘ von F1 kritisch betrachtet wird und bei F5 im Versuch mündet, diesen Prozess zu beschleunigen. F2 hingegen narriert an dieser Stelle Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeiter_Innen, bringt jedoch ebenso die Unabänderlichkeit des Zustands zum Ausdruck. Diese betriebswirtschaftliche rationale Beurteilung der Situation ist auch deutlich bei F1 anlegt, wobei eine Fundierung dessen in der Trägerschaft negiert wird, sondern das eigene Agieren hervorgehoben wird. „Das hat mit kommunal nichts zu tun. […] Aber es ist so, dass wir eigentlich ein Wirtschaftsbetrieb sind wie jeder andere auch. Und wir müssen so wirtschaften, dass wir unsere Träger nicht zur Kasse bitten müssen. Das ist auch bisher gelungen, seit die Einrichtung besteht.“ (R1_F1) Die Aneignung der Story zeigt sich auch bei M2. „Ich weiß nicht, ob du diese Ruhestühle kennst. Da haben wir schon letztes Jahr einen beantragt und wir haben ihn immer noch nicht. Und das sind einfach Dinge, die wir brauchen. Also das dauert ewig. Oder es wird überhaupt nicht geliefert, weil das Geld knapp ist oder so, keine Ahnung.“ (R1_M2) In dieser gering ausgeprägten Narration wird deutlich, dass das Betriebsmodell der Einrichtung als gegeben akzeptiert und die ‚dafür offensichtlich verantwortliche Person‘ – die HL F1 – dafür auch nicht offen der (narrativen) Kritik ausgesetzt wird, wie es in VERBENA z.B. gezeigt werden konnte. Vielmehr wird die Tatsache zwar kritisch gesehen, jedoch werden die Gesamtumstände nichtsdestotrotz weitestgehend vor einem pragmatischen Hintergrund narriert. Das betriebswirtschaftliche Argument der Qualität des Personals zeigt sich wiederum ausschließlich auf der oberen Führungsebene von RADIES. Im Anschluss an die Narration, welche in der Analyse des Juristischen die Bezüge zu den Kompetenzen von Fach- und Hilfskräfte beinhaltet, kann in der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie die starke Verbindung zwischen diesen beiden Elementen des Überorganisationalen verdeutlicht werden. Die HL F1, welche in der entsprechenden juristischen Narration nicht präsent war, hält im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang fest: 235 „[D]as ist unsere Philosophie: wenn wir eine hohe Fachkraftquote haben, haben wir eine hohe Qualität.“ (R1_F1) Die Story dabei ist deutlich die, der Bevorzugung von Fach- gegenüber Hilfskräften aufgrund der fundierten Ausbildung, analog zu Kompetenzbeurteilung in der juristischen Narration auf der oberen Führungsebene. Dabei wird jedoch an anderer Stelle deutlich, dass F1 Hilfskräfte nicht per se abschätzig betrachtet, sondern deren Wichtigkeit für die Organisation herausgestellt wird, wobei hier auch Teamwork in die Story eingebunden ist. „Und wenn es so wäre, dass eigentlich die Pflegehilfskraft nachher sich benachteiligt fühlen würde, würde sie sicherlich nicht so mitziehen. Und man sieht das auch noch der Teamgeist - also das ist ein freundliches Miteinander und es sind zufriedene Mitarbeiter im Team nachher, und von daher gesehen bestätigt sich eigentlich, dass die Pflegehilfskräfte akzeptiert sind, und die Pflegefachkräfte wissen nachher, was sie an den Hilfskräften haben.“ (R1_F1) Es zeigt sich die Narration des hohen Ansehens der Fachkräfte auf Basis deren Qualifikation auch bei der PDL F2, wobei hier auch der entsprechende Wettbewerb der Einrichtungen um hochqualifiziertes Personal in die Story eingebunden ist. „Und die Guten gibt es sehr wohl nach wie vor, aber die sind schnell verteilt.“ (R1_F2) Eine andere Story in Bezug auf die Qualität des Personals ist die Verbundenheit mit der Einrichtung. Auch diese wird von F1 narriert und in Bezug zur Story der ‚inhaltlichen Qualität‘ der Mitarbeiter_In gesetzt. „Was ich vom Mitarbeiter erwarte: eigentlich den vorbildlichen Umgang mit den Bewohnern, dass der Bewohner eine Persönlichkeit darstellt und nicht ein Pflegebedürftiger, eine Person wie du und ich, aber mit der Maßgabe, er ist Gast. Das heißt also, ich muss ihn dementsprechend auch als Gast würdigen. Das eine. Und das andere ist auch nachher klar: Wie identifiziert sich eigentlich jemand mit dem Betrieb? Steht er hinter dem Betrieb? Wie macht er es usw. Würde ich auch positiv sehen. […] Und da wird geschaut nachher, dass diejenigen, die in dem Team sind, auch zueinander passen“. (R1_F1) Dabei zeigt sich auch hier die Akkumulation verschiedener Stories, die weiter oben bereits in der Anlage gezeigt wurden, wie zum Beispiel das Symbol des Gaststatus oder die Einbindung des diskursiven Arguments der Teamarbeit. Überraschenderweise zeigt sich die Story der Verbundenheit der Mitarbeiter_Innen mit der Einrichtung als Qualitätsmerkmal auch bei der QMB F3, welche bisher – wie oben gezeigt wurde – eher einen ‚inhaltlichen‘, auf den Pflegeprozess bezogenen, Blick auf Qualität narriert hat. „[W]ir nehmen Leute, wo man einfach das Gefühl hat, die bleiben dabei, die haben ernsthaft vor, das zu lernen und nicht einfach irgendwie in eine Lücke da reinzuspringen.“ (R1_F3) Es zeigt sich dabei in der entsprechenden Story bei der PDL F2, dass die Verbundenheit der Mitarbeiter_Innen stark eingefordert wird, jedoch eine erhobene Zufriedenheit des Personals mit Überraschung wahrgenommen wird. „Dann machen wir die Umfrage bei der Zertifizierung und dann sind die irgendwie alle zufrieden, dass ich mich eigentlich wundere, dass ich denke, das gute Ergebnis hätte ich eigentlich nicht erwartet. So wie die nölen und jammern und schimpfen oft, das kann ich eigentlich nicht so /“ (R1_F2) 236 Bei F1 kommt dabei abermals eine äußerst rationale Interpretation zum Ausdruck, auch dadurch, dass Symbole wie ‚Fakten‘ in der Story angelegt werden. „Fakt ist aber, dass von den 60% die eine Frage ‚Fühlen Sie sich in der Einrichtung wohl?‘ alle mit Ja beantwortet haben.“ (R1_F1) Es kommt dabei zum Ausdruck, dass es auch hier nur um die Narration in der Einrichtung geht und diese auch ausschließlich für RADIES von Relevanz ist.162 Dies wird auch darin deutlich, dass die Mitarbeiter_Innen eine entsprechend gegenläufige Narration auch primär in das eigene Selbst zu verorten scheinen, was sowohl bei examinierten Altenpflegekräften „Manchmal ist es so, dass ich einfach dann genug habe und dann will ich auch nichts mehr hören.“ (R1_M2) wie auch bei Hilfskräften „[X:] Man muss einfach abschalten. Wenn Feierabend ist, ist Feierabend. Und es gibt eben viele, gerade junge Leute, die versuchen sich dann zu identifizieren. Und dann drehen die fast ab. Entweder sie verfallen dann in irgendwelche Süchte oder sie hören nach einer Weile auf, wie ich vorhin schon sagte, und gehen lieber in Fabriken.“ (R1_M3) erkennbar ist, jedoch – wie oben ersichtlich – in der Narration des diskursiven Arguments auf der oberen Führungsebene keinerlei Niederschlag erfährt und auch keine delegitimierenden Effekte zu haben scheint. Auch in Bezug auf diese Narration stellt F4 eine alleinstehende Ausnahme dar. Es fällt dabei auf, dass eine sehr starke Betonung der Individualität der Aussage in den Vordergrund gestellt wird und dass das diskursive Argument der Fluktuation dafür in die Story eingebunden wird. „Aber ich denke, dass die Arbeitszufriedenheit – würde ich behaupten – etwas besser war, wie sie heutzutage ist. Man sieht es auch daran, dass wir innerhalb der letzten Jahre – so empfinde ich das – eine größere Personalfluktuation auch haben.“ (R1_F4) Die übergreifende Narration in RADIES bezüglich des diskursiven Arguments der Fluktuation und der Kontinuität im Personalstamm zur Sicherung von Humankapital verläuft dabei in eine andere Richtung. Wurde oben deutlich, dass der Wettbewerbsgedanke zwar auch in Bezug auf das Werben um qualifiziertes Personal verankert ist, zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass eine gewisse Fluktuation als positiv für die Verbundenheit mit der Einrichtung erachtet wird, was von den Führungskräften auch sehr homogen wiedergegeben wird. Sowohl bei der HL „Ich bin da eigentlich nicht unglücklich, wenn jemand sagt, er will in eine andere Einrichtung. Denn er soll mal sehen, was in der anderen Einrichtung ist, und dann, wenn der zurückkommt, sind es diejenigen, die auch vor versammelter Mannschaft sagen, auch in der Personalversammlung dann am Ende: In [Ort] ist eigentlich ein nettes Arbeiten, wir haben es anders erlebt. Drum sind wir wieder da.“ (R1_F1) wie auch bei der PDL 162 Es ist sicherlich fraglich, ob die Individuen und Ebenen, welche hier nicht in die Narration über die Zufriedenheit in der Einrichtung eingebunden sind, in der Interviewsituation schlichtweg nicht über diese negativen Aspekte der Nichtverbundenheit der Mitarbeiter_Innen mit RADIES sprechen wollten. An anderen Stellen konnten jedoch bereits dem entgegenstehende Aspekte in RADIES verdeutlicht werden, wie in der ablehnenden Haltung von F4 in Bezug auf das stark ausgeprägte diskursive Argument der Funktionalität verdeutlicht wurde. 237 „Wir haben gerade in letzter Zeit Mitarbeiterinnen gehabt, die gegangen sind, weil sie unzufrieden waren. Es gab unterschiedliche Gründe. Und die sind gegangen, und es war sicher auch irgendwo gut. Ich denke, wenn man sehr unzufrieden ist, ist es gut, einfach selber eine Entscheidung zu treffen. […] Die haben sich nach sechs Wochen wieder gemeldet und wollten wieder kommen. Also ich denke, die Erfahrung war trotzdem gut.“ (R1_F2) und ebenso bei der WBL F5 „Wenn ich jetzt durch die unterschiedlichen Häuser jetzt so denke, finde ich es, wie es jetzt im Moment ist, am besten.“ (R1_F5) zeigt sich eine deutlich Tendenz dazu, dass Mitarbeiter_Innen RADIES verlassen, weil diese erst dann später die positiven Aspekte wirklich erkennen können. Dabei wird bei F5 die eigene Positionierung innerhalb der Story deutlich hervorgehoben, wodurch die Anschlussfähigkeit der Narration ersichtlich ist. Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen ist die Narration dabei ausgeprägt und ebenso durch die eigene Positionierung innerhalb der Story verdeutlicht. „Also wenn man mal andere Dinge gesehen hat, dann weiß man erst mal, wie gut es einem hier geht. Es gibt ja viele, die schimpfen über den Arbeitsplatz, an dem sie sind, ich fühle mich hier wohl und ich fühle mich verbunden und ich möchte nicht woanders arbeiten.“ (R1_M1) Für das diskursive Argument der Führungsstile stellt sich die Narration auf der oberen Führungsebene relativ homogen dar. Es wird deutlich, dass klare Vorgaben und auch Zurechtweisungen der Mitarbeiter_Innen als positives Führungsverhalten erachtet werden. Dies ist deutlich bei F1, wo in der entsprechenden Story zum Ausdruck kommt, dass Fachkräfte ihre eigene Position gegenüber den Hilfskräften nicht eigenständig hervorheben sollen. „Und deshalb ist es so, dass, wenn mal jemand ist, der seine Fachkraft etwas mehr darstellt, schnell die Belehrung kriegt, er soll mal nicht tun […]. Das heißt also, es muss ein Miteinander sein.“ (R1_F1) Auch bei der stellvertretenden PDL drückt sich eine ähnliche Ansicht aus, wobei hier auch das negative Menschenbild und die Attribution von darin begründeten, negativen Aspekten auf die direkten Vorgesetzten, die WBLen erfolgt. „Es ist, glaube ich, überall so, dass halt viel auch so gequatscht wird, oft Stimmung gemacht wird, teilweise auch gegen die Leitung, aber so untereinander und so/ * das finde ich schon Fehlverhalten. […] Also es liegt teilweise an Leitungen, die irgendwo auch so ihre Autorität dann so rauskehren“. (R1_F3) Bei der PDL F2 wird ebenso ein negatives Menschenbild in die entsprechende Story eingebunden, wobei hier stärker ein paternalistisches Führungsverständnis verdeutlicht wird sowie die Integration der ‚Leitungs-Narration‘ als erklärender Bestandteil in das Führungsverhalten integriert scheint. „Und wenn sie schimpfen und jammern, dass ich dann sage: Gut, haben Sie eine Idee, was können wir ändern? Da bin ich dafür zuständig, die Rahmenbedingungen zu ändern. Wenn ich das nicht kann, weil es nicht in meiner Macht steht, dann gehe ich offen damit um. Also ich hole mir Mitarbeiter vielfach auch zu Gesprächen. Ich bin schon sehr kommunikativ und ich führe viele Gespräche mit den Mitarbeitern.“ (R1_F2) Abseits der oberen Führungsebene zeigt sich, dass die ‚Leitungs-Narration‘ auch von den WBLen getragen wird. 238 „Wenn es fachliche Fehler sind dann ist es meine Pflicht als Leitung natürlich, das zu kontrollieren, das zu beanstanden, den Mitarbeiter entsprechend zur Rede zu stellen und zu sagen: ‚Hör zu, Junge, so und so hat das zu laufen, das ist standardisiert, da kannst du nachlesen […]. Du hast das nicht gemacht. Ich möchte dich bitten, dich in Zukunft daran zu halten und das so zu machen.‘“ (R1_F4) Hierin zeigt sich abermals die präsente fachliche Nähe der WBLen durch die Einbindung des akademischen Arguments der Systematisierung als Zeichen der Professionalität und Nähe zur Medizin. Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigt sich, dass die – oben als Schuldattribution bei F3 dargestellte – als direkte Führungsperson wahrgenommene Instanz die jeweilige WBL ist. „Nein, denke ich schon, liegt viel an der Wohnbereichsleitung. Denn es gibt welche, die gucken danach, dass es immer auf Vordermann ist, dass man dann nicht auf einmal alles aufarbeiten muss. Und es gibt eben welche, denen ist das halt egal – wenn halt mal jemand kommt, kommt halt mal jemand.“ (R1_M2) Auch bei M2 wird deutlich, dass die Vermittlung der Narration innerhalb von RADIES auch über die WBLen erfolgt. „Letztendlich ist [Pflegedienstleitung] ja meine Chefin. Aber der Kontakt ist immer zuerst ja der Dienstweg, also sprich die Stationsleitung 163 . Wenn es jetzt irgendwas gäbe, müsste man die Stationsleitung benachrichtigen, und dann ging 's zu der [Pflegedienstleitung] und die wäre auch sofort bereit, was in Ihren Möglichkeiten steht.“ (R1_M5) Dieselbe Narration findet sich auch bei M2, „Wenn jetzt die Stationsleitung sagt, wir machen das so oder so und ich bin damit aber nicht einverstanden, ich muss es aber dann im Prinzip so machen, das ist für mich da nicht so was. Ich muss dazu schon ein gutes Verhältnis haben, auch mal sagen können, wenn mich was stört oder so. Also das brauche ich dann schon.“ (R1_M2) sodass sich auch für RADIES die Heterogenität zwischen einzelnen Teilen der Einrichtung zeigt. „Ist schon von jedem Wohnbereich zu Wohnbereich anders, unterschiedlich.“ (R1_M2) Es wurde an mehreren Stellen deutlich hervorgehoben, dass in etlichen Narrationen auf Unabänderlichkeiten des Status quo innerhalb der Organisation und deren Umfeld rekurriert wird. An dieser Stelle zeigt sich abermals die Verlagerung der Erklärungsarbeit auf die WBLen, worin auch die oben ebenso mehrmals verdeutlichte alleinstehend ablehnende Haltung zur Gesamtnarration von F4 begründet liegen kann, denn „[X:] sie kriegt ihre Vorgaben vom Chef, und es dreht sich letztendlich wie überall und immer ums Geld. Und das auf die richtige Schiene zu bringen ist manchmal nicht einfach. Aber da muss ich wieder unsere Chefin loben. Sie boxt durch, wenn 's irgendwie geht.“ (R1_M3) Dabei kommt die Narration des autoritären Führungsstils innerhalb von RADIES besonders deutlich zum Ausdruck bei M2. Dabei ist auffällig, dass in der Story über die Folgen von Fehlverhalten abermals auf die ‚Ausführungskanäle‘ – die WBLen – verwiesen wird. 163 Es zeigt sich an dieser die uneinheitliche Bezeichnung zwischen WBL und StL. In RADIES gibt es diesbezüglich keinerlei feststellbare Unterschiede, sodass davon ausgegangen werden, dass hier sowohl WBL wie auch StL Abbildungen derselben Positionen und Subjekte darstellen. 239 „Dann würde es wahrscheinlich einen Riesenanschiss geben vom Heimleiter an die PDL, von der PDL an die Leitungen, von den Leitungen an uns, weil dann wahrscheinlich diese Sachen nicht so wären.