wolfgang amadeus mozart im lichte osmanish

Werbung
WOLFGANG AMADEUS MOZART
IM LICHTE OSMANISH-ÖSTERREICHISCHER BEZIEHUNGEN
Cevad Memduh ALTAR
(Wien, Mozart Jahr 1956)
Der geniale Künstler W.A. Mozart hat in seinem kurzen Leben eine unfassbar große
Anzahl von Werken geschaffen und den früheren Nachbarn Österreichs, den Türken, erschien
es von jeher ganz besonders bemerkenswert, dass Mozart in einigen seiner Werke der
türkischen Musik und der türkischen Art Platz einräumte. Es besteht kein Zweifel, dass das
Interesse der Türken an Mozarts Kunst sich besonders nach dem Jahre 1839 steigerte,
nachdem der türkische Kaiser Abdülmecid I. mit den politischen und sozialen
Reformerklärungen begann. Tatsache aber ist, dass schon vor der Veröffentlichung der ersten,
in der Geschichte der Osmanen sogenannten politischen Reformerkläung (Tanzimat) die
Türken Gelegenheit hatten, die Musik ihrer großen Nachbarn, der Österreicher zu hören und
auch den Österreichern ihre eigene Musik zu Gehör brachten. Besonders der
Gesandtenaustausch gab die beiderseitige Gelegenheit dazu, denn wie man schon aus dem
ältesten Geschichtsbericht entnehmen kann, waren die, bei einen solchen Austausch
veranstalteten Festzüge stets von einer türkischen oder auch von einer österreichischen
Militärmusikkapelle begleitet1. Aber wie überall, so auch in der Türkei, Begnügte sich das
Interesse an einer übernationalen Kunst nicht nur am Hören und Sehen, sondern erst als sich
der Wunsch äußerte, solche fremden Künste persönlich auszuüben oder auch zu
reproduzieren, vollzog sich eine technische und wissenschaftliche Wandlung dabei.
So begann in der Türkei gerade in den letzten hundert Jahren die perspektivische also
die Dreidimensionenreform im Gebiete der Malerei und die Wandlung der einstimmigen
Musik in die Mehrstimmigkeit nach abendländischem Sinne. Der kulturelle Austausch
zwischen den beiden nahen Nachbarn, er sich auf der gemeinsamen Wissenschaft und der
Technik des Abendlandes abwickelte, ist im Gebiete der Musik durch den Gebrauch der
allgemeinen und dadurch auch im Laufe der Zeit normalisierten Instrumente zustande
gekommen. Als zum Beispiel Mahmut II. 1828 Giuseppe Donizetti, den Bruder des
berühmten italienischen Komponisten Gaetano Donizetti nach Istanbul einlud und dieser
zuerst ein Symphonisches Orchester im Serail gründete und nach Jahren das erstenmal
symphonische Musik dargeboten wurde, ergab sich daraus, dass in der Türkei der
neubegonnene Gebrauch, die Anwendung der auch in anderen Ländern allgemein üblichen
Instrumente, fortschritt.
So hörten Ausübende und Zuhörer erstmals Mozarts Kunst, konnten dieselbe auch
erlenen und bei Gelegenheit ausüben. Zur gleichen Zeit wurden in den sich bildenden
Militärmusikkapellen der türkischen Armee Musikwerke des Abendlandes im Repertoire
aufgenommen. Aus einem mir kürzlich von einem Privatarchiv zur Vergütung gestellten
Militärmusikprogramm eines türkischen Regimentes aus der Regierungszeit Mahmut II.
stammend ist zu entnehmen, dass 1847, also acht Jahre nach der politischen und sozialen
Reformerklärung2 zum erstenmal ein Werk von Joseph Haydn darin einbezogen wurde(!). In
Wirklichkeit liegt die Sache so, dass vom l6. Jahrhundert an sich die europäischen Armeen
die Janitscharenmusik zum Muster nahmen und die in der Osmanischen Armee angewendeten
Instrumente sich aneigneten, deren Form und Gestalt entwickelten und die vorkommenden
Eigenheiten in der türkischen Militärmusik zur späteren Realisierung zu eigen machten 3.
