Die provisorische Zentralgewalt und der Waffenstillstand von Malmö

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Protokoll der Sitzung vom 14.6.2012
Die provisorische Zentralgewalt und der Waffenstillstand von Malmö (Nachtrag)
Der schleswig-holsteinische Krieg war ein Bundeskrieg und damit ein Problem, das die neue Regierung
von dem Vorgängersystem, das sie überwinden wollte – dem Deutschen Bund – geerbt hatte. Die
provisorische Zentralgewalt hatte keine finanziellen Mittel zum Kriegführen, wollte Preußen nicht gegen
sich aufbringen und bekam zudem Druck durch die Großmächte, die den Waffenstillstand befürworteten.
Sie stellte daher den Antrag an die Nationalversammlung, den Waffenstillstand von Malmö zu billigen –
diese lehnte am 5.8.1848 ab.
Die treibenden Kräfte für diese Entscheidung in der Nationalversammlung waren zum einen die
Gruppe der Schleswiger (unter ihnen als wichtige Figur Friedrich Christoph Dahlmann, ein
Konstitutioneller und Preußenanhänger) und zum anderen die Gruppe der Linken (und Demokraten). Sie
verweigerten aus verschiedenen Beweggründen die Annahme des Waffenstillstands.
Für die Gruppe der Schleswiger standen nationale Motive, der Anschluss ganz Schleswigs an den
Deutschen Bund, im Vordergrund. Die konstitutionellen Liberalen hatten große Hoffnungen in einen
Krieg gegen Dänemark gesetzt (die nicht erfüllt werden sollten: Dänemark wurde nicht besiegt, Preußen
musste sich ganz zurückziehen). Die Linke wiederum hatte sich bisher noch nicht als durchsetzungsstark
darstellen können und hoffte nun eigene Vorstellungen durchsetzen zu können.
Die Abstimmung der Nationalversammlung gegen die Billigung des Waffenstillstands von Malmö kann
in der Rückschau als Beispiel für die Problematik parlamentarischen Regierens angesehen werden: Die
Nationalversammlung zeigte sich für das Inland ebenso wie für das Ausland als unberechenbar und
instabil, als wenig verantwortungsvoll und kompromissbereit. Die Unerfahrenheit der Parlamentarier, ihr
Beharren auf die Durchsetzung von Vorstellungen und Gesinnungen, wobei sie das große Ganze aus den
Augen verloren, wurde bereits von den Zeitgenossen kritisiert. Beispielsweise rügte der Reichsminister für
Handel, Arnold Duckwitz, dass die Nationalversammlung nicht die Auswirkungen ihrer Entscheidung für
den Verlauf der Revolution, das Verfassungswerk und die Regierung im Blick hatten.
Eine Folge der Abstimmung gegen den Waffenstillstand war das Ende der Regierung von Leiningen,
die damit die Vertrauensfrage verbunden hatte. Die Opposition, die die Regierung gestürzt hatte, sollte
sich nun um die Neubildung kümmern – Dahlmann wurde hiermit beauftragt, scheiterte jedoch, weil sich
keiner an der Regierung beteiligen wollte. Der Reichsverweser bat daraufhin die Minister der alten
Regierung (außer von Leiningen), im Amt zu bleiben.
Die Frage des Waffenstillstands stand für die neue alte Regierung weiterhin im Raum. Um dieses
Problems Herr zu werden, wurde der Beschluss zurückgenommen, und der Reichsverweser versuchte, den
Abgeordneten, die sich bisher gegen den Waffenstillstand gestellt hatten, die Alternativlosigkeit
klarzumachen. Der Waffenstillstand wurde am 16.9. in einer weiteren Abstimmung von der
Nationalversammlung angenommen.
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Dieses Abstimmungsverhalten bedeutete einen schwerer Ansehensverlust für das Parlament in der
Bevölkerung und hatte weitreichende Konsequenzen für das Prestige im Ausland. Zunächst zum Ausland:
Die Ablehnung des Waffenstillstands war für die Großmächte eine aggressive Geste. Die nachträgliche
Zustimmung milderte die negative Wirkung kaum, nun erschien das neue Deutschland als instabil und
unberechenbar. Es ist daher nachvollziehbar, dass man trotz vorhandener Sympathien beispielsweise
seitens der Franzosen lieber auf bewährte Strukturen zurückgriff und mit einer traditionellen Monarchie
verhandelte – und das war in dieser Frage Preußen: Preußen war mit der Kriegsführung im SchleswigHolsteinischen Krieg beauftragt und führte eigene Friedensverhandlungen mit den Großmächten, ohne
Frankfurt einzubeziehen. Das Verhalten Preußens gegenüber der provisorischen Regierung ist geradezu
als provokativ zu beschreiben: Preußen ignorierte die Regierung und demütigte sie zudem, indem sie dem
Kommissar Max von Gagern die Teilnahme an den Verhandlungen verwehrte. Vor allem aber band
Preußen die provisorische Zentralgewalt bzw. das Parlament raffiniert in das Scheitern der Verhandlungen
ein.
Antirevolultionäre Politik der Provisorischen Zentralgewalt im Herbst und Winter 1848
Was die innenpolitischen Folgen betrifft, so bedeutete der Waffenstillstand von Malmö und die
Entscheidung der Nationalversammlung, diesen zu billigen, eine regelrechte Destabilisierung des Landes:
An verschiedenen Orten kam es zu Unruhen, Aufständen und Tumulten.
