Luxor - Disparate Geschichten

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LUXOR - Tempel, Gräber und eine Stadt
Ein Reisebericht
Auf einer vierzehntägigen Reise nach Luxor sahen wir die
pharaonischen Tempel und Gräber und die heutige Stadt,
Gegensätze, die größer kaum sein können und zu nachdenklichen
Betrachtungen Anlass geben.
Ägyptischer Empfang für einen Einbeinigen
Kairo Flughafen: Die junge Frau am Ausgang zum Bus, der uns zum
Flugzeug nach Luxor bringen sollte, blieb hartnäckig: Nein, ich sollte
im Rollstuhl sitzen bleiben, mit dem man mich – ungebeten aber
sehr, sehr hilfreich bei dem riesigen Flughafenkomplex, am
Ankunftsflugsteig abgeholt hatte. Nein! Warten Sie. Obwohl doch
alle schon zum Flugzeug gingen, Nein, bitte, und dann fuhr ein
technisches Mobil vor, die Rückklappe öffnete sich, schob sich zurück,
waagerecht, senkte sich, nahm den Rollstuhl mit mir darin und
Natalie auf, hob sich, schloss sich, rollte über weite Flughafenareale.
An unserem Flugzeug angekommen wurde rückwärts angedockt, die
Klappe öffnete sich, hob sich bis auf Eingangshöhe: man schob mich
in die wartende Maschine - Service auf Arabisch!!!
Und in Luxor das gleiche Spiel: Ein Rollstuhl auf der Hubfläche nahm
mich schon im Flugzeug und der hilfreiche Mann führte uns durch
alle Stationen der Ankunft bis an das Taxi zum Hotel! Für unseren
Rückflug später hatte man den gleichen Service organisiert. So etwas
war mir in aller Welt noch nie passiert: Ägypten!!!
Luxor, die gastfreundliche Stadt
Anderntags gegen Abend: Wir mochten dem guten Zureden des
netten Herren im bodenlangen „Hemd“ nicht wiederstehen.
Ja! Eine kleine Rundfahrt sei recht - und Jimmy zog die Kalesche mit
Muhamed am Zügel, freundlich erklärend auf Englisch, durch die
lebhaft bevölkerten Straßen. Die Fahrt war hübsch hinter den
klappernden Pferdehufen, der Preis nachher für ein knappes
Stündchen angemessen. Ein Halt zwischendurch: „Jimmy muss etwas
trinken“ gab „zufällig“ Gelegenheit ein „artcentrum“ zu besichtigen,
in dem den Besuchern unendliche Mengen von Pyramiden, Sphinxen,
Obelisken und all den schönen Sachen in allen Größen aus allen nur
denkbaren Materialien „angeboten“ wurden; wenn man die
intensiven Verkaufsbemühungen so nüchtern bezeichnen will.
Heimgekommen bestand Muhamed darauf, uns am nächsten Morgen
zum Karnack Tempel zu bringen, bestand auch darauf, uns dort
wieder abzuholen. Wir ließen uns den ganzen Tag lang Zeit im
gewaltigen Bezirk mit den massigen Pylonen, Säulen, Balken,
Skulpturen und den unerschöpflichen Geschichten der Pharaonen
und Götter an den Wänden. Die steinernen Massen überwältigen!
Am nächsten Morgen gingen wir an den wartenden Kaleschen- und
Taxifahrern freundlich grüßend vorbei zum „public bus“, dem
Transporter mit 8 Sitzen, oft aber 10 Einsitzenden, in den man eben
hineinspringt, wenn noch Platz ist, sein Pfund nach vorne reicht, das
Wechselgeld zurückgereicht bekommt und mitfährt bis man wieder
aussteigen möchte. Wenn wir ein Ziel nannten, fuhr er immer
irgendwann auch dahin, Zufall oder System? Eine dichte Folge dieser
„Busse“ fährt durch alle Straßen, haltend wenn jemand am Bordstein
wartet oder aussteigen möchte; das Ideal eines öffentlichen
Verkehrsmittels.
In der „Millionenstadt“ Luxor gibt es weder Verkehrszeichen noch
Ampeln, aber alle etwa 100 Meter und vor allen Kreuzungen quert
ein flacher Zementbuckel die Fahrbahnen, wer schneller als Schritt
fährt, riskiert seine Stoßdämpfer – es fährt keiner schneller darüber!
Das reicht, um den Verkehr zu ordnen – und ersetzt erfolgreich alle
Schilder!
Man lebt hier mit Menschen aller „Farben“, vom tiefsten Dunkel
(kein Mensch ist „schwarz!“) bis zum hellsten „dänisch-blond“ über
das eher blässlich wirkende asiatische „gelb“ (was ja alles andere als
„gelb“ ist!) Es scheint in dieser Ortsgesellschaft keinerlei Vorbehalte
gegen andere Rassen zu geben!
Besuch im Souk
I
Oder war diese mit Tüchern unordentlich überspannte Ladenstraße
gar nicht der „Souk“?
Ein warmer Tag, aber kaum über 30 Grad, im Luxor Tempel, Natalie
hat „ihren“ Alexander gemalt – aber das ist eine andere Geschichte –
und die Sphinx Allee. Auch ich hatte gezeichnet, man schaut dabei
intensiver hin, studiert die Proportionen besser.
