Hypp Hyperkaliämische Periodische Paralyse (HYPP) Symptome Bricht die HYPP aus, kann es immer wieder zu unvorhersehbaren Anfällen von Muskelschwäche kommen. Plötzlich zittern, zucken oder flattern am ganzen Körper oder an einzelnen Partien die Muskeln. Nach einer Weile können sie gelähmt sein. Manche Pferde atmen laut und schnaufend während einer HYPP-Attacke.Stärke und Länge der Anfälle variieren. Bei sehr leiten Attacken ist das Muskelzittern manchmal so schwach, dass man es nicht sieht, sondern nur per Elektromyographie (EMG) feststellen kann. Dabei misst man die Muskelaktivität mit Elektroden. „Bei ganz leichten Anfällen merkt man nur, dass das Pferd irgendwie anders ist als sonst, zum Beispiel nicht weiterlaufen will“, beschreibt Dr. Uwe Rathke, Pferde-Fachtierarzt und Zuchtleiter des Appaloosa Horde Club Germany. Schwere Anfälle können die komplette Muskulatur lahm legen - die Pferde sacken zusammen. Versagt die Hinterhandmuskulatur, setzen dich die meisten von ihnen zunächst wie Hunde hin, dann liegen sie fest. Im Gegensatz zu einem Pferd mit Tying-upSyndrom, das teilweise ähnliche Symptome zeigt, bleiben HYPP-Pferde ruhig und reagieren nicht panisch. Leichte bis mittelschwere Attacken sind oft nach ein paar Minuten vorbei. Schwere Fälle werden immer schlimmer und dauern Stunden. „Die können tödlich enden, wenn sie nicht behandelt werden“, warnt Rathke. Betroffene Pferde sterben meist an Herzstillstand und Atemlähmung. Ursachen HYPP ist eine Werbkrankheit, die es übrigens auch bei Menschen gibt. Sie wird durch eine Genmutation ausgelöst. Durch eine veränderte Aminosäure in der Muskelzell-Membran verändern sich Struktur und Funktion der so genannten Natrium-Kalium-Pumpe, wodurch es zu Störungen kommt. Die Pumpe ist ein winziger Kanal in der Muskelzell-Membran, durch den die Elektrolyte Natrium und Kalium zwischen Muskelzelle und Blutgefäß hin- und herfließen. Während einer HYPP-Attacke öffnet und schließt sich die Pumpe nicht mehr normal, wodurch übermäßig viel Kalium aus den Muskelzellen ins Blut gelangt. „Während eines akuten HYPP- Anfalls kann der Kalium-Blutspiegel um das Zigfache über den Normalwert – 2,8 bis 4,5 Millimol pro Liter – erhöht sein“, sagt Rathke.“ Zwischen den Anfällen ist er dagegen völlig unauffällig.“ Während im Blut der Kaliumspiegel steigt, sammelt sich in den Muskelzellen Natrium. Beides zusammen führt zu unkontrollierbaren Muskelzuckungen und Lähmungen. Zuerst sind die quergestreiften Skelettmuskeln gelähmt – jene Muskeln also, die bewußt bewegt werden und bis zu 45 Prozent des Pferdegewichts ausmachen. Dadurch kann das Pferd nicht mehr stehen. Sind die Muskeln der oberen Atemwege gelähmt, atmen die Pferde laut. Ist die gesamte Muskulatur der oberen Atemwege gelähmt, können sie ersticken. Nach der quergestreiften erwischt es die vom vegetativen Nervensystem gesteuerten, nicht dem Willen unterliegenden Muskeln. Dazu gehören die glatten Muskulatur in den Wänden von Magen, Darm, Blutgefäßen und anderen Organen sowie die Herzmuskulatur. Herzstillstand ist neben Atemlähmung deshalb die zweite typische Todesursache bei HYPP. Risikopatienten Bei kaum einer anderen Krankheit lassen sich die Risikopatienten so eindeutig benennen wie bei HYPP. Nach heutigem Wissensstand trat der Gendefekt durch eine spontane Mutation zum erstemal bei dem Quarter-Hengst Impressive auf. Der Hengst werebte den Defekt, ohne daß zunächst jemand von der Krankheit etwas ahnte. Weil Imressive üppige, shr plastische muskeln vererbte und zahlreiche überaus erfolgreiche Halter-Pferde zeigte, züchtete man in den 70er Jahren sehr intensiv mit ihm. Er und seine Nachkommen wurden auch in der Appaloosa- und Paintzucht eingesetzt. Genau in diesen drei Westernrassen kommt denn auch HYPP vor – was freilich nicht bedeutet, daß Pferde anderer Rassen grundsätzlich davon verschont bleiben: Durch Einkreuzungen von Westernpferden können auch die das defekte Gen erben. So berichtet Rathke von einem an HYPP erkranktem Pony, das unter seinen Ahnen einen