Dagegen haben die Türken es vorgezogen, vom l9. Jahrhundert an die der in der
abendländischen Musik allgemein angewendeten und dadurch standarisierten Instrumente
ohne eine Veränderung vorzunehmen, so wie sie sind zu benutzen. Dieser Gebrauch der
Westeuropäischen Türken, die zu den Mitgliedern der europäischen Völkerfamilie zählen,
beruht vor allen Dingen und ohne jeden Zweifel auf der Basis des geopolitisch-natürlichen
Fortschrittes.
So wie im 15. Jahrhundert die Renaissance es war, die die reinen Merkmale der
westlichen Zivilisation zum Standard in der ganzen Welt machte, waren es nicht eines Tages
die Europäer, die ohne jede Rücksicht auf die religiöse, sektische, dogmatische oder auch
Glaubensunterschiede die völkisch örtlichen und nationalen Traditionen und Eigenschaften
zur gemeinsamen, einheitlichen Eigenschaft der Bewohner Europas entwickelten? Und so
haben sich auch unter anderen die europäischen Türken auf dem im Laufe der Historie
fortentwickelten Belehrungswillen stützend, ihre von der geopolotischen Struktur des Landes
herrührende natürliche Reform vervollständigt und sich eines Tages durch diese Art und
Weise auf den humanistischen Inhalt der Mozartschen Kunst näher interessiert. Mozart, der in
seiner Kunst den humanitären und übernationalen idealen zustrebte, hat es in seinem Schaffen
nicht verabsäumt, auch von der osmanisch-türkischen Musik und von echten türkischen
Volkstum Gebrauch zu machen. Professor Paumgartner äußert sich darüber ungefähr
folgendermaßen: "Mozart nähert sich der wahren, idealen Brüderlichkeit erstmalig in
seiner, nach türkischem Thema komponierten Oper „Die Entführung aus dem Serail"4.
Niemand hatta über den Inhalt und die Ursachen eines solchen Austausches und einer
derartigen Fühlungnahme, die im kulturellem Belange mit den Osmanisch-Österreichischen
Beziehungen im Laufe der Geschichte stillschweigend Schritt hielten, fast bis in die letzten
Zeiten, Interesse gezeigt. Die Wege, die Mozart den Türken und die Türken zu Mozart führten
und die Hauptgründe, die diese Wege bahnten, blieben lange unerforscht.
Bei all diesen Untersuchungen stellt sich das eine fest, dass die türkisch-deutschen
Beziehungen im Laufe des 18. Jahrhunderts mit allen ihren positiven und negativen
Erscheinungen einen Austausch von kulturellen Belangen verursachten, welche sich in der
Geschichte Europas einen besonderen Platz einräumten. Und zwar aus diesen Gründen waren
es die gegen Türken kämpfenden deutschen Soldaten, die im 16. Jahrhundert zum ersten Male
vermittelten, die türkische Janitscharenmusik (Mehterhane) den europäischen Ländern
unmittelbar näher zu bringen.5
Von diesem Standpunkt aus ist zu ersehen, dass die, vom 16. Jahrhundert bis zur
Kunst Mozarts reichenden, unter türkischen Einfluss abhängigen, geographischen Zonen des
gegenseitigen Austauschgebietes sich bis zu den Alpen und den Karpathen auswirkten.