Die Sphinx war die zentrale Figur dieser vierzehn Tage; obwohl wir
nie eine gehende, jagende, liebende, handelnde Sphinx gesehen
haben; sie sitzt immer wie eben eine Sphinx sitzt, immer!
Jetzt können wir doch mal in den Bazar gehen, gleich nebenan, neben
Mc.Donalds heißt das; ein Junge weist uns den Weg. Dort finden sich
kaum Dinge des täglichen Bedarfs, nur das allgegenwärtige Angebot
an uns, die Touristen: das ganze Programm! Jeder interessierte
Seitenblick wird aufmerksam beantwortet, Gespräche eröffnet.
Rechts in einer Seitengasse: Tische voll, Regale voll, der Boden voll,
alt aussehende Stücke, aufgehäuft, verstaubt, durcheinander wie
ausgekippt, gekonnt arrangiert; man glaubt, noch unentdeckte
Sachen zu finden, die Versuchung, zu wühlen, eines unter dem
andren hervor zu klauben wird immer stärker, angeheizt von der
unübersehbaren Fülle der Sächelchen - endlos, endlos. Und
dazwischen seriös gedämpft die Auskünfte der Verkäufer, Auskünfte
über alles, nur nicht über die Preise! Man soll nur aussuchen, was
man haben wolle, dann . . . Schließlich, am Ende der Gasse:
“ You want really old things? I have! You want tea? I´ll get some!“
Durch ein dunkles Lokal, rechts abbiegen, im geschlossenen Gelass
blasen ein Mann und ein Junge Luftballons auf.
Wir finden rechts Platz auf Kisten, weiß, plünnig, alt: „Take a seat!“
Der Tee kommt in den kleinen Gläschen, die Tür ist zugefallen als sie
eine der Kisten aufklappen. Darin setzt sich das Durcheinander fort,
fort, fort. Man reicht uns Sphinxe, Anubis, Hathor, Scherben, große,
kleine, winzige, kaum 3 bis 4 mm lang wie Samenkörnchen mit
spitzen Fingern behutsam in die Hand gelegt – schauen, zurückgeben,
nehmen, schauen: „My grandfather found in the sands . . .“
„Beautyfull, lovely! Really old!” was „old“ auch immer sein mag. Old,
old, old! Alles was nicht deutlich abgelehnt wird, häuft sich links:
engere Wahl! Der Kistendeckel füllt sich schnell, mag das „old“ 50,
500 oder 5000 Jahre heißen, egal, verstaubt, abgestoßene Ecken,
abgeschubberte Farbreste, es sieht alles überzeugend alt aus:
Sphinxe, Anubis, Hathor. Der Ton wird langsam drängender –
zwischendurch werden Natalies Aquarelle bewundert, die zum
Vorschein kommen, als ein Gläschen Tee in ihre Tasche kippt – der
Kistendeckel immer voller! Um uns nur Ägypter = Araber, die
gefährlichen, die etwas wollen von uns, im Hinterzimmer, Tür zu,
neben dem Nebenlokal hinter dem Lokal an der schmalen
Nebengasse vom Souk, irgendwo in Luxor, Sorge breitet sich aus.
Ausgemalt wie das wäre, wenn, wenn oder wenn - ausgemalt habe
ich mir das erst nachts, als ich zwischen zwei und vier nicht wieder
einschlafen konnte, wenn man für ängstliche Gedanken so
empfänglich ist, man hat ja so viel gehört!
Wir brachen die Vorführung mehr oder weniger abrupt ab: „No, no we don´t want, no! Soubran, no thank You, Goodbye“ und sind
geflüchtet - oder auch nicht, aber nichts wie weg.
Wir sind wunderbar bereichert zurückgekehrt aus Luxor.
Allein vier Tage haben wir in Schatten und Sonne im Luxor Tempel
verbracht, aquarelliert, gezeichnet auf den hohen Sockeln der
gewaltigen Säulen sitzend oder in den gemütlichen Stühlen des
bewirteten Gartens neben der Sphinx Allee. Ich will hier keine
Tempelführung machen, fahrt nach Luxor und schaut selbst!
Das pharaonische Ägypten
Das Erlebte in all den Tempeln, Gräbern, Museen und Alleen ist so
gewaltig, dass es sprachlos macht. Wer wollte aber auch das Werk
der Völker am Nil von drei- oder mehrtausend Jahren nachsprechen?
Wer?
Als Abschiedsgeschenk jedenfalls lag im Flughafen von Kairo für uns
das Buch bereit: „ The complete gods and goddesses of ancient
Egypt“ von Richard H. Wilkinson der „The American University Press“.
Es fiel uns buchstäblich in die Hände als der Orientale einherschritt,
mächtig spannte die gelbe Seidenrobe über dem gewaltigen Bauch,
das schwere Haupt erhoben, einherschritt, verschwand, wieder
auftauchte, verschwand . . . und da lag das Buch auf dem Tischchen
des Zeitungskiosks direkt vor uns.
Wie kann es begonnen haben?
Die „Höhlenmalerei“ - betrachtet an Hand des Kataloges der Kölner
Ausstellung: „SAHARA“, erschienen als weiland Walter Scheel
Präsident der Bundesrepublik war, begann vor der „Vorzeit“ und
führte, auch im Niltal, bis an die Frühzeit der pharaonischen
Jahrtausende heran in ihrer natürlichen Darstellungskraft, die, auch
dort wo sie kanonisch wird, vor allem mit ihrem Schaffensprozess
identisch bleibt: „handmade“, besser: „bodymade“ – persönliche,
unmittelbare Schöpfung der malenden Menschen selbst.
