Heuristische Interpretation des Homo Oeconomicus nach Homann und Suchanek Studiengang: Wirtschaftswissenschaften Art der Leistung: Hausarbeit im Rahmen der Veranstaltung Wissenschaftstheorie der Ökonomik 2007/2008 Prüfer: Simon Deichsel Vorlagetermin: 04.04.08 Verfasser: Fabian Greher Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ II 1. Einleitung....................................................................................................................... 1 1.1 Einführung in die Problemstellung.................................................................... 1 1.2 Zielsetzung und Gliederung.............................................................................. 2 2. Das klassische Prinzip des Homo Oeconomicus……………..................................... 2 2.1 Der Homo Oeconomicus als Idealbild des modernen Menschen...................... 2 2.2 Kritik des klassischen Ansatzes des Homo Oeconomicus................................ 5 3. Das Prinzip des Homo Oeconomicus nach Homann und Suchanek......................... 8 3.1 Der Homo Oeconomicus als Heuristik.............................................................. 8 3.2 Kritik des heuristischen Modells des Homo Oeconomicus............................... 12 4. Zusammenfassung und Ausblick................................................................................. 14 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 16 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das Menschenbild der Ökonomik............................................................... 9 Abbildung 2: Dilemmastrukturen als Grundlage der ökonomischen Interaktion.................................................................................................... 10 II 1. Einleitung 1.1 Einführung in die Problemstellung Der Begriff des Homo Oeconomicus als wissenschaftstheoretisches Modell der Moderne besitzt eine historische Tradition interdisziplinären Forschung. Die innerhalb Betrachtung der der wirtschaftswissenschaftlichen wissenschaftlichen Idee und eines ökonomischen Menschenbildes lässt sich als die Frage nach einer eigenständigen Anthropologie des modernen Menschen anhand wirtschaftswissenschaftlicher und philosophischer Gesichtspunkte interpretieren.1 Diese Schlussfolgerung und dessen Einfluss auf ökonomische Gedankenmodelle und Theorienbildung besitzt eine besondere Faszination für zahlreiche Fachbereiche. Die Möglichkeit theoretische Ansätze der Ökonomie mit inhaltlich genauen und philosophisch exakten Ergebnissen zu verknüpfen, für eine Bildung von eindeutigen Verhaltensmodellen, kann hierbei als eine der wesentlichen Fragestellungen des Ansatzes des Homo Oeconomicus beschrieben werden. Obwohl nicht unumstritten, vor allem auch in seinem eigenen Umfeld der Ökonomie, bietet der Homo Oeconomicus doch zahlreichen Disziplinen die Möglichkeit umfassende Annahmen ökonomischer Prozesse für ihre Fachrichtungen zu übernehmen oder für ihre Bedürfnisse anzupassen. Die Betrachtung des Homo Oeconomicus als Ideal des ökonomischen Menschenbildes führt jedoch in diesem Zusammenhang zu zahlreichen Problemen, von der Interpretation bis hin zum Gebrauch dieses Leitbildes als ökonomischen Lehrsatz. Der Konflikt des Homo Oeconomicus bezüglich seiner ökonomischen Prämissen führt in Folge dessen zu einem Dilemma seiner traditionellen Annahmen. Als Leitbild der neoklassischen Ökonomie führte er nicht nur zu einer Krise der klassischen Wirtschaftswissenschaften, sondern trug in Folge dessen auch zu einer Bildung neuer ökonomischer Forschungsrichtungen bei. In Verbindung mit dieser Problematik stellt sich nun für Homann und Suchanek die Frage nach der Bedeutung des Homo Oeconomicus als heuristische Modelltheorie der Gegenwart. Die zunehmende Bedeutung ökonomischer Einflussfaktoren aufgrund der voranschreitenden Globalisierung der Weltwirtschaft führt zu dem Bedürfnis nach einem Werkzeugkasten von Instrumenten für die Beurteilung wirtschaftlicher Systeme und Beschreibung gesellschaftlicher Konflikte. Wie Homann und Suchanek andeuten besitzt der Homo Oeconomicus Eigenschaften als Hilfsmittel in diesem Konflikt zu dienen und Wissenschaftlern eine Möglichkeit zu eröffnen neue Erkenntnisse mit Hilfe eines bewerten Maßstabes von Inhalten zu erhalten.2 Dieses Prinzip der heuristischen 1 2 Vgl. Manstetten, R. (2000) S. 13 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 369 1 Verwendung des Homo Oeconomicus steht jedoch unter dem Banner der umfassenden Kritik des klassischen Verhaltensmodells. Im Hinblick auf diesen Konflikt muss untersucht werden ob eine Darstellung dieses Forschungsmodells als ein Mittel der Reflexion für die Ermittlung neuer Erkenntnisse geeignet sein kann. 1.2 Zielsetzung und Gliederung Anhand der erläuterten Problemstellung wird ein kurzer Überblick über die klassische Theorie des Homo Oeconomicus und der Kritik seiner elementaren Bestandteile gegeben, sowie die Theorie einer Heuristik des Homo Oeconomicus von Homann und Suchanek erläutert und dabei der Ansatz seiner heuristischen Interpretation beschrieben und untersucht. Im Hinblick hierauf werden zu Beginn die grundlegenden Prämissen des ökonomischen Menschenbildes des Homo Oeconomicus zusammengefasst, welche anschließend anhand spezifischer Fragestellungen genauer untersucht werden. Innerhalb des weiteren Inhaltes wird dem Leser ein vertiefender Einblick in die Idee einer heuristischen Anwendung gegeben und diese mit unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert. Abschließend werden die in der Arbeit enthaltenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen noch einmal rekapituliert und mögliche Tendenzen für zukünftige Entwicklungen aufgezeigt. 