Unterschiede zwischen L - Atlas of European Values

Werbung
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
Unterschiede zwischen Ländern: der Einfluss von Alter,
Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
Inge Sieben und Loek Halman (Tilburg University)
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
Bei den Länderkarten des Atlas of European Values werden vor allen Dingen die
Unterschiede zwischen den Ländern betont. Es gibt aber auch große Unterschiede innerhalb
eines Landes, z. B. zwischen Alten und Jungen, Männern und Frauen, Menschen mit hohem
oder niedrigen Ausbildungsniveau, Menschen, die religiös sind oder nicht und Menschen,
die auf dem Land oder in der Stadt wohnen.1 In diesem Text wird auf die Unterschiede in
Werteauffassungen innerhalb der Länder eingegangen, und dann in Bezug auf die Themen
Familie, Gesellschaft, Religion und Arbeit.
Im Allgemeinen kann man bei allen Themenbereichen zwischen
„modernen“ und „traditionellen“ Werten unterscheiden. „Traditionelle“ Wertvorstellungen
basieren auf religiösen und konventionellen Werten und sind an Respekt vor Autoritäten,
materialistischen Orientierungen, traditionellen Familien- und Geschlechterrollen, weniger
Toleranz gegenüber Out-Groups und einer Betonung der Arbeit (hart arbeiten) verbunden.
Bei
„modernen“
Werten
werden
dahingegen
Autonomie,
Freiheit
für
individuelle
Entscheidungen und persönliches Glück betont. An diese Werte sind ein größeres Vertrauen
in Mitmenschen und mehr Fürsorge für die Umwelt verbunden.
Hierbei ist es wichtig zu vermelden, dass der Ausdruck „modern“ kein
Werturteil beinhaltet (in dem Sinne, dass moderne Werte von einer weiteren Entwicklung
zeugten), sondern ein Begriff ist, um anzugeben, dass manche Werte liberaler, weniger
konservativ und weniger traditionell sind als andere. Ob das gut oder schlecht ist steht hier
nicht zur Debatte.
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
1
Es gibt auch Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen eines Landes. Die werden
in einem anderen Text erklärt.
2
Alter
Jugendliche haben in einer Gesellschaft durchschnittlich „modernere“ Wertvorstellungen als
ältere Menschen. Sie sind weniger religiös, toleranter in sexual-ethischen Fragen, wie z. B.
Scheidung, Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch und Euthanasie. Auch Haben sie
weniger traditionelle Rollenbilder was Mann-Frau-Verhältnisse angeht. Die Beziehung
zwischen Alter und Wertvorstellungen kann zwei mögliche Erklärungen haben: den Effekt
der Geburtskohorte und den Effekt der Lebensphase. Der Effekt der Geburtskohorte
verweist darauf, dass ältere Menschen in einer anderen historischen Periode mit
spezifischen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verhältnissen geboren wurden. Es
wird angenommen, dass dieses Sozialisationsumfeld einen großen Einfluss auf die Werteund Normvorstellungen einer Person haben. Nach Inglehart (1911, 1997) haben Menschen,
die in Zeiten wirtschaftlichen Mangels und wirtschaftlicher Unsicherheit aufwachsen (die
älteren Kohorten), vor allem Wertvorstellungen, die auf das Überleben ausgerichtet sind, z.
B. auf wirtschaftliches Wachstum fixiert zu sein, materialistische Orientierungen und
konservative
Ideen.
Junge
Leute
wachsen
dahingegen
unter
den
Bedingungen
wirtschaftlicher und physischer Sicherheit auf (z. B. hoher wirtschaftlicher Wohlstand). Sie
verändern ihre Wertvorstellungen und betonen mehr subjektives Wohlergehen und
Lebensqualität.
Das
bedeutet,
dass
die
jüngeren
Kohorten
vor
allen
Dingen
Postmaterialismus und Selbstverwirklichung, die mehr modernen Werte betonen. Mit
anderen Worten: die Wertvorstellungen einer Person werden geprägt durch die Periode, in
der man aufwächst (Kinderzeit und frühe Adoleszenz). Wenn diese sich erst einmal
herausgebildet haben bleiben sie relativ stabil und verändern sich im späteren Leben kaum.
Die Perspektive der Lebensphase dahingegen geht davon aus, dass
Menschen ihr ganzes Leben lang offen sind für die Veränderung ihrer Wertvorstellungen.