“ (R1_M2) Diese Narration zeigt sich – wenn auch explizit ironisch formuliert – auch bei F4, worin abermals die oben gezeigten Reaktanzen begründet liegen können. „Wenn ich es ein bisschen ironisch formuliere, dann muss ich sagen, dann bin ich schon erfolgreich, wenn ein Tag vorbei geht, ohne dass von den Vorgesetzten jemand kam und hat gesagt, ihr habt Mist gebaut. Also jeder Tag ohne so was ist ein guter Tag, aber das ist jetzt etwas ironisch gemeint.“ (R1_F4) Wie auch in den bisher betrachteten Fällen sind die beiden weiteren semantischen Kerne des Betriebswirtschaftlichen auch in RADIES weniger stark in die Narrationen eingebunden. Es zeigt sich interessanterweise in RADIES eine sehr geringe Ausprägung, welche – neben den bisher bereits angesprochenen Verweisen zur Teamarbeit, nur bei den WBLen und noch geringer bei den Mitarbeiter_Innen gezeigt werden kann. Bei der WBL F4 wird dies in einer historisierenden Story deutlich, wo abermals eine gewisse individuelle Frustration zum Ausdruck gebracht wird. Dabei zeigt sich, neben der Frustration hinsichtlich des Führungsverhaltens der oberen Führungsebene, hier auch das diskursive Argument der Achtung auf die Teamzusammensetzung. „Also der Druck von unten war es nicht. Denn wir hatten damals ein recht gut funktionierendes Team auch und es war eine große Unterstützung da, das war OK. Was zugenommen hat, einmal der Druck von oben natürlich, weil die Geschäftsleitung kriegt ja auch ihre Vorgaben, die sie umsetzen müssen. Da fragt aber keiner danach, ob so ein kleiner Stationsleiter damit fertig wird oder nicht.“ (R1_F4) Bei der WBL F5 kommt ebenso das diskursive Argument der Motivation der Mitarbeiter_Innen in einer Story über die Wichtigkeit des Verweises auf Positives im Verhalten der Mitarbeiter_Innen zum Ausdruck. „Und die wissen auch, wenn irgendwas ist, sie können immer kommen. Und es gibt nicht nur bei uns auf gut Deutsch gesagt Tadel, es gibt auch Lob. Es wird nicht nur immer, wenn was ist, gesagt, wenn‘s negativ ist. Es wird auch Positives gesagt. Das ist wichtig.“ (R1_F5) Dasselbe Argument zeigt sich in der Story über das personalwirtschaftliche Argument der Zielvereinbarungsgespräche, wobei an anderer Stelle bei F5 deutlich wird, dass diese Gespräche in RADIES Gang und Gäbe sind. „Und ich mache mit den Mitarbeitern Zielvereinbarungsgespräche, wo ich auch erkenne, was haben sie für Stärken, oft frage, was sie für Wünsche noch haben, was sie gern auch von Fortbildung machen möchten, für was sie sich interessieren und solche Sachen, was dann auch mit der [Pflegedienstleitung] abgesprochen wird.“ (R1_F5) Dabei wird auch hier die Rolle der WBLen als Kommunikationskanäle zwischen den Mitarbeiter_Innen und den oberen Führungskräften deutlich. Schließlich zeigt sich in einer Story bei M1 die Reflexion über die negativen Folgen dessen für die Zufriedenheit der Mitarbeiter_Innen untereinander. „Da sind Hierarchien ganz wichtig. Also wenn jetzt mehrere gleichgestellte in einem Team sind, da geht es dann immer so, wer hat gerade die Oberhand, wer steht gerade besser da bei der Chefin und so. Für manche ist das ganz wichtig und manchen ist das halt egal. Und die, die es ganz wichtig haben, 240 die spielen sich dementsprechend auf und verunsichern und verärgern natürlich ihre Mitkollegen.“ (R1_M1) Es zeigt sich hier eine kaum ausgeprägte Narration personalwirtschaftlicher Argumente, welche nur für das diskursive Argument der Teamzusammensetzung feststellbar ist und dabei im konkreten personalwirtschaftlichen Zusammenhang auch primär von den WBLen narriert wird. Daneben ist keine Narration des semantischen Kerns der Personalwirtschaft identifizierbar. Das gleiche kann für den semantischen Kern der kritischen Betriebswirtschaftslehre festgehalten werden. Dabei finden sich in diesem Zusammenhang sogar nur zwei Stellen in den gesamten Interviews, die in RADIES durchgeführt wurden, welche kritische Argumente aufgreifen, sodass hierfür gar keine Narration belegt werden kann. Der Vollständigkeit halber ist dieses Argument zum einen bei der WBL F4 in einer Story über die negativen Effekte für die Beschäftigten durch die steten Forderungen nach Effizienz und den entsprechenden Umsetzungen von privatwirtschaftlichen Strukturen zu finden. „Also was ich finde, das überfordert Mitarbeiter, diese Dokugeschichte usw., Qualitätssicherung, Medizinischer Dienst, Heimaufsicht oder die ganze Kontrolle. Und wenn man dann Bereiche in solchen Größenordnungen zu verantworten hat, wie es damals eben war, dann kommt dermaßen viel auf einen zu, das man eigentlich während seiner normalen Arbeitszeit unmöglich bewältigen kann.“ (R1_F4) Dabei ist jedoch zu erkennen, dass auch hier auf die externen und nicht auf die internen Gegebenheiten abgestellt wird. Zum anderen zeigt bei M2 das kritische diskursive Argument des internationalen Vergleichs mit besseren Situationen im Ausland. „Also, hier in Deutschland, muss ich sagen, ist das eigentlich überall der gleiche Käse. Ich habe Bekannte, die schaffen in der Schweiz. Die können sich da absolut nicht beklagen. Die haben Zeit für die Leute, die haben das Personal.“ (R1_M2) In der Betrachtung des Betriebswirtschaftlichen ist deutlich geworden, dass diese Argumentationslinie eine sehr starke Ausprägung innerhalb von RADIES aufweist. Im Besonderen lässt sich nach der Analyse hervorheben, dass die bereits in der Analyse des Juristischen festgestellte Trennung zwischen der oberen Führungsebene und den WBLen auch hier nachgezeichnet werden kann. Dabei kann jedoch gezeigt werden, dass die obere Führungsebene im Betriebswirtschaftlichen im Kollektiv als Change Agent beschrieben werden kann und die WBLen nicht aus den Narrationen ausgeschlossen werden, bzw. sich von diesen abgrenzen, sondern die WBLen in RADIES als Translationskanäle zur Vermittlung der ‚Leitungs-Narration‘ an die Mitarbeiter_Innen narrativ aufgebaut werden und in der Folge auch als solche fungieren. Einzig bei F4 konnte Reaktanz gegen die ‚Leitungs-Narration‘ festgestellt werden, wofür an den geeigneten Stellen versucht wurde, Gründe herzuleiten. Dabei konnte jedoch keine ‚Gegen-Narration‘ festgestellt werden, sodass sich ein überindividuelles Abrücken von der oberen Führungsebene zeigen ließe. In dem oben beschriebenen Kollektiv kann der HL eine gesonderte Stellung attestiert werden. In den Stories von F1 können grundsätzliche Anlagen eines ökonomischen Geistes festgestellt werden, auf Basis dessen konkrete Aufgabenbereiche an F2 und F3 delegiert werden, sodass sich unterschiedliche Schwerpunkte in den Narrationen feststellen lassen. Innerhalb dieser narrativen Schwerpunkte inhaltlicher Art können F1, F2 und F3 jeweils als Change Agents gesehen werden, wobei nochmals unterstrichen wird, dass sich dies dem Anschein nach als bewusste narrative Strategie herausstellt. 241 e) Das Akademische Für die akademische Argumentationslinie kann festgestellt werden, dass die Mitarbeiter_Innen präsenter in den Narrationen sind. Auch hier zeigt sich jedoch die starke Dominanz der oberen Führungsebene. Für den ersten semantischen Kern innerhalb des Akademischen, der Nähe zur Medizin, ist für das diskursive Argument der Adoption von Innovationen aus dem medizinischen Bereich eine homogene Narration auf der gesamten Führungsebene identifizierbar. Abermals in Bezug auf die hohen Kompetenzen der Fachkräfte stellt F1 fest: „Sie können Bereiche, die wir haben, z. B. in der Apallikerstation, da können Sie keine Hilfskräfte beschäftigen. Das heißt also, Sie brauchen Fachkräfte hauptsächlich aus dem Krankenpflegebereich, die in der Lage sind, dieses Know-how haben, diese Leute zu versorgen. Ich kann keine Hilfskraft an die Säuberung von einem Drachialkatheter ran lassen oder sonst irgendwie was. Das muss eine Fachkraft machen. Das heißt also, es gibt Bereiche, wo es eigentlich gar nicht anders machbar ist, als dass man sagt, man muss komplett mit Fachkräften fahren.“ (R1_F1) Dabei wird deutlich, dass der Ausrichtung von RADIES aufgrund der Größe, zusätzliche Bereiche, neben der reinen Altenpflege, zu bedienen, hier narrativ Rechnung getragen wird. In Zusammenhang mit der in RADIES integrierten Schule für Altenpflegekräfte stellt F2 die daraus erwachsende Bedeutung für die gesamte Belegschaft heraus, sich stetig mit Neuerungen auseinanderzusetzen. „Ich finde die Schule generell eine ganz wichtige Einrichtung für uns. [..] Das belebt, das fordert das Pflegepersonal. Die, die schon lange da sind, werden immer wieder gefordert durch die Schüler, müssen Fragen beantworten, setzen sich mit Neuerungen und Veränderungen auseinander, es kann nicht stagnieren.“ (R1_F2) Bei der QMB zeigt sich das diskursive Argument, im Anschluss an die Story der PDL, in einem Ausdruck über dementsprechend vorbildliches Verhalten der Mitarbeiter_Innen. „Also der Mitarbeiter, was vorbildlich ist? Ja, das merke ich dann immer, wenn sie wirklich dann auch z. B. neue Standards einfach umsetzen, wenn was reibungslos funktioniert, wenn sehr viel auch Innovatives ist, wenn sehr viel von denen einfach auch kommt oder wenn sie sagen, wir haben jetzt das einfach gelöst, wir sind da jetzt klargekommen.“ (R1_F3) In einer komplett anderen Story zeigt das Argument der Aufnahme von Innovation aus der Medizin bei der WBL F4. „Ich vermute aber eher, dass sich in den nächsten Jahren so der Bereich Krankenpflege und Altenpflege eher vermischen wird, dass es hier so eine Mischform danach gibt, wo diese Trennung Altenpflege - Krankenpflege, wie sie heute noch ist, wahrscheinlich nicht mehr sein wird.“ (R1_F4) Dabei zeigt sich eher die abzuzeichnende Tendenz der Weiterentwicklung der Gerontologie in Richtung einer Verschmelzung mit der Medizin. Es ist deutlich zu erkennen, dass auf der Führungsebene eine Narration dieses diskursiven Arguments vorhanden ist. Dabei ist kein Individuum direkt als Change Agent zu identifizieren, jedoch erscheint – der oben gezogene – Rückschluss tragfähig, dass die Differenzierung des Leistungsangebots von RADIES hierfür eine starke Rolle spielt. Ein weiteres diskursives Argument zeigt sich in einer Narration über die Reputation analog zur Anerkennung der Medizin vereinzelt bei den WBLen 242 „Denn von der gesellschaftlichen Seite hat eine Krankenschwester ein gewisses Ansehen, als Altenpfleger bist du Depp, so überspitzt mal formuliert. Aber den Eindruck kriegt man halt. Da muss also viel getan werden, dass das einfach positiver rüberkommt.“ (R1_F4) und den Mitarbeiter_Innen. „Für mich ist auch wichtig, dass auf meine Meinung auch gehört wird, nicht einfach wird gemacht und fertig. Eigentlich ich fühle mich akzeptiert hier, das ist halt wichtig.“ (R1_M4) Dabei ist in der Story von F4 deutlich der Bezug zum Diskursiven zu erkennen. Bei der Fachkraft M4 hingegen stellt sich das zum Ausdruck gebrachte Bedürfnis nach Akzeptanz der eigenen Urteilskraft heraus. Wie auch in den bisher betrachteten Fällen, in welchen eine argumentative Nähe zur Medizin narriert wurde, zeigt sich in RADIES für das diskursive Argument der professionellen Systematisierung eine weit verbreitete und weitgehend homogene Narration. Bei der PDL ist in der entsprechenden Story sogar das Symbol einer Maschine angelegt. „Wenn ich eine Maschine bediene, dann brauche ich auch eine Gebrauchsanleitung. Da gehe ich auch nicht an die Maschine und drücke halt auf irgendwelche Knöpfe und gucke, wie sie funktioniert. Und deshalb brauchen wir das in der Pflege.“ (R1_F2) Dabei ist hier metaphorisch deutlich die Pflegedokumentation und -planung als ‚Gebrauchsanleitung‘ kodiert. „Denn ein Mensch verändert sich, die Maschine nicht. Da muss einfach laufend das erkennbar sein, und das eben im Prinzip über 24 Stunden. Wenn nicht viel ist, brauche ich ja nicht viel schreiben. Aber ich muss natürlich meine Handzeichen für meine Tätigkeiten machen, die ich erledigt habe.“ (R1_F2) Die Wichtigkeit der Auswertung der Dokumentation zur Systematisierung zeigt sich bei den WBLen. „[G]rundsätzlich sind die Pflegestandards schon wichtig. Es sollte ja schon jeder am gleichen Strang ziehen. Das ist gar keine Frage.“ (R1_F4) Bei F5 wird dabei eine leichte Differenzierung in der Story transportiert. „Und dann die Normalstandards machen wir eigentlich nur auf medizinische Sachen, wie Spritzen, und das andere, wie Grundpflege, ist alles individuell auf jeden Bewohner abgestimmt. Und deswegen hat jeder Bewohner bei uns eine Tagesstruktur, wo das genau drin steht“. (R1_F5) Einerseits wird hier zu Beginn die Nähe zur Medizin über die professionelle Systematisierung über Standards deutlich. Andererseits zeigt in der Erörterung zur Grundpflege die Verbindung das soziale Argument der Ablehnung von bevormundenden Verhalten gegenüber den Bewohner_Innen. An anderer Stelle wird jedoch die argumentative Wichtigkeit der akademischen Argumentation für die Professionalität nochmals hervorgehoben. „Die Expertenstandards finde ich sehr wichtig. Wir machen die Arbeit immer. Wir haben so eine Gruppe, wo ich auch mit drin bin mit der [stellvertretenden Pflegedienstleiter_In] und Qualitätsmanagementbeauftragten, wo wir die direkt auf unser Haus abstimmen.“ (R1_F5) Es zeigt sich in dieser Story abermals die Verortung in den organisationalen Kontext von RADIES. Gleiches zeigt sich in einer Story bei M1, wobei hier noch auffällig ist, dass die historisierende Erzählung den Einfluss der PV auf diesen Prozess unterminiert, um scheinbar den Eindruck zu 243 erwecken, dieses professionelle Vorgehen ist kein reines Folgen eines durch die Einführung der PV entstandenen Zwangs.164 „Also wir haben früher schon immer sehr gut dokumentiert hier. Auf den Abteilungen, wo ich war, wurde immer schon gut dokumentiert, und die Bewohner wurden immer sehr gut versorgt.“ (R1_M1) Bei M4 ist die Narration in einer weniger euphorisch anmutenden Story eingebettet. „Standard ist nicht schlecht. In erster Linie gibt uns der Standard Richtlinien und dann können wir uns orientieren“. (R1_M4) Auch bei den Pflegehilfskräften ist die Narration des diskursiven Arguments der professionellen Systematisierung sedimentiert, wie am Beispiel von M5 deutlich wird. „Ja gut, das ist natürlich auch wichtig, dass es ordentlich, dass es richtig gemacht ist und dass einfach der Bewohner in dem Rahmen, wo er sich befindet, gesund ist.“ (R1_M5) Dabei fällt auf, dass in der Story Symbole wie ‚richtig‘ und ‚gesund‘ bedient werden, worin ebenso eine diskursive Nähe zur Medizin zum Ausdruck gebracht wird. In Bezug auf den zweiten semantischen Kern innerhalb der akademischen Argumentationslinie zeigt sich abermals eine stärkere Präsenz der Führungskräfte in den Narrationen. In Bezug auf das diskursive Argument der Alltagspraxis zeigt sich eine Narration alleinig auf der oberen Führungsebene, wobei F1 hier am stärksten präsent ist. „Wie ich den Arbeitsgang vollziehe, ist wieder eine andere Frage. Ich muss den Arbeitsgang erfüllen, die Teile erfüllen, die eigentlich im Standard drin sind. Aber nach welcher Reihenfolge ich das mache, das orientiert sich wieder an den Bedürfnissen des Bewohners.“ (R1_F1) Es zeigt sich hier bei der HL der Hintergrund des diskursiven Arguments, dass es keine reine Theorie für ein professionelles pflegerisches Vorgehen gibt. Auch bei der PDL F2 findet sich die Narration des Arguments, indem die Standards als Hilfe zur Orientierung dargestellt werden. „Die Standards, das sind eine Orientierungshilfe.“ (R1_F2) An anderen Stellen lässt sich dieses diskursive Argument nicht nachweisen, was darüber erklärt werden kann, dass F3, die WBLen und die Fachkräfte in die Erstellung der Standards eingebunden sind, sodass eine tendenzielle Herabwürdigung dieser als bloße Hilfestellung nicht anschlussfähig ist. Darüber hinaus konnte in der Analyse des Betriebswirtschaftlichen gezeigt werden, dass den Mitarbeiter_Innen bei Nichteinhaltung der Standards durch die oberste Führungsebene, über die WBLen Konsequenzen drohen. Darin könnte die Begründung liegen, weshalb die ‚Narration‘ dieses diskursiven Arguments auf der obersten Führungsebene verhaften bleibt und keine Sedimentation auf den unteren Ebenen erfährt. Ähnlich zeigt sich die Narration des Spannungsfeldes zwischen Akademisierung und Professionalisierung nur auf der Ebene der Führungskräfte. Bei F1 zeigt sich dieses diskursive Argument abermals in einer Story über die Achtung der Fachkräfte vor den Hilfskräften. 