2. Das klassische Prinzip des Homo Oeconomicus 2.1 Der Homo Oeconomicus als Idealbild des modernen Menschen Das herkömmliche Verhaltensmodell des Homo Oeconomicus als Grundlage der traditionellen Theorie der Ökonomik ist ein vielverwandtes Menschenbild, dessen Zusammenhang in der klassischen Nationalökonomie der Wirtschaftswissenschaften zu finden ist. Als Idealbild der neoklassischen Ökonomie bietet es unterschiedlichsten Fachbereichen Informationen über ökonomische Zusammenhänge und wirtschaftswissenschaftliche Erklärungsansätze. Der zentrale Ansatz dieses Menschenbildes widmet sich den Beziehungen des Individuums und in diesem Zusammenhang der Problemstellung von dilemmahaften Entscheidungssituationen unter spezifischen Präferenzen und Restriktionen.3 Das Eigeninteresse oder der Egoismus von Akteuren ist in diesem Kontext als treibende Kraft des Individuums beschrieben und bildet die Grundlage jedweder Handlungsentscheidung des 3 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 13 2 Homo Oeconomicus.4 Die Präferenz einer nur auf das Individuum selbst gerichtete Handlungsweise beschreibt danach die Situation einer Beschränkung des Menschenbildes hingehend der Interaktion innerhalb der Gesellschaft selbst. Danach besteht nur eine Interaktion unterschiedlicher Mitglieder innerhalb einer Gesellschaft durch die Einschränkung des Handlungsraums des Individuums. Die ökonomische Entscheidung in einer unter Knappheit getroffenen Situation wird dabei durch das Prinzip des zweckrationalen Handelns bestimmt und bleibt ausschlaggebend für die Inhalte und Beweggründe der ausstehenden Handlungsmöglichkeiten. Dabei folgt das Prinzip des Homo Oeconomicus dem Grundsatz der Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung eines rationalen Maximierungskalküls, welches ihm eine eindeutige Determinierung seiner Entscheidungssituation ermöglicht.5 Hinsichtlich des Rationalitätsprinzips nehmen hierbei die Restriktionen und Präferenzen des Verhaltensmodelles eine zentrale Position innerhalb des Entscheidungsprozesses ein. Das rationale Handeln als elementarer Bestandteil des Homo Oeconomicus bestimmt durch seine Elemente den Handlungsspielraums des Verhaltensmodells. Die formale Rationalität als Rahmen eines Ziel-Mittel Schemata wird mittels der Präferenzen und Restriktionen als ein Handlungsraum beschrieben, der unter ökonomischen Faktoren zur Nutzenmaximierung beiträgt. Das Verhaltensmodell beschreibt in diesem Zusammenhang die Nutzenbedingung des Homo Oeconomicus unter Unsicherheit der Entscheidungssituation.6 Die ökonomische Bewertung von Handlungsalternativen innerhalb des Verhaltensmodells ist somit die Ableitung von Zielen unter der Berücksichtigung der Nutzenmaximierung. Das Ziel dieser Entscheidungssituation wäre im ökonomischen Sinn die Realisierung eines größtmöglichen Gewinnmaximums als Konsequenz der Präferenzstruktur des Homo Oeconomicus. Eine weitere elementare Eigenschaft des Homo Oeconomicus umfasst die Bedeutung der Auswahl von Handlungsalternativen und der hiermit in Verbindung stehende Informationsbedarf. In der traditionellen Rolle des Homo Oeconomicus besteht kein Bedarf nach zusätzlichen Informationen, da aufgrund seiner Rationalitätsannahmen alle Informationen zur Verfügung stehen. Die Verarbeitung jener Informationen findet in diesem Zusammenhang mittels einer unendlich schnellen Reaktionsgeschwindigkeit statt, welche den Homo Oeconomicus befähigt jedwede Entscheidungsalternative abzuwägen und die optimale Entscheidung für die entsprechende Problemstellung zu treffen. Eine modernere Interpretation dieses Verhaltensmodells modifiziert diese Annahme hingehend der Unsicherheit von 4 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 375 Vgl. Rothschild, K. W. (1992) S. 22 6 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 15 5 3 Informationen und beschreibt den Homo Oeconomicus als einen Arbitrageur, der Informationen Kauft und Verkauft und diese anhand von Transaktionskosten oder Gewinne bewertet. Hinsichtlich dieser Behauptung lässt sich schlussfolgern, dass Individuen dieses Verhaltensmodells sich an veränderte Umweltbedingungen entsprechend ihrer Zielvorstellungen in systematischer und damit vorhersagbarer Weise anpassen, wobei sich solche Veränderungen sowohl durch Handeln anderer Individuen und durch Veränderungen der natürlichen Bedingungen ergeben.7 Das bereits angesprochene Reaktionsprinzip des Homo Oeconomicus schließt sich an die erwähnten Eigenschaften des Verhaltensmodells an und vermittelt die Realität eines unendlich schnellen Entscheidungsrahmens, der es ihm ermöglicht sich jedweder Entscheidungssituation