Deswegen teilt sich diese Einfluss insbesondere in zwei Richtungen, und zwar die der
Mitteleuropäischen und der Südosteuropäischen. Andererseits sind die Einflüsse der
türkischen Kunst von zwei verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten:
1. Die örtlichen, direkten.
2. Durch Krieg und Belagerung hervorgerufenen, periodisch und zeitlich begrenzten.
Das in Istanbul im Topkapı Serail befindliche Archiv und die vorhandenen
Literaturquellen
in Betracht ziehend und besonders im Lichte der OsmanischÖsterreichischen Beziehungen zu systematisieren versuchen, habe ich die gegenseitigen
kulturellen und künstlerischen Einflüsse folgenderweise erörtert:
1. Nachbarliche Beziehungen.
2. In den vom Gegner eroberten Gebieten, bis zur völligen Auslöschung der
kulturellen und künstlerischen Überlieferungen der sich geltend-machenden
Einflüsse der Einwohner; oder bis zum völligen Untergange des Einflusses der
ethnisch-folkloristischen Eigenschaften einer durch Unterjochung etablierten und
dadurch auch naturalisierten Bevölkerung.
3. Der gegenseitige Austausch von Gesandten und die Einflüsse der an den
realisierten Veranstaltungen teilnehmenden Künstlern auf manche Kunstkreise im
beschränkten Masse.
4. Von dem in Friedenszeiten um die Realisierung bestimmter Art von Arbeiten oder
Sachen sich gegenseitig zugesandten Spezialisten und Studenten verursachten
Eindrücke oder auch Einflüsse.
5. Der Wunsch und Wille des Gebrauches von Kriegsbeuten und den auf
Handelswege gewonnenen Materialien für Kunst und Kultur.
Der einzige “indirekte“ Anlass zur Entwicklung der Kultur und des Kunstaustausches,
der ins Auge fällt, is der auf Reisen, Besuchen oder ähnlichen Anlässen im Gedächtnis
gebliebene oder kundgegebene Eindruck und veröffentlichten Reise- oder
Gesandtschaftsbeschreibungen.
Wie auch Dr. P. Panoff zu den obengenannten, in sechs Kategorien eingeteilten
“direkten“ und “indirekten“ Einflüsse äußerte: im Verlaufe der damaligen osmanischdeutschen Beziehungen, da Österreich mit der Türkei häufig Krieg führte, waren es deutsche
Soldaten die erstmalig die türkische Janitscharenmusik in Österreich bekannt machten. Seit
dem 16. Jahrhundert bekundete Österreich, für die unter den Namen “Janitscharenmusik“
bekannte Militärmusik großes Interesse.6
Die unmittelbare Folge dieser Fühlungnahme und Berührungen war es, dass die alt
Kriegsbeute heimgebrachten Instrumente wie “Becken“, “Triangel“ und “Türkische
Trommel“ von den Militärkapellen des altösterreichischen Heeres übernommen wurden, und
dass besonders in Mitteleuropa die Janitscharenmusik sehr beliebt und zur Mode der Zeit
wurde. Wie sonst könnte man es sich erklären, dass in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert
einige deutsche Markgrafen und später der Preußenkönig Friedrich II. den Wunsch und die
Absicht hatten, durch Heranziehung türkischer Musiker der Armee nach der
Janitscharenmusik eine Militärkapelle zu gründen?7
Andererseits wurden Gesandte des jeweils regierenden Osmanischen Sultans nach
Europa und infolgedessen auch nach Österreich Gesandt, in deren Gefolge sich immer eine
Janitscharenmusik befand. Gegebenenfalls bestand das Gefolge des Gesandten manchmal aus
fünf bis siebenhundert Personen und einem umfangreichen Janitscharenmusik Ensemble, das
fallweise auf der Reiseetappe oder am Ziel regelmäßig Darbietungen veranstaltete. So zog
zum Beispiel 1665 unter der Herrschaft Mehmet IV. abgeordnete Gesandte Kara Mehmet
Aga, von österreichischem Fußvolk und einer großen Volksmenge empfangen, unter den
Klängen der Janitscharenmusik durch das Kärntnertor in Wien ein und setzte seinen Einzug,
immer unter Janitscharenmusikbegleitung, bis zu dem ihm als Standquartier zugeteilten
Gebäude in der Leopoldstadt fort. Außerdem fand während der Sitzungen (Divan) die der
Gesandte jeden Nachmittag abhielt, eine Darbietung der türkischen Militärmusik statt.8 Da
diese Zeremonie immer in Gegenwart zahlreichen Publikums, darunter höchstwahrscheinlich
auch von Musikkennern stattfand, hatten die Wiener damals Gelegenheit, echte, originaltürkische Musik zu hören und standen so unter dem direkten Einfluss derselben.
