Bonifatiuswerk – Interview zum Motto des Diaspora-Sonntags Diaspora-Sonntag - 16. November 2014 Keiner soll alleine glauben. Ihre Hilfe: Damit der Glaube reifen kann Frage: Der Leitspruch der diesjährigen Diaspora-Aktion hat den Zusatz „Damit der Glaube reifen kann“. Was möchten Sie damit zum Ausdruck bringen? Monsignore Austen: „Eigentlich ist die Antwort darauf ganz einfach. Wir müssen doch nur in die Natur schauen. Dort sehen wir, dass die Ähren auf den Feldern einen Reifungsprozess durchmachen. Ähnlich, denke ich, verhält es sich mit unserem Glauben. Unser Glaube ist nicht statisch, sondern etwas Dynamisches. Eine lebendige Beziehung zu Gott, die kann und die sollte in unserem Lebensprozess reifen. Insbesondere Grenzerfahrungen, denken Sie daran, wie Krankheit, Leid, Trauer und Tod, aber auch die schönen Erfahrungen unseres Lebens wie Freude, Freundschaft und Liebe, die könnten uns auf Gottes Spur führen. Und in diesen Situationen machen wir und macht unser Glaube einen Reifungsprozess durch.“ Frage: Das klingt so, als wäre der Glaube ein Prozess? Monsignore Austen: „Ja, der Glaube ist durchaus eine prozesshafte Entwicklung durch alle unsere Lebensstufen hindurch. Er entwickelt sich vom kindlichen zum erwachsenen Glauben mit all unseren Entscheidungen. Im reiferen Alter stellen sich dann auch noch einmal ganz neue Lebens- und Glaubensfragen. Und diese können den Menschen zutiefst berühren, teilweise, glaube ich, auch zweifeln lassen und dann wiederum ermutigen. Wichtig sind Orte und ein Klima in unserer Gemeinschaft, wo wir mit unseren Glaubensinhalten in Berührung kommen, damit auch der Glaube eine Chance hat zu reifen.“ Frage: Leider gibt es solche Orte immer seltener. In vielen Schulen und Elternhäusern wird längst nicht mehr über Gott gesprochen. Wie können wir dieses Klima schaffen, von dem Sie gerade sprachen? Monsignore Austen: „Ja leider gibt es manchmal die Gottvergessenheit im Alltag und Papst Franziskus hat uns in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“ ermutigt und aufgefordert von Gott zu reden, mit Herzblut, aber auch mit Leidenschaft: „Ich bin eine Mission auf dieser Erde und ihretwegen bin ich auf dieser Welt“, so sagt er dort. „Man muss erkennen, dass man selber „gebrandmarkt“ ist für diese Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien“, dies schreibt uns der Papst ins Stammbuch. Und gerade dafür setzen wir uns in der Diaspora als Hilfswerk für den Glauben ein. Wir wollen eine lebendige Beziehung unter den Menschen fördern, eine Kommunikation, die neue Wege zu Gott eröffnet, ermöglicht und die so evangelisierend wirkt.“ Frage: Im Osten Deutschlands gehören etwa 80 Prozent keiner christlichen Konfession mehr an. Hat die Kirche dort noch eine Chance oder ist sie bereits gescheitert? Monsignore Austen: „Natürlich stimmt es mich nachdenklich und traurig, dass im Osten Deutschlands so wenige Christen leben oder auch die traditionell katholisch geprägten Regionen unseres Landes mehr und mehr zu einer Glaubensdiaspora werden. Das können wir in vielen Rückmeldungen und Statistiken auch feststellen. Doch wir können an diesen Orten auch etwas von der Diaspora-Erfahrung lernen, gerade in den Regionen, wo Christen in einer schöpferischen Minderheit leben, so wie der Bischof von Magdeburg es einmal gesagt hat, von den kleinen Gemeinschaften, die aus dem Glauben die Welt gestalten und so Zeugnis geben. Denn wir sind mehr denn ja gefordert Biotope in unserer Welt zu schaffen, damit Menschen an den Knotenpunkten ihres Lebens Glaubenszeugen begegnen, die ihnen helfen die Tiefe des Menschseins und Gottes unendliche Liebe auch zu erfahren und zu entdecken. Insbesondere den Menschen, die die frohe Botschaft Jesu Christi noch nicht kennengelernt haben oder die sich von der Kirche entfremdet haben, die wir manchmal auch in der Kirche nicht mehr im Blick haben, aber Menschen, die auf der Suche nach Heilung, Wahrheit und Gerechtigkeit oder eben Bewahrung der Schöpfung sind, gerade diese Menschen dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren.“ Frage: Wo erkennen Sie eine positive Entwicklung in der Diasporakirche, die Sie noch hoffen lässt? Monsignore Austen: „Wenn ich ehrlich sein darf, mir fällt auf, dass in unserer heutigen Sprache das kleine Wort „noch“ überwiegt. Wie viele Menschen kommen denn noch zur Kirche? Wie viele Finanzen stehen uns denn noch zur Verfügung? Wie viel Personal und Priester werden wir noch haben? Und dieses Wort „noch“ klingt fast wie eine Testamentsverfügung. Natürlich müssen wir kritisch und realistisch sein und die Veränderungen wahrnehmen. Wir sollten dabei aber auch die deutlichen Aufbrüche und ermutigenden Zeichen, die es auch und gerade in der Diaspora gibt, nicht aus dem Blick verlieren. Schauen wir doch beispielsweise mal nach Nordeuropa: Die norwegische Kirche beheimatet über 100 Nationen im Glauben und wächst beispielsweise im Bistum Oslo um ein Prozent monatlich. Oder lassen Sie uns auf die beispielhaften Projekte des Bonifatiuspreises, den wir im letzten Jahr gerade wieder verliehen haben, blicken, die vom Engagement der Menschen in unseren Kirchengemeinden berichten. Es gibt hunderte – oft unscheinbare – Beispiele, die mich auch mehr als hoffen lassen und da ist das Kleine in der Diaspora bei den Menschen oftmals groß.“ Frage: In der Diaspora scheinen die Menschen, auch wenn Sie in der Minderheit sind, zu ihrem Glauben zu stehen. Bei uns wirkt das nicht immer so? Monsignore Austen: „Natürlich gibt es auch in der Diaspora Probleme, aber ich glaube schon, dass die Menschen dort mehr zusammengehalten werden und Papst Franziskus warnt die in der Seelsorge-Tätigen davor in eine Art „Minderwertigkeitskomplex“ zu verfallen, „der sie dazu führt, ihre christliche Identität und Überzeugung zu relativieren oder zu verbergen.“ Es geht darum in einen Dialog zu treten und wenn ich in einen „Minderwertigkeitskomplex“ verfalle, kann das in der Tat zu einem Teufelskreis werden. Der Glaube kann dabei nicht reifen, weil oftmals die Freude am Glauben und die Gemeinschaft des Glaubens oder unser Verkündigungsauftrag zu ersticken droht. Frage: Was bedarf es, um diesem entgegen zu gehen? Monsignore Austen: Ich glaube zunächst einmal Vertrauen und Menschen, die Initiative ergreifen, die Glaubenszeugnis geben, die Nähe ehrfahrbar werden lassen, die der Kirche über die Strukturen hinaus ein Gesicht geben. Es braucht Netzwerke im Lebens- und Beziehungsraum, auch über unsere Kirchenmauern hinaus. Und das ist schon für mich auch eine Herausforderung in den sich wandelnden und einer älterwerdenden Gesellschaft, die Chancen, aber auch die Notwendigkeiten anzugehen. Wo können wir älterwerdenden Menschen Räume eröffnen, dass sie lebendig in vielfältiger Form unsere Kirche mitgestalten können? Wo werden aber auch Hilfen für sie und Unterstützung notwendig und angeboten, gerade in den Gebrechlichkeit und Grenzsituationen unseres Lebens? Frage: Wie engagiert sich das Bonifatiuswerk in diesem Zusammenhang? Monsignore Austen: „Im Bonifatiuswerk als Hilfswerk für den Glauben versuchen wir durch die verschiedenen Formen der Unterstützung notwendige Veränderungen, Aufbrüche, aber auch missionarische Initiativen zu unterstützen, die heute für eine Kirche von morgen wegweisend sein können. Und in diesem Jahr steht der BONI-Bus als ein Vehikel für unsere Verkehrshilfe im Mittelpunkt unserer Diaspora-Aktionen und ist auf den Plakaten zu sehen, wie er Menschen zusammenführt. Und unsere BONI-Busse sind ja sozusagen ein Markenzeichen für uns und in ganz Deutschland unterwegs, um Gläubige zu vereinen, die es aufgrund großer Entfernungen schwer haben am Glaubensalltag teilzunehmen. Etwa 600 sind in diesem Dienst in Deutschland unterwegs. Sie fahren Senioren zum Gottesdienst oder Kommunionkinder zum Kommunionunterricht. Sie stiften Gemeinschaft bei Ferienfreizeiten und so wollen wir helfen den Glauben zu leben und ihn in einer starken Gemeinschaft weiter reifen zu lassen.