anzupassen. Der Verzicht auf eine eigene Zielreflexion im Rahmen seiner Reaktionsbedingung bestimmt den Akteur innerhalb dieses Verhaltensmodells sich hinsichtlich seiner Ziel-Mittel-Zuordnung gemäß der formalen Rationalität ausschließlich auf die von außen, also die vom Markt vorgegebenen Ziele zu beschränken.8 Das klassische Verhaltensmodell verbietet somit die Entwicklung eigener Bedürfnisse und Intentionen und schließt die Vorgabe eigener Ziele innerhalb des Handlungsrahmens aus. Das klassische Prinzip des Homo Oeconomicus vereint somit die Eigenschaften eines isolierten Menschenbildes dessen Akteur ohne direkte Interdependenz und ohne Informationsbedürfnisse aufgrund seines eigeninteressierten Motivs sein individuell nutzenmaximales Ergebnis mittels zweckrationaler Entscheidungsalternativen im Hinblick seiner individuellen Präferenzen und Restriktionen erreicht und somit unabhängig jedweder Interaktion seine Erkenntnisse gewinnt. Die Bedeutung dieser Definition für das Verhaltensmodell der klassischen Ökonomie ist die Bildung strenger und klarer Optimierungskalküle als Basis wirtschaftwissenschaftlicher Entscheidungsfunktionen. Der Gebrauch dieses Axioms als Erklärungsmodell lässt sich darstellen anhand der klassischen Theorie der Unsichtbaren Hand innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Wohlfahrtsökonomie. Der traditionell gebrauchte Ansatz verbindet das Eigeninteresse des Homo Oeconomicus mit dem Wohlfahrtsprinzip gesellschaftlicher Gruppen eines Wirtschaftsraumes. Der von Adam Smith eingeführte Erklärungsansatz beschreibt die Motivation der Wirtschaftssubjekte auf Grundlage des Eigeninteresses und daher unabhängig vom öffentlichen Interesse des allgemeinen Wohlstandes.9 Der Ausgangspunkt dieser Theorie beschreibt daher die Realität als ein Zusammenspiel von egoistischen und unabhängigen 7 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 18 Vgl. Patzak, M. (1983) S. 60 9 Vgl. Manstetten, R. (2000) S. 145 8 4 Individuen, welche um ihr eigenes Nutzenmaximum bemüht durch Eigeninteresse angetrieben werden. Dieses Streben nach individuellem Wohlstandes führt hierbei zu einer Steigerung des öffentlichen Wohlstandes trotz der unkoordinierten Produktion der Wirtschaftssubjekte aufgrund des individuellen Beitrages jedes einzelnen zum allgemeinen Wohlstand. Die Steuerung der Wirtschaftssubjekte geschieht somit nicht anhand planvoller Steuerungsmaßnahmen sondern anhand der umfangreichen Selbstorganisation mittels einer unsichtbaren Hand welche die Akteure in ihren Handlungen lenkt. Dabei unterstellt Smith, dass sowohl das Wissen als auch das Wille, privaten Reichtum zu erwerben, bei den Wirtschaftssubjekten größer ist als bei den Staatsmännern das Wissen und der Wille, gemeinschaftlichen Reichtum zu erzeugen.10 Das Prinzip der unsichtbaren Hand anhand des Verhaltensmodells des Homo Oeconomicus kann somit als eine Richtlinie für die Wirtschaftspolitik verstanden werden welche nahelegt das Interesse des eigeninteressierten Wirtschaftssubjektes zu fördern und staatliche Interventionen und Einflussnahme zu beschränken um somit eine bessere und zielgerichteter Entwicklung des individuellen und somit auch allgemeinen Wohlstandes zu fördern. Dieses Prinzip auch bekannt als laissez faire und der damit einhergehenden Einschränkung des staatlichen Handlungsrahmens muss jedoch eine spezifische Analyse der Entscheidungssituation vorausgehen. Auch wenn dieser Ansatz eine Möglichkeit für weitreichende Autonomie der Wirtschaftssubjekte bietet und der somit einhergehenden Vorteile des Verhaltensmodells des Homo Oeconomicus Nachdruck verleiht, muss dabei darauf hingewiesen werden das es kein Allheilmittel für ökonomische Probleme und soziale Konflikte darstellt. 2.2 Kritik des klassischen Ansatzes des Homo Oeconomicus Das beschriebene Verhaltensmodell als traditionelles Prinzip der Nationalökonomie steht unter häufiger Diskussion innerhalb und außerhalb der Ökonomie. Die häufigste Kritik des klassischen Menschenbildes richtet sich vor allem entgegen dem mikroökonomischen Ansatz des vollständig informierten, immer blitzschnell reagierenden und rational entscheidenden Leitbildes.11 Der Hauptkritikpunkt eines unrealistischen Menschenbildes ist dabei der häufigste Einwand gegen das klassische Prinzip des Homo Oeconomicus. Die idealistische Annahme eines allumfassend informierten und rationalen Menschenbildes ist nachweislich in der tatsächlichen Umwelt nur selten zu finden. Der Ansatz eines Computer ähnlichen 10 11 Vgl. Manstetten, R. (2000) S. 146 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 28 5 Idealbildes des ökonomischen Akteurs führt hierbei zu Problemen der empirischen Beweiskraft und wurde mehrfach in wissenschaftlichen Studien wiederlegt. Besonders die Untersuchung der Realitätsnähe der Verhaltensannahmen dieses Prinzips des Homo Oeconomicus steht hierbei im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses.12 Ein zentraler Kritikpunkt ist hierbei das Prinzip eines geschlossenen Verhaltensmodells, welches ohne Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt definiert wird. Die Darstellung von Entscheidungsproblemen oder die