Rede Stefan Engstfeld zur Einsetzung Verfassungskommission

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Rede Stefan Engstfeld MdL im Landtag NRW am 11.07.2013
Einsetzung einer Kommission zur Reform der NordrheinWestfälischen Verfassung (Verfassungskommission)
Drucksache 16/3428
Anrede
Heute beschließen wir gemeinsam die Einsetzung einer Kommission
zur Reformierung unserer Verfassung. Wir tun dies in dem Bewusstsein und mit Respekt vor der Tatsache, dass sie - seit gestern genau 63 Jahren eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des demokratischen Nordrhein-Westfalens gespielt hat. Sie hat mit dazu beigetragen - und das finde ich besonders erwähnenswert -, dass sich nach
dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie eine „nordrhein-westfälische
Identität“ entwickeln konnte.
Ansprache
Damit dieses „Identitätsstiftende“ nicht schleichend an Wirkung verliert und damit unser Verfassungsrecht weiterhin Strahlkraft entwickeln kann, die letztlich den staatsbürgerlichen Zusammenhalt der
Bürgerinnen und Bürger in NRW stärken soll, werden wir also ab heute gemeinsam überprüfen, ob der fortgeschrittene gesellschaftliche
Wandel - der sich seit 1950 bis heute ereignet hat -noch hinreichend
von ihr abgebildet wird.
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Diese Überprüfung erstreckt sich aber zunächst nur auf ihren dritten
Teil unserer Verfassung, der von den Organen und den Aufgaben des
Landes handelt.
Wir werden uns innerhalb der Kommission also erst einmal mit Themen beschäftigen, die in Bezug zu unserer politischen, demokratischen Kultur in NRW stehen.
Ansprache
Ich verspreche mir von der intensiven Befassung mit diesen Themen
einen echten Schub - eine Vitaminspritze - für unser demokratisches
System in NRW.
Denn gerade auch der dritte Teil hat einiges zu bieten.
Mit dem rasanten und inzwischen weit fortgeschrittenen digitalen
Wandel haben sich für die Bürgerinnen und Bürger des Landes NRW
neue, technische Möglichkeiten der politischen Informationsgewinnung eröffnet.
Dass der politische Alltag damit verstärkten Eingang in das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger gefunden hat, ist Tatsache. Das kann
leicht anhand der unzähligen täglichen Kommentare auf Onlineportalen und in sozialen Netzwerken nachvollzogen werden.
Der Ruf nach Transparenz von politischen Entscheidungen und der
demokratischen Partizipation daran wird lauter, so dass auch die in
der Verfassung vorgesehenen plebiszitären Instrumente dahingehend
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zu untersuchen sind, ob sie den Partizipationswünschen der Bevölkerung noch hinreichend Rechnung tragen.
Uns Grüne interessieren in der Kommissionsarbeit besonders folgende Fragestellungen:
 Ist das auf 18 Jahren festgesetzte Wahlalter zum aktiven und
passiven Wahlrecht noch zeitgemäß?
 Können Beteiligungsrechte der Bevölkerung an der Politik ausgebaut werden?
 Beziehungsweise: Sind die bestehenden Zugangshürden für
Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide herab zu
setzen?
 Gibt es verfassungsmäßige Bedenken dagegen, die politische
Partizipationsmöglichkeiten von bei uns in NRW lebenden Bürgerinnen und Bürgern aus der EU auf Landesebene auszubauen?
Ansprache
Anlässlich der Entwicklungen des Föderalismus und des zusammenwachsenden Europas sind auch Fragen nach den parlamentarischen
Mitwirkungsmöglichkeiten Nordrhein-Westfalens auf beiden Ebenen
zu beleuchten.
Es ist zu überprüfen, ob mit diesen Entwicklungen eine Stärkung der
parlamentarischen Rechte einhergehen müsste, um einem eventuellen Verlust an demokratische Mitsprachemöglichkeiten auf national3
staatlicher Ebene als auch bei der Einbindung in den europäischen
Rechtssetzungs- und Entscheidungszug, entgegen zu wirken.
Dass wir in dem Rahmen der Verfassungskommission gemeinsam an
der Ausgestaltung und Umsetzung der Schuldenbremse arbeiten
werden, kann der Herausbildung einer interfraktionellen Verantwortung für einen ausgeglichenen Haushalt ohne Kreditaufnahme nur
dienlich sein.
Ansprache
Wir Grüne hoffen sehr darauf, dass der Arbeitsprozess von einem
Höchstmaß an Transparenz gekennzeichnet ist und von der interessierten Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt werden kann.
Und wir werden uns dafür einsetzen, dass effektive niederschwellige
Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger bereitgestellt
und auch genutzt werden.
Ebenfalls von besonderer Bedeutung ist für uns Grüne die Fragestellung, ob über die Ergebnisse am Ende des Arbeitsprozesses nicht ein
Referendum, also eine Abstimmung aller wahlberechtigter Bürgerinnen und Bürger durchgeführt werden sollte.
Von der Bereitstellung dieses Mittels der direkten Demokratie versprechen wir uns positive Resonanz bei der Mehrzahl der Nordrheinwestfalen und gleichzeitig eine Durchbrechung vorhandener politikverdrossener Grundeinstellungen bei viel zu vielen Menschen in unserem Land.
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An dieser Stelle will ich der Kommission aber nicht vorgreifen, hoffe
aber auf eine rege und fruchtbare Diskussion über dieses Thema.
Es geht uns also bei der uns bevorstehenden Kommissionstätigkeit
keineswegs um „zeitgeistigen“ Modernismus, sondern um eine gemeinsame inhaltliche Überarbeitung - gerade auch im Zusammenwirken mit der interessierten Öffentlichkeit - , die Bewährtes achtet,
aber Rechtsentwicklungen und neue Werteentscheidungen in Verfassungsrecht gießt. Denn auch höchstrangiges Landesrecht muss in gewissen Abständen einer Revision unterzogen werden, damit gar nicht
erst die Gefahr entsteht, dass es irgendwann einmal komplett an gesellschaftlichen Realitäten vorbei geht.
Vielen Dank!
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