Und dann, ohne das mir Zeugnisse über die Entwicklung dazwischen
bekannt geworden wären, findet sich als Beispiel die „Narmer
Pallette“, eine Schminktafel aus Stein „from Hierakompolis“ datiert
„in the later Neolithik period – 3600 -3300 BC“ als ein besonders
aufschlussreiches Beispiel: höchst stilisierter Ausdruck
gesellschaftlicher, staatlicher Macht, sowohl im anekdotischen: der
Sieger erschlägt den Besiegten, die mystischen Tiere sind gefesselt,
die Feinde geköpft, als vor allem im Stil: formalisiert in einer Strenge,
die für 3000 Jahre künstlerischen Schaffens gültig blieb und sich für
die künstlerisch arbeitenden Menschen als bindend sich erwies:
unfrei, aber gewaltig in der bändigenden Strenge, grausig, stark,
schön. Identisch sind diese Werke nicht mit den Individuen, die all
das handwerklich so meisterhaft geschaffen haben, sondern mit der
verfassten gesellschaftlichen Ordnung, die sich so abbilden lässt.
Bild wird, hier vor unseren Augen, ein gewaltiger, ein eigentlich
unermesslicher Schritt: vom Haufen zum Staat.
Vor diesem Schritt – oder war es doch ein langer Weg? – sehen wir
sie mit großen Rinderherden, diese relativ kleinen
Menschengruppen, durch das Weideland ziehen, lockeren Schutz sich
schaffend vor Sonne und Wind - kaum vor Regen, den es schon
damals nur wenig gab in der Sahara, ohne wirklich befestigte
Wohnsitze und kein Zeichen hinterlassend von Gestalt gewordener
Hierarchie, auch keines von Gewalt gegen Menschen, von
Menschentötung, von Krieg, obwohl es Darstellungen aller
Lebensbereiche gibt, die das Alltagsleben abbilden.
Ihr Malgrund waren Felswände, die sie vorfanden, ihre „Bauwerke“:
Lederwände an Stangen gegen den Wind, Matten gegen die Sonne,
ungeeignet „Macht“ zu demonstrieren, Dauer zu proklamieren!
Nach diesem Schritt bzw. am Ende dieses Weges finden wir die
Gesellschaft durchorganisiert von der zentralen Figur des
Machthabers bis hinunter zu den reihenweise abgelegten geköpften
Feinden, wen immer das System, das inzwischen geschaffene, zu
Feinden erklärt, das System, das alle Menschen instrumentalisiert,
ihnen ihre Rolle zuweist, die Instrumente zu organisieren und die
Einhaltung der zugewiesenen Rollen mit allen Mitteln durchzusetzen
weiß.
Mittel zu denen auch die Erfindung der Religion gehört; Mittel zu
denen auch die rohe Gewalt gehört, wenn alle Psychotaktik nicht
mehr hilft.
Ja, die Organisation von Gewalt ist eine relativ leichte Übung im
Vergleich mit der Entwicklung und Anwendung der Psychowaffe
Religion!!!
Das ist wohl die Entwicklung, die die Wende bringt, die Erfindung der
Religion. Offenbar innert weniger Generationen ist ein Götterhimmel
ersonnen, proklamiert und durchgesetzt worden, der die Welt
grundlegend geändert hat - den Menschen neu definiert.
Ja, so unglaublich es ist und so wenig man sich diesen schöpferischen
Prozess vorstellen kann, der ja nicht von einem Einzelnen geleistet
sondern von vielen gemeinsam bewältigt wurde: Menschen haben
diese zuletzt wohl anderthalbtausend „ägyptische“ Götter ersonnen,
einen „himmlischen Kosmos“, eine unermessliche lebendige
Theaterwelt in dem Bedürfnis, durch die Orientierung an diesem
erfundenen Kosmos die irdische, die Menschenwelt, zu ordnen, auf
dieses Gesellschaftsmodell auszurichten und damit, unter anderem,
regierbar zu machen. Aus bis dahin freien Menschen machten sie auf
diese Weise einen Staat!
Und es wurde kein einfältiger Staat, keine widerspruchslose,
gradlinige Weltorientierung aus der ausgeschlossen würde, was den
Schöpfern nicht passte, nein, alle Widersprüche der Menschennatur
sind in diesem hochkomplexen System eingefangen, bilden sich in
den Eigenschaften der erfundenen Götterfiguren ab und in dem, sich
sehr lebendig immer weiter entfaltendem, Spiel zwischen diesen
„Göttern“ - auch im Wechselspiel mit den aus dem Stand der
Herrschenden sich immer wieder ergänzenden Götterscharen - und
befähigt die so orientierten, so organisierten Manschen zu Taten, die
wahrhaftig göttliche Kräfte bei ihrer Bewältigung zu Hilfe gehabt zu
haben scheinen: die Bauwerke ebenso wie die Bildwerke, die
Staatsgestaltung ebenso wie die Schrift und die Musik.
Und – das sei hier wenigstens kurz angesprochen: die Menschen
haben solche Gesamtkunstwerke immer wieder unabhängig
voneinander geschaffen, so wie in Ägypten auch in Assyrien,
Anatolien, Indien, China, Japan, auf den Inselwelten im Pazifik, in
Mexiko, Peru und im Europa sowohl hellenischer als christlicher
Ausprägung – kleine Grenzübergriffe und Anleihen inbegriffen;
immer nach dem gleichen Muster - also wohl physiologisch
bedingt?!