Was die Türkei betrifft, laut des oben genannten direkten Einflusses, wurden 1794
unter der Regierung Selim III. ausländische Fachleute zur Reorganisierung der türkischen
Armee berufen und unter der Herrschaft Mahmut II. 1826, das System der europäischen
Militärmusikkapelle in der Armee eingeführt. 1826 wurde Giuseppe Donizetti aus Italien
berufen und unter seiner Leitung, ganz nach europäischem System die erste
Militärmusikkapelle samt dem ersten symphonischen Ensemble gegründet. Dies ist im 18.
und 19. Jahrhundert während der Osmanisch-Europäischen Beziehungen das wichtigste, ins
Auge fallende Ereignis.
Beachtenswert ist übrigens auch, wie wir der damalig erscheinenden offiziellen
Zeitung “Ceride-i Havadis“ entnehmen, dass im Sinne eines Kulturaustausches um 1845 das
erste Hammerklavier in die Türkei eingeführt wurde. Tatsächlich aber gab es schon 100 Jahre
vorher und 13 Jahre vor Mozarts Geburt (1743) Orgeln in Istanbul. Mahmut I. sandte einen
Kammerdiener des Serails nach Paris, damit dieser dort das Orgelspiel erlerne. Das berichtet
uns der bekannte österreichische Orientalist und Historiker Joseph von Hammer9 nach
Mittelungen Heinrich Penklers, der sich damals unter Franz II. alt Internuntius Österreichs
bei der “Pforte“ in Istanbul befand.
Wie zu anderen Zeiten beschränkten sich auch in der Mozart-Epoche die Beziehungen
des Osmanischen –und des Österreichischen Reiches nicht nur auf politische, äußerliche und
formale Wechselwirkungen, sondern wie ich mich bereits zu erklären bemühte, hielt damit
stillschweigend Schritt ein Austausch und eine Fühlungnahme in kulturellen Belange. Hinzu
kommt noch, dass die Epoche Maria Theresias für das “Reich“ in großen Ausmaße eine
Reformepoche war, während der gleichzeitig auch das Osmanische Kaiserreich mit
politischen und sozialen Reformen reichlich befasst war. Kaiserin Maria Theresia, eine in
jeder Hinsicht ungewöhnlich bedeutende Frau, arbeitete während ihrer Herrschaft (17401780) mit fühlbarer Entschlossenheit für die weitere Entwicklung der politischen
Verständigung- und der Friedensbeziehungen mit dem Osmanischen Kaiserreiche. Die
türkischen Historiker haben sich nicht geirrt wenn sie behaupten, dass Kaiserin Maria
Theresia dem Osmanischen Kaiserreiche sehr wohlwollend und freundlich gesinnt war. Für
die Dauer der Regierung Maria Theresias, während welcher Zeit vier Osmanische Sultane
herrschten, kann man behaupten, dass beinahe ausnahmslos in den beiderseitigen
Beziehungen der Grundsatz der Verständigung und des Friedens vorwaltete.10
Die Osmanisch-Österreichischen Beziehungen haben bis Anfang des 19. Jahrhunderts,
durch eine ungefähr 270 Jahre währende Zeitspanne, verschiedene Phasen durchgemacht,
inbegriffen die zweimalige Begegnung vor den Toren Wiens (1529, 1683). Diese