In Baden richtete sich die Aggression vor allem gegen die Herrschaft des Großherzogs. Gustav Struve,
ein radikaldemokratischer und antimonarchistischer Politiker und Publizist, der mit Hecker einer der
Köpfe der Märzrevolution in Baden gewesen war, kam aus dem Schweizer Exil, rief die badische Republik
aus und forderte Freischärler zum Kampf gegen den Großherzog auf. In Staufen wurde der Zug von
großherzoglichen Soldaten mit Reichstruppen (des Reichskommissars) aufgehalten. Damit war auch die
zweite Revolution in Baden gescheitert.
Bei diesem Aufstand artikulierten sich zum einen die bereits ausgeschalteten Märzrevolutionäre, zum
anderen jene ultrademokratischen, republikanischen und sozialistischen Parteiungen, die bislang keine
Erfolge in Parlament und Regierung erzielen konnten. Sie nahmen angesichts der aus der Malmö-Krise
resultierenden Schwäche der Regierung eine Chance wahr, sich durchzusetzen und zwar mit den Mitteln
der Gewalt.
In Frankfurt kam es seitens linker Politiker nach der Zustimmung zum Waffenstillstand zu
Überlegungen, „es einfach ohne das Parlament zu versuchen“, was jedoch wieder verworfen wurde. Dies
brachte die Frankfurter Bevölkerung, insbesondere die von der Politik enttäuschten Unterschichten,
erneut gegen die Politik auf. Die Spannungen entluden sich in Krawallen vor der Paulskirche. Unter
unklaren Umständen wurden zwei konservative Abgeordnete, Felix Fürst von Lichnowsky und Hans von
Auerswald ermordet, und in der Innenstadt wurden Barrikaden errichtet, woraufhin preußische Truppen
und Truppen aus der Bundesfestung Mainz angefordert wurden, die den Aufstand am 18.9.
niederschlugen.
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Gegenüber Baden bedeuteten die Vorgänge in Frankfurt durch die Morde an unliebsamen Politikern
und die Stürmung des Parlaments eine weitere Steigerung und eine Provokation für Parlament und
provisorische Regierung. Die Niederschlagung des Aufstands durch z. T. eigene Truppen mit Auftrag
Schmerlings, dem kommissarischen Ministerpräsidenten und Innenminister, bedeuteten vorerst die
Selbstbehauptung von Parlament und Zentralgewalt.
Es stellte sich jedoch im September 1848 eine gewisse Ermüdung ein – die Begeisterung und
Aufbruchstimmung
waren verschwunden, das
Selbstvertrauen der
Nationalversammlung
war
angeschlagen (Quelle Brief Beseler). Dies zeigt sich daran, dass bereits Ersatzmänner für Parlamentarier,
die ihr Mandat niedergelegt hatten, kamen. Die Arbeit des Parlaments wurde dadurch ebenso erschwert
wie durch die schlechte Stimmung unter den Gruppierungen der Nationalversammlung: Die Linke wurde
indirekt verantwortlich gemacht für die beiden Morde, es herrschte Misstrauen unter den Abgeordneten,
was die Zusammenarbeit stark beeinträchtigte. Die Spaltung der Nationalversammlung ist die
bedeutendste Folge der Unruhen: Die Linke wandte sich nach außen, den Unterschichten zu, die Rechte
tendierte noch stärker zu den Fürsten. Von dieser Seite kam es nun zur Hinwendung zu Preußen als
Triebkraft für die Einigung – man befürchtete, dass die Nationalversammlung dies aus sich heraus nicht
bewältigen konnte.
Im Anschluss an die Unruhen entwickelte die Zentralgewalt eine „präventive Antigewaltpolitik“ um zu
verhindern, dass es nochmals zu solchen Gewaltakten kommt. Hierzu setzte sie Pressezensur und die
Überwachung verdächtiger Vereine ein – genau jene Mittel der Reaktion, die durch die
Demokratiebewegung selbst bekämpft worden waren, und nahm damit in Kauf, dass sich die Reaktion
darauf berufen könnte (Quelle Siemann, Brief Mohl).
In Wien kam es ebenfalls zu Krawallen, wobei hier nicht die Schleswig-Frage Auslöser war, sondern
Konflikte innerhalb des Vielvölkerstaats (zwischen Ungarn und Kroaten). Teile der Truppen, die in das
aufständische Ungarn entsandt werden sollten, meuterten und sympathisierten mit den an der Revolution
beteiligten Arbeitern und Studenten. Gemeinsam bildeten sie eine Revolutionsarmee von ca. 100.000
Kämpfern, die bald große Teile der Stadt beherrschten. Der Kriegsminister wurde gelyncht, Kaiser
Ferdinand musste die Stadt verlassen, ebenso der rechte Flügel des Parlaments. Ende Oktober gewannen
die kaiserlichen Truppen Wien jedoch wieder zurück.
Die provisorische Zentralgewalt reagierte hierauf mit der Entsendung zweier Reichskommissare, die
vermitteln sollten, aber kaum wahrgenommen wurden. Unabhängig davon schickte das Frankfurter
Parlament drei Kommissare der Linken, darunter Robert Blum, nach Wien, die ebenfalls vermitteln
sollten, sich aber auf die Seite der Aufständischen schlugen. Nach ihrer Verhaftung und Verurteilung zum
Tode in einem Standgerichtsverfahren wurde jedoch nur Robert Blum als Anführer, profiliertester Linker
und Deutsch-Katholik, hingerichtet. Dieser Vorgang bedeutete erneut eine Provokation und schwere
Niederlage für die Nationalversammlung, da hier gegen „im Namen des Parlaments“ Delegierte (die
allerdings nicht mit offizieller Abstimmung entsandt worden waren) vorgegangen wurde.
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