Die Darstellung der Welt, die die Götter einschloss, im alten Ägypten
Wie fand man die Möglichkeiten der Darstellung, wichtigste
Voraussetzung der Vermittlung der Ideen?
Eine sehr ausdrucksstarke Möglichkeit ergab sich durch die
Einbeziehung der Tiere in den Götterreigen. Damit gelang es, viel
Unerklärliches anzusprechen, so bestimmt/unbestimmt das Wesen
des Krokodils, des Affen, des Mistkäfers, des Falken, der Schlange –
so präsent ist dieses Wesen des Tieres in seinem Abbild. Das gilt noch
stärker für die Menschenfiguren mit Tierköpfen und für die aus
verschiedenen Wesen zusammengefügten Gestalten, das Krokodil
mit dem Kopf des Falken, Löwenleib und Widderkopf: die Sphinx in
ihren vielen Erscheinungsformen.
Niemals finden wir unkommentierte Einzelfiguren, immer im Kontext,
immer mit Erklärungen, immer im Zusammenhang und wenn er auch
nur durch ein paar Hieroglyphen am Sockel angesprochen ist.
Das erweiterte die Aussagemöglichkeiten in der Breite – vor allem
aber auch in der Tiefe.
Wenn man nur ein Bild herausgreift, die Himmelsgöttin NUT, die sich
über die Scene wölbt, an der einen Seite aufsteigend die Beine, an
der Decke der Leib vom betonten Schoß zu den nährenden Brüsten
und dem Kopf, die Arme erreichen mit ausgestreckten Fingern eben
den Boden: das Firmament, dass die bewohnbare Erde trennt von
den umgebenden Wassern des Chaos aus dem alles entstammt.
Entstammt, denn zu Grunde liegt das Wissen vom Ursprung im
Chaos, oft vorgestellt als Wasser, Meer, Ozean, - auf jeden Fall:
DRAUSSEN!
Ein Bild schreibt dem Gotte PTAH die „Schöpfung“ zu, in seinem Geist
ist sie entstanden, er hat sie gedacht - und durch sein Wort, sein
schöpferisches Wort geschaffen indem er sie aussprach, verwirklicht
in Sprache.
„The story of creation, as attributed to PTAH by the priests of
Memphis, whereby the god was said to have created the world
through his thought and creative word or command.”
zitiert aus R.Wilkinson.
Schöpfung als einen Prozess des Ordnens, des Herauslösens aus dem
unendlichen Chaos, das Herausgelöste in eine feste, sichere,
beschützende Ordnung bringen - das sind die starken Triebkräfte
der herrschenden Gruppe am Nil, der Priesterschaft und des darin
integrierten „weltlichen“ Herrschers, des Pharao und seiner Leute:
die Urkraft dieses Staates und auch die Urkräfte, die tonnenschwere
Steinblöcke über hunderte Kilometer transportierten und über
zwanzig Meter hoch wuchteten zu gewaltigen Architraven, gar zu
den kristallinen Pyramiden wie sie gegen die Wüste gestellt sind –
und der schlanken Obelisken, dieser Antikörper.
Wie hat wohl das pharaonische Bauen begonnen?
In den „Architekten“ priesterlicher Hoheit entstand die Idee der
Pyramiden, der Tempel, der Grabanlagen und sie verstanden es,
diese Ideen umzusetzen in die Herausforderungen an die
Organisations- und Tatkraft der Menschen die alles das bauen
sollten. Es standen ihnen dafür nur geringfügige „Vorbilder“ zur
Verfügung, sie hatten keine Anschauung als ihre Phantasie, der sich
die Herrschenden anvertrauten, indem sie den Bau freigaben:
„Ja, so soll es werden!“
Und sie mussten so gut wie alle Hilfsmittel und Verfahren in diesen
Prozessen erst entwickeln, mit deren Einsatz sie die Werke ihrer
Phantasie umsetzen könnten. Spätere Generationen konnten dann
auf dem vorgefundenen aufbauen, ältere Erfahrungen nutzen.
Die Phantasie dieser ersten Baumeister reichte aus für die Jahre der
Vorbereitung, für die Finanzierung und Mobilisierung der Menschen
zu Mitwirkenden, die Suche nach dem besten Material. Sie reichten
aus, dieses Material zu gewinnen, aus dem Felsgrund zu lösen, die
schweren Blöcke auf schwankenden Planken auf den hilfreichen
Wassern des Nils zu transportieren, auf Rollen und Rampen gleiten zu
lassen und die Tempel, Pylone, Obelisken, gar ganze Pyramiden zu
errichten und schließlich beinahe flächenfüllend zu gestalten, im
Relief und in Farbe und zu beschriften.
Es hat mit Sicherheit große Blutopfer gekostet unter der zur Arbeit
gepressten (?) Bevölkerung – niemand spannt sich freiwillig vor einen
20Tonnen Stein und zieht ihn, durch Peitschenhiebe vorangetrieben,
die Rampen hoch um die vorbestimmte Höhe zu erreichen. In
Einzelfällen kann man Reste dieser Rampen noch sehen.