Beziehungen haben ihre friedliche Entwicklungsform vornehmlich im Jahre 1740 unter Maria
Theresia angenommen, alt sich diese näher mit den Staatsangelegenheiten zu beschäftigen
begann. Schon acht Jahre nach diese Zeit, schickte das Osmanische Reich den Gesandten
Mustafa Hatti Efendi nach Österreich, der in einem Gesandtschaftsberichte die Wünsche der
Kaiserin in Bezug auf die friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder
mit besonderer Betonung hervorhob. Während seines Wiener Aufenthaltes lud man den
türkischen Gesandten ins Schönbrunner Schloss zu einer Opernaufführung. Im Laufe dieser
Begegnung mit Maria Theresia äußerte die hohe Frau betreffend die Osmanisch-
Österreichischen Beziehungen folgendes: “Die Versöhnung der beiden Länder hat eine
große Freude hervorgerufen. Als Gesandter sind Sie auch unser Freund, ich wünsche, Sie
mögen bei gegebener Gelegenheit den Weg der Vermittlung der beiderseitigen geistigen
Annäherung und zur Bekräftigung der Freundschaft finden können“11. Aber nach diesem
Ereignis, als Maria Theresias Mann, Kaiser Franz I. den Thron innehatte und von der
Kaiserin für die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder günstig beeinflusst war,
nahm Maria Theresia 1765 mit Hilfe ihres Sohnes alt Mitregenten, die Regierung ganz in ihre
Hände und konnte so die Beziehungen der Osmanisch-Österreichischen Reiche nach ihren
Willen formen. Daraus ist zu ersehen, dass die Kaiserin der Gesinnung, der sie 1748 dem
türkischen Gesandten Mustafa Hatti Efendi gegenüber hinsichtlich der OsmanischÖsterreichischen Beziehungen Ausdruck gab, genau 27 Jahre treu blieb, und als die
politischen Beziehungen sich 1773 etwas trübten, wurden sie 1775-1780 durch das Bestreben
der Kaiserin wieder erheblich gebessert. Kaiser Josef II. ergriff nach dem Tode der großen
Frau, 1780 die Gelegenheit, die Osmanisch-Österreichischen Beziehungen nach seinen Willen
von Grund auf zu ändern. Doch hat dann Leopold II., dessen Herrschaft nur von zweijähriger
Dauer war, ohne zu zögern die von seiner Mutter angebahnten, freundschaftlichen politischen
Beziehungen mit dem Osmanischen Kaiserreiche wieder in diesem Sinne fortgesetzt.12
Wenn man sich die oben dargestellten Ereignisse zusammenfassend vor Augen hält,
ergibt es sich, dass vom 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Osmanisch-Österreichischen
Beziehungen sehr wechselvoll waren, dass aber die Zeit der Herrschaft Kaiserin Maria
Theresia die vorteilhafteste für das freundschaftliche Verhältnis der beiden Länder war. Der
große Komponist W.A. Mozart hat 24 Jahre seines nur 35 Jahre währenden Lebens in
derselben Epoche gelebt, in der Zeit Maria Theresias, in der der gute Stand der OsmanischÖsterreichischen Beziehungen reichte Früchte zu tragen schien.