Dieser Auffassung nach sind ältere Menschen ‚traditioneller‘ wie sie sich in einer anderen
Lebensphase mit den dazugehörigen Rollen
befinden. So können ältere Leute z. B.
religiöser als Jugendliche sein, weil sie sich mehr mit Sachen wie Sterblichkeit beschäftigen
angesichts der Tatsache, dass sich ihr eigenes Lebensende nähert. Auch denkt man, dass
z. B. die Ehe und Kinder zu traditionelleren Einstellungen führen, weil die Familiengründung
zu mehr Verantwortlichkeit führt. Menschen wollen ihre Familie nicht nur beschützen, sie
wollen auch ihren Status Quo behalten, wenn sie in ihrer Berufslaufbahn Karriere machen
und mehr materielle Besitztümer erwerben. All diese neuen Verantwortlichkeiten und sich
verändernde soziale Interaktionsmuster sorgen dafür, dass wir konservativer werden und
traditionellere Wertevorstellungen entwickeln.
3
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
Geschlecht
Die Beziehung zwischen Geschlecht und ‚traditionellen‘ und ‚modernen‘ Wertvorstellungen
ist nicht so deutlich, wie die anderen Unterschiede, die hier beschrieben werden. Einerseits
sehen
viele
Forscher,
autoritätsgläubiger
dass
sind.
Das
Frauen religiöser
würde
sind
bedeuten,
als
Männer
dass
Frauen
und
dass
sie
‚traditionellere‘
Wertvorstellungen als Männer haben. Andererseits sind Frauen aber solidarischer, haben
mehr Vertrauen und sind toleranter als Männer. Diese Orientierungen stehen mehr mit
‚modernen‘ Wertvorstellungen in Zusammenhang. Die Erklärungen, die hierfür gegeben
werden sind z. B. unterschiedliche Sozialisationsmuster, biologische Unterschiede zwischen
Männern und Frauen und Persönlichkeitsunterschiede. ‚Nature‘ und ‚Nurture‘ sind aber so
sehr mit einander verwebt, dass sie analytisch schwer auseinanderzuhalten sind. Was
Forscher wohl herausgefunden haben (so wie Beutel & Marini, 1995) ist, dass Frauen
intensiver als Männer sorgen, sowohl zuhause wie auch auf der Arbeit, was dazu führen soll,
dass sie geeigneter sind, verschiedene Rollen anzunehmen, ebenso wie sich in die
Perspektive eines anderen hineinzuversetzen, um dessen Gedanken, Absichten und
emotionale Reaktionen zu verstehen. Frauen erzielen höhere Ergebnisse auf dem Gebiet
der Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Mehr als Männer sind sie bereit, Unterschiede zwischen
sich und anderen (z. B. Menschen andere Rasse oder Herkunft, Menschen mit anderen
sexuellen Orientierungen) zu negieren und haben ein großes Verantwortungsgefühl
gegenüber denen, die es in der Gesellschaft weniger gut getroffen haben. Mannen sind
dahingegen mehr auf Wettbewerb eingestellt und finden Status wichtiger als Frauen. Das
bedeutet, dass Frauen öfter postmaterialistischer Wertvorstellungen haben und toleranter
sind, weil sie soziale Unterschiede weniger wichtig als Männer finden.
Eine andere Theorie, die die Unterschiede zwischen Männern und
Frauen erklären kann, richtet sich auf die Unterschiede in der Arbeitsmarktteilnahme. Mehr
Männer als Frauen haben bezahlte Arbeit, während Frauen sich mehr mit dem Haushalt und
der Kinderbetreuung beschäftigen. Jemand, der auf dem Arbeitsmarkt aktiv ist, lernt andere
Denk- und Verhaltensweisen, alternative Ideen, Wertvorstellungen, Sitten und Bräuche
kennen und wird darum auch mehr Offenheit für ‚modernere‘ Sichtweisen entwickeln.
Frauen, die sich um den Haushalt, die Kinder und den Ehemann kümmern werden weniger
mit neuen Ideen konfrontiert und werden darum traditioneller in ihren Wertvorstellungen
bleiben. Den Anhängern dieser Theorie zufolge werden die Unterschiede zwischen Männern
und Frauen langsam verschwinden, weil immer mehr Frauen in Europa während der letzten
Jahrzehnte auf dem Arbeitsmarkt aktiv geworden sind, mit als Folge, dass sie die gleichen
Erfahrungen machen wie die Männer. Die Wertvorstellungen der Frauen werden denen der
Männer also immer ähnlicher.