164 M1 hatte zum Zeitpunkt der Erhebung eine Berufserfahrung von 18 Jahren, sodass M1 die Tätigkeit in der Altenpflege auch bereits vor Einführung der PV beurteilt kann. 244 „Natürlich ist es so, wenn junge Leute nach der Ausbildung in den Beruf eintreten, dann kann es schon passieren, dass der eine oder andere dann zu verstehen gibt, Moment, ich bin hier die Fachkraft, du bist ja Hilfskraft. Aber es wird sich relativ schnell ändern.“ (R1_F1) Es zeigt sich hier jedoch nicht der betriebswirtschaftlich-argumentative Hintergrund, sondern der akademische, da hier auf die frisch examinierten Fachkräfte, welche eine starke, und kürzlich erworbene, akademische Prägung aufweisen verwiesen wird, welche die Feststellung machen, dass in RADIES die Hilfskräfte ebenso professionell handeln. Dasselbe Argument zeigt sich bei der WBL F4 in einer leicht abgewandelten Story. „Es kann ja nicht sein, dass ich mich als Pflegefachkraft über die Therapeuten drüberstelle. Ich meine, es sind ja auf ihrer Seite auch Fachleute.“ (R1_F4) Hierin ist deutlich zu erkennen, dass das Vergleichsmoment nicht die professionellen Hilfskräfte, sondern andere professionelle Berufsgruppen sind, welche in einer Altenpflegeeinrichtung tätig sind. Bei der WBL F5 zeigt sich das diskursive Argument in einer komplett anderen Story. Bei F5 wird vielmehr der stete Zwang zur Weiterbildung – auch ausgedrückt als ‚professioneller werden‘ – hervorgehoben, da die Ausbildung und das dort vermittelte (theoretische) Wissen nicht auf Dauer ausreicht. „Es wird eigentlich immer mehr verlangt, muss ich dazu sagen. Und wenn die Leute von sich aus nicht immer noch was dazu tun und weiter sagen, ‚Gut, ich will weitermachen und ich will professioneller werden, will mich vielleicht auf einem Arbeitsgebiet ein bisschen mehr spezialisieren wegen Wunden‘/ – es wird sehr viel verlangt.“ (R1_F5) Dabei wird jedoch ebenso der Verweis auf den organisationalen Kontext deutlich, da in RADIES hierfür ein expliziter oder impliziter Druck vorzuherrschen scheint. Es zeigt sich des Weiteren an dieser Stelle der Bezug zu einem weiteren diskursiven Argument, der praktisch anschlussfähigen und theoretisch fundierten Ausbildung. Dieses ist auch Bestandteil einer ganzen Narration in RADIES. Nachweisbar ist die Narration des diskursiven Arguments ebenso bei der PDL, in einer relativ deutlichen Story, ohne große Nutzung von Metaphern. „Und dadurch haben wir oft auch Bewerbungen, die also absolut dem Niveau, was wir brauchen für die Versorgung, nicht entsprechen. […] Denn es ist nach wie vor ein praktischer und ein theoretischer Beruf.“ (R1_F2) Auch auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen zeigt sich die Narration des diskursiven Arguments der praktischen wie auch theoretischen Ausbildung. „Da war bei meiner Ausbildung der Schwerpunkt noch nicht so. Da war es mehr die Aktivierung und Reha. Aber dafür hat man in der Praxis also keine Zeit. Das funktioniert nicht. Ich kann nicht hinsetzen und basteln. Das geht nicht. Wann auch? […] Klar muss es der Tagesstruktur entsprechen und der Pflegeplanung. Aber in welcher Reihenfolge ich das mache – das mache ich natürlich so, wie ich‘s gelernt habe.“ (R1_M1) Dabei wird hier zum einen deutlich, dass eine Differenz zwischen der Ausbildung und beruflichen Praxis erkannt und kritisiert wird. Darüber hinaus lässt sich hier erkennen, dass der exemplarisch herangezogene Bestandteil der Ausbildung Element der sozialen Argumentationslinie ist, welche damit an dieser Stelle negiert wird. Zum anderen wird die Differenz zwischen Ausbildung und der späteren Tätigkeit zwar erkannt, jedoch wird in Abkehr vor der theoretischen Maßgabe, welche in 245 der Pflegeplanung, durch die Nutzung der Standards, festgelegt ist, ein ‚Rückzug‘ auf das in der Ausbildung Erlernte vollzogen. Für den dritten semantischen Kern der akademischen Argumentationslinie lässt sich nur ein Bezug in RADIES aufzeigen. Es zeigt bei den WBLen und vereinzelt bei den Mitarbeiter_Innen die Narration des diskursiven Arguments Grenzziehung zu anderen Disziplinen. Bei F4 verdeutlicht sich das in der Darstellung von guten Mitarbeiter_Innen, welche eigenständig und nicht fremdbestimmt Urteile fällen können. „Aber ich brauche einfach Leute oder Mitarbeiter im Team, die nicht alles als bare Münze nehmen, die nicht zu allem ja und amen sagen, sondern die wirklich auch mal kritisch hinterfragen und nicht mit solchen Scheuklappen rumrennen und sagen: ‚Der hat gesagt, ich muss das machen, also mache ich das.‘“ (R1_F4) Bei der anderen WBL F5 zeigt sich die explizite Bezugnahme auf die Medizin und die negativen Auswirkungen auf die Mitarbeiter_Innen, da diese auf deren Mitwirkung angewiesen sind. „Und das wirkt sich schon sehr negativ auf das Personal aus, weil sie dann auch nicht einsehen, warum kommt der nicht. Wir können nichts mehr machen, wir sind hilflos; wir dürfen keine Schmerzmittel geben ohne irgendwas; wir dürfen gar nichts eigentlich machen und haben das jetzt nur so verbunden, wie‘s ist. Der Frau geht‘s es immer schlechter. Mehr als anrufen können wir nicht.“ (R1_F5) Das daraus erwachsende Dilemma für die Pflegekräfte wird auch von der Fachkraft M4 narriert. „Momentan sieht es so aus, aber für mich, wie Altenpflege aussehen muss eigentlich muss die Altenpflege viele Entscheidungen selber treffen. […] Und klar, wir sind verpflichtet, halt nur nach ärztlicher Anordnung das und das machen, das machen, was MDK uns vorschreibt.“ (R1_M4) Abschließend lässt sich noch eine weitere Story in RADIES feststellen, welche jedoch vereinzelt auftritt und somit keine Narration über die gesamte Organisation hinweg darstellt. Bei der Hilfskraft M3 lässt sich eine anti-akademische Wiedergabe feststellen. „[X:] Im direkten Altenbereich stumpft man irgendwann ab, es ist ein stupider Job, du machst deine Windeln an den Hintern und tust Essen reichen usw., wobei hier jeden Tag was Neues ist.“ (R1_M3) Passfähig ist dies vor dem Hintergrund, dass M3 in keiner Narration der akademischen Argumentationslinie präsent ist. Erklärend könnte angeführt werden, dass sich bei M3 die starke Orientierung der oberen Führungsebene an den gesetzlichen Vorgaben in einer entsprechenden antiakademischen Anlage niedergeschlagen hat, da die Fachkräfte im Juristischen deutlich über die Hilfskräfte gestellt wurden. Es muss jedoch festgehalten werden, dass hierin keinerlei sinnstiftendes Moment für RADIES festgestellt werden konnte. Für das Akademische in RADIES lässt sich zusammenfassend sagen, dass die WBLen hier eine starke Position einnehmen. Dabei erscheint dennoch die PDL verstärkt in jene Narrationen eingebunden zu sein, welche sich sowohl bei den Führungskräften wie auch Mitarbeiter_Innen sedimentiert haben. Dennoch ist es nicht möglich, für die akademische Argumentationslinie oder einzelnen Argumente dessen eine_N gesonderte_N Change Agent zu identifizieren. Den breitesten Niederschlag in den Narrationen von RADIES erfährt offensichtlich der semantische Kern der Nähe zu Medizin. Die beiden anderen Kerne erfahren eher schwache Rezeptivität, wobei für die Eigenständigkeit der Gerontologie nur eine einzige Narration gezeigt werden konnte. 246 f) Das Soziale Für die soziale Argumentationslinie kann festgestellt werden, dass annähernd keine homogene Narration über die Ebenen von RADIES hinweg existiert. Auch in Reflexion der vorhergegangenen Analyse in RADIES entsteht vielmehr der Eindruck, soziale Argumente werden nur von einzelnen Individuen wiedergegeben. Abgesehen davon können soziale diskursive Argumente primär als angelegte soziale Symbole und Metaphern in Stories zu anderen Elementen des Überorganisationalen gefunden werden. Dies ist auch im überwiegenden Fall bei den Führungskräften feststellbar gewesen, was durch deren Identifikation als Kollektiv von Change Agents erklärt werden kann. In der Folge können somit insgesamt nur zwei Narrationen dargestellt werden; eine auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen und eine organisationsweite. Die erste Narration zeigt sich dabei für das diskursive Argument der Vermeidung von Machtausübung gegenüber den Bewohner_Innen. Bei M1 zeit sich dieses Argument in einer Story, welche die eigene Entwicklung als Pflegekraft widergespiegelt. „Am Anfang war ich pingelig und wollte alles immer ganz perfekt und der Bewohner musste fast glänzen und spiegeln und toll, und irgendwann muss man dann schon zugestehen, dass man einfach auch die Bedürfnisse vom Bewohner so respektieren muss, wie er‘s haben möchte.“ (R1_M1) Gleichsam wird bei M4 deutlich, dass eine Bevormundung der Zupflegenden abgelehnt wird. „Also der Bewohner geht immer vor. Also für mich auf jeden Fall. Denn ich denke einfach, ich muss mich dann zurücknehmen, um mich geht 's ja nicht. Es geht ja um den Bewohner und nicht um mich.“ (R1_M4) Bei M2 zeigt sich diese ablehnende Haltung ebenso offensichtlich, wobei hier die Story der Selbstreflexion bedient wird. „Also ich denke, man sollte pflegen, wie man selbst gepflegt werden möchte.“ (R1_M2) An anderer Stelle zeigt sich hierbei jedoch auch die Ausprägung des diskursiven Arguments der Vermeidung auch informeller Macht über institutionelle Rahmenbedingungen. „Ich habe so den Eindruck, dass viele Bewohner das merken, dass wir unter Zeitdruck stehen, und deshalb auch gar nicht so oft auf uns zu kommen. Einfach sich schon wahrscheinlich gar nicht trauen zu fragen, könnten Sie mal das oder das, sondern einfach das so lassen, wie es ist“. (R1_M2) Dabei muss für diese Narration festgehalten werden, dass auch die WBL F5 das diskursive Argument in einer Story des Akademischen bedient hat. Fraglich ist, wie dieser Umstand zu werten ist. Eine Interpretation ist, dass das soziale diskursive Argument bei F5 sedimentiert ist, sodass F5 in die Narration des Arguments eingebunden ist. Eine andere Interpretation ist, dass das diskursive Argument bei F5 zwar ‚Gehör‘ findet, sodass es als ‚unterstützend‘ in Stories zu anderen Narration eingebaut werden kann. Dabei ist das diskursive Argument sedimentiert, jedoch ohne weitreichende transportierte Beziehung, alltäglichen Anschluss, entsprechenden Subjektpositionen und entwickelten Praktiken; abgesehen von der Praktik der ‚unterstützenden Einbindung‘. Dabei scheint mir hier die zweite Interpretation tragfähiger, sodass die Narration dieses diskursiven Arguments weiterhin nur auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen verortet wird. Eine zweite Narration zeigt sich für das diskursive Argument der Sicherung des Wohlbefindens und der Autonomie der Bewohner_Innen. Interessanterweise zeigt sich das Argument auf der oberen 247 Führungsebene und auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen. Bei der PDL F2 zeigt sich das Argument in einer Story in Bezug auf die soziale Betreuung, welche in RADIES auch erst in den Blick genommen werden musste. „Denn in der Altenpflege geht es eben vielfach drum: ist jemand inkontinent, kann jemand alleine essen, kann er sich alleine anziehen.“ (R2_F2) Dabei wird deutlich, dass die Aufnahme dieses Elements in RADIES speziell über die Differenzierung jenseits der Altenpflege erfolgte, so jedoch auch in den Narrationen über die Altenpflege getragen wird. Bei der stellvertretenden PDL zeigt sich eine komplett andere Story. Bei F3 wird dabei ein Vergleich zur Situation vor Einführung der PV gezogen. „Aber vor Einführung der Pflegeversicherung war mehr da für die Menschen, wirklich.“ (R1_F3) Auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen verdeutlicht sich das diskursive Argument bei M1 einem Ausdruck über die eigene Zufriedenheit, welche hier über das Befinden der Zupflegenden dargestellt wird. „[W]enn die Schicht einfach ganz harmonisch läuft, die Bewohner zufrieden sind, dann fühle ich mich auch gut.“ (R1_M1 Die gleiche Story wird von M4 narriert, wobei hier auch noch das personalwirtschaftliche Argument der Teamzusammensetzung in die Story der Harmonie eingebunden wird. „Also ich versuche trotzdem, so meine Arbeit zu leisten, dass ich, wenn ich nach Hause gehe, zufrieden bin, Bewohner zufrieden und Kollegen zufrieden.“ (R1_M4) Selbst bei der Pflegehilfskraft M5 zeigt sich die gleiche Story. „Ich denke, wenn es auf der Station ruhig ist, wenn die Bewohner zufrieden sind, wenn sie auch mal einen Spaß hatten, wenn sie mal fröhlich sind, dann bin ich persönlich zufrieden.“ (R1_M5) Für den zweiten semantischen Kern der Bezeichnung der Bewohner_Innen lässt sich auch in RADIES keine Narration aufzeigen. Einzig bei F1 konnten Bezüge gefunden werden, wobei auch hier die gleiche Interpretation gilt, dass diese Bezüge ‚nur‘ dem Storytelling (hier auch im originären Sinne gemeint) dienen. Für den dritten semantischen Kern der sozialen Argumentationslinie lassen sich keinerlei Narrationen erkennen. Vielmehr lassen auch nur M1 und M4 diskursive Argumente aus dem semantischen Kern des Umgangs mit den Zupflegenden erkennen. So wird bei M1 das diskursive Argument der Altenpflege als Hilfsberuf deutlich. „[A]ls die helfende Hand an ihrer Seite würde ich mich jetzt sehen für die Bewohner.“ (R1_M1) Bei zwei diskursiven Argumenten kann festgestellt werden, dass jeweils bei M1 und bei M4 eine Story angelegt ist. Das eine ist die Suche nach einer Balance zwischen Strukturvorgabe und Freiheitssicherung für die Zupflegenden. „Das liegt nicht immer unbedingt an der Chefin, sondern es liegt auch viel an den Bewohnern, die fordern das ein, zu der und der Uhrzeit möchten Sie, dass da jemand kommt, und da kann ich nicht so viel hin und her variieren, wie es mir gerade passt. Das ist eher schwierig.“ (R1_M1) 248 Bei M4 zeigt sich in der Story ein stärkerer Bezug zur ‚Aktion‘, welche für die Menschen in scheinbar besonderen Situationen eingebracht werden muss, auch wenn es gegen einen Standard sprechen würde. „Klar, es gibt Orientierung und da arbeiten wir nach Standard. Wir sind auch verpflichtet nach Standard. Aber ich denke immer, jeder muss auch noch genau überlegen, was er macht, ob das alles korrekt ist, ob das im Sinne des Bewohners irgendwie gemacht wird.“ (R1_M4) Das zweite diskursive Argument, für welches sich bei M1 und bei M4 eine Story erkennen lässt, ist das Argument des Eingespieltseins zwischen den Pflegekräften und den Zupflegenden. „Und ich finde, sie nehmen das dann alle an, wenn man Ihnen sagt warum, wieso weshalb. Man muss halt nur reden mit den Leuten.“ (R1_M1) Bei M4 wird das diskursive Argument in einer Story transportiert, welches auch Bezüge zu dem diskursiven Argument der Empathie gegenüber den Zupflegenden aufweist. „Wir arbeiten mit Menschen. Aber es gibt mal Tage, da hat eine Frau Depressionen mal oder einfach Heimweh. Und da musst du an dem Tag dich vielleicht intensiver um die Frau kümmern.