Zwei dieser Phantasten („Architekten“) wurden von ihren
Mitpriestern zu Göttern erhoben wie sonst nur die Pharaonen selbst.
Erst nach Jahren der Vorbereitung, der Willensbildung und
Organisation und des Handels, der Arbeit, zogen die Prozessionen
diese Prozessionswege entlang, sah man, fühlte man, was der
Phantasie entsprungen war, als Herausforderung an die Menschen,
sich gegen das Chaos zu behaupten wie die Pyramiden gegen die
Wüste, wie die hohen Säulen mit den „Balken“80/200cm messend
und sieben Meter lang und mehr, die steinernen Decken tragend gegen die Schwerkraft.
So stehen wir, noch immer fassungslos, zwischen zweimal zehn mal
sieben Säulen, zwei, drei Meter dick und über zehn Meter hoch fast überwiegt die Masse des Steins den Luftraum dazwischen.
Zwischen diesen beiden „Wäldern“ aus Stein führen zweimal fünf
noch wesentlich kräftigere und höhere Säulen den Prozessionsweg
weiter, - weiter zu neuen Pylonen, Portalen, neuen Höfen, neuen
Säulen, neuen Bildern.
Eine der zahlreichen Schautafeln zeigt, dass allein dieser eine
Tempelteil mit seinen 150 Säulen die Grundfläche von Notredam in
Paris erreicht.
Größe hin und her; es lohnt sich allein schon, sich mit den eleganten
Gestalten der Säulen und ihrer Kapitelle, die nie ihre florale Herkunft
verleugnen, immer in schwingender Bewegung bleiben, zu
beschäftigen.
Man muss in diesem Zusammenhang auch die dreitausend Jahre
beherrschende „Grammatik“ der Bildsprache betrachten?!
Von der schon erwähnten Schminkpallette um 3000 BC bis in die 30.
Dynastie beherrscht die Silhouette das Bild; die Grenze zwischen
Mensch und Welt – das zentrale Anliegen des pharaonischen
Ägypten: die Grenze!
Bei allen sichtbaren Unterschieden blieben sich doch alle
Darstellungen sehr ähnlich, dieser „Grammatik“ unterworfen, über
diese 3000 Jahre hinweg.
Auch innerhalb der Menschenwelt, die immer wieder dargestellt ist
und durch Hieroglyphen erklärt in ihrer unübersichtlichen Buntheit
und Vielfalt, musste Ordnung auch im Detail herrschen um die
größere Ordnung bewahren zu können, die Ordnung des Staates, der
Welt.
Darum, nebenbei bemerkt, musste Echnaton scheitern!
Das zahllose göttliche Personal erlaubte es, alles menschliche
Geschick und Verhalten prägend abzubilden und den Menschen zu
zeigen, den Erzählungen im Bild Dauer zu verleihen.
Die strenge Form der Darstellung schloss jeden Zweifel am Inhalt, an
der Wahrheit der Erzählungen von den Göttern, aus.
Wir kennen die Funktion der Ordnungsmittel gut aus der uns
geläufigen, christlichen Gesellschaftsordnung ebenso wie aus der
vergleichbaren des Islam. Fast alle Ideen, die Menschen zur Ordnung
zu rufen, finden wir so auch im alten Ägypten.
An zentraler Stelle steht auch hier das (jüngste) Gericht. Osiris führt
den Vorsitz.
Zweiundvierzig Götter stellen die Fachanwälte, jedem ist ein
Fehlverhalten, eine „Sünde“ zugeordnet. Die zu beurteilenden
Sünden nehmen die zehn Gebote vorweg, nur eben etwas
differenzierter ausgearbeitet. So werden z.B. Terrorismus, Angeberei,
Jähzorn und Knabenliebe besonders aufgeführt.
In den frühen Dynastien war es geboten, die Ordnung formal
einzuhalten – Verdienste und Vergehen waren messbar. Gegen Ende
der pharaonischen Zeiten bildeten die inneren Werte den Maßstab
für das gute menschliche, vor allem auch das zwischenmenschliche
Verhalten. Selbstverantwortliches Handeln trat langsam an die Stelle
nachprüfbarer Disziplin.
Fühlte man sich vor dem drohenden Chaos schon so sicher, dass es
der extremen Disziplinierung durch prüfbare Verhaltensregeln nicht
mehr in dem Maße bedurfte?
Die Porträts der Spätzeit zeigen individuelle, schicksalsschwere Züge
an der Stelle der edlen Gleichförmigkeit früherer Menschenbilder.
Dass sie diese Entwicklung nehmen konnte, spricht doch wohl für die
Qualität des Gesamtkonzeptes der ägyptisch-pharaonischen
Weltordnung?!
Monotheismus - der Gegensatz zur ägyptischen Welt schlechthin?
Die Gesamtdarstellung des ägyptischen Göttergeweses zeichnet ein
anderes Bild: von Anfang an umfasste die Erzählung vom Göttlichen
fließende Übergänge zwischen Fabelwesen aller Art – vorzüglich
Wasserwesen - zu den mehr und mehr sich durchsetzenden
göttlichen Wesen in Menschengestalt.
Diesen wiederum, den vielen, standen gegenüber Einzelne, in der
Anlage monotheistische Figuren wie zum Beispiel AMUN, der sich aus
sich selbst geschaffen hatte. „He is hidden from the gods and his
aspect is unknown! He is farther than the sky, he is deeper than the
Duat…”(Papyrustext Leiden I 350) . Karnak umfasste, so die Aussage
in der 18.Dynastie “the mound of the beginning” wo AMUN die Welt
ins Dasein brachte – „brought the world into being!”
