Rafal Zalech, Viola und Komposition Rafał Zalech, Porträt über Bratschist und Komponist Michael Lewe, freier Fachjournalist Der 1988 in Polen geborene Bratschist und Komponist Rafał Dominik Zalech ist ein außergewöhnlich begabter und weit über das durchschnittliche Maß hinaus engagierter Musiker, der mehrfach bei nationalen und internationalen Musik- und Kompositionswettbewerben ausgezeichnet wurde. Als Bratschist spielt er ein Instrument, dessen Klang sich im Orchester durch die obertonärmere Klangfarbe schwerer als z.B. Cello oder Geige durchsetzen kann und für das nur sehr wenige wirkliche Meisterwerke der Klassik zur Interpretation bereitstehen. Darüberhinaus komponiert er Elektro-Akustische Musik, die in Klang und Struktur unseren kulturellen Mustern und Hörgewohnheiten oft radikal widerspricht, ohne die es jedoch Musik in ihrer heutigen Form und Vielfalt kaum gäbe. Rafał Zalech meistert diese Herausforderungen, öffnet in seinen Kompositionen neue Räume für Klangfarbe und – Erzeugung, gibt der Bratsche eine ebenso ausdrucksstarke wie berührende Stimme und kann sie dort, wo es erforderlich ist, durch sein exzellentes Spiel auch als Soloinstrument über den vielzitierten Klangteppich der Streicher erheben. Nach seinem Schulabschluss an der Karol Szymanowski Hochschule (Diploma with distinction / Viola) setzt er seine Ausbildung an der Karol Lipinski Academy of Music in Wroclaw (Breslau) fort bei Prof. Zbigniew Czarnota (Viola) und Prof. Grazyna Pstrokonska-Nawratil (Komposition) und schließt hier ebenfalls mit Auszeichnung ab (Master of Arts with distinction). Seit 2009 studiert Rafał Zalech an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien das Konzertfach Viola (bei Prof. Wolfgang Klos) mit Schwerpunkt Neue Musik sowie Elektro-Akustische Komposition (Prof. Karlheinz Essl) und Kammermusik (Prof. Johannes Meissl). Als Bratschist vertieft und erweitert er seine Fähigkeiten in Meisterkursen bei Morton Carlsen, Stefan Kamasa, Piotr Raichert (Klassisches Standardrepertoire Viola), Olga Arzilli (Viola solo) und Dimitrios Polisoidis, Garth Knox (Neue Musik für Viola). Als Komponist entwickelt er Können und Wissen in Meisterkursen bei Georg Friedrich Haas, Osvaldas Balakauskas, Jan van Landeghem, Beat Furrer und Tadeusz Wielecki weiter – vom Methodenkanon der klassischen Kompositionslehre bis zu den technisch hochentwickelten Tools der Kompositionsavantgarde. Rafał Zalech zeigt als Collaborative Artist und Partner in der Kammermusik, dass er dem klangästhetischen Anspruch der klassischen Kammermusik ebenso gewachsen ist wie den vielschichtigen Anforderungen der Neuen und vor allem der Elektro-Akustischen Musik. Sein Spiel überzeugt auch bei schwierigsten Passagen durch klangliche Exzellenz und beweist einmal 1 Rafal Zalech, Viola und Komposition mehr, dass das Potenzial der Bratsche deutlich über „Begleitung“ und Ausführung von harmonischen „Füllstimmen“ im Orchester hinausgeht. Sowohl in seiner Ausbildung als auch bei seinem Mitwirken in den Ensembles für Neue Musik im Rahmen diverser Konzert-, Theater-, Opernund Stummfilmprojekte folgt Rafał Zalech seinem Ziel, Komposition und Spiel, Klassik und andere Musikstile miteinander zu verbinden. Dabei schreibt und spielt er nicht für die „Klangfabrik“, sondern setzt bewusst auf den musikalischen Diskurs in Komposition und Klang, entwickelt in seinen Werken auch jenseits der gewohnten Klangfarben und Strukturen einen eigenen Modus der Verständigung mit dem Publikum. Man spürt in seiner Musik, dass er nicht nur über Details von Formen und Techniken, sondern auch über Hör- und Musikgewohnheiten nachdenkt und die tieferen Gründe musikalischer Arbeit reflektiert. Im Rahmen von Kammermusikprojekten konzertiert er u.a. mit Klangforum Wien, Phace Ensemble, Fukio Saxophonquartett und dem MAURICE QUARTETT. Als Mitgründer der Trip-Hop-Band DIGIT-ALL-LOVE, mit der er im Zeitraum von 2007 bis 2009 mehr als 50 Konzerte spielte produziert er u.a. die sehr erfolgreiche CD DIGITALLLOVE. Als Gastmusiker erschien Rafał Zalech auf mehreren CD Alben. Rafał Zalech bewegt sich in der feinsinnigen Klangwelt klassischer Musik ebenso sicher wie in der oft zerrissenen Virtuosität der Neuen, insbesondere der Elektro-Akustischen Musik. In seinem Verständnis sind technische Perfektion, dynamische Abstufungen und tonale Präzision nicht mehr Ziel eines einzigartigen Orchesterspiels sind, sie sind dessen Ausgangspunkt, ermöglichen jedem Musiker innere Freiheit und eben mitreißendes Musizieren in der Gemeinschaft. Dass Rafał Zalech den musikalischen Dialog mit anderen Instrumenten sicher führt, dabei Teamgeist, Einfühlungsvermögen und umfassendes Verständnis für das symphonische Geschehen in die orchestrale Arbeit einbringt, bestätigt auch seine Substituten Tätigkeit. So spielt er in renommierten Ensembles und Orchestern wie Klangforum Wien, Phace, Wroclaw Philharmonie, sowie im Ensemble XX. Jahrhundert, Breslauer Leopoldinum Chamber Orchestra. 