4
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
(Aus-)Bildungsniveau
Im Allgemeinen haben Menschen mit einem höheren Bildungsniveau ‚modernere‘
Wertvorstellungen
als
Menschen
mit
niedrigerem
Bildungsniveau,
weil
Bildungseinrichtungen für liberalere Auffassungen (Hyman & Wright, 1979) sorgen. Durch
didaktische und soziale Lehrprozesse übertragen höhere Bildungseinrichtungen direkt
tolerantere Wertvorstellungen auf die Schüler und Studenten. Mehr indirekt sorgt Bildung
dafür, dass man einen weiteren Blick auf die Welt bekommt. Bildung hilft Studenten, sich
persönlich und kognitiv zu entwickeln, was ihr Wissen über die Gesellschaft und die
Fähigkeit komplexere Sachverhalte zu meistern, steigert. Hierdurch lernen sie, sowohl eine
kritische Haltung als auch eine mehr ausgewogene Betrachtungsweise anzunehmen. Neben
dieser ‚liberalisierenden‘ Erfahrung des Unterrichts selber hängt das Bildungsniveau auch
von allerlei sozialen Erfahrungen ab, die die Wertvorstellungen beeinflussen. Im Vergleich
zu Menschen mit wenig Bildung reisen gebildete Menschen z. B. mehr und sind sie aktiver in
zahlreichen Organisationen und Vereinen. Hierdurch können sich auch mehr liberale und
‚modernere‘ Wertvorstellungen entwickeln. Das bedeutet, dass Menschen mit mehr Bildung
toleranter gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, Homosexuellen und anderen
Minderheitengruppierungen in der Gesellschaft sind. Sie sind auch öfter Anhänger
alternativer Familienformen, der Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, religiöse Diversität,
Umweltschutz, intrinsischen Werteorientierungen in Hinsicht auf Arbeit, wie z. B. eine
interessante Arbeit haben wollen, bei der man sich entwickeln kann.
Einkommen
Menschen aus höheren Einkommensgruppen haben ‘modernere’ Wertvorstellungen als
Menschen mit niedrigerem Einkommen. Diese Ergebnisse stimmen überein mit der
alleemeinen Aussage, die Inglehart (1977) gemacht hat, nämlich dass wirtschaftliche
Sicherheit dafür sorgt, dass Menschen Postmaterialismus und Selbstverwirklichung betonen,
was wiederum mit Autonomie, Entscheidungsfreiheit, viel Toleranz und Vertrauen
zusammenhängt. Denn Menschen mit einem hohen Einkommen brauchen nicht ums
Überleben zu kämpfen. Die Basisbedürfnisse wie z. B. Nahrung, Wohnung und Sicherheit
sind befriedigt und können als selbstverständlich beschaut werden. Hierdurch entsteht
Raum für andere, höhere Bedürfnisse, wie z. B. Zuneigung, Selbstverwirklichung und
Lebensqualität. Wenn Menschen, die tagtäglich ums Überleben kämpfen müssen und nicht
sicher sind, was morgen passiert, dann können diese z. B. Diversität als bedrohen erfahren,
wodurch sie an traditionellen Wertvorstellungen festhalten. Menschen mit genügend
Wohlstand können sich eher erlauben, neue Ideen zu tolerieren. Sie akzeptieren darum eher
gleiche Rechte für Frauen, Ausländer, Homosexuelle und andere Mitglieder von
5
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
sogenannten Out-Groups. Das schlägt sich auch in den Wertvorstellungen bezüglich Arbeit
nieder. Menschen mit höherem Einkommen betonen mehr intrinsische Wertvorstellungen als
Menschen mit niedrigem Einkommen, ganz einfach weil für sie die extrinsischen Faktoren
schon auf einem hohen Niveau sind. Hierdurch können sie sich auf die inhaltlichen Aspekte
einer Arbeit richten: ist die interessant, herausfordernd, kann man sich weiter entwickeln?