“ (R1_M4) In der Betrachtung des Sozialen in RADIES ist deutlich geworden, dass die Argumentationslinie kaum Rezeptivität aufweist. Die Begründung dafür könnte in der sehr stark ausgeprägten betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie im semantischen Kern des ‚Mainstreams‘ gesehen werden, welche eine Sinnstiftung durch soziale Argumente verhindert. Es kann erkannt werden, dass nur für das diskursive Argument des Wohlbefindens und der Sicherung der Autonomie der Zupflegenden in RADIES eine Narration auf der Führungs- wie auch der Mitarbeiter_Innenebene existiert, wobei auch hier unter den Führungskräften nur die beiden PDLen narrieren. Daneben fällt auf, dass bei M1 und M4 eine jeweils individuelle Ausprägung sozialer Argumentationen feststellbar ist. Dabei kann jedoch nicht von einer Narration gesprochen werden. Im Zuge einer Gesamtreflexion von RADIES stellt sich das Zeitdiagnostische im Sinne der Disziplinargesellschaft als weitestgehend homogene Narration dar. Das Diskursive hingegen ist kaum von Homogenität in den Narrationen geprägt. Hierbei ist jedoch bereits eine gesonderte Position der Führungskräfte, bzw. examinierten Kräfte aufgefallen. Diese Erscheinung des narrativen Musters in RADIES erhärtet sich in der Analyse des Juristischen, da hier auffällt, dass die Führungskräfte der oberen Ebene eine Narration nahe am juristischen Element verfolgen und bei den WBLen eine offenere Interpretation zu Tage tritt. Dabei ist für die Narration ‚nahe am Gesetz‘ keine Entwicklung von Praktiken nachweisbar. In Bezug auf die Narration, welche sich nur am Gesetz orientiert und somit eine legerere Interpretation zulässt, kann hingegen gezeigt werden, dass sich auch entsprechende Praktiken entwickeln. In der Analyse des Betriebswirtschaftlichen wird deutlich, dass F1 eine sehr präsente Position in der Narration der Anlage der Marktförmigkeit der Einrichtung an sich und der pflegerischen Handlungen einnimmt. Darüber hinaus wurde in der Analyse des Betriebswirtschaftlichen deutlich, dass eine sehr starke Aufgabenteilung auf der Führungsebene etabliert wird. Einerseits führt dies dazu, dass verschiedene Individuen in der Präsenz in unterschiedlichen Narrationen variieren und als Change Agents erscheinen. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass diese Anlage eine bewusst unternommene ist, so dass die Erscheinung von Change Agents in der Tat nur eine scheinbare ist. Vielmehr kann der Rückschluss gezogen werden, dass es sich in RADIES umeine Art Kollektiv handelt, welches themenspezifisch die Rolle der/des Change Agent_S annimmt, bzw. abgibt. Dieser Rückschluss lässt sich auch auf die anderen Elemente 249 der Makro-Ebene als generelles Phänomen in RADIES übertragen. Andererseits konnte hierin eine starke Machtwirkung der Führungskräfte erkannt werden, welche auch an späterer Stelle in der Analyse des Akademischen und des Sozialen in den Folgen deutlich wurde. Dabei konnte auch gezeigt werden, dass individuelle Standpunkte in RADIES existieren, welche von der Narration in der Organisation abweichen, jedoch ohne Relevanz für die Organisation als solche bleiben, da diese ausschließlich auf der Subjektebene festgestellt werden konnten. Aus der sehr starken Präsenz der ‚Mainstream-Argumentation‘ in RADIES scheinen die weiteren Argumentationslinien des Epistemologischen in den Hintergrund gedrängt zu werden, sodass diese kaum Rezeptivität erfahren. Dabei können für das Akademische noch Narrationen festgestellt werden, wobei auch hier eine erhöhte Präsenz der Führungskräfte, im Speziellen der WBLen, erkannt wurde. Abschließend kann festgestellt werden, dass sich in den Narrationen von RADIES eine sehr starke Hierarchisierung und aufgabenspezifische Differenzierung erkennen lässt. Dabei nehmen die HL, die PDL und die stellvertretende PDL eine gesonderte Stellung ein. Die WBLen erscheinen über die gesamten Narrationen hinweg als jene ‚Kanäle‘, welche die jeweilige Position der oberen Führungsebene an die Mitarbeiter_Innen vermitteln sollen, wobei sich über diese Vermittlung auch Subjektpositionen und Praktiken entwickeln. In der Analyse der sechs verschiedenen Fälle konnte, in Hinblick auf die Fragestellung, mit welcher in die Untersuchung gestartet wurde, gezeigt werden, dass diese sich trotz desselben gesellschaftlichen Zusammenhangs, desselben epistemologischen Hintergrundes und auch derselben Region sehr unterschiedlich darstellen. 4.3 Zusammenführung der Ergebnisse auf der Meso-Ebene in Bezug auf das Überorganisationale Im Folgenden sollen die Ergebnisse, welche in Kap. 4.2 für die einzelnen Fälle aufgezeigt werden konnten, zusammengeführt werden. In möglichst ausdifferenzierter Form soll dabei eine Reflexion des Überorganisationalen über die verschiedenen Fälle hinweg erfolgen. Es soll dabei zusammenführend deutlich werden, welche Elemente der Makro-Ebene und welche diskursiven Argumente der Meta-Ebene in die Narrationen der untersuchten Fälle eingebunden sind und welche nicht. Im Sinne der Anschaulichkeit sind die Ergebnisse in Tabelle 2 und 3 dargestellt. Zunächst konnte in der Fallanalyse festgestellt werden, dass Organisationen der stationären Altenpflege als narrierende Organisationen zu beschreiben sind. In allen untersuchten Fällen wurden zumindest entsprechende Hinweise gefunden. In diesem Zusammenhang ist aufgefallen, dass die Elemente des Überorganisationalen, welche sich – im Sinne des analytischen Rahmens – weiter von der Organisation entfernt befinden, weniger homogen narriert werden, als die Elemente, welche sich näher an der Organisation, auf der Meta-Ebene befinden. Dabei ist auch auffällig geworden, dass es in den narrativen Mustern und der sich daraus ergebenden Homogenität in den Narrationen nur marginale Unterschiede innerhalb der jeweiligen Organisationen nach hierarchischer Ebene gibt. Es konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass Führungskräfte Elemente der Makro-Ebene ähnlich narrieren wie Pflegekräfte. Auch für die diskursiven Argumente der Meta-Ebene ist eine gleiche Diagnose aufgefallen. Dabei ist jedoch auch offensichtlich geworden, dass Führungskräfte tendenziell stärker in den Narrationen präsent waren. In diesem Sinne kann vermutet werden, dass diese ausgeprägtere Präsenz der Führungskräfte in den Narrationen zum einen methodologisch und zum anderen mit den Positionen der Change Agents zu begründen ist. 250 Für das Zeitdiagnostische ist festzustellen, dass Elemente dessen in allen Fällen bedient wurden. Dabei finden sich die stärksten Bezüge in ZINNIA und in RADIES, wobei die geringsten Bezüge in KENTIA und AGAVE nachweisbar sind. Darüber hinaus treten diese dort nur vereinzelt auf, sodass nicht von homogenen Narrationen gesprochen werden kann. Es zeigt sich für AGAVE eine Rezeption der zeitdiagnostischen Elemente ausschließlich auf der Ebene der Führungskräfte, wobei hier wiederum eine Fokussierung auf die Kommunikation als Element des Zeitdiagnostischen und die protonormalistische Strategie der Disziplinargesellschaft zu erkennen ist. Auch für VERBENA lässt sich feststellen, dass hauptsächlich die protonormalistische Strategie narrativen Niederschlag erfährt; dies allerdings bei den Führungskräften wie auch den Mitarbeiter_Innen. Bezüge zur Kontrollgesellschaft finden sich hingegen kaum. In ZINNIA zeigt sich hingegen eine sehr homogene Narration sowohl für die protonormalisitische - wie auch die flexibelnormalistische Strategie. Gleiches ist in PIERIS zu erkennen, wobei die Bezüge hier wesentlich schwächer ausgeprägt sind. In RADIES wiederum sind die Bezüge zum Zeitdiagnostischen stärker, allerdings abermals konzentriert auf die protonormalistische Strategie im Sinne der Disziplinargesellschaft. Resümierend wird für das Zeitdiagnostische deutlich, dass die direkten Bezüge in den Narrationen aller untersuchten Fälle kaum oder nur schwach vorhanden sind. Daraus ergibt sich, dass hier auch nur eine homogene Narration des Zeitdiagnostischen für die Hälfte der Fälle ersichtlich wird. Diese finden sich dabei bei den Fällen mit lokaler Vereinsträgerschaft, privater Trägerschaft und kommunaler Trägerschaft. In der Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege sind nur die Führungskräfte in eine teilweise homogene Narration eingebunden. Außer in einer konfessionell getragenen Einrichtung zeigt sich die protonormalistische Strategie in allen Einrichtungen. Explizite Bezüge zur flexibel-normalistischen Strategie der Kontrollgesellschaft finden sich hingegen ausschließlich in einer anderen konfessionell getragenen Einrichtung und in der privat getragenen Einrichtung. Dabei ist auffällig, dass das die beiden Organisationen sind, in welchen Pragmatismus als ‚einendes Element‘ in den organisationalen Narrationen angelegt ist. Dabei wird an dieser Stelle scheinbar der in Kap. 2.1.1 gezogenen Schlussfolgerung widersprochen, dass die protonormalistische - und die flexibel-normalistische Strategie untrennbar miteinander verbunden sind. Ein gemeinsames, homogenes Auftreten beider Strategien zeigt sich auch nur in PIERIS als privat getragene Einrichtung. Jedoch wurde in Kap. 2.1.4 sowie Kap. 2.3 der Einfluss des Zeitdiagnostischen ‚in seiner Gesamtheit‘ auf die darunterliegenden Elemente des Überorganisationalen deutlich. Somit kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die in Kap. 2.1.1 gezogenen Rückschlüsse des analytischen Rahmens durch die Ergebnisse aus der empirischen Untersuchung zu widerlegen sind. Das Diskursive stellt sich in allen betrachteten Fällen besonders dar. Es fällt auf, dass die Kollektivsymbole über das Alter(n) und die Unterbringung der Senior_Innen eine sehr geringe Rezeption in den Stories und Narrationen der Einrichtungen aufweisen. In AGAVE konnte eine Rezeption des Diskursiven nur sehr schwach und dabei auch nur auf der Ebene der Führungskräfte festgestellt werden. Dabei weist nur der Einfluss der Medien sowie die Altersframes des Angriffs auf die jüngere Generation und der Solidarität Rezeptivität auf. Es kann hierbei jedoch keine Narration festgestellt werden. Im Fall VERBENA konnte die Narration des Diskursiven gezeigt werden, wobei der Einfluss der Medien sowie alle Altersframes bis auf das Beziehungsframe bedient werden. Die Narration findet sich dabei sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeiter_Innen. Es ist aufgefallen, dass hier Bezüge zwischen dem Zeitdiagnostischen und dem Diskursiven bei mehreren Individuen vorhanden sind. In KENTIA wurde eine kaum ausgeprägte Narration bei den Mitarbeiter_Innen und den Führungskräften festgestellt, welche ausschließlich auf zwei Altersframes zurückgeführt werden konnte. Im Fall ZINNIA wurde festgestellt, dass Kollektivsymbole über das 251 Das Zeitdiagnostische Ausprägung Narrationen - schnelle Kommunikation - Protonormalismus - flexibler Normalismus Das Diskursive Ausprägung Narrationen - Einfluss der Medien - Altersframe ‚Angriff‘ - Altersframe ‚Krankheit‘ - Altersframe ‚Solidarität‘ - Altersframe ‚Beziehung‘ Das Juristische Ausprägung Narrationen - grundlegende Änderungen - externe Kontrolle - Dokumentations-, Standardpflicht - Pflegestufen, Fachkraftschlüssel - Prüfergebnisse Das Betriebswirtschaftliche Ausprägung Narrationen - ‚Mainstream‘ - Personalwirtschaft - kritische BWL Das Akademische Ausprägung Narrationen - Nähe zur Medizin - Professionalität - Eigenständigkeit (- anti-akademisch) Das Soziale Ausprägung Narrationen - Heimweltlichkeit - Bezeichnung - Umgang (- anti-sozial) Fall 1 – AGAVE Fall 2 – VERBENA Fall 3 – KENTIA Fall 4 – ZINNIA Fall 5 PIERIS – Fall 6 – RADIES kaum teilweise homogen F F - schwach homogen kaum - kaum homogen schwach homogen F/M - F/M - schwach teilweise homogen F F/M F F/M F/M F/M - schwach - schwächer homogen kaum homogen kaum - schwach - F F F - F F/M F/M F/M - M F/M - F/M F M F/M - schwach teilweise homogen F/M F M F/M - stark - schwächer - stark homogen schwächer homogen sehr stark - F F F/M F - F F/M F/M F - F/M F/M F/M F/M - F F/M F/M F schwächer teilweise homogen F/M F F/M F/M stark teilweise homogen F/M F F sehr stark teilweise homogen F/M F/M F stark homogen sehr stark homogen F/M F/M - F/M F/M - sehr stark teilweise homogen F/M F/M - sehr stark teilweise homogen F/M F/M F/M schwächer homogen stark teilweise homogen F/M F/M F M schwach homogen stark teilweise homogen F/M F/M M stark homogen F F/M F/M - sehr stark teilweise homogen F/M F/M F - schwach homogen schwach homogen schwach homogen schwach homogen F/M F/M M F/M F/M - F/M F/M - F/M F/M - kaum teilweise homogen F/M M - F F/M F/M kaum teilweise homogen F/M F/M - F/M F F/M - F/M F F/M F F Tabelle 2: Überblick zum Überorganisationalen über die einzelnen Fälle hinweg165 165 Legende der Tabelle: F steht für Führungskraft M steht für Mitarbeiter_In [Die Fußnote setzt sich auf der nächsten Seite fort.] 252 F/M F/M F/M M Alter(n) von nur drei Individuen narriert werden, sodass sich keine Konsistenz in der Narration zeigen lässt. Dabei wurden dieselben Elemente des Diskursiven bedient, wie auch in VERBENA, wenngleich auf teilweise anderen Ebenen. Für PIERIS kann festgestellt werden, dass sich die Bedienung der diskursiven Elemente gleich zu ZINNIA darstellt, wobei hier – wenn auch schwach ausgeprägte – Narrationen gezeigt werden können. Diese sind jedoch nach Ebenen separiert. Im Fall RADIES ist keine homogene Narration des Diskursiven festzustellen. Diejenigen Individuen, welche hauptsächlich in die Narration eingebunden sind, sind Führungskräfte, wobei der Einfluss der Medien sowie die Altersframes des Angriffs auf die jüngere Generation und das Solidaritätsframe bedient werden. Die Kollektivsymbole des Diskursiven präsentieren sich in einer ähnlichen Ausprägung in den Fällen wie das Zeitdiagnostische, wenngleich geringfügig stärker. In der Betrachtung der entsprechenden Narrationen stellt sich jedoch ein komplett differenziertes Bild dar. Für die Bilder über das Alter(n) zeigt sich eine homogene Narration ausschließlich in der Einrichtung lokaler Vereinsträgerschaft sowie einer konfessionellen Einrichtung. In der durch einen privaten Träger betriebenen Einrichtung zeigen sich noch teilweise homogene Narrationen, in den übrigen Einrichtungen keinerlei Homogenität. Es zeigt sich hier, dass der Einfluss der Medien sehr breite Bedienung findet, außer in der konfessionellen Einrichtung, welche die gerade genannte homogene Narration bedient, KENTIA. In allen Fällen sind die Altersframes des Angriffs auf die jüngere Generation und der Solidarität bedient. Das Altersframe ‚Krankheit und Verlust‘ zeigt sich auch noch relativ weit verbreitet, wobei das Altersframe der Altenbeziehungen keinerlei Berücksichtigung in den Stories und Narrationen der untersuchten Fälle zeigt. Das kann dadurch erklärt werden, dass – wie in Kap. 2.1.2 dargestellt – die Altenbeziehungen einer Tabuisierung unterworfen sind. Über die schwächer ausgeprägte Homogenität in den Stories und Narrationen der Kollektivsymbole kann nur gemutmaßt werden. Möglich wäre die Begründung, dass die sehr heterogenen Altersbilder sich auch sehr heterogen in narrierenden Organisationenausdrücken, sodass es auch bei den Individuen annähernd unmöglich ist, diesbezüglich Homogenität zu erzeugen. In Bezug auf das Diskursive scheint das jedoch ebenso wenig negative Folgen nach sich zu ziehen, da an den entsprechenden Stellen keine ‚Gegen-Narrationen‘ festgestellt wurden. Es zeigt sich, dass – der Diagnose in Kap. 2.1.2 folgend – in den Einrichtungen ein bunter, heterogener Strauß an Bildern über das Alter(n) existiert. Das Juristische stellt sich als jenes Element des Überorganisationalen dar, welches am stärksten in den untersuchten Fällen ausgeprägt ist. Jedoch lässt sich dabei nicht in jedem Fall eine homogene Narration in den Einrichtungen erkennen, wie am Beispiel von AGAVE zu erkennen ist. Die Führungskräfte sind hier sehr viel präsenter als die Mitarbeiter_Innen, welche nur in Bezug auf die Dokumentationspflicht in Erscheinung treten. Das Element der Publikation der Prüfergebnisse findet hier keine Erwähnung. In VERBENA stellt sich ebenso keine homogene Narration zum juristischen Hintergrund über die Einrichtung hinweg dar. Es zeigen sich hier divergierende Narrationen einzelner Elemente, wobei die Führungskräfte eine viel stärkere Präsenz aufweisen als die Mitarbeiter_Innen. Für KENTIA konnte festgestellt werden, dass homogene Narrationen zu den Elementen des Juristischen vorhanden sind, wobei sowohl die Führungskräfte wie auch die Mitarbeiter_Innen in die Narrationen eingebunden sind. Hier finden sich ausgeprägte Bezugnahmen zum Zeitdiagnostischen Die Skalierung der jeweiligen