Entwicklung ihrer Präferenzen und Restriktionen wird vollkommen vernachlässigt. Die fehlende Interdependenz der gesellschaftlichen Umwelt und der Handlungsalternativen von Akteuren führt zu einer Beschränkung dieses Modells auf fiktive Entscheidungssituationen ohne Bezug auf reale Problemstellungen. Die ökonomische Modelltheorie kann in diesem Zusammenhang feststellen, dass die ökonomische Rationalität im Sinne des Homo Oeconomicus auf die Übereinstimmung des Wertesystems des Akteurs und dem jeweils als richtig angesehenen Wertesystem reduziert wird. Daraus ergibt sich die Rationalität des Homo Oeconomicus in dem Zusammentreffen von Handlungsentwurf und Aktualisierung. Der Handlungsentwurf selbst steht jedoch unter dem Einfluss von Wissenschaftlern, welche sich auf paradigmatisch positiv bewertete Gesamthandlungen beziehen. Der Sinn der idealen Handlungen des Homo Oeconomicus geht daher in der Befolgung von Regeln auf, die erfolgreiche Ergebnisse garantieren. 13 Diese Beschränkung des Verhaltensmodells führt zu einem Konflikt aufgrund des deterministischen Erfolgsanspruches der Problemstellungen von Akteuren innerhalb ihrer Umwelt. Ein positiver Handlungszusammenhang wird vorausgesetzt und führt zu einer Verallgemeinerung unzureichender Erfolgsfaktoren als Norm einer fiktiven wissenschaftlichen Modellierung. Die Problemstellungen der realen Umwelt können innerhalb dieser Methode nicht integriert werden, aufgrund des unzureichenden Zusammenhangs der bekannten Erfolgsfaktoren und der realen Entscheidungssituation, welche alleine keine Garantie für zukünftige Handlungserfolge darstellen können. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs zwischen den Wirtschaftswissenschaften und der Psychologie lassen sich ebenso erstaunliche Schlussfolgerungen über die Bedeutung psychologischer Faktoren auf die ökonomische Theorienbildung finden. Die kognitive Beschränkung der Rationalität innerhalb dieses Verhaltensmodells ergibt sich unter anderem aus der äußerst begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses.14 Die unzureichende Definierung von Nebenbedingungen anhand von 12 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 364 Vgl. Wagner, M. (1979) S. 84ff 14 Vgl. Kirsch, W. (1983) S. 25 13 6 Präferenzen und Restriktionen des Individuums aufgrund unklarer Intentionen oder Motive führt dabei zu einem wesentlichen Nachteil des klassischen Verhaltensmodells. In diesem Zusammenhang wird innerhalb des Verhaltensprinzips des Homo Oeconomicus zumeist von einer problematischen Annahme konstanter Präferenzen ausgegangen.15 Dies führt zu einem Problem der Überprüfung von Entscheidungsalternativen anhand der Handlungsweisen von Individuen. Da die Veränderung von Präferenzen vor allem durch die komplexe Struktur des Menschen bestimmt wird, führt die konstante Präferenz eines Individuums zu einem Problem der Immunisierung von Aussagen über Handlungsweisen des Akteurs. Eine Überprüfung anhand rein subjektiver Intentionen und Motive birgt die Gefahr einer Resistenz des Verhaltensmodells gegenüber jedweder Kritik entgegen der Vorstellung konstanter Präferenzen des Individuums. Desweiteren muss hierbei die Bedeutung zukünftiger Problemstellungen beachtet werden. Das entscheidendste Argument entgegen der Annahme konstanter Präferenzen ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen Handlungsmöglichkeiten und den vorhandenen Präferenzen. Ein Individuum das bisher noch keine Gelegenheit hatte bestimmte Handlungsweisen zu kennen kann für diese auch keine Präferenzen besitzen.16 Daraus ergibt sich, entsprechend dem Ausmaß der Veränderung der Umwelt oder der Restriktionen verändern sich ebenfalls die Präferenzen des Individuums. Da die Akteure jedoch die Ergebnisse ihrer Handlungsweisen zumeist nicht kennen können und dadurch sich erst Präferenzen innerhalb ihrer Handlungen selbst ergeben, können Präferenzen in diesem Zusammenhang nicht unabhängig von Handlungsmöglichkeiten getroffen werden. Ein Beispiel für den Gebrauch von Präferenzen in diesem Zusammenhang ist die gestiegene Bedeutung der Umweltbedürfnisse innerhalb der Gesellschaft. Aufgrund der zuspitzenden Problematik globaler Erwärmung und daraus resultierender sozialer Konflikte ergeben sich neue Präferenzen für das ökonomische Menschenbild im 21. Jahrhundert. Die moralische Bedeutung von Präferenzen im Rahmen des Verhaltensmodells ist hierbei ebenfalls als ein weiterer Kritikpunkt des Homo Oeconomicus zu nennen. Die Frage nach der Annahme von Präferenzen oder deren Akzeptanz ist in diesem Sinne ebenfalls ein zentrales Thema des ökonomischen Verhaltensmodells. Nur aufgrund der Notwendigkeit von bestimmten Präferenzen für das Individuum müssen diese nicht notwendigerweise als richtig oder gut erachtet werden.17 Besonders der Bereich der Wirtschaftsethik befasst sich hier mit einem Versuch moralische Werte mit der Auffassung ökonomischer Verhaltensmodelle zu verbinden. Wie dabei zum Beispiel innerhalb der Umweltökonomik behandelt, können 15 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 38 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 39 17 Vgl. Kirchgässner, G. (1991) S. 45 16 7 