Was sind denn Biokatalysatoren eigentlich? Kalt und ungemütlich erstreckt sich der Trakt der Naturwissenschaftlichen Fakultät 3, Mikrobiologie, Biologie und Vorklinikum, der Universität Regensburg, vor uns. Über eine brüchige Treppe gelangen wir, geführt von Professor Huber zu einem der Hörsäle. Dort erwarten uns Mitarbeiter und Studenten des Lehrstuhls, die uns an diesem Tag begleiten werden. „Wer von euch hat eine Jeans an?“ fragt Professor Huber. Schätzungsweise 80% der Schüler und Schülerinnen hebt die Hand. „Und welche eurer Jeans sind den bearbeitet? In der Farbe gebleicht?“ Die Zahl der Meldungen dürfte genauso hoch sein wie vorher. Dieses Ausbleichen werde durch chemische Mittel hergestellt, referiert Huber. Allerdings benötige man dazu etwa 2 Stunden, Temperaturen von ca. 85 Grad und H 2 O2. Mit biologischen Enzymen laufe das wesentlich umweltschonender in ca. 5 Minuten bei 35 Grad und daher auch deutlich billiger ab. Damit sind wir bei unserem Thema: Biokatalysatoren. Diese sind nicht nur wichtig für das Bleichen von Jeans, sondern für die verschiedensten chemischen Reaktionen, da sie die benötigte Energie herabsetzen und die Reaktion beschleunigen. Dabei bleiben sie selbst erhalten. Chemische Katalysatoren sind chemische Stoffe. Bei den biologischen Katalysatoren handelt es sich meist um so genannte polymere Biomoleküle. Das sind in der Mehrzahl der Fälle Enzyme. Diese Biokatalysatoren befinden sich entweder in den Zellen (Endoenzyme) und beschleunigen die Zellreaktionen, oder sie werden von den Zellen ausgeschieden (Exoenzyme). In jedem Fall jedoch handelt es sich um in der Natur vorkommende Stoffe. Die Wirkung zeigen die Dozenten eindrucksvoll in einem Versuch. Auf eine Kartoffelscheibe wird etwas H2O2 (Wasserstoffperoxid) geträufelt, welches die Stärke in der Kartoffel zersetzt und dadurch selbst in H2O (Wasser) und Sauerstoff zerlegt wird. Den Vorgang nennt man Katalase. Das gefährliche Zellgift Wasserstoffperoxid wird dadurch zerstört. Die helle Farbe der Jeans werde ebenfalls dadurch umweltschonend erreicht. <Wasserstoffperoxid wurde auch jahrzehntelang von Friseuren zum Bleichen von Haaren (im Sinne von Erblonden) eingesetzt.> Die Kartoffelscheiben wandern durch die Reihen und zeigen eine Schaumbildung an der Oberfläche. „Das soll Wissenschaft sein?“ fragt enttäuscht eine Schülerin. Es sollte an diesem Tag nicht die einzige Frage dieser Art sein. Vorläufig können wir uns unter der geballten Theorie und dem Kontrast einer schmutzig wirkenden Kartoffelscheibe noch nicht die Bedeutung der Mikroorganismen vorstellen. „In der Lebensmittelindustrie können Biokatalysatoren viel Chemie ersetzen und so zur Verträglichkeit von Nahrungsmitteln beitragen,“ erklärt der Professor. Aber auch in der Reinigung von Abwasser sehe man große Chancen, umweltverträglich arbeiten zu können. Biokatalysatoren seien für die heutige Industrie also sehr wichtig, berichtet Professor Huber weiter, da ihre Verwendung effektiver als vergleichbare chemische Stoffe sei. Aus diesem Grund werde die Forschung im Bereich der Biokatalyse von der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt schon seit Jahren besonders unterstützt. Wann immer es möglich sei, sollten chemische Katalysatoren durch biologische ersetzt werden. Wo aber kriegt man die Mikroorganismen her? Zum Beispiel aus dem Sippenauer Moor. Aber die dort erntbaren Mengen reichen für die industrielle Anwendung bei weitem nicht aus. Also „züchtet“ man sie im Labor im großen Maßstab. In diesem Labor wollen wir uns das nun ansehen. Treppen tiefer und tiefer, ins Halbdunkel langer Gänge, dicke Rohrleitungen ziehen sich an der Decke entlang und es riecht etwas muffig. So nebenbei erfahren wir, dass dieses Gebäude „fertig“ sei und der Neubau schon begonnen werde. Beton ist also auch nicht ewig haltbar. Aber nur 30 Jahre? Erstaunlich. Dann aber im Labor: Hell, blitzblank alles und eine Ausstrahlung wie von einem technischen Zukunftsfilm. Dutzende Apparate, metallisch glänzend oder mittelblau lackiert, stehen in Reih und Glied. Einige technische Mitarbeiter kontrollieren laufend für unverständliche Werte, die sie an allen möglichen Skalen ablesen. An der Wand sitzt ein weiß bekittelter Wissenschaftler an einem Computer und verfolgt Diagramme und Zahlenreihen. Konzentriert starrt er auf den Bildschirm, tippt immer wieder selber Befehle ein und registriert deren Ergebnisse. Es ist doch etwas laut und es ist nicht immer leicht, die Erklärungen zu verstehen. Soviel nehmen wir aber mit, dass hier die in der Natur gefundenen Mikroorganismen massenhaft vermehrt werden. Trotzdem sind wir erleichtert, als wir wieder das Tageslicht erreichen. Am Nachmittag soll es dann in die Praxis gehen.