Merkwürdig ist es, dass Mozart in eben derselben Zeit sich anschickte,
beachtenswerte, neuschöpferische, von der Türkei inspirierte Werke zu schaffen, zu der sich
die Türkei in einen Krisenzustand befand und unter der Regierung Abdülhamit I. (17741789) sorgenvolle Tage verbrachte. Der sehr alte milde Sultan hatte 1774 unter Zwang seine
Einwilligung zum Versöhnungsvertrag von Küçük Kaynarca gegeben, und nachher setzten
sich die Beziehungen zwischen dem Österreich Maria Theresias und dem Kaiserreich der
Osmanen im Sinne der “Freundschaft“ und der “guten Absicht“ fort.13 Doch gerade als die
Beziehungen kritisch wurden und die Bukowina an Österreich abgetreten wurde, komponierte
Mozart (29.12.1775) in Salzburg das Violinkonzert No.5 in a-Dur (K.V.219) dessen “moll“
Teil von türkischer Musik inspiriert ist und manchmal auch “Türkisches Konzert“ betitelt
wird. Tatsächlich trat das türkische a-Moll Thema im “Rondo“ Satz dieses Werkes als
Einlage in seinem Ballett “Die Eifersucht im Serail“ (La gelosia del seraglio), das er drei
Jahre vorher als sechszehnjähriger, 1772, in Mailand schrieb, das erstenmal in Erscheinung.14
Zur gleichen Zeit war das Osmanische Kaiserreich bemüht, sich vor den schweren Folgen
eines Krieges zu schützen, in dem sich Österreich zeitweise neutral verhielt.15
Der junge Mozart hat sich, wie oben erwähnt, erstmalig in Italien mit türkischen
Motiven beschäftigt und erst später, in den Jahren 1775-1779 in Salzburg, 1778 in Paris und
1782 in Wien fand er die Möglichkeit, von türkischen Themen beeinflusst, refiere Werke zu
schaffen.
Die a-Dur Klavier-Sonate Nr.11 (K.V.331) komponierte er während der Herrschaft
Abdülhamit I. (1774-1779). Den “Rondo alla Turca“ Teil darin, der völlig an die
Janitscharenmusik erinnert, hat Mozart 1778 in Paris geschrieben, zu gleicher Zeit, in der die
Osmanisch-Österreichischen Beziehungen sich Dank der Bemühungen Maria Theresia wieder
besserten und das Osmanische Reich, das mit schweren Schäden aus dem Krieg hervorging,
trotz heftiger Reaktionen nicht zögerte, eine Reform durchzuführen. So ist das “Rondo alla
Turca“ das Werk jenes Zeitabschnittes, in welcher die Türkei bemüht war, einerseits die guten
Beziehungen mit ihren österreichischen Nachbarn aufrechtzuerhalten, andererseits sich um
eine Reform bemühte. Aber es war vorauszusehen, dass Kaiser Josef II. der Maria Theresia
in der Führung der Regierungsangelegenheiten beistand, und ganz anderer Anschauung in der
Politik zwischen dem Osmanischen- und dem Österreichischen Reiche war, bald eine
Änderung in den Beziehungen herbeiführen würde, denn das Lebensende der Kaiserin war
nahe. Doch hat Mozart während die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten noch freundlich
waren, im Jahre 1779 das, einem Thema des türkischen Lebens entnommene, unvollendete,
erste Bühnenwerk “Zaide“ (K.X.334) komponiert.
Merkwürdigerweise aber schuf Mozart sein größtes, vom türkischen Wesen inspirierte
Werk, die Oper “Die Entführung aus dem Serail“ im Mai 1782, da Maria Theresia nicht
mehr am Leben war und die Osmanisch-Österreichische Freundschaft schon ziemlich der
Vergangenheit angehörte. Die guten Osmanisch-Österreichischen Beziehungen hatten sich
nämlich schon ein paar Monate vor dem Ableben der großen Kaiserin 178016 gelockert,
hörten 1781 vollkommen auf, traten zwischen 1785 und 1786 in ein kritisches Stadium und
mündeten schließlich 1787-1792 in einen Krieg. 1788 starb Abdülhamit I. der große
Reformator Selim III. stieg auf den Thron. Die ersten Versuche des energischen Sultans
waren im Anfang von guten Resultaten begleitet. 1790 aber gab es für das Osmanische Reich
wieder ein trauriges Ereignis, einen verlorenen Krieg. Im selben Jahr, am 20. Februar starb
Josef II. und sein Bruder Leopold II. war sein Nachfolger. Kaiser Leopold II. bestrebe sich
zwar, 1791, die von seiner Mutter Maria Theresia im traditionellen Sinne gepflegten, guten
Osmanisch-Österreichischen Beziehungen wieder zur Entwicklung zu bringen, doch hat der
geniale Künstler Mozart in seinen letzten neun Lebensjahren, die außerhalb der
Regierungsjahre Maria Theresia fielen, kein Werk geschaffen, das man in Verbindung mit der
Türkei bringen könnte.