Veränderungen des Verhaltens von Akteuren zumeist einfacher mittels Restriktionen erreicht werden anstatt mit der Veränderungen von Präferenzen. Eine weitere Problemstellung des Homo Oeconomicus ergibt sich aus seinem eigenen Anspruch des eigeninteressierten Menschenbildes. Das Prinzip des Egoismus in der Neutralität von ökonomischen Entscheidungen des Homo Oeconomicus ist aufgrund der komplexen Dimension individueller Handlungsweisen in der Realität nicht allgegenwertig. Besonders wenn Individuen sich opportunistisch Verhalten und somit ihr Wort brechen wenn es ihnen einen Vorteil verschafft, kann das Prinzip der Neutralität nicht länger aufrechterhalten werden. Die Entwicklung von Institutionen für die Regulierung von solch individuellem Verhalten ist ein eindeutiges Zeichen für den Bedarf an Schutz vor einseitiger Ausbeutung. Die moderne Spieltheorie der Ökonomie beschreibt dieses Phänomen unter anderem als Gefangenendilemma, welches sowohl die Eigenschaften der Defektion, abweichendes und eigeninteressiertes Verhalten, als auch das der Kooperation, zustimmendes und altruistisches Verhalten, beschreibt.18 Die Bedeutung dieses Dilemmas beschreibt ökonomische Koordinationsprobleme von Entscheidungssituationen unter Unsicherheit der Akteure, aufgrund der fehlende Informationen die Handlungsalternativen unvorhersehbar machen, kann der Neutralitätsanspruch des Homo Oeconomicus nicht länger aufrechterhalten werden. Trotz der weitreichenden Diskussion am traditionellen des Homo Oeconomicus ist durchaus eine wohlwollende Kritik dieses Verhaltensmodells zu verzeichnen welche eine Anpassung und Weiterentwicklung des ökonomischen Menschenbildes fordert und somit einen Dialog anstatt einer Widerlegung anregt. Besonders in artverwandten Fachbereichen der Sozialwissenschaften wird die Entwicklung des ökonomischen Verhaltensmodells vorangetrieben und unter themenspezifischen Gesichtspunkten den Bedürfnissen der Wissenschaftler angepasst. 3. Das Prinzip des Homo Oeconomicus nach Homann und Suchanek 3.1 Der Homo Oeconomicus als Heuristik Der wissenschaftstheoretische Ansatz von Homann und Suchanek beschreibt das Modell des Homo Oeconomicus nun nicht mehr als rein anthropologisches Verhaltensmodell sondern als ein Theoriekonstrukt dessen Aufgabe in der Lösung von Problemstellungen der 18 Vgl. Neus, W. (2007) S. 69 8 Interaktionsmuster von Dilemmastrukturen zu sehen ist.19 Wie bereits angedeutet besitzt das klassische Verhaltensmodell des Homo Oeconomicus eine Tradition der umfassenden Kritik seiner empirischen und normativen Aussagen und beschreibt den Homo Oeconomicus als ein Menschenbild welches im Grunde so nicht ist oder sein darf. Im Gegensatz zum traditionellen Modell des Homo Oeconomicus verstehen Homann und Suchanek daher das eigentliche Potenzial des Homo Oeconomicus nicht in der Darstellung des ökonomischen Menschenbildes, sondern vielmehr als Analyseinstrument zur Erforschung der Bedingungen für Investitionen in die gesellschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil.20 Das moderne Menschenbild der Ökonomik sollte daher im Gegensatz zur traditionellen Auffassung auf die generellen Aussagen der Ökonomie beschränkt werden, wie innerhalb der Abbildung 1 in Form des Menschenbildes der Ökonomik angedeutet und damit genauere Ausformulierung eines Verhaltensmodells unterlassen werden.21 Diese Charakterisierung des Homo Oeconomicus umfasst einerseits die Fähigkeiten des Individuums zur Planung und Reflexion und andererseits die Eigenschaft der sozialen Gemeinschaft als natürliche Umwelt des Menschen. Abbildung 1: Das Menschenbild der Ökonomik Quelle: Homann, K.; Lütge, C.. (2005), S. 98. Der klassischen Theorie des methodologischen Individualismus wird hierbei ein neuer Ansatz gegenüber gestellt in Form einer Erweiterung des traditionellen Verhaltensmodells welches nicht mehr alleine das ökonomische Menschenbild im einzelnen beschreibt sondern stattdessen die Handlungstheorie und die mikrofundierte Analyse sozialer Bedingungen und Folgen untersucht.22 Nach diesem Ansatz besteht die Aufgabe der Ökonomik nichtmehr in der isolierten Betrachtung einzelner Individuen sondern in der Erklärung von Interaktionen in 19 Vgl. Homann, K.; Lütge, C. (2005) S. 77 Vgl. Suchanek, A. (2001) S. 147 21 Vgl. Homann, K.; Lütge, C. (2005) S. 98 22 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 368 20 9 einer sozialen interaktiven Umwelt. Beginnend mit der Notwendigkeit der Reduktion von Komplexität beschreiben Homann und Suchanek nun die Bildung von Dilemmastrukturen als die Grundlage des interaktiven Handlungszusammenhangs. Die Notwendigkeit der Reduktion ergibt sich hierbei aus dem praktischen Nutzen in der Theoriebildung. Das Ziel ist es die Problemstellung von relevanten Objekten und ihrer Beziehungen in eine allgemeine systematische Struktur zu bringen.23 Die Relevanz von Dilemmastrukturen wird dabei deutlich anhand der Anwendung des Homo Oeconomicus als Prinzip einer zielgerichteten Situationsanalyse. Innerhalb von spieltheoretischen Dilemmastrukturen finden sich alle Akteure in einer Umgebung der gegenseitigen Interaktion wieder, dies bedingt den Schutz des Einzelnen