ImpressivNachkommen hat. HYPP wird „autosomal dominant“ vererbt. Das bedeutet, daß die Krankheit Hengst und Stuten betrifft und dominant vererbt wird. Daher erkranken auch Pferde, bei denen das Gen nur auf einem Chromosom defekt ist. Außerdem schwächt sich HYPP im Gegensatz zu mach anderen Erbkrankheiten über die Generationen hinweg nicht ab. Bei heutigen Imressive_Urenkeln wirkt sich der Gendefekt genau so stark aus wie bei Söhnen oder Töchtern des Hengstes, und sie vererben ihn auch genauso weiter. Bei einem homozygoten (reinerbigen) Genträger ist das Gen auf beiden Chromosonen defekt. Wenn man mit so einem Pferd züchtet, entstehen zu 100 Prozent HYPP-Pferde. Werden zwei mischerbige Genträger miteinander gepaart, kommt es statistisch zu 75 Prozent zu einem Fohlen mit HYPP-Veranlagung. Aus der Anpaarung zwischen einem mischerbigen Genträger und einem kerngesunden Pferd entsteht statistisch zu 50 Prozent ein HYPP Fohlen. Nicht alle der weltweit rund 100 000 Impressive-Nachkommen sind automatisch HYPPPferde, da bei der Paarung mischerbiges x normales Pferd zu 50 Prozent und bei der Paarung mischerbiges x normales Pferd zu 25 Prozent ein kerngesundes Fohlen entsteht. Ob ein Pferd das defekte Gen trägt, läßt sich mit einem molekularbiologischen Test feststellen, den Tiermediziner der Universität von Kalifornien in Davis entwickelten. Von Oktober 1992 bis Oktober 1996 wurden an der Universität von Kalifornien 27 000 Blutproben von ImpressiveNachkommen auf HYPP getestet. 63 Prozent der getesteten Pferde waren HYPP-frei (N/N), 36 Prozent stellten sich als heterozygote Genträger (N/H) und nur ein Prozent als homozygote Genträger (H/H) heraus. Wie viele Pferd in Deutschland von HYPP betroffen sind, ist schwer zu sgen. ! Als das Probelm Anfang der 90er Jahre bekannt wurde, gab es höchstens ein paar hundert HYPPPferde,“sagt Rathke. „Aber leider wurde mit manchen dieser Tiere weitergezüchtet. Weil außerdem die deutsch Quarter-Population in der Zwischezeit um das Vier- bis Fünffache auf rund 23 000 Tiere gestiegen istm kann man davon ausgehen, daß der Gendefekt mittlerweile um sich gegriffen hat.“ Seit Anfang 1998 weist die American Quarter Horde Association (AQHA) in den Papieren von Imressive-Nachkommen ausdrücklich auf das HYPP-Risiko hin und empfiehlt, solche Tiere testen zu lassen. „ Es ist zwar keine Pflicht, aber ohne negativen Test kauft Ihnen niemand so ein Pferd ab“, sagt Sabine Steinbeck, die die Geschäftstelle der Deutschen Quarter Horse Association (DQHA) leitet. Auch deutsche Labors bieten HYPP-Tests an. Wer jedoch mit seinen Quarters züchten will, bekommt die Papiere für das Fohlen nur vom amerikanischen Mutterverband AQHA- und der erkennt die deutschen Tests nicht an, weil die Labors einen anderen Abschnitt des DNAStranges testen als amerikanische. Quarter-Züchter, die Wert auf Originalpapiere legen, müssen ihre Pferde also weiter von US-Labors testen lassen. Krankheitsverlauf Ob und wie stark ein HYPP-Genträger erkrankt, läßt sich nicht vorhersagen. Es gibt Träger, die ihr Leben lang keine Beschwerden haben; andere leiden alle 14 Tage unter schweren Anfällen. In der Regel leiden reinerige Genträger, die aber sehr selten sind, unter besonders starken Beschwerden. Auch das Alter scheint eine Rolle zu spielen. So bekommen drei-bisfünfjähige Pfede am häufigsten HYPP-Attacken. „In diesem Zeitraum haben die Pfede das stärkste Muskelwachstum“, sagt Rathke. „Mit dem Enreiten hat es dagengen nichts zu tun, auch wenn das nanche Reiter vermuten.