Die Oper “Die Entführung aus dem Serail“ ist in der Epoche Josef II. einstanden, da
die politische Atmosphäre noch unbeständig war. Mozart, an die Zeit des Friedens Maria
Theresias gewöhnt, hat unbekümmert der schweren Wolken, die sich drohend über Mittelund West-Osten Europas zusammenzogen, dieses Werk vollendet, das ein ganz neues und
türkisches Thema zum Inhalt Hat.
Beachtenswert ist ein Brief, den er 1781 an seinen Vater schreibt, in welchem er mit
Begeisterung über das türkische Thema berichtet und dem Wunsche Ausdruck gibt, baldigst
mit dem Komponieren dieser Oper beginnen zu können.17 Besonders der Umstand, dass
Mozart, der in seiner Musik “Liebe“ und “Freiheit“ verherrlicht, im Original-Libretto zur
“Entführung aus dem Serail“ die Rolle des Bassa Selims (Pascha) mit voller Absicht ändert
und dessen Person zu den Höhen eines humanen Ideals emporhebt, ist einer Aufmerksamkeit
würdig. Im Originaltext, vorbereitet von Bretzner, ist der Nebenbuhler der eigene Sohn
Selims, der die Todesstrafe dann aufhebt, als er davon erfährt. Mozart aber ändert nicht nur
die Rolle des Belmonte und macht ihn zu den Sohn eines Todfeindes Bassa Selims, sondern
er schafft in Selim einen ganz neuen Typ von Rivalen, der trotzdem er Belmonte auf der
Flucht mit Constanze erwischt, ihnen den Weg in die Freiheit gibt.18 Deshalb ist nach Ansicht
Professor Paumgartners, Bassa Selim19 in der vom türkischen Leben inspirierten Oper der
Verkünder der etnischen Tendenz des Werkes.20 Durch allerhand betrübliche Umstände
verzögerten sich die Vorbereitungen zur Aufführung dieser Oper und Kaiser Josef II. war es,
der durch einen strengen Befehl veranlasste, dass am 16. Juli 1782 im Kaiser-und Königlichen
Burgtheater endlich die Uraufführung stattfand.21 Auch wurde die Oper “Die Entführung aus
dem Serail“ trotz der damaligen kritischen Türkisch-Österreichischen Beziehungen mit
großem Erfolg 1783 in Prag aufgeführt, 1784 fand in Salzburg die Aufführung statt und in
den folgenden Jahren hielt sich die Oper im Repertoire des Burgtheaters längere Zeit durch.22
Durch die obige Darstellung habe ich mich bemüht vor Augen zu führen, wie in der
eine friedliche Atmosphäre ausstrahlenden Epoche Maria Theresias sich Mozart durch die
Türkei inspirieren ließ und dies in einigen seiner Werke zum Ausdruck brachte. Obwohl
während der Regierung Josef II. eine politische Spannung herrschte, hat der große Künstler in
angespannter Tätigkeit die Linie seines Schaffens unbeirrt verfolgt und zum Ziele Gebracht.
Da jedoch in den folgenden Jahren die politischen Atmosphäre immer kritischer
wurde, ist vielleicht darin der Grund zu suchen, dass Mozart kein weiteres türkisches Thema
mehr in Angriff nahm. Leopold II. bestieg 1790 den Thron und unter der Regierung des
Osmanischen Kaisers Selim II. (1789-1807) besserten sich den Umständen entsprechend die
Osmanisch-Österreichischen Beziehungen, aber dies konnte nicht mehr zur Auswirkung
kommen, nur eine kurze Frist war dem großen Genie noch beschieden und 1791 schloss er für
ewig die Augen.