vor der Ausbeutung durch andere Akteure. In diesem Sachzusammenhang finden wir nun die Prämissen des Homo Oeconomicus und des ökonomischen Verhaltensmodells wieder. Da allen Interaktionsproblemen auch Dilemmastrukturen vorausgehen lässt sich in diesem Sinne die Anwendung des Homo Oeconomicus beschreiben, somit gehen dem System des Homo Oeconomicus die beschriebenen Dilemmastrukturen als Grundstrukturen der Interaktionen voraus. Die These von Homann und Suchanek lautet nun, da Dilemmastrukturen die Grundstruktur aller Interaktionen darstellen, lassen sich Resultate sämtlicher ökonomischer Interaktionen mit Hilfe des Homo Oecnomicus ableiten.24 Die Bedeutung von Dilemmastrukturen ergibt sich hierbei aufgrund der Idee individueller und kollektiver Entscheidungssituationen welche die Handlungen des Einzelnen bestimmen jedoch nicht notwendigerweise im Blickfeld des Individuums liegen müssen. Wie Homann und Suchanek innerhalb ihrer Beschreibung der Erklärung als methodologisch präzises Instrument andeuten, lassen sich im ökonomischen Zusammenhang Dilemmastrukturen als Grundlage jedweder Interaktion in diesem Kontext integrieren, exemplarisch in Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 2: Dilemmastrukturen als Grundlage der ökonomischen Interaktion Quelle: Homann, K.; Suchanek A. (2005), S. 357. 23 24 Vgl. Suchanek, A. (1993) S. 4 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 369 10 Die Dilemmastrukturen bilden hierbei das eigentliche Schema mit dem alle Interaktionen beobachtet und rekonstruiert werden. Die Verschiedenheit der sozialen Situation wird nun ergänzt indem die situativen Handlungsbedingungen spezifiziert werden. Dieses bildet nun in der Synthese den Kern der Problemstellung und beschreibt das zu erklärende soziale Phänomen.25 Für das Prinzip des Homo Oeconomicus bedeutet dies eine Abwendung von dem traditionellen Verhaltensmodell in Form einer anthropologischen Ableitung des ökonomisch motivierten Akteurs hin zu einer Analyse von umweltbestimmten Interaktionen und Entscheidungssituationen. Daraus lässt sich folgern, dass der Homo Oeconomicus nicht länger als Verhaltenstheorie der Ökonomie postuliert wird sondern stattdessen die Aufgabe der Situationsanalyse in einer neuen Form der Situationstheorie der Ökonomik übernimmt.26 Die Realitätsnähe der Annahmen die Homann und Suchanek beschreiben nun nicht mehr in den Eigenschaften von Menschen oder von besonderen Menschenbildern sondern stattdessen in generell gültigen Eigenschaften von Interaktionssituationen. Das Problem der empirischen Beweiskraft von normativen Aussagen sehen Homann und Suchanek gelöst, da weder der „worst case“ noch der Durchschnitt eines Menschenbildes beschrieben werden sondern der Homo Oeconomicus hierbei die nachgerade der „total normale“ Grundstruktur aller Interaktionen, der Dilemmastruktur verkörpert.27 Dies führt zu der Schlussfolgerung eines veränderten Erklärungsansatzes, der nun kein Menschenbild über das Individuum selbst beschreibt sondern vielmehr die methodologische Auffassung eines theoretischen Konstrukts verkörpert, welches sich mit grundlegenden Problemstrukturen von Interaktionen befasst. Anstatt nun über unterschiedliche Verhaltensmodelle von Menschen und Individuen zu diskutieren beschreibt dieser Erklärungsansatz Merkmale von Situation und ihrer Anreize. Die neue Bedeutung des Homo Oeconomicus lässt sich infolgedessen ebenso anhand seines Gebrauchs als Testinstrument innerhalb der Ökonomie beschreiben, wobei seine Anwendung sich in vielen Bereichen wiederfindet wie zum Beispiel in der Analyse der Armut oder Anpassung von Institutionen. Hierbei wird das System des Homo Oeconomicus als heuristisches Instrument verwendet, welches als Testinstrument für die Stabilität von gesellschaftlichen Strukturen oder im speziellen Falle der Stabilität von formellen oder informellen Institutionen dient. Die Widerstandsfähigkeit der theoretischen Modelle kann somit anhand des außerordentlichen Situationsmodells des Homo Oeconomicus überprüft und untersucht werden. Ist eine Modelltheorie nicht gegenüber dem Homo 25 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 357 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 370 27 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 371 26 11 Oeconomicus resistent lässt sich daraus schließlich ein Konflikt bezüglich der Stabilität der entsprechenden Modelltheorie folgern. Das neue Situationsmodell des Homo Oeconomicus verkörpert in diesem Sinne nun kein normatives Ideal mehr, wie laut Homann und Suchanek in der Vergangenheit von Kritikern missverstanden, sondern beschreibt den Konflikt des Machtpotenzial einzelner Individuen innerhalb der sozialen Situation einer Gemeinschaft.28 Dabei gilt die Asymmetrie von zugunsten der Defektion aufgrund der Grundstruktur von Interaktionen für jeden Akteur anhand der dilemmahaften sozialen Entscheidungssituation. Die moderne Ökonomie des Situationsmodells des Homo Oeconomicus umfasst somit die Theorie der Anreizwirkungen von Interaktionssituationen unter Berücksichtigung grundsätzlicher Dilemmastrukturen. 