Items ‚Ausprägung‘ ist: kaum – schwach – schwächer – stark – sehr stark. Für die Items ‚Narrationen‘ gibt es drei Differenzierungen in nicht ausgeprägt (-), teilweise homogen und homogen. Darüber hinaus sind nur einige und nicht alle Elemente angeführt, da eine entsprechende Darstellung jegliche Übersichtlichkeit vermissen ließe. Im Akademischen und im Sozialen sind jeweils noch die speziellen Ausdifferenzierungen aufgeführt, um an diese Elemente auch in den Überblick zu integrieren, trotzdass diese nicht im Überorganisationalen vertreten sind. 253 auf der Makro-Ebene. In der Betrachtung des Juristischen in ZINNIA wurde die Besonderheit deutlich, dass trotz einer homogenen Narration hier die grundlegenden Änderungen durch die Gesetzgebung nicht narriert wurden. Die Führungsebene ist hier präsenter in der Narration im Vergleich zu den Mitarbeiter_Innen. Für PIERIS ist die Narration in Tabelle 2 als ‚teilweise homogen‘ angegeben, da zu den einzelnen Elementen des Juristischen zwar keine homogenen Narrationen feststellbar sind, jedoch gezeigt werden konnte, dass mittels Pragmatismus eventuelle Divergenzen harmonisiert werden. Daraus ergibt sich gewissermaßen eine Homogenität in PIERIS. In RADIES konnten wiederum mehrere ‚Narrationsfelder‘ in Bezug auf das Juristische festgestellt werden. Diese konnten dabei bereits auf der Ebene der Führungskräfte identifiziert werden. Daraus ergibt sich auch eine sehr ausgeprägte Präsenz der Führungskräfte in Bezug auf alle Elemente des Juristischen. Es ist deutlich, dass die juristischen Elemente sehr viel ausgeprägter in den Fällen bedient werden, als die beiden anderen Aspekte der Makro-Ebene. Darin lässt sich auch eine Bestätigung der Konzeption des analytischen Rahmens erkennen, da dieser vom Abstrakten hin zum konkreteren Objektbereich konzipiert ist. Das zeigt sich auch darin, dass vom Zeitdiagnostischen, über das Diskursive, hin zum Juristischen die jeweiligen Elemente stärker in den Einrichtungen bedient werden. Es zeigt sich jedoch auch hier nur in zwei Fällen eine homogene Narration des Juristischen und in nur einem Fall eine teilweise homogene Narration. Dabei ist auffällig, dass die homogenen Narrationen in den Einrichtungen mit konfessioneller Trägerschaft vorhanden sind. Es zeigt sich eine annähernd ähnliche Narration von Elementen des Juristischen in den Fällen, wobei in nur drei Fällen die Publikation der Prüfnoten bedient wurde. Das sind interessanterweise auch die drei Fälle, in welchen die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie am stärksten in die Narrationen eingebunden ist und in welchen sich auch der pragmatische Impetus, bzw. die (professionelle) Aufgabengliederung auf der Führungsebene findet. Daraus lässt sich zum einen der starke Bezug zu den diskursiven Argumenten der Meta-Ebene (vgl. auch Kap. 2.3) erkennen und zum anderen die in den beschriebenen Fällen starke Ausprägung der ‚Nutzung‘ der Gegebenheiten. Des Weiteren fällt auf, dass in den beiden Einrichtungen, in welchen Pragmatismus als narratives Muster erkannt werden konnte, einmal das Element der grundlegenden Änderungen fehlt und einmal das Element der Pflegestufen nicht bedient wird. Dies könnte im ersten Fall daran liegen, dass – aus einem pragmatischen Gesichtspunkt – diese grundlegenden Änderungen nun mal so sind und deswegen nicht mehr narriert werden müssen (vgl. hierzu die konzeptionellen Erläuterungen zum Circuit of Connectivity, S. 71). Im zweiten Fall wäre die Interpretation möglich, dass die Pflegestufenermittlung und der sich daraus ergebende Fachkraftschlüssel – in einer pragmatischen Herangehensweise – externe Faktoren sind, die nicht beeinflusst werden können, sodass sie deswegen nicht in die Narrationen eingebunden sind. Es zeigt sich für das Betriebswirtschaftliche in den sechs Fällen, dass hier die am stärksten ausgeprägten Narrationen nachzeichenbar sind. Für AGAVE zeigt sich dabei die Entstehung von ‚Narrationsfeldern‘, welche in sich wiederum homogen erscheinen. Dabei werden alle drei semantischen Kerne der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie bedient, wenngleich die ‚Mainstream‘-Argumentation die präsenteste ist und die kritische Argumentation kaum Rezeptivität und aufweist. In VERBENA zeigt sich eine weithin homogene Narration der betriebswirtlichen Argumentationslinie. Der am stärksten bediente semantische Kern ist abermals der des ‚Mainstreams‘. Personalwirtschaftliche diskursive Argumente werden jedoch ebenso von Führungskräften wie auch Mitarbeiter_Innen narriert. In diesem Kontext konnte jedoch eine Art diskursiver Kampf festgestellt werden, weshalb die Narration hier auch nur als ‚teilweise homogen‘ bezeichnet werden kann. Kritische diskursive Argumente finden annähernd keine Berücksichtigung in den Narrationen in VERBENA und werden wenn dann oftmals nur unterstützend von Führungskräften in die Stories eingebunden. In KENTIA als auch in ZINNIA sind die Narrationen des 254 Betriebswirtschaftlichen sehr homogen über die Ebenen der Führungskräfte und die der Mitarbeiter_Innen hinweg. Die ‚Mainstream‘-Argumente werden dabei in beiden Fällen sehr stark narriert. In KENTIA zeigt sich darüber hinaus eine deutliche Narration der personalwirtschaftlichen diskursiven Argumente. Diese ist in ZINNIA kaum feststellbar. Der kritische Kern erfährt in beiden Fällen keinerlei Narration. In KENTIA werden etwaige Bezüge ausschließlich in Zusammenhang mit juristischen Elementen in die Stories eingebunden. Analog zum Juristischen stellt sich für den Fall PIERIS abermals der Pragmatismus als Homogenität herbeiführendes Element dar. Wirksam wurde dieses bei den Führungskräften wie auch den Mitarbeiter_Innen sowohl in Bezug auf den semantischen Kern des ‚Mainstreams‘ wie auch für die personalwirtschaftlichen Argumente, wobei die ‚Mainstream‘-Argumentation auch hier stärker ausgeprägt ist. Auch in PIERIS finden sich keinerlei Bezüge zu den diskursiven Argumenten der kritischen Betriebswirtschaftslehre. Die weit stärkste Ausprägung der betriebswirtschaftlichen Argumentationslinie findet sich in RADIES. Dabei ist hier eine teilweise homogene Narration feststellbar, da sich auch in RADIES ‚Narrationsfelder‘ entwickelt haben, welche in sich konsistent sind. Es konnte dabei gezeigt werden, dass die entsprechenden Narrationen über die Ebene der Einrichtung modifiziert werden, dies im Kern jedoch ‚willentlich‘ erscheint. Auch in RADIES sind die ‚Mainstream‘-Argumente am verbreitetsten. Der semantische Kern der Personalwirtschaft weist eine um vieles geringere Rezeptivität auf. Kritische Argumente können kaum identifiziert werden und stellen sich in keiner Narration dar. Die betriebswirtschaftliche Argumentationslinie ist das am stärksten bediente Element des Überorganisationalen in allen Fällen. Es zeigt sich auch eine viel deutlichere Homogenität in den Narrationen als in der Betrachtung der Makro-Elemente. Dabei wird der semantische Kern des ‚Mainstreams‘ in allen Fällen auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen und der Führungskräfte bedient. Gleiches gilt, mit einer Ausnahme, für den semantischen Kern der Personalwirtschaft, welcher nur in AGAVE als Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege ausschließlich von den Führungskräften narriert wird. Hingegen zeigt eine Bedienung der kritischen Elemente ausschließlich in eben diesem Fall, auch nur auf der Ebene der Führungskräfte, wie auch in VERBENA. In RADIES,unter kommunaler Trägerschaft, zeigt sich eine kritische Bedienung bei Mitarbeiter_Innen sowie Führungskräften, jedoch ist das nur der Vollständigkeit halber aufgeführt, da die entsprechende Ausprägung sehr gering ist. Bis auf einen Fall, in VERBENA, sind hier auch ausschließlich jene diskursiven Argumente der ‚Fremdattribution‘ vertreten. In der akademischen Argumentationslinie zeigt sich in AGAVE das einzige Mal in der Analyse eine homogene Narration. Dabei wird die argumentative Nähe zur Medizin nur schwach aufgebaut, wodurch die semantischen Kerne der Professionalität und der Eigenständigkeit der Pflege stärker in den Vordergrund treten. Das zeigt sich auch daran, dass bei diesen beiden semantischen Kernen sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter_Innen in die Narrationen eingebunden sind. In VERBENA zeigt sich in den Narrationen der akademischen Argumentationslinie eine grundsätzlich starke Praxisorientierung. Dabei ist auffällig, dass die, sich im Grundsatz entgegenstehenden, semantischen Kerne der Nähe zur Medizin und der Eigenständigkeit der Pflege von den Führungskräften beide bedient werden. Die Narrationen können nur als teilweise homogen bezeichnet werden, da sich in VERBENA auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen eine starke antiakademische Narration herausgebildet hat, was entgegen den Narrationen der Führungskräfte steht, und die Mitarbeiter_Innen dadurch auch weniger präsent in den Narrationen der semantischen Kerne sind. In KENTIA zeigt sich, neben der Einbindung sozialer Argumente, für das Akademische eine homogene Narration einer gering ausgeprägten Argumentationslinie. Die Bedienung der diskursiven Argumente auf den verschiedenen Ebenen erfolgt dabei analog zu AGAVE, auch was die Ausprägung im Allgemeinen betrifft. Für ZINNIA konnte eine starke Rezeption aller drei semantischen Kerne 255 gezeigt werden. Das argumentative Streben nach Unabhängigkeit der Pflege ist dabei nur in den Narrationen der Führungskräfte festzustellen. Die Narrationen des Akademischen können dabei nur als ‚teilweise homogen‘ bezeichnet werden, da auch sich entgegenstehende Narrationen in ZINNIA (ko-)existieren. Auch in PIERIS entwickeln sich verschiedene Narrationen, separiert nach Ebenen innerhalb der Einrichtung, wobei ebenso etliche organisationsweite Narrationen festzustellen sind. Dabei werden nur der semantische Kern der Nähe zur Medizin und der semantische Kern der Professionalität bedient. Auch in PIERIS zeigt sich die Etablierung einer anti-akademischen Narration auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen, wenngleich diese nicht so ausgeprägt ist, wie in VERBENA. In der Analyse des Akademischen für den Fall RADIES wurde deutlich, dass die Nähe zur Medizin am stärksten in die Narrationen der Einrichtung integriert ist, im Gegensatz zu den beiden anderen semantischen Kernen. Es fällt auch auf, dass die Narrationen für die diskursiven Argumente aller drei semantischen Kerne sowohl von den Führungskräften wie auch den Mitarbeiter_Innen getragen werden. Der anti-akademische Bezug ist dabei ein singulärer, ohne Einfluss auf die Narrationen in RADIES. Die akademische Argumentationslinie stellt sich als jenes Element des Überorganisationalen dar, welches die zweitstärkste Ausprägung über die Fälle hinweg erfährt. Dabei ist nichtsdestotrotz das Akademische in AGAVE, KENTIA sowie RADIES jeweils schwächer ausgeprägt als das Juristische. Es zeigt sich hier, dass alle drei semantischen Kerne des Akademischen in allen Einrichtungen bedient werden, außer in dem privat getragenen PIERIS, wo sich keine Bezüge zur Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Pflege zeigen lassen. Grundsätzlich sind in die Narrationen sowohl Führungskräfte wie auch Mitarbeiter_Innen eingebunden, wobei in Tabelle 2 auffällt, dass die Organisationen, in welchen sich die akademischen Narrationen nur teilweise als homogen darstellen, in Bezug auf den dritten semantischen Kern – der Unabhängigkeit – entweder nur die Führungsebene narriert oder dieser Kern eben gar keine Beachtung in den Narrationen der Organisation erfährt. Aus dieser Korrelation kann jedoch an dieser Stelle kein Kausalschluss gezogen und leider auch keine andere Begründung gefunden werden. Für die soziale Argumentationslinie zeigt sich in allen betrachten Fällen ein ähnliches Muster in den Narrationen. Dabei werden explizit immer nur die semantischen Kerne der Heimweltlichkeit und des Umgangs mit den Bewohner_Innen in die Narrationen eingebunden. Keinerlei explizite Bezüge finden sich hingegen zu der Bezeichnung der Bewohner_Innen als Ausdruck eines geänderten Verständnisses. Nur in VERBENA findet sich ein Bezug zu einer anti-sozialen Argumentation, welche jedoch keinen Einfluss auf die Narrationen der Organisation nimmt. In AGAVE sind die Führungskräfte präsenter als die Mitarbeiter_Innen, wobei sich hier abermals in sich konsistente ‚Narrationsfelder‘ herausgebildet haben. Für KENTIA, ZINNIA und PIERIS kann eine weitgehend homogene Narration der einzelnen Argumentationslinien festgestellt werden. Gleiches gilt für VERBENA, wobei sich hier einzelne Elemente der Argumentationslinie nur auf der Ebene der Führungskräfte sedimentiert haben. Auch für PIERIS stellen sich die Narrationen des Sozialen weitestgehend homogen dar. In RADIES ist die soziale Argumentationslinie neben AGAVE am geringsten ausgeprägt. Dabei zeigt sich innerhalb des semantischen Kerns der Heimweltlichkeit eine homogene Narration auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen sowie auf der der Führungskräfte. Der semantische Kern des Umgangs mit den Bewohner_Innen lässt sich dabei nur bei zwei Mitarbeiter_Innen erkennen, wobei dadurch keine Narration identifiziert werden kann. Grundsätzlich ist die soziale Argumentationslinie sehr viel schwächer über die sechs Fälle hinweg ausgeprägt als die übrigen Elemente der Meta-Ebene. In der empirischen Betrachtung ist deutlich geworden, dass das Modell der narrierenden Organisationen als Analysekonzept auf der Meso-Ebene tragfähig für die Betrachtung der 256 Aneignungsweise überorganisationaler Elemente in einer Organisation ist. Es konnte dabei gezeigt werden, dass der analytische Rahmen in den hier zusammenfassend dargestellten Punkten in den untersuchten Fällen sinnstiftenden Charakter im konstitutiven Sinn für die jeweiligen Organisationen aufweist. In diesem Zusammenhang wurde ersichtlich, dass die Trägerschaft der einzelnen Einrichtungen hier, im vorgegebenen Verständnis, nicht von richtungsweisender Relevanz ist. Vielmehr ist die elementare Verbindung zum Konzept der narrierenden Organisation für eine hinreichende Erklärung der Sinnkonstruktion zu Tage getreten. In der Betrachtung der einzelnen Fälle konnte gezeigt werden, welche Elemente des Überorganisationalen in den Organisationen narriert werden und wie verschiedene Stories genutzt werden, um Rezeptivität herzustellen, Subjektpositionen entwickeln zu lassen und Praktiken herauszubilden. So konnten sehr viele homogene Narrationen über die verschiedenen Fälle identifziert werden sowie mithin auch einige ‚gescheiterte Narrationen‘, welche zwar initiert wurden, jedoch einen Abbruch erfahren haben. Beispielhaft kann, in Wiederholung, für eine solche homogene Narration die Narration der Best Nursing Practice in ZINNIA angeführt werden. Interessant hier war die Ablehnung eines Zeitproblems in der gesamten Organisation. Dabei waren rationale Hintergründe deutlich zu erkennen, welche die Präsenz desentsprechenden betriebswirtschaftlichen diskursiven Arguments unterstrichen haben. Als Beispiel für eine gescheiterte Narration ist in demselben Fall die (Nicht-)Narration der Publikation der Prüfergebnisse aufzuzeigen, welche ausschließlich auf der Ebene der Führungskräfte narriert wurde und nicht auf der Ebene der Mitarbeiter_Innen, trotzdass für die HL hierfür eine hervorgehobene Rolle als Change Agent in der Initierung der Narration festgestellt werden konnte. Noch deutlicher konnte eine misslungene Narration im Fall VERBENA gezeigt werden, in welchem einige Führungskräfte das betriebswirtschaftliche Argument einer guten Mitarbeiter_Innenführung narriert haben, über welche auch eine Vision vermittelt werden sollte, jedoch auffällig wurde, dass das diskursive Argument den Circuit of Connectivity in der Organisation nicht vollständig ‚durchlaufen‘ hat, wodurch die Narration einen Abbruch erfahren