2010 ist Rafal Zalech Stimmführer der Bratschengruppe des Webern Sinfonie Orchester beim Konzert Musique Mechanique im Technischen Museum und im großen Sendesaal des Radiokulturhauses in Wien. Rafał Zalech, der neben seiner Muttersprache polnisch, fließend englisch und deutsch spricht, war 2010 Stipendiat der Stadt Breslau und erhielt 2012 das Josef Windisch Stipendium für junge begabte Studierende im Instrumentalstudium. Im Zeitraum 2012/2013 war er Stipendiat der Stiftung Dr. Robert und Lina Thyll-Dürr/Schweiz. 2 Rafal Zalech, Viola und Komposition Statements zu meinem Beruf als Violist und Komponist „Ich bin der Auffassung, dass die Lücke zwischen Pop-Musik und Experimenteller Musik zu groß ist. Die Experimentelle Musik nimmt dagegen die Klassik zu stark auf, distanziert sich zu sehr vom Pop. Möglicherweise traut man sich zu wenig, „vorhersehbare (predictible) Musik“ zu schreiben bzw. in Unterricht/Studium umzusetzen, weil hier eher konservative Auffassungen dominieren, nach denen Popmusik keinen Platz in der experimentellen Musik habe.“ „Als Bratschist und Komponist empfinde ich es äußerst belebend und als Privileg, mich intensiv mit völlig entgegengesetzten Musiken zu befassen, ohne mich auf eine Richtung festzulegen oder ausschließlich das Musikrepertoire zwischen 1750 und 1950 spielen zu müssen.“ „In den verschiedenen Epochen sind verschiedene Schwerpunkte für Komposition und Spiel wirksam: Klangschönheit ist z.B. in der Klassik und Romantik absolute Priorität für die Komposition, das Spiel und die Akzeptanz durch das Publikum. Neue Musik legt dagegen ein weit größeres Spektrum an Klangmöglichkeiten frei, bis hin zu Klängen, die in der Klassik mit Sicherheit für „Körperverletzung“ gehalten würden, heute jedoch in bestimmten Musiken selbstverständlich sind.“ „Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino, der mit 80 Jahren eine Musik schreibt, die leise, überaus atmosphärisch und filigran, eben klassisch ist und zugleich für eine neue Musiksprache steht, gehört ebenso zu meinen Vorbildern wie Penderecki, der als Komponist zukunftsweisende Experimente in den fünfziger und sechziger Jahren machte, die es bis heute zu verarbeiten gilt.“ „Ich will kein Buch über meine Musik schreiben müssen, sondern Wirkung und Reflexion meiner Komposition im Publikum.“ „Natürlich will ich mit meinen Kompositionen auch Fragen induzieren: wie viel Auflehnung oder Verunsicherung darf zeitgenössische Musik in sich tragen? Wie verhalten sich Form und Tiefe der Musik zueinander? Fürchten oder mögen wir die Darstellung von Gefühlslagen wie Wut, Enttäuschung, Einsamkeit durch die Musik?“ „Der Rückzug in den „Elfenbeinturm“ des Künstlers macht einsam, ist für mich daher keine Option. Gesellschaftliches und kulturpolitisches Engagement ist eine der Brücken zum Publikum und hat Tradition. Bereits 3 Rafal Zalech, Viola und Komposition vor 200 Jahren wurde gefordert, Musiker an den notwendigen Gegenständen in den Sprachen Italienisch und Deutsch, in Mathematik, Geographie, Naturgeschichte, Metrik, Ästhetik sowie – man höre und staune – in der Mythologie und Religionslehre auszubilden, um tüchtige und (vor allem) verständnisvolle Musiker zu bilden.“ „Vor allem in der Elektro-Akustischen Musik gibt es viel zu entdecken und zu lernen, denn Neues entsteht weniger dort, wo Gewohntes zu hören ist und kulturelle Muster die Orientierung leicht machen, sondern eher, wo z.B. Unerwartetes in Klang und Rhythmus auftaucht.“ „Obwohl so berühmte Persönlichkeiten wie Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Antonin Dvorak oder Paul Hindemith Bratsche spielten und z.B. Hector Berlioz ihrem Klang Leidenschaft, Wärme und Tiefe zuschrieb, bleibt es eine Tatsache: die Bratsche gehört nicht unbedingt zu den Instrumenten, die es einem Musiker leicht machen, seinen Lebensunterhalt komfortabel zu gestalten oder gar problemlos eine glanzvolle Solistenkarriere zu machen.“ „Technisches Können, Kondition und Werkverständnis sind wichtig, aber nicht alles. Wer in Wettbewerben und Konzerten erfolgreich sein will, braucht Ausstrahlung, Bühnenpräsenz und gesundes Selbstbewusstsein. Eigenwillige Musiker, die auch mal anecken, das musikalische Risiko suchen und auf hohem Niveau spielen, haben meiner Meinung nach Zukunft.“ Weblinks: http://www.zalech.com http://www.youtube.com/user/rafalzalech http://www.soundcloud.com/rafa-zalech [email protected] 4