“ Anfallshäufigkeit und Symptomstärke lasen mit zunehmendem Alter nach – vermutlich weil der Organismus das Problem mit der Zeit alleine in den Griff bekommt. „Anscheinend werden im Körper Enzymsysteme etabliert und optimiertm die dafür sorgen, daß das Kalium schnellstmälich wider ausgeschieden wird, wenn es zu eine, Anfall kommt,“ sagt Rathke. Eine Garantie gibt es aber nicht. So kann ein 20jähiges Pferd, das nie Beschwerden hatte, plötzlich einen Anfall bekommen und sterben. Über die Auslöser der Anfälle wird spekuliert. Nach Rathkes Erfahrung gibt es keine Gesetzmäßigkeiten:“ Das eine Pferd erwischt es bei Reiten, das andere im Stall, auf dem Anhänger oder auf der Weide. Das ist völlig willkürlich. Behandlung Als Erbkrankheit ist die HYPP bisher unheilbar. Jeder schwere Anfall ist ien Notfall, den viele Pferde nur überleben wenn sie sofort behandelt werden. Üblich ist Kalziumglukonat als Infusion. “Kalzium dichtet die durchlässige Natrium-KaliumPumpe ab und senkt den Kaliumspiegel im Blut“, erklärt Rathke. „Weil es die Herzfrequenz erhöht, muß man es aber schön vorsichtig dosieren.“ Die meisten Pferde reagieren sofort auf Kalziumglukonat-Infusionen und stehen wieder auf. Falls nicht, greifen viele Tierärzte zur stärker wirkenden Natriumbikarbonat-Infusion. Steht das Pferd immer noch nicht auf, probieren sie es mit Dextrose. Vorbeugung Einen Gendefekt wie HYPP wird man nur los, indem man Genträger konsequent von der Zucht ausschließt. Der HYPP-Test ist deshalb das wichtigste Vorbeuge-Instrument. Nur er schafft Klarheit, ob mit einem Imressive-Nachkommen gezüchtet werden darf.“ Wenn der Test negativ ausfällt, das Pferd also HYPP-frei ist, können Sie bedenkenlos mit ihm züchten, selbst wenn mehrere seiner Vorfahren Genträger waren“, so Rathke. Betroffene Pferde kann man durch richtiges Management vor den schlimmsten Auswirkungen der Stärung schützen und ihnen bei milderen HYPP-Anfällen helfen. Sofern ein Pferd nicht als Schlachtpferd im Equidenpaß eingetragen ist, verordnet Rathke zeitlebens das harntreibende Medikament Diamox mit dem Wirkstoff Acetazolamid. Diamox regt die Nieren an, überschüssiges Kalium auszuscheiden und bringt so den Kalizmspiegel im Blut wieder ins Lot. „Man kann es täglich in einer Dosierung von bis zu drei Miligramm pro Kilo Körpergewicht unters Futter mischen“, sagt Rathke. „Weil Diamox aber gleichzeitig die Kammerwasserproduktion im Auge senkt, emphehle ich bei einer Dauermedikation, einmal im Jahr den Augenhintergrund kontrollieren zu lassen.“ Vor allem amerikanische Tierärzt raten, den Kalium-Pegel zusätzlich über Haltung und Fütterung zu regulieren. Weide- oder Paddockhaltung soll Anfällen vorbeugen, weil sie den Pferden Bewegung verschafft. Bewegung kurbelt die Produktion des Hormons Adrenalin an, das die Muskelzellen anregt, Kalium aus dem Blut aufzunehmen. Bei leiten Anfällen soll vorsichtiges Führen oder Longieren helfen. Auch wenig Streß soll vor HYPP-Attacken schützen. Dazu gehört unter anderem, betroffene Pferde weder hungern noch dursten zu lassen und feste Fütterungszeiten mit stets gleichen Futtermengen einzuhalten. Ratsam ist eine kaliumarme Diät. Tabu ist Melasse, in der mit 35 Gramm pro Kilo extrem viel Kalium steckt. Auch Luzerne, Elektolytlösungen und Mineralfutter haben oft einen hohen Kalium-Anteil. Hafer, Mais und Gerste enthalten wenig Kalium und liefern Kohlenhydrate. Die erhöhen den Blutzuckerspiegel im Körper und regend dadurch die Muskelzellen an, die Kalium aufzunehmen. Zusammen mit Heu aus späteren Ernten, das weniger Kalium enthält als früh geschnittenes Heu, gilt kohlenhydratreiches Getreide deshalb als ideales Futter für HYPPPferde. Das schafft freilich ein neues Problem: Was gut gegen HYPP-Attacken ist, fördert andererseits durch den hohen Kohlenhydratgehalt Hufrehe, weshalb die Rationen, notfalls mit Hilfe einer Futtermittelberatung, sorgfältig ausbalanciert werden müssen. Streitfragen Ob eine kaliumarme Diät sinnvoll ist oder nicht, wird von deutschen und amerikanischen Tierärzten unterschiedlich bewertet. Rathke glaubt nicht recht an ihren Nutzen. „Man kann zwar versuchen, das Risiko damit zu reduzieren. Aber es wäre vermessen zu glauben, daß sich über das Management alle Anfälle verhindern lassen“, sagt er. Seiner Meinung nach kommt es gar nicht so sehr darauf an, wieviel Kalium im Futter ist.“ Das ist ähnlich wie beim Cholesterinspiegel des Menschen, der sich selbst bei strengster Diät höchstens um fünf bis sieben Prozent senken läßt. Da ist eben sehr viel genetisch fixiert.“ Ulrike Bletzer