hat. Über die Fälle hinweg wurden in diesem Zusammenhang an den entsprechenden Stellen auch ‚Kämpfe‘ identifiziert, anhand derer deutlich wurde, dass nicht von einem statischen Zustand ausgegangen werden kann, sondern sich ein dynamischer Prozess darstellt, welcher steten Wandlungen unterliegen kann. Dieses Können ist wiederum sehr stark an Entwicklungen auf der Makro- wie auch der Meta-Ebene geknüpft und natürlich ebenso daran, wie neue oder andere Elemente in die narrierenden Organisationen hineingetragen und über die entsprechen Stories und Narrationen für die Organisationen übersetzt werden, wobei dieser Aspekt über das Konzept der Change Agents eingefangen wurde. In der Fallanalyse wurden an einigen Stellen zwei weitere Überlegungen angeregt. Einerseits ist in den Stories und Narrationen der Fälle deutlich geworden, dass die Elemente der Makro-Ebene weniger stark explizit bedient werden als die diskursiven Argumente der Meta-Ebene. Dabei ist der Eindruck entstanden, dass die Elemente der Makro-Ebene in den Stories vielmehr eine Nutzung als ‚Verdickungsmittel‘ der Narrationen der diskursiven Argumente erfahren. Die Makro-Elemente werden damit zum Grund für die Rezeption der diskursiven Argumente. Dadurch würde abermals die Bedingtheit der Meta-Ebene auch in der empirischen Untersuchung deutlich. Darüber hinaus wäre eine Erklärung gefunden, weshalb die Makro-Elemente eine weniger starke explizite Ausprägung erfahren. Andererseits ist fraglich, weshalb die diskursiven Argumente der sozialen Argumentationslinie eine weniger starke Ausprägung als die der beiden anderen Argumentationslinien erfahren. Zum einen ist die soziale Argumentationslinie auch in der gerontologischen Literatur weniger stark ausgeprägt als die akademische oder die betriebswirtschaftliche. Zum anderen bleibt jedoch ebenso die Frage stehen, inwieweit die soziale Argumentationslinie Einfluss auf die Einrichtungen der stationären Altenpflege hat oder ob die 257 stationären Altenpflegeeinrichtungen an dieser Stelle diskursive Argumente bedingen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die soziale Argumentationslinie sich aus der Praxis generiert und quasi die ‚Stimme der Pflege‘ darstellt. Es wurde an einigen Stellen ein entsprechender Gestaltungswille in der empirischen Darstellung deutlich. Dabei muss jedoch eingewendet werden, dass die ‚Stimme der Pflege‘ weit mannigfaltiger ist, als es die diskursiven Argumente der sozialen Argumentationslinie zum Ausdruck bringen können und darüber hinaus dieser Aspekt nicht erhoben wurde und ggf. auch nur schwer erhoben werden kann. Letztlich ist dieser Punkt mit der genutzten Konzeption auch nicht interpretierbar, da die ‚Rückführung nach außen‘ in dem Modell der narrierenden Organisation außerhalb des Blickfeldes liegt. Über die Fälle hinweg sind in der Fallanalyse weitere Aspekte in Zusammenhang mit den narrierenden Organisationen am Beispiel der stationären Altenpflege festgestellt wurden. So konnten sowohl Gegen-Narrationen, reaktante Narrationen oder auch diskursive Kämpfe sowie zusätzliche Narrative, welche nicht im analytischen Rahmen festgestellt wurden, aufgezeigt werden. In der Fallanalyse wurde deutlich, dass es in der Hälfte der untersuchten Organisationen GegenNarrationen gibt. Sowohl Mitarbeiter_Innen wie auch Führungskräfte sind in Gegen-Narrationen eingebunden, welche sich auch nicht thematisch zu ordnen lassen. Keine Gegen-Narrationen gibt es nur in den Einrichtungen, in welchen die PDL als Change Agent identifiziert wurde. Reaktante Narrationen oder diskursive Kämpfe, welche sich explizit gegen eine bestimmte narrative Position richten wurden selten festgestellt. Dieses Phänomen konnte in nur einem Fall identifiziert werden, wobei in einem weiteren Fall deutliche Hinweise für diskursive Kämpfe gefunden wurden. GegenNarrationen wie auch reaktante Narrationen sind jedoch die Ausnahme. In nur einem Fall konnten Gegen- und reaktante Narrationen zugleich festgestellt werden. Schließlich wurden zusätzliche Narrative identifziert. Einige dieser zusätzlichen Narrative konnten dabei den Argumentationslinien der Meta-Ebene zugeordnet werden, da sie in Zusammenhang mit Narrationen der entsprechenden diskursiven Argumente erkannt wurden. Eine weitere zusätzliche Narration wurde im bereits thematisierten Pragmatismus erkannt. Dieser ist keiner Argumentationslinie zuzuordnen, sondern findet sich allenfalls im Normalismus, als auf zeitdiagnostischer Ebene wieder. Auffällig ist dabei, dass das zusätzlich Narrativ des Pragmatismus Homogenität in der Narration aufweist, auch wenn dieses Narrativ in nur zwei der sechs untersuchten Organisationen auftritt. Für eine Verallgemeinerung hieße das, dass ein Drittel der stationären Altenpflegeeinrichtungen ein Narrativ des Pragmatismus entwickelt und wenn dies geschieht, die entsprechende Einrichtung für dieses Narrativ als homogen narrierende Organisation in Erscheinung tritt. Hingegen sind jene zusätzlichen Narrative, welche sich der Meta-Ebene zuordnen ließen nicht von Homogenität in den Narrationen geprägt. Einerseits sind sie jeweils nurvon Mitarbeiter_Innen getragen wurden und auch hier jeweils nie von allen. Dabei wurde ein Narrativ in der Hälfte aller untersuchten Fälle gefunden und ein weiteres zusätzliches Narrativ in nur einem Fall. In Bezug auf die Change Agents konnte festgestellt werden, dass diese in fast allen Fällen identifizierbar sind. Dabei ist es nur in AGAVE unmöglich gewesen, eine_N Change Agent zu identifizieren. Darüber hinaus konnte die Organisation nur teilweise als narrierende Organisation dargestellt werden. In allen übrigen Fällen waren die Change Agents ausschließlich unter den Führungskräften auszumachen, was das Konzept der Change Agents als machtvolle Akteur_Innendahingehend bestätigt, dass das Vermögen zur Gestaltung ausschließlich bei den Führungskräften zu liegen scheint.166 Über die Fälle hinweg, ist die Position der Change Agents dabei 166 Vgl. abermals Barnard (1938 [1970], S. 145) zu dieser These. 258 nicht einheitlich zubestimmen. Bei der Mehrzahl der Fälle fällt auf, dass die Position von nur einer Personeingenommen wird. In den Organisationen, wo von einer bewussten Anlage der/des Change Agent_S gesprochen werden kann, ist die Position immer mit der HL besetzt. In nur einem Fall waren mehr als zwei Personen als Change Agent identifizierbar. narrierende Organisation - Makro-Elemente - Meta-Elemente - Pragmatismus festgestellte Phänomene in den Narrationen - Gegen-Narrationen - reaktante Narrationen/ diskursive Kämpfe - zusätzliche Narrative Pragmatismus anti-akademisch anti-sozial Position der/des Change Agent_S bewusste Anlage der/des Change Agent_S Anlage von Translationskanälen - bewusst - unbewusst Entstehung von narrativen Entitäten Fall 1 – AGAVE (+) [+] - Fall 2 – VERBENA + [+] [+] - Fall 3 – KENTIA + [+] + - Fall 4 – ZINNIA + [+] + + Fall 5 – PIERIS + [+] + + Fall 6 – RADIES + [+] [+] - + - + + - + - - [+] - [+] [+] - + - + [+] - [+] - - WBL HL PDL - - PDL, WBL (+) + - HL, PDL, stellv. PDL + - - - + - + - + + Tabelle 3: Überblick der Besonderheiten in den Narrationen über die einzelnen Fälle hinweg167 In dem Fall, wo mehr als zwei Change Agents erkannt wurden, ist dies auf die bewusste Anlage von Translationskanälen zurückzuführen. Unbewusst wurden Translationskanäle in narrierenden Organisationen der stationären Altenpflege an jenen Stellen angelegt, wo entweder die HL oder die PDL diese Position der/des Change Agent_S einnimmt. In einer Gesamtschau lassen sich in der Hälfte der Fälle Translationskanäle feststellen, wobei jeweils die HLen als Change Agents agieren oder die PDL allein als Change Agent identifiziert wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch in einem Fall einenarrative Entität auf der Ebene der Führungskräfte festgestellt. Dies ist dort der Fall, wo auch bewusst Translationskanäle eingelegt wurden. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die bewusste Etablierung von Translationskanälen ebenso zu einer Entitätsbildung im Rahmen dessen führt, da eine gemeinsame wichtige Position innerhalb der narrierenden Organisation zugewiesen und akzeptiert wird. Die Fallanalyse hat ergeben, dass die starken Verbindungen innerhalb der sowie zwischenden Ebenen, welche in der Herleitung des analytischen Rahmens deutlich wurden, ebenso in den Narrationen der untersuchten Organisationen der stationären Altenpflege als Bezugnahmen für den Sinnstiftungsprozess von höchster Relevanz sind. Für den konkreten Gegenstand der Organisationen 167 Legende zur Tabelle: (+) steht für eine Vermutung, welche jedoch nicht ausreichend belegt werden konnte [+] steht für recht deutliche Hinweise für das jeweilige Item 259 in der stationären Altenpflege, der empirischen Betrachtung dieser und einer Verallgemeinung der Ergebnisse in Bezug auf den Gegenstand sind damit keine weiteren Ausführungen mehr zu treffen. Offen ist jedoch weiterhin eine Loslösung der bisherigen Erörterungen von dem Problemfeld der stationären Altenpflege und damit auch der Versuch einer ‚Hochbindung‘ der Rückschlüsse auf eine abstraktere, allgemeinere Ebene, abseits des bisher betrachteten Gegenstandes – den Organisationen der stationären Altenpflege. 260 5. Zusammenführung der Arbeit Im letzten Kapitel der Arbeit soll zusammenfassend ein allgemeines Modell aus den bisherigen Ergebnissen abgeleitet werden. Darüber hinaus werden zweitens eine kritische Reflexion der eigenen Vorgehensweise sowie eine Betrachtung eventueller Einschränkungen sowie weiterführender Potentiale des Vorgehens erfolgen. Abschließend gebe ich eine kurze Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Arbeit vor dem Hintergrund der eingangs formulierten Frage- und Zielstellung. Um Redundanzen zu den bisherigen Teilen der Arbeit zu vermeiden, wird in allen drei Unterkapiteln darauf verzichtet, Aspekte abermals zu bedienen, die auf den vorderen Seiten bereits behandelt wurden. 5.1 Das allgemeine Modell Im Nachgang an die Herleitung des konzeptionellen Rahmens und an die empirische Fallanalyse soll an dieser Stelle ein allgemeines Modell formuliert werden, um der Zielstellung der Arbeit, eine Konzeption zu entwerfen, welche die Analyse verschiedenster Organisationen ermöglicht, gerecht zu werden. Mit Hilfe des hier vorgetragenen Modells sollen demnach auch Verwertungs- und Einbindungshintergründe zu untersuchen sein, die fernab der stationären Altenpflege liegen. Im Zuge der Erarbeitung des analytischen Rahmens wurden überorganisationale Elemente hervorgehoben, welche außerhalb der Organisationen, auf den darüber liegenden Ebenen wirksam sind.168 Dabei habe ich einerseits die gesellschaftliche Ebene als Makro-Ebene dargestellt. Diese ist, im analytischen Sinne, zu unterteilen in Elemente einer Zeitdiagnose, welche die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge umfasst und sowohl überindividuell wie auch überorganisational wirksam ist. Darüber hinaus existieren Kollektivsymbole über den relevanten Objektbereich, welche ebenso über eine subjektive wie auch eine organisationale Analyseebene hinweg wirkmächtig auftreten, jedoch schwierig zu erfassen sind. Diese Schwierigkeit liegt in einer verminderten Artikulationsfähigkeit der Kollektivsymbole, wie auch in deren Heterogenität begründet. Dennoch wären für eine Erfassung mehrere Vorgehensweise denkbar. Einerseits könnte eine eigene empirische Erhebung durchgeführt werden, welche bspw. eine ikonographische oder eine Videoanalyse sein könnte, um Zeitschriften, Werbungen oder auch aktuelle Spielfilme in Hinblick auf das Auftreten objektbezogener Kollektivsymbole hin untersuchen. 169 Eine andere denkbare Möglichkeit der Untersuchung wäre eine Querschnittstudie zu dem entsprechenden Objektbereich. Eine solche Studie wäre auch quantitativ denk- und umsetzbar. Letztlich zeigt sich in der Betrachtung der Makro-Ebene für die Ausarbeitung des Juristischen eine vergleichbar ‚einfache‘ Herangehensweise für die Betrachtung der jeweils relevanten gesetzlichen Grundlage. Es ist dabei sicherlich fraglich, was hier als ‚relevante Grundlage‘ erachtet wird. Wie an entsprechender Stelle bereits angedeutet, finden sich auch hier sehr weitgreifende Möglichkeiten der Betrachtung, welche auch bis zur Erörterung juristischer Inhalte mit verfassungsgebendem Charakter gehen könnten. Hierbei ist jedoch, abermals ‚nur‘ eine Betrachtung der existierenden Gesetzeslage erforderlich, 168 Für die entsprechenden Herleitungen und Verweise im Folgenden siehe Kap. 2. Neben den in Kap. 2.1.2 dargestellten Studien kann hier exemplarisch auch auf Studien zur Darstellung von Kollektivsymbolen in ‚Börse im Ersten‘ (Parr 2007) oder allgemeiner: im Journalismus (Link 1978, S. 51-122) verwiesen werden. Dabei ist in Link (ebd., S. 19-50) ein möglicher Methodenkasten gegeben, welcher sich bei einer etwaigen Analyse als hilfreich erweisen könnte. 169 261 Makro-Ebene wobei – besonders als ‚fachfremde_R Forscher_In‘ – eine Schwierigkeit darin bestehen könnte, jegliche Grundlagen zu erkennen, welche für die entsprechenden Organisationen als relevant gelten. Hierbei könnte es hilfreich sein, im Vorgang zur Analyse ein Expert_Inneninterview durchzuführen, um entsprechende Aspekte abzuklären. Andererseits habe ich eine weitere Ebene eingeführt, welche den epistemologischen Gehalt für bestimmte Organisationen abdeckt, die sich mit dem gleichen Objektbereich beschäftigen, und habe diese Ebene Meta-Ebene benannt. Hier liegt wahrscheinlich in der Praxeologie der Erhebung ein größeres Problemfeld, je nachdem um welche Art von Organisation es sich handelt und was der Objektbereich ist. Stellt sich die Gerontologie hier noch halbwegs übersichtlich dar, ist es unschwer zu erkennen, dass andere Objektbereiche hier bei weitem diffiziler zu erheben sind (es sei hier nur beispielhaft abermals an eine Universität mit verschiedenen Fakultäten gedacht). Nichtsdestotrotz stellt sich hier die Identifikation von verschiedenen Argumentationslinien als äußerst hilfreich heraus; sowohl für die Operationalisierung über einzelne diskursive Argumente, als auch im späteren Verlauf bei der Betrachtung der Sinnstiftung innerhalb der Organisationen. Auf der Meta-Ebene befinden sich demnach diskursive Argumente, welche sich in Argumentationslinien darstellen, die wiederum unter Umständen abermals in semantische Kerne Meta-Ebene Zeitdiagnose Kollektivsymbole juristischer Hintergrund Meso-Ebene diskursive Argumente - Argumentationslinien - semantische Kerne narrierende Organisation - Umsetzung über Stories - Bezugnahmen zu Makro- & Meta-Elementen - Change Agents - Translationskanäle - narrative Entitäten - Gegen-Narrationen&zusätzliche Narrative Abbildung 4: Allgemeines Modell der Aufnahme des Überorganisationalen in narrierenden Organisationen und den Zusammenhängen 262 differenziert werden können. Dabei ist es schwierig, die Meta-Ebene, wie sie auch in Kap. 2.2 hergeleitet wurde, modellarisch abzubilden. Als mitgedachte, danebenliegende, von der Sinnstiftung einer Organisation nicht loslösbare, epistemologische Kategorie mit analytischem Charakter müsste die Meta-Ebene in Abb. 4 als grafische Darstellung hinter der Meso-Ebene liegen, einen Teil der Makro-Ebene umfassen, jedoch den Eindruck nicht verschließen, dass verschiedene Meta-Ebenen hier fassbar sind. Der Einfachheit halber habe ich eine Abbildung gewählt, welcher der Übersichtlichkeit im Zweifel dienlicher ist, als der eineindeutigen Darstellung der vorgetragenen Konzeption. Der analytische Wert des Modells stellt sich jedoch ebenso auf der Meso-Ebene dar. Dabei sind Organisationen in der hier vorgeschlagenen Konzeption jeweils als narrierende Organisation zu betrachten. Für die konkrete Analyse einzelner Organisationen habe ich das Modell der Aufnahme überorganisationaler Elemente in einer narrierenden Organisation vorgeschlagen, welches