3.2 Kritik des heuristischen Modells des Homo Oeconomicus Die Untersuchung des heuristischen Situationsmodells des modernen Homo Oeconomicus nach Homann und Suchanek wirft im Hinblick auf die Postulierung einer normativen Ökonomik eine Reihe von Fragen hinsichtlich der Beschreibung einzelner methodologischer Eigenschaften des Theoriekonstrukts auf. Im Hinblick auf die eingehende Bemerkung der Komplexitätsreduzierung ergeben sich Probleme und Vorteile in der Durchführung oder Nutzen einer umfassenden Reduzierung der ökonomischen Problemstellungen auf normative Lehrsätze. Der Vorteil einer solchen Reduzierung zu Gunsten eines allgemeingültigen Prinzips ermöglicht einerseits die Anwendung eines normativen Instrumentariums von allgemeingültigen Definitionen, welche den Weg für eine gesetzmäßige Rhetorik der Wissenschaftstheorie innerhalb der Ökonomie ermöglichen könnten. Dies würde wie angedeutet von Homann und Suchanek den Bedarf nach normativen Strukturen füllen als Grundlage einer Ökonomik welche den Brückenschlag zwischen makro- und mikroökonomischen Ansätzen der Situationstheorie von Interaktionen erfüllen würde. In diesem Zusammenhang sind Theorieansätze der Mesoökonomik zu nennen welche mit Hilfe Verhaltensannahmen normativer und Verhaltensmodelle erlerntes Verhalten von spezifische mikroökonomische Individuen in den Kontext makroökonomischer Betrachtung und sozialökonomischer Fragestellungen stellt.29 Die zunehmende Bedeutung der Bewertung von ökonomischen Umweltfaktoren aufgrund der voranschreitenden Globalisierung der Weltwirtschaft führt zu einer Frage nach normativen 28 29 Vgl. Homann, K.; Suchanek, A. (2005) S. 373 Vgl. Elsner, W. (2006) S. 1ff 12 Analysemethoden der ökonomischen Umwelt. Die zunehmende Verbreitung interaktiver Netzwerke und interdependenter Gesellschaftsstrukturen in Form des Internet oder Ausdruck populärer gemeinschaftlicher Performance sind Resultate der zunehmenden Vernetzung internationaler und nationaler Entscheidungssituationen. Gesellschaftliche Problemstellungen sind daher nicht in der Irrationalität des Handelns zu suchen sondern aus der Tatsache der Interdependenz sozialer Handlungen von ökonomischen Akteuren und der zugrundeliegenden Zusammenhänge zu folgern.30 Die Bedeutung der Heuristik als Entwicklungsinstrument neuer Forschungsansätze beschreibt dabei den großen interdisziplinären Stellenwert hinsichtlich anderer Forschungsrichtungen wie der Sozialen Ökologie.31 Besonders als Methode für die Forschung in neueren ökonomischen Themenbereichen der Umweltökonomik oder Institutionsökonomik könnte ein solches Hilfsmittel neue Impulse für die Analyse von kollektiven und individuellen Fragestellungen geben. Andererseits ergeben sich jedoch auch Probleme in der Vereinfachung von Problemstellungen innerhalb dieses methodologischen Erklärungsansatzes. Das moderne Prinzip des Homo Oeconomicus als Heuristik führt hierbei zu einer angeblichen Vermeidung oder Ausgleich von beobachtungsinduzierten Verzerrungen der Realität.32 Aber wie von Homann und Suchanek angesprochen soll die Realitätsnähe genau jene Eigenschaft des heuristischen Situationsmodells darstellen, welche die eigentliche Erneuerung des Homo Oeconomicus bilden soll, jedoch verliert mit zunehmender Verallgemeinerung der methodologischen Annahmen auch das Prinzip der instrumentellen Situationsanalyse an Aussagekraft. Je weiter wir uns von ökonomischen Fragestellungen der beobachtbaren Realität entfernen desto weniger Verzerrungen erhalten wir, jedoch ebenso verlieren wir im Gegenzug an empirischer Beweiskraft des Analyseinstruments. Dieser paradigmatische Konflikt der Komplexitätsbeherschung muss daher wohlüberlegt gestaltet und hinsichtlich der einzelnen Formulierungen der situationsspezifischen Analysemodelle überprüft werden. In diesem Sinn werden weitere Problemstellungen offenbart, welche sich hinsichtlich der von Homann und Suchanek erwähnten Formulierung sozialer Problemstellungen als Explanandum ergeben. Die Einbettung der theoretischen Ergebnisse in die vorher abgeblendete Komplexität führt zu einem Konflikt der Überprüfung normativer Gesetze.33 Das Prinzip des methodologischen Instrumentalismus ignoriert in dieser Beziehung die Bedeutung normativer Lehrsätze. Die Falsifikation nach Popper findet in diesem Zusammenhang einen Konflikt aufgrund der 30 Vgl. Suchanek, A, (2000) S. 109 Vgl. Hunecke, M. (2006) S. 114 32 Vgl. Beensen, R. (1970) S. 15 33 Vgl. Köllmann, C. (2001) S. 7ff 31 13 beschränkten Entwicklungsfähigkeit statischer Gesetzesnormen, welche ohne Reflexion die Entwicklung neuer Erklärungsansätze und gerade die wissenschaftliche Forschung selbst hemmt. Die Bedeutung der Heuristik als Entwicklungsprinzip von neuen Hypothesen führt in diesem Kontext zu einer Optimierung von vielversprechenden Forschungsansätzen jedoch ist ihre Aussage für die Überprüfung von Verhaltensmodellen durchaus bestreitbar. 