weiter zum - Europa Union Vechta

Werbung
Dr. Helmut Gross
30.09.2015
Die Zukunft der Europäischen Union
Am 25.9. hielt der jetzige Europa-Abgeordnete und frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister im Ratssaal der Stadt Vechta vor etwa 100 Zuhörern einen Vortrag über dieses Thema. Er begann mit der Erwähnung, froh darüber zu sein, dass die Führungspersonen der Europa-Union und die Europapolitiker in den Parlamenten wieder stärker
miteinander in Kontakt sind. Dann rief er in Erinnerung: Die EU und zuvor die EWG sind
Erfolgsmodelle, wirtschaftlich und politisch. Es ist einzigartig, dass inzwischen 28 Mitgliedsstaaten unter freiwilligem Verzicht auf Teile ihrer nationalen Souveränität zusammenarbeiten. Und keines ihrer Hauptprobleme seit 2010, betonte er (die Finanz- und Wirtschaftskrise,
die besonders Griechenland beutelt, die Ukraine-Krise, die jetzigen starken Flüchtlingszuströme aus Südosten und Süden und die für 2016 vorgesehen Volksabstimmung in Großbritannien über einen Austritt aus der EU), seien in Brüssel entstanden.
Der Referent bedauerte, dass die Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung dieser Krisen uneins
seien, und zitierte dazu den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker: Es fehlt zur Zeit
an Europa, und es fehlt an Union. Deutschland sei da nicht auszusparen. Auch wir geben mit
unserem Handeln den Anderen manches Staunen auf. Und wir sollten sie von ihren Voraussetzungen her zu verstehen versuchen, anstatt schulmeistern zu wollen. Deutlich wird die
notwendige Gemeinsamkeit jetzt an der Flüchtlingspolitik: Diese kann nur dann gemeinsam
werden, wenn wir unsere Standards absenken (ein individuelles und gerichtlich überprüfbares Asylverfahren und unsere hohen Sozialleistungen), so dass die Anderen mithalten
können.
In vielen EU-Staaten gibt es jetzt anti-europäische Strömungen, besonders stark in Frankreich, England, Niederlande, Dänemark, Österreich und Ungarn. Bei der gemeinsamen Bewältigung der Flüchtlingsströme verhalten sich aber auch Tschechien, die Slowakei und
Rumänien abweisend. Und Griechenland und Italien lassen viele der bei ihnen Ankommenden unregistriert durchziehen. So können leider auch zwielichtige Gestalten unbemerkt
einreisen.
McAllister sprach die 10 Themenschwerpunkte an, die Juncker und sein 1. Vizepräsident
Frans Timmermans zusammengestellt haben – darunter als seines Erachtens wichtigste: Die
Digitalwirtschaft ist in der EU weit davon entfernt, gemeinschaftlich zu sein. Genauso fehlt
es an einer Energieunion, einer vertieften Währungsunion und einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern des Euro-Währungsverbunds sowie
vermehrter Anstrengungen für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei mache
schon der Lissabon-Vertrag die militärische Zusammenarbeit zwischen mehreren Mitgliedsstaaten möglich.
Das blame game sollte in der EU aufhören, sagte der Referent, und meinte damit, selbst für
eigene Interessen einzutreten und Andere für das gleiche Denken zu tadeln. Als Berichterstatter füge ich hinzu: Europa ist ein einheitlicher Kulturraum. Das schließt aber nicht aus,
dass die einzelnen Staaten verschiedene Ausprägungen dessen haben. Wenn man das weiß
und beachtet, dann kann man das Denken und Handeln einzelner EU-Mitglieder besser
verstehen und einschätzen.
In der Diskussion wurde mehrfach betont, dass es besser gewesen wäre, die EU hätte die
durch Syrienflüchtlinge hauptsächlich betroffenen Länder Jordanien, Libanon und Türkei
finanziell unterstützt als ihren Massenaufbruch nach Europa auszulösen. McAllister dazu:
Infolge ihrer Mittellage zwischen Orient und Okzident hat - bei notwendiger Kritik an ihr - die
Türkei zu Konfliktlösungen in der Region eine politische Schlüsselstellung.
In der Diskussion wurde weiter betont, dass es besser wäre, wenn die EU in den Krisenstaaten von Afghanistan bis Nigeria in Zusammenarbeit mit dort politisch Tätigen die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern hilft. Die EU steht ja dafür, sagte McAllister
abschließend, ein Beispiel dafür geschaffen zu haben, wie aus jahrhundertelangem Konfliktverhalten etwas Neues, nämlich ein politisches Friedens- und Wohlfahrtsmodell entstanden ist. Klar ist, dass sie jetzt ihre Außengrenzen besser schützen muss. Jean-Claude
Juncker habe daher in seiner Rede vor dem Straßburger Parlament am 9.9. angekündigt,
Frontex zum gemeinsamen operationellen Grenz- und Küstenwachsystem auszubauen.
Herunterladen