So nahm AMUN auch andere Götterdarstellungen in sich auf und
wurde zu AMUN-MIN (Gott der Fruchtbarkeit) und AMUNRE(Sonnengott).
Aber auch ATUM findet sich so hervorgehoben: „ATUM was the
monad – the one, from whom all else originally came!“ oder auch: „
the lord of fatability!“ und „he who came into being of himself!”
(Pyramidentext) und schließlich: als Schöpfergott war ATUM der
Vater von SHU und TIFNIT, „copulating with himself to produce the
first divine pair!“ - „a personification oft the female principle
inherent with himself!“ und weiter zu seinem Enkel: Osiris,
seinerseits Vater von . . .
- und über Jahrtausende halten die den Lebensschlüssel KA in der
Hand; formal das Kreuz des Franziskus, TAU mit dem Ring oben, an
dem er gehalten wird.
Könnte es nicht sein, dass man in den vielen Göttern eher die Engel,
zumindest die Erzengel und die Heiligen der christlichen Kirche und
die selig gesprochenen sehen müsste? Wie auch die Zahl der Heiligen
ist die Zahl der Götter langsam gewachsen über die Jahrtausende,
von mehr als 1500 wird berichtet. Aber AMUN bzw. ATUM blieben
sich im Kern gleich, waren etwas anderes als „die Götter“.
Kehren wir zurück zu dem Erlebnis Ägypten heute:
Die Tempel in Ägypten sind in der Regel keine Einzelbauwerke
sondern heilige Areale, deren bauliche Erscheinung in vielen
Generationen unter verschiedenen Pharaonen entstanden.
Man betritt in der Regel ein ausgedehntes eingefriedigtes Gebiet in
dem sich Gebäude, Wege und Plätze, Steinlager, Grabungsgebiete,
und „heilige Teiche“ finden. Alles Gebaute folgt mehr oder weniger
streng einem Prozessionsweg, denn Prozessionen bildeten offenbar
den Mittelpunkt der religiösen Festlichkeiten. Oft findet sich der
älteste Tempel in mittleren Bereich, davor und dahinter erstrecken
sich spätere, heut meist die dominierenden Tempel, Pylonen, Höfe,
Hallen Obelisken und Statuen; auch als Besucher findet man sich in
diesen Prozessionsweg aufgenommen.
Die Gegenwart in den Tempeln, zwischen den Tempeln, zwischen den
Gräbern, in den Gräbern: Kinderzüge, Schülergruppen, viele in
Schuluniform, noch ohne Gesichtsverhüllung die Mädchen, in Jeans
die Jungen, alles schwatzt, die – sehr seltenen – mahlenden Touristen
werden umringt, man drängt sich, einander ablösend, um ein
Handyfoto mit dem Fremden zu bekommen. Im Übrigen ziehen die
jungen Besucher unter Lehrerführung recht schnell dahin!
Dann viele kleine Gruppen, die sich um Führer oder Führerin scharen,
welche in den verschiedensten Sprachen Erläuterungen geben.
Und schließlich Pärchen und Einzelbesucher, zögernden, suchenden
Schrittes, das offene Büchlein in der Hand - im Schatten haltend, die
Sockel der Säulen sind oft blank gewienert von internationalen
Hosenböden!
Gut, die Zeit war lang seit diese Artefakte geschaffen wurden gleichwohl fragt man sich oft: warum, wie, wann was entzwei
gegangen ist – oder: wie viel und warum noch steht neben den
Trümmern inklusive einiger Rekonstruktionen, Restaurierungen.
Unendlich viel Material – teilweise museal geordnet, beschriftet,
wartet noch in den weitläufigen „Gehöften“ die die Tempel
umgeben. Die Tempelareale sind oft eingefasst von halb zerfallenen
„Mauern“ aus römischer oder noch späterer Zeit, hergestellt aus
sonnengetrocknetem Nilschlamm: ungebrannten Ziegeln, grau,
unansehnlich.
Wollten die Römer die Tempel schützen(?) oder sich selbst, die sich in
den Tempeln Militärlager eingerichtet hatten(?). Jedenfalls sind fast
immer vor den eingefriedeten Tempelanlagen große, sehr große und
relativ triste „Plätze“ angelegt – neueren Datums, davor das
Gewimmel von Bussen, Taxen und Kaleschen.
Keine Abbildung oder Vorstellung kann das Erlebnis ersetzen, sich
stundenlang, tagelang den Tempeln zu widmen, diesen mächtigen
Steinkolossen auszusetzen - einfach im Schatten einer Säule auf sich
einwirken zu lassen, was hier Götterkräfte aufgerichtet haben.
Sind wir es nicht diesen Menschen schuldig, sich ihrer Gegenwart
auszusetzen?!
Ganz anders bietet sich die Welt der Gräber dar. Nach längerer Fahrt
aus der Stadt hinaus verlässt man das grüne Niltal und erreicht die
staubtrockene Felslandschaft und dringt ein in die schmalen
eingeschnittenen Täler, an deren Ende in einem abgesperrten
Bereich die Zugänge zu den bisher erschlossenen Grabanlagen
angelegt sind. Man darf bei jedem Besuch drei der tief in den Berg
führenden Systeme aus Gängen, Treppen und Kammern besuchen.