34 Die Immunisierung allgemeingültiger Gesetze aufgrund pragmatischer Gesichtspunkte führt zu aufgrund dessen zu einer Missachtung der empirischen Beweisführung. Auch Regeln und Gesetze müssen sich an der Erfahrung bewähren, auch wenn man in einem Falle von ihrer Fruchtbarkeit oder Zweckmäßigkeit, im anderen Falle von ihrer Wahrheit oder Bestätigung spricht.35 Hinsichtlich des Begriffs der Dilemmastruktur als Grundlage von Interaktionsproblemen ergibt sich die Frage nach dem richtigen Gebrauch dieses methodologischen Ansatzes. Die Akzeptanz der Dilemmastruktur als Generalnorm der Heuristik des Homo Oecnomicus führt in diesem Sinne zu einer Immunisierung der Hypothese des Erklärungsansatzes und führt dabei zu einer fehlenden Überprüfbarkeit aller folgenden Problemstellungen. Ohne die Überprüfung von Regeln führt dies zu einer Anarchie wissenschaftlicher Theoriekonstrukte und zu einer zunehmenden Verschlechterung ökonomischer Lehrsätze. 4. Zusammenfassung und Ausblick Die Entwicklung des Homo Oeconomicus von einem Verhaltensmodell der Ökonomie in Form eines anthropologischen Menschenbildes hin zu einer Heuristik der Dilemmastrukturen und Situationsanalyse ist eine Entwicklung die vielversprechende Möglichkeiten bietet jedoch ebensoviele Risiken beinhaltet. Während der traditionelle Ansatz des Homo Oeconomicus sich auf ein isoliertes Menschenbild beschränkt und hiermit willentlich Interdependenzen des Individuums so wie Externalitäten und ähnliche interaktive Einflussfaktoren ausblendet, ermöglicht dieser Ansatz eine eindeutige Interpretation von Handlungsalternativen in Entscheidungssituationen des Individuums. Dagegen bildet der Erklärungsansatz des Homo Oeconomicus als Heuristik die Möglichkeit der Modellierung eines Theoriekonstrukts einer modernen Situationstheorie auf Basis von Dilemmastrukturen hinsichtlich der Analyse von Interaktionen des Individuums. Gleichzeitig jedoch entstehen hinsichtlich dieses Modells neue Probleme der Überprüfbarkeit und empirischer Beweiskraft seiner normativen Gesetze aufgrund des methodologischen Charakters der Heuristik. 34 35 Vgl. Köllmann, C. (2001) S. 18 Vgl. Köllmann, C. (2001) S. 19 14 Die Zukunft des Homo Oeconomicus innerhalb dieses Kontexts, liegt sicherlich in der Spezifizierung seiner Aufgabenstellung. Als Testverfahren oder Forschungsschemata von sozialen Problemstellungen ist der Konflikt normativer Regeln geringer da diese Aufgabe der Funktion der heuristischen Modelltheorie entgegen kommt. Die Anwendung heuristischer Elemente ist besonders hinsichtlich der Betrachtung neuer ökonomischer Forschungstendenzen in Betracht zu ziehen. Die positive Eigenschaft der Heuristik, ökonomische Lehrsätze zu definieren und diese als modelltheoretisches Konstrukt in bestehende Themenbereiche zu integrieren kann zu einer stärkeren Evidenz ökonomischer Modelltheorien führen. Die Verbindung der individuellen mit der kollektiven Ebene des Handelns in Form von Dilemmastrukturen der Ökonomik bietet dabei nicht nur für die Ökonomie neue Möglichkeiten sondern auch alternativen Fachbereichen wie in der sozialen Ökologie beschrieben anhand der Verbindung von Selbstorganisation und methodologischer Ordnung.36 Der Produktion von Wissen als Aufgabe der Wissenschaft kann in der modernen Informationsgesellschaft eine neue Struktur der systematischen Grundlage von Analyseverfahren zur Seite gestellt werden. Die Auswahl jener Modelle wie die des Homo Oeconomicus spielt dabei eine entscheidende Rolle in der Gestaltung dieser Systeme. Inwiefern der Homo Oeconomicus selbst als heuristisches Analyseverfahren sinnvoll eingesetzt werden kann müsste anhand von empirischen Studien hinsichtlich einzelner Aufgabenstellungen überprüft werden. Die Bewertung der ökonomischen Umwelt von Auslandsmärkten anhand dieses instrumentellen Modells wäre nur eine Idee sich diesen neuen Erklärungsansatzes zu Nutze zu machen. Eine Überprüfung von Gesetzen und Institutionen anhand des Homo Oeconomicus von Homann und Suchanek würde dazu dienen ökonomische Problemfelder aufzudecken und ökonomische Lösungsansätze zu finden. Die Entwicklung des Homo Oeconomicus als Heuristik ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Das Problem der Überprüfbarkeit und der anscheinenden Immunität des methodologischen Erklärungsansatz führt zu einem anhaltenden Konflikt zwischen alternativer Theorieansätze und beschriebenen Dilemmastrukturen als Grundlage von interdependenten Entscheidungssituationen. Inwiefern sich dieser Erklärungsansatz in der wissenschaftlichen Diskussion behaupten kann wird sich zeigen. 36 Vgl. Hunecke, M. (2006) S. 116 15 Literaturverzeichnis Beensen, Reimar (1970): „Komplexitätsbeherschung in den Wirtschaftswissenschaften“, Berlin Elsner, Wolfram (2006): „Why Meso? – Why and How the Meso Level is the Aggregate Level Proper in Evolutionary Economics“, Bremen Homann, Karl; Lütge, Christoph (2005): „Einführung in die Wirtschaftsethik“, 2. Korrigierte Auflage, Münster Homann, Karl; Suchanek, Andreas (2005): „Ökonomik – Eine Einführung“, 2. überarbeitete Auflage, Tübingen Hunecke, Marcel (2006): „Eine forschungsmethodoligische Heuristik zur sozialen Ökologie“, München Kirchgässner, Gebhard (1991): „Homo Oeconomicus“, Tübingen Kirsch, Werner (1983): „Theorie der Individualentscheidung: Von der Rationalitätsanalyse zur Psycho-Logik der Problemhandhabung“ in: Holler, Manfred J.: „Homo Oeconomicus I“, München, Seite 21 - 35. 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