Revolution in der Wüste

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Ein privates Naturreservat in Namibia wird zum Modell für nachhaltiges Wirtschaften
Revolution in der Wüste 13.03.2012
von Christian Selz
Windhuk/NamibRand. Eine kleine Herde von Spießböcken trottet gemächlich
über den Dünenrücken, rupft ein paar Grashalme aus dem feinen, roten Sand und
starrt dann gelassen in die Kameras der Besucher. Auch die Zebras äugen
neugierig durch die offene Tür zur kleinen Pressekonferenz, auf der die Macher
des Parks gerade ihr Nachhaltigkeitskonzept erklären. Einst wurden die Tiere
hier erbarmungslos gejagt, die Schafzucht lag komplett am Boden, die Farmer
verkauften Biltong, getrocknetes Wildfleisch, um zu überleben.
Diese Zeiten sind schon lange vorbei, das Land im Westen Namibias bildet heute eines
der größten privaten Naturschutzgebiete des südlichen Afrikas. Doch nicht nur die
Natur profitiert davon: Das „NamibRand Nature Reserve“ ist weltweit ein Vorreiter für
soziale Entwicklung durch privaten Naturschutz. Dabei handelt es sich um ein
Geschäftsmodell, das die Welt ein Stück weit verbessern will. Ende des vergangenen
Jahres gab es dafür von der Jochen-Zeitz-Stiftung die Zertifizierung als sogenanntes
Global Ecosphere Retreat.
Zeitz, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Puma und inzwischen im Mutterkonzern
PPR für das Ressort Nachhaltigkeit zuständig, ist selbst nach Namibia gekommen, um an
diesem heißen Morgen im Februar eine Solaranlage einzuweihen. Tag für Tag dörrt und
bleicht die Sonne hier die Wüste aus, nun soll sie Strom für die Lodges im Park liefern.
Der hoch aufgeschossene Spitzen-Manager hat ein Faible für die Reize der Wüste, „die
Weite ist atemberaubend“, schwärmt er. Und während er Fotos von grasenden
Antilopen und Sonnenuntergängen schießt, wirkt der einst mit gerade einmal 30 Jahren
jüngste Vorstandsvorsitzende eines im DAX notierten Unternehmens wie ein normaler
Tourist.
Doch Zeitz, der inzwischen 48 Jahre alt und Gründer seiner eigenen Stiftung für
nachhaltigen Tourismus ist, ist mehr als ein teilnahmsloser Zuschauer am Rand. Der
gebürtige Mannheimer ist Mitglied des von der Bundesregierung berufenen Rates für
Nachhaltige Entwicklung, unter seiner Regie hat Puma als erstes Unternehmen weltweit
die sozialen und ökologischen Kosten der eigenen Produktionskette ausgewiesen. „Wir
messen ja nun mal unser Geschäft in Werten, in Euro und Cent, und die Übersetzung der
Umwelt auf Werte soll in keinster Weise die echte Werthaltigkeit der Natur
vermonetarisieren, sondern visualisieren, welche Auswirkungen das Wirtschaften auf
die Umwelt hat und welche enormen Leistungen unsere Natur uns täglich gibt“, erklärt
er seinen Ansatz und fordert kaum weniger als eine marktwirtschaftliche Revolution:
„Wir müssen dahin kommen, dass wir diese Themen nicht negieren, sondern
automatisch in unserm Kalkül mit berücksichtigen.“
Der Tourismus soll dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Zehn Destinationen in der
ganzen Welt hat die Jochen-Zeitz-Stiftung deshalb als Global Ecosphere Retreat – also als
Rückzugsraum für die Natur – ausgewählt. Präventiv zerschlägt Zeitz Gedanken an
Greenwashing. „Es gibt viele, die glauben, sie wären mit einem Solarpanel, das ein
bisschen Heißwasser erzeugt, schon nachhaltig“, sagt er.