Im Unterschied zu den Tempelwänden findet man auf den Wänden
der Grabanlagen viel locker „hingeschriebenes“ – immer noch
gebunden durch die überkommene Grammatik, aber lebhafter im
Strich, persönlicher im Ausdruck, bunter in seiner Farbigkeit.
Immer beherrscht das Ordnungsschema die einzelnen Szenen.
Meist ziehen die Figuren und alles Beiwerk symmetrisch, rechts und
links völlig gleich, zu beiden Seiten des Ganges, der Abschlusswände
mit den eingeschnittenen Türen, den Grabkammern am Ende, dahin.
Es fehlt uns so vieles, um voll in das Anekdotische einzusteigen, die
Menschen-, die Königs- und Göttergeschichten mitzulesen.
Da aber den Autoren dieser Bildergeschichten diese Geschichten so
ungeheuer wichtig waren, wichtiger als der individuelle künstlerische
Ausdruck und der emotionale Gehalt, den wir unmittelbar sehen,
fehlt uns doch sehr viel, sie so zu verstehen, wie sie gemeint waren,
diese unerschöpflichen Erzählungen.
Eine weitere Einsicht kam mir erst, als wir wieder in Europa waren:
Das pharaonische Bauen schuf keine Räume sondern Skulpturen!
Wir besuchten Freunde in Lucca, wir besuchten Lucca, wir besuchten
die Kirche San Michaele, ein Beispiel.
Dieser Kirchenbau gehört noch ganz in die romanische Zeit, nichts
Besonderes auf diesem Gebiet, ein schlichter schöner Raum . . .
Ein Raum!!!
Die Pfeiler die das hohe schlichte Gewölbe tragen, die einfachen
Wände, eingeschnittene Fensteröffnungen - nichts davon stellt sich
als Masse dar, als Skulptur, alles dient dem RAUM, bildet den RAUM!
Das ist der große Unterschied!
Die Bauten Ägyptens, die Tempel, die Pyramiden, die Grabanlagen ebenso aber die Bauten der Griechen, Asiens, Mittelamerikas:
gewaltige Bauwerke - kein RAUM darin!
Der Leser sollte an dieser Stelle innehalten und diese Behauptung an
seinen Erinnerungen überprüfen, stimmt das? Stimmt das?
Und wenn es stimmt, wenn, wie ich empfinde, die Pyramiden, die
Säulenwälder, die Pylonen und, als höchste Abstraktion der Skulptur
die Obelisken, keinen Raum bilden?
Wann, wo und durch wen kommt der Raum, treten die Baumassen,
tritt alles zurück aus der stolzen Selbst-Ständigkeit, (kommt von
„Stehen“) wann und wo übernimmt der RAUM die Herrschaft über
das Bauen? Wann, wo und von wem?
Wenn man die Räume der römischen Thermenanlagen und das
Pantheon – nach meiner Kenntnis des frühen Bauens die ersten
baubeherrschenden Räume, zum ersten Mal betritt, weiß man wann,
wo und von wem - oder?
Wenn man darüber nachdenkt könnte es sein, dass einem eine
ägyptische Grabkammer, keine zehn Meter im Quadrat, keine fünf
Meter hoch, mitten reingerammt der gewaltige Sarkophag, einfällt:
Über die Wand zur Rechten – ich hab es an anderer Stelle schon
beschrieben - steigen von hoch sich reckenden Füßen die schlanken
Beine, an der Decke breitet sich der Leib der Göttin vom Schoß bis
zum zierlichen Haupt aus und ihre Arme erreichen mit lang
ausgestreckten Fingern an der linken Wand die Erde wieder: die
Göttin TUT die das Firmament ist, alles einschließt was unser ist,
unseren RAUM bildet und alles ausschließt was Chaos ist, draußen,
jenseits.
TUT ist, schon im pharaonischen Ägypten, RAUM - aber mehr RAUM
war im alten Ägypten nicht, nicht in den Tempeln, nicht in den
Gräbern, nicht in den Bildern
Weiter suchend nach den frühen Räumen von Menschenhand finde
ich mich im himmelhoch ansteigenden Rund - dem Halbrund -- der
griechischen Theater, die in ihrer räumlichen Qualität bewusst die
Weite der Landschaft in der sie eingebettet sind, auf den Punkt
bringen, hohe räumliche Qualität aber offen zum weiten Himmel,
kein geschlossener RAUM.
Dieses Halbrund hat den Römern nicht genügt, das volle Oval, die
volle Arena musste es sein, die volle Gesellschaft zu festlichem
Beginnen aufzunehmen, eine, zivile, Gesellschaft, die es vorher so
nicht gab. Solche Gesellschaft bildeten auch nicht die griechischen
Weisen, diskutierend im Forum zwischen Säulengängen wandelnd.
Die „Demokratie“ haben wohl die Griechen entwickelt aber die
Republik haben erst die Römer geschaffen - der Gesellschaft, die sie
bildeten aber auch den RAUM gebaut, in dem sie sich verwirklichen
konnte.
Es trübt mein idealisierendes Bild ein wenig, dass die großen RÄUME
erst in der Kaiserzeit errichtet wurden, die Thermen und das
Pantheon ebenso wie das Kolosseum!!!