in Abb. 2 dargestellt wurde. Dieses eignet sich im Besonderen für die Identifikation von Narrationen überorganisationaler Elemente in einer narrierenden Organisation. Dabei erfolgt die Umsetzung in der Nutzung von Stories, welche wiederum besonders konstitutiert sind (vgl. dazu Kap. 3.1). In diesen Stories stellen sich auch Bezugnahmen zwischen den einzelnen Elementen des Überorganisationalen dar. Es wurde in der empirischen Betrachtung deutlich, dass sich auf der Meso-Ebene verschiedene Phänomene zeigen, welche für die Interpretation von Sinnstiftungsprozessen in narrierenden Organisationen von elementarer Bedeutung sind. So können ein oder mehrere Individuen als Change Agents innerhalb der narrierenden Organisation auftreten. Für das Modell ist die Identifikation dieser von besonderer Relevanz, da Change Agents auf Basis ihrer narrativen Position innerhalb der Organisation, die Ausprägung von Narrationen beeinflussen. Elemente aus dem Überorganisationalen werden in verschiedenen Organisationen verschieden aufgenommen und tragen damit auch verschieden zur jeweiligen Sinnstiftung bei. Ein Einflussfaktor auf diese Verschiedenartigkeit sind Change Agents. Diese beeinflussen einerseits die grundlegende Rezeption der Elemente in der narrierenden Organisation und andererseits den Grad der Ausprägung und die innerorganisationale Wertung der überorganisationalen Elemente im Rahmen des Storytellings.170Dadurch nehmen Change Agents eine entscheidende Rolle im Sinnstiftungsprozess einer narrierenden Organisation ein. Die Einnahme der Position als Change Agent kann bewusst oder unbewusst erfolgen. In narrierenden Organisationen, in welchen sich kein_E Change Agent identifizieren lässt, wurden auch weniger stark ausgeprägte homogene Narrationen festgestellt (vgl. zum empirischen Überblick Tab. 2 und Tab. 3). Im Sinne des Modells ist dies für Organisationen eine gefährliche Tendenz in dem Sinne, dass in der Folge kein Sinn für die Organisation und ihre Ziele im Gesamten entstehen kann. 170 In Kap. 3.1 (S. 68) wurde eine Ablehnung der Nutzung der Konzeption von Weick angemerkt, da in dieser eine zu ausgeprägte Perspektive auf die Individuen in Organisationen eingenommen wird. In Bezug auf die Change Agents in narrierenden Organisationen ist jedoch festhalten, dass diese und deren Handlungen durchaus mit Weick interpretiert werden könnten. So trifft folgende Beschreibung Weicks konzeptionell wie auch empirisch auf Change Agents zu: „People who try to make sense […] have to differentiate and determine the nature of the materials they are working with, have to look for a unifying order without any assurane that there is a pre-existing order in these materials, have to decide how to present this order, and have to play indefinitely never knowing whether they have discovered a unifying order.“ (Weick 2006,S. 9) Dadurch ist die aktive Rolle der Individuen auf diesen Teil des Modells anwendbar. Fraglich bleibt jedoch, ob die gehaltvoll ist, da die übrigen Teile aus genannten Gründen nicht übertragbar sind und innerhalb einer narrienden Organisation auch keine doppelten Interakte untersucht werden können. 263 Gleichsam können in narrierenden Organisationen Translationskanäle angelegt sein, welche innerhalb der Organisation die Übersetzung einzelner überorganisationaler Elementewiederum garantieren können, darüber entsprechende Interpretationen leisten und somit ebenso Homogenität erzeugen. Die Anlage der Translationskanäle kann dabei genauso ein bewusster Vorgang innerhalb einer Organisation sein oder ein unbewusster, in welchem sich die entsprechende Kanäle ohne explizites Zutun etablieren. Es ist davon auszugehen, dass die Anlage von Translationskanälen dahingehend erfolgt, welche Elemente über welche dafür geeignete ‚Schleuse‘ an welcher Stelle der Organisation (oder an welche Gruppen innerhalb dieser) vermittelt werden. Dabei ist es offentlich, dass Translationskanäle innerhalb von narrierenden Organisationen sehr eng mit der Anlage von Change Agents und einem Verständnis von Zielgerichtetheit (im Sinne von bezweckter oder bevorzugter Interpretation)171 zusammenhängen. Gleiches gilt für das Phänomen der narrativen Entitäten. Innerhalb der narrierenden Organisation fördern narrative Entitäten Sinnstiftungen einer bestimmten Ausprägung über die kollektive Vertretung narrativer Positionen. Dabei sind narrative Entitäten in mehrere Hinsicht zweckmäßig für narrierende Organisationen. Einerseits markieren sie Positionen, welche eine besonders rigorose Interpretation überorganisationaler Elemente beinhalten, bei welchen jedoch für die Organisation eine strenge Befolgung nicht notwendig erscheint, da über die narrative Entität Grenzen des Möglichen aufgezeigt werden. Andererseits wird über narrative Entitäten auch Gemeinschaft erzeugt, welche gegebenenfalls eine Alleinstellung (auch im narrativen Sinne) innerhalb der Organisation u.U. hinnehmbarer erscheinen lässt. In diesem Sinne, können narrative Entitäten auch zur Inklusion von konstitutiven Außen in die Sinnstiftung von narrierenden Organisationen beitragen. Als ein weiterer Punkt innerhalb des Modells einer narrierenden Organisation können sich auch zusätzliche Narrative herausbilden, die nicht aus den Narrationen des Überorganisationalen heraus entstehen. Dabei können abermals verschiedene Phänomene unterschieden werden. Einerseits kann es sich hierbei um Gegen-Narrationen handeln, welche sich explizit gegen die Narration eines bestimmten Elements des Überorganisationalen handelt. Dabei sind entsprechende GegenNarrationen, für die Sinnstiftung und den dem zugrundeliegenden Aushandlungsprozess besonders wichtig, da sich hierüber Positionen herausbilden. Andererseits kann es sich hierbei auch um zusätzliche Narrative im originären Sinne handeln, welche nicht aus einer gegenläufigen Narration in Bezug auf überorganisationale Elemente sondern scheinbar von selbst entstehen. In Bezug auf die ‚Reichweite‘bewegen sich diese zusätzlichen Elemente in Beziehungen zu den Ebenen und knüpfen hier an die Meta-Ebene oder die Makro-Ebene an. Dieser Befund steht dabei im Widerspruch zur konzeptionellen Herleitung der narrierenden Organisation. Hier wurde festgehalten, dass Narrationen nicht aus den Organisationen selbst heraus erwachsen können (vgl. S. 71f.). In der empirischen Auseinandersetzung hat sichjedoch gezeigt, dass entsprechende Phänomene existieren (Bsp. Pragmatismus) und dieser eine Aspekt der konzeptionellen Herleitung widerlegt wurde. Entsprechende zusätzliche Narrative können dabei aus der narrierenden Organisation, in Auseinandersetzung mit überorganisationalen Elementen, selbst heraus entspringen, jedoch dabei einen Bezug zu den Elementen des Überorganisationalen aufweisen, sodass Anschlussfähigkeit und Sinn der zusätzlichen Narrative gewährleistet sind. 171 An dieser Stelle scheint es abermals hilfreich, daran zu erinnern, dass die hier vorgetragene Konzeption keine ist, welche schlussendlich auf Hierarchie und entsprechend innerhalb der Hierarchie getroffene Entscheidungen abstellt. Vielmehr ist die Position der/des Change Agent_S abhängig von einer einflussreichen Position, welche jedoch nicht in der hierarchischen Position liegen muss. Gleiches nehme ich in Bezug auf die Translationskanäle und das darin zum Ausdruck gebrachte Vermögen der Übersetzungsarbeit in Anspruch. 264 Mit Hilfe dieses allgemeinen Modells lassen sich verschiedene gesellschaftliche wie auch epistemologische Hintergründe von Organisationen auf deren sinnstiftenden Gehalt für diese Organisationen hin betrachten. Dabei halte ich es für essentiell, neben der Analyse der Makro- und Meta-Elementen, auch auf die konzeptionellen Phänomene der Meso-Ebene zu achten, um die Sinnstiftung in den zu betrachten Organisationen umfassend zu verstehen. 5.2 Reflexion der eigenen Vorgehensweise Da im bisherigen Verlauf der Arbeit schon etliche Reflexionen zur Vorgehensweise an den entsprechenden Stellen eingebaut wurden, sind hier nur noch abschließende Gedanken zum Gang der Untersuchung und eventuellen Einschränkungen mit generellem Charakter anzustellen. Dabei lassen sich empirische wie konzeptionelle Aspekte betrachten. In Betrachtung der empirischen Vorgehensweise ist zum einen festzuhalten, dass der Versuch unternommen wurde, die Fälle analog zu der Verteilung der Einrichtungen nach Trägerschaft auszuwählen. Zur Wiederholung wird diese vom Statistischen Bundesamt angegeben mit: freigemeinnützige Einrichtungen – 57,3 %, private Einrichtungen – 33,8 %, öffentliche Einrichtungen –8,9 (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 8). Werden in der vorgetragenen Analyse die konfessionellen Einrichtungen mit den freigemeinnützigen gezählt, ergibt sich eine Trägerschaftsverteilung von: freigemeinnützige Einrichtungen – 66,6 %, private Einrichtungen – 16,6 %, öffentliche Einrichtungen – 16,6 %. Auch wenn die Tendenz hier nachvollzogen werden kann, ist fraglich, ob eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf dieser Basis zulässig ist, denn die privaten Einrichtungen sind unterrepräsentiert. Hingegen kann angeführt werden, dass eine Interpretation der Ergebnisse nach Trägerschaft nicht geleistet werden sollte und auch deutlich wurde, dass sich aus einem solchen Vergleich wenige Rückschlüsse ziehen ließen. Des Weiteren ist fraglich, ob die begrenzte Anzahl der durchgeführten Interviews im Allgemeinen und fallspezifisch im Grundsatz Rückschlüsse zulassen, welche zur Formulierung eines allgemeinen Modells befähigen. Dafür kann festgehalten werden, dass 50 Interviews für eine Fallstudie als recht große Zahl anzunehmen sind, was im Sinne der allgemeinen Rückschlüsse somit auch zufriedenstellend ist. Daneben ist in Bezug auf die Fallspezifik feststellen, dass in AGAVE die wenigsten Interviews durchgeführt wurden. Darüber hinaus war es für diesen Fall auch nur möglich, mit zwei Mitarbeiter_Innen Gespräche zu führen. In AGAVE zeigten sich auch die größten ‚Probleme‘ in der Rückbindung an die Konzeption. Es kann nicht abschließend geklärt werden, ob der Fall mit der genutzten Konzeption nicht erklärt werden kann, da er sich schlichtweg anders darstellt, oder ob die Konzeption bereits an dieser Stelle Schwachstellen aufzeigt, wodurch sie sich als untauglich herausstellt, oder ob schlichtweg die unzureichende Interviewdichte in AGAVE eine adäquate Rückbindung an und Interpretation durch die Konzeption verhindert hat. Da zumindest in Bezug auf ein Element des Überorganisationalen eine homogene Narration festgestellt werden konnte, liegt m.E. der Schluss nahe, dass der Grund für die schwierige Interpretierbarkeit des Falles in der zu geringen Anzahl der Interviewpartner_Innen liegt. Als letzten Reflexionspunkt der empirischen Vorgehensweise könnte das methodische Vorgehen betrachtet werden. Dabei lassen sich die eingesetzte Methode zur Erhebung sowie die Methode zur Auswertung des Materials separat erörtern, wobei die Auswertungsmethode umfangreich in Kap. 3.2.4 betrachtet und reflektiert wurde. Um auch hier Redundanzen (zu Kap. 3.2) zu vermeiden, kann in der Kürze für die Erhebungsmethode der halbstandardisierten episodischen Interviews festgestellt 265 werden, dass es sicherlich fraglich ist, ob verschiedene Leitfäden für Führungskräfte und Mitarbeitende zulässig, bzw. hilfreich sind (vgl. abermals Anhang A 3, A 4). Dabei ist jedoch in diesem Zusammenhang anzumerken, dass in den Erhebungssituationen oftmals ein divergierendes Reflexionsniveau bei den Vertreter_Innen der beiden Ebenen festgestellt wurde, was mir durch meine Verbindungsperson bereits angekündigt wurde, wenngleich sich – wie bereits festgehalten – diese Vermutung nicht für jeden Fall als haltbar herausstellte. Dabei könnten Verzerrungseffekte entstanden sein. Die Leitfäden sind dabei jedoch so zu verstehen, dass sie von mir in den Interviewsituationen genutzt wurden, um ‚abzuhaken‘, welche Aspekte bedient wurden und auf welche unter Umständen an geeigneter Stelle nochmals eine entsprechende Nachfrage oder Erzählaufforderung gestellt wird. Darüber hinaus wurde auch versucht, die Interviewsituation so zu gestalten, dass trotz der – aus oben genannten Gründen – Nutzung der verschiedenen Leitfäden, eventuelle Verzerrungseffekte gemindert wurden (vgl. dazu auch Schnell et al. 2008, S. 353ff.). Dabei wurde nach Möglichkeit auf Privatsphäre, im Sinne eines vier-Augen-Gesprächs geachtet (was auch fast immer gelang), durch den Leitfaden eben im Vornherein die Kriterien definiert sowie jeweils nachgefragt bei festgestellten Ungereimtheiten innerhalb des Interviews oder auch innerhalb einer Einrichtung. Im Zuge einer konzeptionellen Reflexion sind mehrere Aspekte anzuführen, welche jeweils starken Einfluss auf die Interpretation der erhobenen Daten hatten. Es ist erstens anzumerken, dass der konzeptionelle Hintergrund der narrierenden Organisation sehr starke Annahmen trifft, um die organisationale Sinnstiftung mittels Narrationen überorganisationaler Elemente zu erklären. Eine dieser starken Annahmen wurde bereits in der Formulierung des allgemeinen Modells wiederlegt, da sich die Maßgabe als empirisch nicht tragbar erwiesen hat. Des Weiteren ist ein ausgeprägter sozialkonstruktivistischer Charakter des Konzepts offensichtlich, was jedoch ebenso bereits in der Herleitung deutlich wurde. Daraus folgt, dass eine Kritik an den getroffenen Annahmen auf einer metatheoretischen Ebene erfolgen müsste. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses, ist hier jedoch anzumerken, dass weder Handlungsempfehlungen aus der Analyse mittels des Konzepts gegeben wurden, noch deutlich wurde, an welchen Stellen Mechanismen der Unterdrückung wirken und wie diese zu beseitigen sind. Aus diesem ‚nicht-empfehlenden‘ Charakter der konzeptgebundenen Analyse kann geschlussfolgert werden, dass es sich hier um eine mögliche Interpretation handeln, deren Ergebnisse keine Handlung nach sich ziehen, vom Vorschlag zur Nachahmung abgesehen. Vor diesem Hintergrund kann der praxeologische Wert der Konzeption zu Recht in Frage gestellt werden. Die letztlich verbleibende Frage ist jedoch die nach dem epistemologischen Wert des Ansatzes und somit die Frage der logischen Schlüssigkeit der strukturellen Anlage, dessen Begriffssystems und dessen Mehrwert. In Hinblick auf die Logik und die damit verbundene Widerspruchsfreiheit kann kein Verstoß des Konzepts aufgezeigt werden, welcher eine Ablehnung nach sich zöge. In Hinblick auf das Begriffssystems kann eingewendet werden, dass ich mich teilweise Neologismen bedient habe, welche einer sofortigen Nachvollziehbarkeit im (flüchtigen) Lesen gegebenenfalls abträglich sind. Die Fruchtbarkeit des Ansatzes kann aus meiner Sicht nicht in Frage gestellt werden, da sowohl gesellschaftliche Aspekte und deren Wandelbarkeit sowie Wahrheitsdispositionen einbezogen sind, sodass verschiedenste Organisationen, in verschiedenen Raum-Zeit-Zusammenhängen analysiert werden können. Damit sehe ich das Ergebnis der Arbeit, mit allem vorgetragenen Mehrwert, in der zu Beginn erwähnten Tradition Türks (1995, i.Bes. S 21f.) und dessen Vorschlag zur Perspektiventriangulation stehen. Beschränkungen der Analyse sind offensichtlich in dem Missstand zu sehen, dass eine ‚Rückführung nach außen‘ – von den Organisationen in die darüber liegenden Ebenen – nicht von Beginn mit in die 266 Betrachtungen eingebunden wurde. Empirisch und in der Formulierung des allgemeinen Modells wurde an den geeigneten Stellen auf die Möglichkeit der Bedingtheit der Argumentationslinien verwiesen. Ein etwaiger Zusammenhang wäre mittels des vorgetragenen Modells und seinen Bestandteilen jedoch nicht erklärbar. Es ist offensichtlich, dass eine entsprechende Einbindung der Perspektive einer Rückführung und der empirischen Prüfung dessen, den hier zu haltenden Rahmen um etliches überstiegen hätte. Nichtsdestotrotz