So zeigt es sich wie Mozart ungeachtet aller politischen Wirrungen und Irrungen die
Bahn der von türkischen Motiven beeinflussten Schöpfungen verfolgte und als das
unvergängliche Genie, das er war, hoch über alles irdisch Kleinliche stand. Es dient seine
hehre Kunst nicht nur der Schönheit, sondern auch dem Ideal der Völkerversöhnung,
Völkerverständigung und Völkerannäherung.
1
HAMMER, Joseph von, Geschichte des Osmanischen Reiches, Band: 3, St. 578, 580, Band:4, S.174, C.A.
Hartlebens Verlag, Pesth 1836.
2
Aus dem Privatarchiv des Direktors des Topkapı Serail Museum Haluk Şehsuvaroğlu, das Programm mit der
Überschrift: “Topçu İkinci Alayı Mızıka takımının icra eyleyecekleri mızıkaların ihbar kaimesi”.
3
GAZİMİHAL, Mahmut Ragıp, Geschichte der türkischen Militärmusik, S.36, Maarif Basımevi, İstanbul 1955.
4
PAUMGARTNER, Bernhard, Mozart, Zürich, Atlantis Verlag, 1945, S.34.
5
GAZİMİHAL, Mahmut Ragıp, Geschichte der türkischen Militärmusik, İstanbul, Maarif Basımevi, 1955, S.33.
6
GAZİMİHAL, Mahmut Ragıp, Geschichte der türkischen Militärmusik, İstanbul, Maarif Basımevi, 1955, S.33,37.
7
GAZİMİHAL, Mahmut Ragıp, Geschichte der türkischen Militärmusik, İstanbul, Maarif Basımevi, 1955, S.33.
8
HAMMER, Joseph von, Geschichte des Osmanichen Reiches, Pesth, C.A. Hartlebens Verlag, 1835,
Band:3, S.578-580.
9
HAMMER, Joseph von, Geschichte des Osmanischen Reiches, Pesth, C.A. Hartlebens Verlag, 1836, Band:4,
S.395.
10
Mahmut I. (1730-1757), Osman III. (1754-1757), Abdülhamit I (1774-1789).
11
Mustafa Hatti Efendi Sefaretnamesi (Die Gesandtschaftsbeschreibung des Gesandten Mustafa Hatti Efendi
des Pilgers, Istanbul, Topkapı Serail. S.30-33, Bagdad Koesch Bibliothek, Handschriftensammlung: Nr.235 (1161
n.H.-1748 n.CH). Der ursprüngliche Text des türkischen Gesandten ist in die heute angewendete türkische
Sprache übertragen.
12
JORGA, N., Geschichte des osmanischen Reiches, Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1913, Band:5, S.85.
13
HAMMER, Joseph von, Geschichte des Osmanischen Reiches, Pest, C.A. Hartlebens Verlag, 1836, Band:4,
S.666.
14
PAUMGARTNER, Bernhard, Mozart, Zürich, Atlantis Verlag, 1945, S.159,486.
15
Der Krieg von Silistria u. Friedenschluss von Küçük Kaynarca (1768-1774).
16
JORGA, N., Geschichte des Osmanischen Reiches, Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1913, Band:5, S.21.
17
PAUMGARTNER, Bernhard, Mozart, Zürich, Atlantis Verleg, 1945, S.267,268.
18
Sehe im angegebenen Buche Seite 283.
19
Sehe im angegebenen Buche Seite 291.
20
Sehe im angegebenen Buche Seite 34.
21
Sehe im angegebenen Buche Seite 292.
22
Sehe im angegebenen Buche Seite 293,294.
Herunterladen