Neben den großen Räumen für die Menschen - als idealer Baustoff
erwies sich der römische Ziegel – bauten sie weiter Tempel, aus
Marmor, für die Götter. Aber man kann hinter sein Wissen nie
zurück, aus dem Tempel wurde bald die „Basilika“, Tempel mit RAUM
darinnen an Stelle der den Raum verstellenden und leugnenden
„Cella“ – eine Gebäudeform, die sich auch die gemeinsam betende
Christengemeinde aneignete, als sich ihr wachsendes
Selbstbewusstsein mit dem schlichten Betsaal, wie er wohl zuerst
unter der Erde in den Lehmboden gegraben worden war, nicht mehr
begnügen mochte.
Wesentlicher Schmuck dieser ersten „Kirchen“, wohl mehr „Kasten“
als „Raum“, waren zunächst nur mit kostbaren Mosaiken
geschmückte Fußböden. Sie beschritten so den Weg, der in den
himmelstrebenden gotischen und den barock weit ausschwingenden
Kirchenräumen, den Kuppeln der Renaissance, den Wölbungen der
Hagia Sophia und den Moscheen Senins seine letzte Überhöhung
fand.
Im pharaonischen Ägypten gab es keinen RAUM.
Zum Schluss soll nochmal die Gegenwart zu Wort kommen,
die heutige Stadt LUXOR.
Die „Millionenstadt“ Luxor hat, wie alle großen Städte, viele
Gesichter. Abgesehen von dem von Verwaltung und Tourismus
dominierten Streifen am Ostufer des Nils mit seinen, teilweise
neuesten, Hotelbauten und – palästen und etwas „19.Jahrhundert
Altstadt“ besteht zu großen Teilen aus mehr oder weniger
fertiggestellten „Neu“bauten, aus denen oben noch die Moniereisen
ragen, aus sehr dunklem Ziegel, ganze Viertel noch so gut wie
unbewohnt - oder täuscht der Eindruck? Hat die Revolution einen
Wirtschaftsaufschwung abgebremst, dann könnte er „danach“ auch
wieder in Gang kommen - hoffentlich!
Den Rest bilden unübersichtliche Standränder, eingefasst von dem
grünen Ackerland des Niltales. Die Straßen - „Plätze“ habe ich nicht
gesehen - werden lebhaft genützt. Der Verkehr wird dominiert von
den vielen Kleinbussen und Taxen, beide weiß mit blauem Streifen,
und den Kaleschen, den altmodischen Einspännern, hunderte,
tausende triptrap überall dazwischen - soweit sie nicht wartend
unter eigens angelegten Schattendächern herumstehen, geduldig wie
Karrenpferde so sind. Oft mampfen sie ihr grünes, appetitliches
duftendes Futter - wenn man nett sein will, gibt man etwas Geld
dazu „für Jimmy!“.
Da so wenige Touristen sich im Februar 2013 hierher wagen, ist es
verständlich, dass man, wo man geht und steht, angesprochen wird
mit dem Angebot, gefahren zu werden: hin und womöglich auch
noch her, hinterher. Es ist schön mit diesen kleinen Kutschen und die
Pferdchen sind lieb, so lieb!
Zu dem Thema der Läden, der Händler, der allgegenwärtigen, will ich
nichts sagen. Ich bin kein Einkaufstyp und damit parteiisch - lassen
wir das.
In die gesellschaftlichen Verhältnisse bekamen wir, bekommt man
keinen Einblick Den muss man sich wohl zu Hause in der Zeitung
holen und aus den Büchern, besonders ägyptischer Autoren, wie es
sie so gut auch in deutschen Übersetzungen gibt.
Viele, praktisch nie allein gehende Frauen tragen schwarz mit
verhüllten Gesichtern, bilden aber den kleinsten Teil der
Straßenbenutzer im Zentrum, die im Übrigen eher jugendlich
daherkommen, „global“ gekleidet. Alte Männer sitzen meist herum,
wenn man sie sieht. Anders in den Vorstädten.
Auf der Rundfahrt durch „Old Luxor“ sahen wir mehr Frauen und
Kinder vor den Häusern, um die Häuser; hier allerdings auch viel
Getier wie Hunde, Katzen, Geflügel, Ziegen und Esel; auch mal die
Pferde, wenn sie nicht „auf Arbeit“ sind. Straßen und Wege, Höfe
wirken oft unbefestigt, jedenfalls staubig. Dort herrscht ein eher
rustikales Milieu – dazwischen auch schon Äcker mit Korn,
Zuckerrohr, Gemüse und Pferdefutter, einzeln Fruchtbäume und
Palmen. Charakteristisch sind noch immer die klassischen Kanäle, die
neben dem Grundwasser, das der Nil speist, seit Jahrtausenden das
Leben möglich gemacht haben.
Es hat uns erschüttert, zu lesen, dass das ägyptische Volk zu den
(vielen) ärmsten der Welt gehört und dass ärgste Misswirtschaft die
Menschen hilflos macht, die Nachkommen der genialen, starken und
schöpferischen Priester und Pharaonen und des starken Volkes, dass
die Arbeit getan hat, deren Zeugnisse wir so sehr bewundern.
Solch ein Reisebericht bleibt unbefriedigend wenn man ihn an dem
Erlebten misst. Ihr müsst halt selber hinfahren und selbst schauen
und über das Geschaute nachdenken.
Eberhard Kulenkampff, Umbrien im Frühjahr 2013
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