NamibRand hat in der Tat mehr zu bieten: Im Jahr 1992 gründete der Windhuker
Industrielle Albi Brückner, Namibier in zweiter Generation, nach einigen Farmzukäufen
das Privatreservat, das inzwischen mit einer Fläche von 172000 Hektar doppelt so groß
wie Berlin ist. 2000 Kilometer lange Farmzäune sind seitdem verschwunden und
Hunderte über das ganze Gelände verstreute Dieselfässer der Vorbesitzer entsorgt
worden. Die Tiere bewegen sich frei über ursprüngliches Land. Von den Dünenspitzen
am Rande des Reservats lässt sich entlang der Grenzzäune sehr deutlich der Unterschied
zwischen den natürlichen, mehrjährigen Dünengräsern innerhalb des Schutzgebiets und
den überweideten Flächen außerhalb erkennen.
Doch um die Natur nachhaltig zu erhalten, glaubt Brückners Sohn Stephan, müsse sie
auch den Menschen vor Ort dienen. „Land in Afrika ist ein begehrtes Gut, und wenn man
ein riesiges Stück Land hat, weil’s Spaß macht oder man die Natur schützen will, reicht
das einfach nicht. Das Land muss was erwirtschaften, es muss Arbeitsplätze schaffen, es
muss ein ökonomischer Nutzen entstehen.“
Brückner Junior hat dafür im Jahr 1995 die Wolwedans Collection gegründet, eine kleine
Selektion luxuriöser Zelt-Lodges, die den Park auch wirtschaftlich nachhaltig machen –
eben ein wesentliches Kriterium für die Zertifizierung durch die Jochen-Zeitz-Stiftung.
Die hauseigene Desert Academy bildet junge Namibier zu Hotelfachpersonal aus, und
das ebenfalls von Brückner gegründete Namibian Institute of Culinary Education ist die
angesehenste Küchenschule im ganzen Land. Dazu kommt noch ein
Naturbildungszentrum, das vorrangig Schulklassen in einwöchigen Kursen im Umgang
mit ihrer Umwelt und den gerade im Wüstenland Namibia so raren natürlichen
Ressourcen wie Brennstoff und Wasser vertraut macht. Dieses Angebot ist für arme
Schulen kostenlos.
Das Geld bringen die Touristen aus dem Ausland mit, größtenteils aus Deutschland,
Frankreich oder den Benelux-Ländern. Für die perfekte Ruhe in der wunderschönen
Wüste und Begegnungen mit tänzelnden Straußenvögeln, jagenden Hyänen und auf der
Lauer liegenden Leoparden zahlen die Gäste in den exklusiven Camps ab 250 Euro
aufwärts pro Person und Nacht. „No money, no honey“, sagt Stephan Brückner nüchtern,
„wenn du kein Geld verdienst, kannst du nichts bewegen“.
Umgerechnet eine Million Euro hat sein Lodge-Betrieb bisher für das Naturreservat
erwirtschaftet, die Kosten für Ausbildungsprogramme und umweltfreundlichen
Tourismusbetrieb allerdings nicht mitgerechnet. Eine Dividende haben die Teilhaber in
all den Jahren noch nicht einmal gesehen. „Wenn man ins Gras beißt mit einem
Riesenvermögen, dann hinterlässt man kein Erbe“, sagt der 44-Jährige drastisch. „Das
alte kapitalistische Modell ist ja offensichtlich am Kippen, es funktioniert einfach nicht,
und irgendwo muss wahrscheinlich ein goldener Mittelweg gefunden werden. Vielleicht
kann man das hier so ein bisschen vorleben“, sagt Stephan Brückner.
Zeitz geht sogar davon aus, dass das nachhaltige Wirtschaften zum führenden Modell
aufsteigt: „Es sollte irgendwann ein Muss für alle Unternehmen und Branchen werden.
Sei es gesetzlich, weil es ein Anspruch ist, den ein Land beispielsweise an den Tourismus
stellt, sei es, weil Ressourcen reduziert werden und damit das Risiko zu groß ist, sich
dem nicht anzuschließen, oder eben aus eigener Überzeugung.“
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