Wissenschaft mal ganz anders Im Naturschutzgebiet Sippenauer Moor, das im Landkreis Kelheim in Niederbayern liegt, führt uns Conny Straubinger und Thomas Pencz aus dem Team von Professor Huber in die Praxis ein. Verhaltensregeln stehen dabei an erster Stelle: Auf die naturgeschützte Flora achten, auf den Wegen bleiben, nichts pflücken oder ausgraben und auch die unscheinbaren Pflanzen respektieren. „Leider halten sich viele Spaziergänger und Besucher daran“, so Conny Straubinger. Obwohl am Eingang alle diese Regeln neben vielen Sachinformationen auf großen Tafeln gut zu erkennen sind. So informiert starten wir in zwei Gruppen, die andere geführt von Professor Huber, in das Niedermoor. Das Moor erscheint für den Laien wie ein ganz normaler Wald , dazwischen freie Flächen, doch das geübte Auge eines Experten sieht sofort, dass es sich um etwas anderes handelt, n um den Lebensraum vieler seltener Lebensformen. Nach und nach wird der matschige und feuchte Boden immer mehr zu einem Problem für manche Schüler, die kein angemessenes Schuhwerk anhaben. Nasse Füße sind dann die Folge. Nach kurze Wegstrecke bleiben wir an einem kleinen Metallrohr stehen, das oberhalb des Weges fast waagrecht aus dem Boden ragt. Wasser rieselt heraus und sammelt sich in einer kleinen Pfütze. Von dort aus verschwindet es im Boden. „Igitt! Was ist das denn für ein ekliges Zeug da drin?“ Es sieht aus wie weiße Schleimfäden und riecht merkwürdig. „Schauen Sie mal diese Fäden genau an. Da können Sie die Perlfäden erkennen, von denen wir heute vormittags gesprochen haben!“ erklärt Professor Huber. Dazu muss man ganz nah rangehen. Er zeigt uns genau, worauf wir achten müssen. „Das ist eben die Besonderheit, dass diese Bakterien eine Struktur bilden, die wie kleine, weiße Perlenketten aussehen.“ Er freut sich auch darüber, dass man an dieser Quelle eine positive Entwicklung des Moors sehen kann, da sie vor wenigen Wochen noch ausgetrocknet gewesen ist. „Daraus kann man schließen, dass der Grundwasserspiegel angestiegen ist und dass sich das Moor wieder langsam regeneriert,“ meint er., Es wird immer sumpfiger je weiter wir ins Moor herein kommen. Als wir an dem kleinen Teich ankommen, der von mehreren Quellen gespeist wird, klettern wir den steilen Abhang hinunter. Professor Huber zeigt uns die Kalk- und Eisenablagerungen, die teilweise schöne blaue Oberflächenmuster bilden. Der Schwefelgeruch wird allerdings langsam ziemlich heftig. Anschließend wanderten wir in einen anderen, sehr gefährdeten Teil des Moors, der als erstes austrocknen würde, wenn nicht genug Wasser vorhanden wäre. Dort wachsen in großen Gruppen beieinander unzählige Märzbecher. „Wichtig sind hier die Messpunkte,“ zeigt Professor Huber auf ein paar unscheinbare Holzpfosten. Genauer besehen zeigen sich aber an den Messgeräten die jeweiligen Grundwasserstände. „Einmal verbraucht das Kalkwerk Grundwasser. Das Abpumpen beeinflusst auch hier den Grundwasserspiegel. Dann aber gibt es wieder Niederschläge – also ein Gleichgewicht zu halten ist illusorisch,“ berichtet Huber. „Aber das Schicksal des Moores hängt doch davon ab. Wenn es austrocknet, ist es vorbei.“ Diesen Satz nehmen wir als Schlusspunkt unseres Ausflugs in die praktische Welt der Mikrobiologie. Das Sippenauer Moor Südöstlich von Saal an der Donau in Kelheim liegt das Sippenauer Moor. Trotz der Tatsache, dass das Sippenauer Moor 1939 zum Naturschutzgebiet erklärt worden ist, ist es heute gefährdet. Da das nahe gelegene Kalkwerk immer wieder Karstwasser abpumpt – schließlich sind wir hier in einer Enklave des fränkischen Juras - senkt sich auch hier der Grundwasserspiegels. Falls dieser nun zu stark abfällt, besteht die Möglichkeit, dass das Moor austrocknet und nicht nur eine enorme Menge CO2 freigesetzt wird, sondern auch ein bedeutendes Biotop verloren geht. Die Regensburger Botanische Gesellschaft hat sich hier von Anfang an engagiert und durch Zukäufe ist das Areal auch etwas über 17 ha angewachsen. Die Universität Regensburg hat hier das Forschungsrecht bekommen, da der Lehrstuhl Mikrobiologie unter Professor Huber sich als erster mit kälteliebenden Organismen beschäftigt hat. Und wenn so ein Forschungsgebiet vor der Haustür liegt, ist das einfach ideal: Schnell hin, gearbeitet, schnell in der Uni und im Labor. Die Kosten sind im Vergleich zu einer Expedition in die Arktis oder Antarktis lächerlich gering. Dieses von Schwefel- und Frischwasserquellen gespeiste Niedermoor bietet mit einer konstanten Jahreswassertemperatur von 8-10° C einen optimalen Lebensraum für kälteliebende Mikroorganismen. Diese sind auch Biokatalysatoren und leben in diesem sulfidischen Wasser auf. Auch Eisen, das von den dort lebenden Tieren zum Stoffwechsel verwendet wird, befindet sich an bestimmten Stellen des Moors. Ebenso weisen verschiedene Pflanzenarten auf diese Schwefel- und Eisenvorkommen hin, wie z. B. die FrühlingsKnotenblume am Uferrand. Insgesamt hat man bisher 117 so genannte Isolate gefunden, die im Labor auf ihre Fähigkeiten für Anwendungen untersucht werden. Fische sind nicht in der Lage, in diesem sauerstoffarmen Wasser zu leben. Der Schwefel beeinflusst aber nicht nur uns durch den üblen Geruch, bei längerem Einatmen macht sich ein Müdigkeitsgefühl bemerkbar. Weiße Perlenkettenfäden im Wasser sind für Kenner ebenfalls ein deutlicher Hinweis auf Schwefel. Genau diese Perlenketten sind für die Biologen der Universität wichtig, wie uns Professor Dr. Robert Huber erklärt. Die aus Bakterien und Archaaen bestehenden Gebilde werden an Erdbeernetzen nahe am Quelleneinlauf im Wasser gezüchtet. Die Arbeit wird aber immer wieder durch Wanderer und Passanten erschwert. Schon öfter fanden die Biologen die sorgsam ausgelegten Netze am Uferrand wieder. Industriell hergestellte chemische Katalysatoren durch Biokatalysatoren zu ersetzten ist das allgemeine Ziel. Allerdings ist die „Ernte“ in der Natur zu gering, so dass in großem Maßstab aus dem Ausgangsmaterial in den Fermentern eine künstliche Vermehrung durchgeführt wird. Elisabeth Grünauer, Charlotte Schäffer, Marie Ebertseder