soll auch hier die Möglichkeit der Weiterentwicklung des vorgelegten Modells aufgezeigt werden. Es lassen sich leicht Szenarien erdenken, welche eine Weiterentwicklung des Modells quasi einfordern. Am Beispiel der erneuerbaren Energien erklärt, könnte es eine technische Innovation auf der Meta-Ebene zu effizienteren Photovoltaik-Anlagen geben. Diese tragen sich zügig auf die Meso-Ebene, finden dort Rezeptivität in den Narrationen auch mehrerer Organisationen, welche sich dann – über entwickelte Praktiken bspw. auch anderer diskursiver Argumente wie Lobbyismus – sogar auf die Makro-Ebene auswirken können, indem entsprechende juristische Maßgaben angepasst werden. Ein solches Szenario wäre über das allgemeine Modell der Aufnahme des Überorganisationalen in narrierenden Organisationen und den Zusammenhängen nicht erklärbar, müsste jedoch, um eine umfassendere Konzeption zu entwickeln, welche unter Umständen in eine Theorie münden könnte, auf jeden Fall eingebunden werden. Es ist an dieser Stelle ein weiterer Aspekt zu thematisieren, welcher in dem allgemeinen Modell keine Berücksichtigung erfahren hat, an manchen Stellen aber empirisch aufgefallen ist, aufgrund der Frage- und Zielstellung der Arbeit jedoch außerhalb des Fokus bleiben musste. Der Aspekt der Macht ist in der Arbeit nicht (explizit) berücksichtigt. Wie bereits erwähnt, war der ursprüngliche Gedanke, genau das zu untersuchen. Im Zuge der näheren Beschäftigung mit dem Thema auf konzeptioneller sowie auch empirischer Ebene ließ sich jedoch feststellen, dass eine detaillierte Betrachtung des Phänomens der Macht in diesem Rahmen nicht möglich ist. Dabei liegen etwaige Bezüge an unzähligen Stellen der Arbeit auf der Hand. Im allgemeinen Modell können auf allen Ebenen Bezüge gefunden werden, sind in der Herleitung des analytischen Rahmens offensichtlich geworden oder stachen in der Fallanalyse ins Auge. Bei Bruch und Türk (2005) sind etwaige Verbindungen in deren Zugriff, Organisationen als Magazine zu fassen, bereits deutlich geworden. Eine weitere komplett differenzierte Herangehensweise läge in der Betrachtung von Aspekten der Macht auf der MetaEbene, in einer konzeptionellen Fassung, welche die Transtextualität berücksichtigt und dabei auch wieder eine Brücke in versöhnlicher Absicht zu Diaz-Bone (2010) und der beinhalteten Kritik schlägt. Solche Betrachtungen wären an vielerlei Stellen anschlussfähig und könnten unter zu Hilfenahme von Foucault (exemplarisch zum Einstieg 1977b, 1982) oder Anschlüssen daran (beispielhaft Bührmann 2013) geleistet werden; sowohl am allgemeinen Modell der Aufnahme des Überorganisationalen in narrierenden Organisationen und den Zusammenhängen selbst, als auch empirisch, da sich auch hier entsprechende Analysen förmlich aufdrücken. Trotz dieser Beschränkungen der vorgestellten Studie glaube ich mit dem Modell einen vielversprechenden Beitrag zur Beantwortung der Ortmannschen Frage ‚Inwiefern er- und verschließt das Organisieren Organisationswelt(en) und die übrige Welt?‘ geleistet zu haben. 267 5.3 Schlussbetrachtungen und abschließendes Fazit Vor dem Hintergrund des Strukturwandels im Sektor der stationären Altenpflege in Deutschland war es das Anliegen der Arbeit zwei Fragen zu beantworten: 1) Welchen konkreten Einfluss haben außerorganisationale Elemente und Muster auf die stationären Altenpflegeeinrichtungen und wie kann deren Wirkmächtigkeit erfasst werden? 2) Wie lassen sich diese Gegebenheiten sowie deren Wechselwirkungen analytisch erfassen und darstellen? Dafür sollte zunächst ein Beitrag zur Entschlüsselung von Sachzwängen geliefert werden, was in Form der Herleitung des analytischen Rahmens sowohl auf der gesellschaftlichen Ebene wie auch der epistemologischen Ebene geschehen ist. Es wurde dabei deutlich herausgestellt, wie die verschiedenen Elemente miteinander verbunden sind. Dafür wurde, neben der Identifikation der einzelnen Elemente, auch ein neues Konzept vorgeschlagen, um die Elemente der epistemologischen Ebene zu untersuchen und analytisch zu erfassen – das diskursive Argument. Dabei kann die Herleitung eines analytischen Rahmens in diesem Sinne bereits als erster Schritt gesehen werden, der für die Erforschung von überorganisationalen Einflüssen auf Organisationen elementar ist. Hierauf aufbauend wurde im Zuge einer eigenen empirischen Studie der weitere Weg zur Beantwortung der Fragestellungen beschritten. Um, neben dem analytischen Rahmen, eine weitere analytische Erfassung der Wechselwirkungen des Überorganisationalen im organisationalen Kontext zu gewährleisten, wurde das Konzept der narrierenden Organisation aufgestellt. Im Anschluss daran wurde das empirische Vorgehen bei der Gestaltung der Fallstudie umfangreich dargelegt, wobei sowohl grundsätzliche Schwierigkeiten als auch studienbezogene Besonderheiten reflektiert und in das Vorgehen eingebunden wurden, sodass noch vor der eigentlichen Darstellung der Fallstudie das eigene empirische Vorgehen als weiterer Mehrwert, neben den bisher angeführten Zuträgen konzeptioneller Art, angesehen werden kann. Im Anschluss daran wurden sechs verschiedene Fälle, die auf Basis von 50 Interviews entstanden sind, umfangreich dargestellt und mit den vorher erarbeiteten Konzepten analysiert. Dabei wurde deutlich, dass die dargestellten Konzeptionen sehr weitreichende Rückschlüsse für die Sinnkonstitution von Organisationen zulassen und sich für eine etwaige Analyse sehr gut eignen. Es wurde ebenso ersichtlich, dass hierbei auch die empirische Betrachtung weiteren Nutzen für die Formulierung des allgemeinen Modells der Aufnahme des Überorganisationalen in narrierenden Organisationen und den Zusammenhängen mit sich brachte, als es eine reine konzeptionelle Herleitung vermuten ließ. In Folge dessen war es möglich in einer Zusammenführung der Arbeit ein allgemeines Modell aufzustellen, dessen Abbildungsgüte empirisch unter Beweis gestellt ist und dessen Grenzen und Entwicklungspotentiale ebenso deutlich benannt und hervorgehoben sind. Es kann somit mit dieser Arbeit gezeigt werden, welche konkreten Einflüsse des Überorganisationalen sich in verschiedenen Organisationen finden lassen und was deren jeweilige Wirkmächtigkeit ist. Durch den analytischen Rahmen sowie das Konzept der narrierenden Organisation ist auch eine Möglichkeit der analytischen Erfassung dessen deutlich geworden, was in der Darstellung als allgemeines Modell mündet. Somit wurden die eingangs formulierten Fragestellungen der Arbeit hinreichend beantwortet. In direktem Zusammenhang damit sind auch die Ziele der Arbeit erreicht wurden, das Überorganisationalen zunächst zu hinterfragen, Muster zu erkennen und empirische Befunde zu liefern. Das weitere Ziel der Arbeit, ein allgemeines Modell zu konzipieren, welches die Analyse von Organisationen unterschiedlicher Verwertungs- und Einbindungshintergründe ermöglicht, wurde ebenso erreicht. Damit ist ein Vorschlag gegeben, das hier vorgestellte Modell anzuwenden und eventuelle Weiterentwicklungen vorzunehmen, ohne einen Verlust in Sisyphos‘ Beschwerlichkeiten zu erleiden. 268 Literaturverzeichnis Abraham, Martin/Büschges, Günter (2004): Einführung in die Organisationssoziologie. 3. Auflage. Wiesbaden: VS. Adorno, Theodor W. (1953): Individuum und Organisation. In: ders. (1972) [1997]: Soziologische Schriften I. Theodor W. Adorno Gesammelte Schriften. 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Das Projekt verfolgt das Ziel, den aktuellen Wandel der Erwerbsarbeit in der stationären Altenpflege im Spannungsfeld zwischen Rationalisierung und Professionalisierung empirisch zu erforschen und kritisch zu evaluieren. Im Zuge veränderter gesellschaftlicher Voraussetzungen, mit den Schlüsselbegriffen Wissens-, Kontrollgesellschaft und flexibler Kapitalismus, soll untersucht werden, wie sich diese Veränderungen in der Gerontologie, als spezieller Teilbereich des sozialen Zusammenlebens, ausdifferenzieren. Im Fokus stehen die Konsequenzen für das Selbstverständnis und das Handeln der in der Altenpflege involvierten Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Führungskräfte. Für die Durchführung der Untersuchung bitten wir Sie hiermit freundlich um Ihre Mithilfe. Das Vorhaben besteht darin, in Ihrer Institution sowohl mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, als auch mit Führungskräften mehrere leitfadengestützte Interviews durchzuführen. Insgesamt würden wir gern etwa zehn Interviews in Ihrem Haus realisieren. Bei Interesse möchten wir Ihnen nach Abschluss des Gesamtvorhabens gern die Ergebnisse der Untersuchung präsentieren. Um Ihnen nähere Informationen zum bisherigen Verlauf des Projektes und zum konkreten Ablauf der beabsichtigten Untersuchung zu geben, würden sowohl ich, als auch Herr Matthias Rätzer – Mitarbeiter der Juniorprofessur und Bearbeiter des Projekt – uns freuen, mit Ihnen telefonisch in Kontakt treten zu dürfen. Wir freuen uns auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen. Mit herzlichen Grüßen, Dr. Ronald Hartz Dipl.-Hdl. Matthias Rätzer 290 A2 Fallbezeichnung Interviewkode Ebene Position Geschlecht Alter Berufserfahrung AGAVE AGAVE AGAVE AGAVE AGAVE AGAVE A1_F1 A1_F2 A1_F3 A1_F4 A1_M1 A1_M2 F F F F MA MA HL PDL WBL WBL AP PH m w w w w w 44 53 42 50 32 54 9 16 18 10 12 17 VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA VERBENA V1_F1 V1_F2 V1_F3 V1_F4 V1_M1 V1_F5 V1_M2 V1_M3 V1_M4 W: V1_M5 X: V1_M5 Y: V1_M5 Z: V1_M5 F F F F MA F MA MA MA F MA F MA HL Prakt. PDL SL SL AP SL PH AP PH StL PH SL AP m w w w w w w w w w w w w 57 26 29 53 27 59 42 23 55 k.A. k.A. k.A. k.A. 20 10 13 16 8 19 21 5 18 38 15 9 7 KENTIA KENTIA KENTIA KENTIA KENTIA KENTIA KENTIA K1_F1 K1_F2 K1_F3 K1_M1 K1_M2 K1_M3 K1_M4 F F F MA MA MA MA PDL WBL WBL AP PH PH AP w m w w w w w 61 52 44 43 54 58 36 25 13 10 20 11 18 16 ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA ZINNIA K2_F1 K2_F2 K2_F3 K2_F4 K2_M1 K2_M2 K2_M3 K2_M4 K2_M5 F F F F MA MA MA MA MA HL PDL WBL WBL AP AP PH AP PH m w w m w w w w w 43 28 24 27 22 59 38 58 44 10 8 5 6 5 14 10 14 1 PIERIS PIERIS PIERIS PIERIS PIERIS PIERIS PIERIS PIERIS P2_F1 P2_F2 P2_F3 P2_F4 P2_M1 P2_M2 P2_M3 P2_M4 F F F F MA MA MA MA HL PDL WBL WBL AP PH AP AP m w m w m w w w k.A. 46 26 29 29 33 21 46 10 17 7 13 11 8 6 20 RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES RADIES R1_F1 R1_F2 R1_F3 R1_F4 R1_F5 R1_M1 R1_M2 X: R1_M3 Z: R1_M3 R1_M4 R1_M5 F F F F F MA MA MA MA MA MA HL PDL PDL, QMB WBL WBL AP AP PH PH AP PH m w w m w w w m m w w 58 56 51 44 53 35 23 58 58 34 57 22 15 26 27 18 18 7 26 5 6 6 291 A3 1. Seit wann sind Sie in Ihrem Unternehmen tätig und welche Stelle haben Sie inne? 2. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage im Pflegebereich? 3. Welches Verständnis von Pflege haben Sie persönlich? 4. Wie sehen Sie den Prozess des Pflegens? 5. Worauf ist aus Ihrer Sicht der Prozess des Pflegens gerichtet und was sind die Kernelemente? Fokus Implementierung von Standards (Erfüllung, aber nicht leben?) 6. Wie beurteilen Sie den Einfluss externer Akteur_Innen auf die Pflege und speziell Ihre Einrichtung? 7. Wie werden bei Ihnen die Arbeitsabläufe festgelegt? Eigenständigkeit/Eigenverantwortlichkeit Freiraum, Entfaltung Flexibilität? Demokratisierung/Akzeptanz von Regeln 8. Was sind Erfolgskriterien in Ihrem Arbeitsbereich? 9. Wer kontrolliert diese Kriterien wie? 10. Wie beurteilen Sie den Pflege-TÜV (Schulnotensystem)? 11. Was wird von Ihnen als vorbildliches Verhalten und was als Fehler/Fehlverhalten Ihrer Mitarbeiter_Innen gesehen? 12. Wie gehen Sie mit Fehlverhalten Ihrer Mitarbeiter_Innen um? 13. In wie weit gibt es Entscheidungsspielräume Ihrer Mitarbeiter_Innen? 14. Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter hinsichtlich deren Zufriedenheit in ihrer konkreten Arbeitssituation wahr? 15. Nehmen Sie eine starke Rivalität zwischen Ihren Mitarbeitern wahr? 16. Wie honorieren Ihre Mitarbeiter_Innen ein gutes Arbeitsumfeld? 17. Wie lang sind Ihre Mitarbeiter_Innen durchschnittlich bei Ihnen beschäftigt? ‚Trägerphilosophie‘ 18. Wie sehen Sie die Zukunft des Pflegeberufs und welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach dabei die Gesellschaft und der Gesetzgeber? Quantität der Pflegebedürftigen Gerontologie gesetzliche Rahmenbedingungen 19. Würden Sie mir am Ende der mündlichen Befragung noch einige biographische Angaben von Ihnen geben? m/w, Alter, Familienstand, Kinder 292 A4 1. Seit wann sind Sie in Ihrem Unternehmen tätig und in welchem Arbeitsbereich sind Sie tätig? und welche Stelle haben Sie Inne? 2. Was denken Sie, im Zusammenhang mit Ihrem Beruf, über die Begriffe Demographie/demographische Falle/Überalterung der Gesellschaft? 3. Wie sollte Pflege Ihrer Meinung nach sein? Welches Verständnis von Pflege haben Sie persönlich? 4. Wie sehen Sie sich in der Rolle als Pflegerin/Pfleger? Tochter/Helfer_In/Freund_In/Arbeiter_In 5. Was denken Sie über die Ausbildung der Pflegerin/des Pflegers? 6. Worauf richtet sich bei Ihrer Arbeit das Hauptaugenmerk? 7. Wodurch und wie werden Ihre Arbeitsabläufe bestimmt? Eigenständigkeit/Eigenverantwortlichkeit Flexibilität? Demokratisierung/Akzeptanz von Regeln 8. Wie viel Freiraum haben Sie, um Entscheidungen selbstständig zu treffen? 9. Wie stark spüren Sie die Einführung der Pflegeversicherung? Pflegestandards eventuell im Vergleich zu früher 10. Wie wurden bei Ihnen die Pflegestandards eingeführt? Auswirkung auf konkrete Arbeit Einführung ja, aber kein Leben der Standards 11. Wann denken Sie, sind Sie erfolgreich in Ihrem Beruf? Merkmale für den Erfolg Richtwerte für Erfolg Scheitern wie oft Erfolgsempfinden 12. Wie wird Erfolg kontrolliert? intern (F, Bew., MA) / extern (MdK, Heimaufsicht) Entwicklung von Bewusstsein 13. Bekommen Sie Hilfsangebote von Seiten Ihrer Vorgesetzten? Annahme dieser Hilfsmittel? Selbstsorge technische Hilfsmittel Weiterbildungsangebote 14. Wie ist das Verhältnis unter den Kolleg_Innen? Rivalität, Gruppenbildung (z.B. in den Schichten) Einfluss der Pflegeversicherung Erfolgsdruck Probleme / Frustabbau 15. Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Qualifikationsstufen? 16. Können Sie Probleme gegenüber Vorgesetzten ansprechen? 293 Unterschiedene zwischen verschiedenen Ebenen Generelles Verhältnis zu Vorgesetzten 17. Wie verbunden sehen Sie sich mit Ihrer Einrichtung? Trägerphilosophie 18. Wie sehen Sie die Zukunft des Pflegeberufs und welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach dabei die Gesellschaft und der Gesetzgeber? Quantität der Pflegebedürftigen Gerontologie gesetzliche Rahmenbedingungen 19. Würden Sie mir am Ende der mündlichen Befragung noch einige biographische Angaben von Ihnen geben? m/w, Alter, Familienstand, Kinder 294 A5 * längere Sprechpause ** sehr lange Sprechpause / Abbruch eines Satzes im Sprechen der jeweils interviewten Person […] ausgelassener Teil innerhalb des Interviews [lacht] Lachen der interviewten Person an dieser Stelle gelacht Kennzeichnung der Interviewzuordnung und Anonymisierung: (Fallbezeichnung_Interpartner_In) A1 Fall AGAVE V1 Fall VERBENA K1 Fall KENTIA K2 Fall ZINNIA P2 Fall PIERIS R1 Fall RADIES F# Führungskraft # M# Mitarbeiter_In # 295 Eidesstattliche Erklärungen Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich bei Anfertigung der vorliegenden Dissertation keinerlei andere Hilfsmittel genutzt habe, als die angegebenen. Darüber hinaus habe ich keinerlei Hilfe von Personen, insbesondere Promotionsberater_Innen, bei der geistigen Herstellung der Arbeit in Anspruch genommen. Jegliche Stellen, in welchen ich die Gedanken anderer genutzt habe, sind als solche erkenntlich gemacht. Ich erkläre des Weiteren, dass ich bisher noch nie ein Promotionsverfahren beantragt habe. Im Zuge dessen erkläre ich mich hiermit damit einverstanden, dass die Dissertation elektronisch auf Plagiate hin untersucht wird. Leipzig, den 14.07.2015 296