Religion
Viele Religionen (darunter das Christentum, Judentum und der Islam) betonen ‚traditionelle‘
Wertvorstellungen, so wie z. B. Gehorsamkeit, Ehe, Kinder kriegen, traditionelle Mann-FrauRollen und (hart) Arbeiten. Auch wenn das Ausmaß, in dem diese Aspekte ausgetragen
werden von der spezifischen Glaubensrichtung abhängt, so geht es doch um eine deutliche
Botschaft, die alle diese Religionen verbreiten und die in religiösen Texten, Diensten und
anderen Aktivitäten wiederholt wird. Daneben bieten Dienste die Möglichkeit, andere
Gläubige mit demselben Hintergrund zu treffen. Zur Kirche/Moschee/Synagoge gehen kann
somit die soziale Interaktion fördern mit Menschen, die die gleichen religiösen Ideen und
traditionellen Auffassungen über Familie, Kinder und Frauenrollen teilen. So verstärken
diese Netzwerke die religiösen und traditionellen Normen. Hierdurch entwickeln Gläubige,
vor allem wenn sie oft die Kirche/Moschee/Synagoge besuchen und die Wertvorstellungen
ihrer Religion internalisieren, traditionellere Wertvorstellungen als Menschen, die nicht
religiös sind. .
Stadt gegenüber Land
Zum Schluss denkt man, dass Menschen, die in städtischen Gebieten leben, ‚modernere‘
Wertvorstellungen entwickeln, weil sie in Gebieten mit einer großen Bevölkerungsdichte und
sozialer Heterogenität wohnen. Allport (1954) entwickelte eine Kontakttheorie, die davon
ausgeht, dass Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen eine effektive Weise ist um
Toleranz zu vergrößern. Wenn Menschen die Chance bekommen mit anderen zu
kommunizieren, dan sind sie eher in der Lage andere Lebensweisen bezüglich vielerlei
Aspekte (z. B. Religion, Familie, Arbeit) zu verstehen und zu wertschätzen. Hierdurch
würden Vorurteile verschwinden. Das bedeutet, dass die Einwohner einer großen Stadt
wahrscheinlich toleranter sind als Menschen, die auf dem Land wohnen.
6
Der Einfluss von Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, Religion, Einkommen und
Verstädterungsgrad auf Werte
Eine andere Theorie koppelt Stadt-Land an die soziologischen Konzepte „Gesellschaft“ und
„Gemeinschaft“ (Tönniës, [1887] 1955). In der Gemeinschaft richten sich die Individuen auf
das größere Kollektiv anstatt auf den Eigennutz. Eine solche Gemeinschaft wird
gekennzeichnet durch starke persönliche Beziehungen und soziale Kontrolle. Gemeinschaft
wird darum oft an ländliche, traditionelle Gebiete mit traditionellen Wertvorstellungen
gekoppelt. Gesellschaft dahingegen bedeutet, dass Menschen aus Eigennutz handeln.
Menschen in großen Städten sind weniger miteinander verbunden, sind in hohem Maße
individualistisch
und
finden
darum
Unabhängigkeit,
Entscheidungsfreiheit
und
Selbstverwirklichung wichtiger.
Die Diffusionstheorie sagt, dass Modernisierung in einem Schmelzfass der Kulturen beginnt,
so wie z. B. große Städte. Kulturelle Merkmale und Phänomene verbreiten sich dann
langsam in die mehr ländlichen Gebiete aus (Kroeber, 1963). Darum kann eine kulturelle
Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten erwartet werden (Ogburn, 1950).
Volgens de diffusietheorie begint modernisering in een smeltkroes van culturen, zoals de
grote steden. Culturele kenmerken en fenomenen verspreiden zich dan langzaam naar de
meer rurale gebieden (Kroeber, 1963). Daarom kan er een culturele kloof verwacht worden
tussen stedelijke en landelijke gebieden (Ogburn, 1950).
Literatur
Allport, G.W. (1954). The Nature of Prejudice. Reading, MA: Addison-Wesley.
Beutel, A.M & Marini, M.(1995). Gender and Values. American Sociological Review, 60 (3):
436-448.
Hyman, H.H. and Wright, C.R. (1979). Education’s Lasting Influence on Values. Chicago:
University of Chicago Press.
Inglehart, R. (1977). The Silent Revolution: Changing Values and Political Styles among
Western European Publics. Princeton, NJ: Princeton University Press.
Inglehart, R. (1997). Modernization and Postmodernization. Princeton, NJ: Princeton
University Press.
Kroeber, A.L. (1963). Anthropology, Culture Patterns and Processes. New York: Burlingame.
Ogburn, W.F. (1950). Social Change with Respect to Culture and Original Nature. New York:
Viking Press.
Tonniës, F. ([1887] 1955). Community and Association, London: Routledge & Kegan Paul
7
8
This project has been funded with support from the European Commission. This publication reflects the
views only of the author, and the Commission cannot be held responsible for any use which may be made
of the information contained therein.
Herunterladen