15 02 17 Medienservice Ladenoeffnungszeiten

Werbung
Medienservice Travail.Suisse – Ausgabe vom 17. Februar 2015
Ständerat: Vertretung der Kantone oder der Detailhändler?
Dass ganze 23 Kantone das neue Bundesgesetz zur Teilharmonisierung der
Ladenöffnungszeiten (LadÖG) in der Vernehmlassung ablehnen, scheint die Mitglieder des
Ständerats nicht zu beeindrucken. Damit unterstützen sie die Ausdehnung der
Ladenöffnungszeiten auf Bundesebene und werden zu Türöffnern für die Interessen der grossen
Detailhandelsketten. Sie stellen sich auch gegen die Interessen ihrer Kantonsregierungen und
nehmen in Kauf, dass demokratische Abstimmungsentscheide der Bevölkerung ihrer Kantone
(und damit ihrer Wählerschaft!) umgestürzt werden. Die Folgen wären gravierend: Es
verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen von rund 200‘000 Arbeitnehmenden im
Detailhandel.
Von Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik Travail.Suisse
Mit der Botschaft zum Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (LadÖG) präsentiert die
Bundesverwaltung ein Gesetz, das die Ladenöffnungszeiten auf Bundesebene regeln soll und so die
bisherigen kantonalen Regelungen der Ladenöffnungszeiten teilweise übersteuert. Unter dem
Deckmantel der „Harmonisierung“ setzt das LadÖG die überwiesene Motion Lombardi (12.3637) um
und schreibt damit den Kantonen Ladenöffnungszeiten vor, die unter der Woche bis 20 Uhr und an
Samstagen bis 19 Uhr reichen. Weiterreichende Ladenöffnungszeiten bleiben den Kantonen weiterhin
möglich. Zurzeit befindet sich das Geschäft in der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und
Abgaben (WAK-S); möglicherweise bereits in der Frühlingssession wird das Geschäft im Ständerat
behandelt.
Kantone sind gegen das neue Bundesgesetz
Gemäss heutiger Regelung werden die Ladenöffnungszeiten auf kantonaler Ebene festgelegt. In
einzelnen Kantonen liegt die Kompetenz gar auf Gemeindeebene. So kann den lokalen Verhältnissen
und Bedürfnissen am besten Rechnung getragen werden. Das geplante LadÖG verschiebt die
Kompetenz zur Festlegung der Ladenöffnungszeiten teilweise auf Bundesebene und hat damit sehr
weitreichende Auswirkungen. Für die grosse Mehrheit der Kantone hätte das Bundesgesetz eine
Anpassung der kantonalen Ladenöffnungsregelungen zur Folge, was in 17 Kantonen zu einer
faktischen Verlängerung der Ladenöffnungszeiten führt (vgl. Grafik 1).
Grafik 1: Auswirkung des LadÖG auf die Kantone (rot=Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten)
Die Kantone haben sich im Vernehmlassungsverfahren denn auch sehr kritisch gegenüber dem neuen
Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten geäussert: Ganze 23 Kantone lehnen das neue
Bundesgesetz ab und lediglich ein Kanton äusserte sich zustimmend zur neuen Regelung 1. Es ist für
Travail.Suisse unverständlich, wie sich Ständerätinnen und Ständeräte gegen die Interessen ihrer
Kantone, aber für ein Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten einsetzen können.
Allein neun kantonale Abstimmungen in den letzten sechs Jahren
Die Frage der Ladenöffnungszeiten ist ein Dauerbrenner in der politischen Landschaft der Schweiz.
Allein seit 2009 gab es auf kantonaler Ebene neun Abstimmungen über eine Ausdehnung der
Ladenöffnungszeiten (vgl. Grafik 2).
Grafik 2: Kantonale Abstimmungen zu einer Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten
Kantonale Entscheide seit 2009
2009
Freiburg
X
2013
Basel-Stadt
X
2010
St. Gallen
X
2013
Neuenburg
√
2010
Genf
X
2013
Zürich
X
2010
Neuenburg
X
2013
Luzern
X
2012
Luzern
X
(x=vom Stimmvolk abgelehnt / √=vom Stimmvolk angenommen)
In acht von neun Fällen hat die Bevölkerung den Liberalisierern einen Strich durch die Rechnung
gemacht und längere Ladenöffnungszeiten verhindert. Bemerkenswert ist die Abstimmung im Kanton
1
Vgl. Seco, Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung vom 19. Februar 2014. August 2014.
Luzern von 2012, wo selbst die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen um eine Stunde
von 16 Uhr auf 17 Uhr vom Stimmvolk abgelehnt wurde. Einzige Ausnahme in den kantonalen
Abstimmungen ist der Kanton Neuenburg. Dort wurde im dritten Anlauf eine moderate Ausdehnung der
Ladenöffnungszeiten gutgeheissen, allerdings nur, weil die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im
Detailhandel gleichzeitig mit einem neuen Gesamtarbeitsvertrag besser geschützt wurden. Es ist für
Travail.Suisse unverständlich, wie sich Ständerätinnen und Ständeräte solchen Fakten verschliessen
können und ein Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten unterstützen, das die demokratisch
legitimierten Entscheide von mehreren Kantonsbevölkerungen umstürzt.
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für 200‘000 Arbeitnehmende
Im Detailhandel herrschen prekäre Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmenden. Neben tiefen Löhnen
stellen insbesondere die Arbeitszeiten eine starke Belastung für die Beschäftigten dar. Lange
Arbeitstage, gestückelte Dienste und kurzfristige Arbeitseinsätze gehören zur Tagesordnung und
erschweren die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie. Es existieren zwar einzelne
Gesamtarbeitsverträge auf Betriebsebene, allerdings fehlt ein Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag für den
ganzen Detailhandel und somit koordinierende Regelungen über branchenweite Mindestlöhne und
Höchstarbeitszeiten.
Tritt das Gesetz wie in der Botschaft vorgesehen in Kraft, so bedeutet das eine Änderung mit sehr
grosser Reichweite: In 14 Kantonen müssten die Ladenöffnungszeiten sowohl an den Werktagen wie
auch an Samstagen verlängert werden; in 3 Kantonen wären die Öffnungszeiten an Samstagen
betroffen. Von den gesamthaft über 320‘000 Arbeitnehmenden im Detailhandel sind mehr als 200‘000
von einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen betroffen.
Die Arbeitnehmenden im Detailhandel lehnen eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten klar ab. In
einer Umfrage von 2013 lehnt über 90% der Beschäftigten im Detailhandel eine Verlängerung der
Ladenöffnungszeiten ab (vgl. Grafik 3).
Grafik 3: Sollen die Ladenöffnungszeiten verlängert werden? Umfrage bei den Angestellten des
Detailhandels.
Quelle: Umfrage SYNA, 2013.
Auch Travail.Suisse lehnt eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten in aller Deutlichkeit ab und fordert
den Ständerat auf, seiner Verantwortung als Vertreter der Kantone und der kantonalen Bevölkerung
nachzukommen, die Interessen und Bedürfnisse der Arbeitnehmenden im Detailhandel zu
berücksichtigen und das Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten abzulehnen.
Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected],
www.travailsuisse.ch
Herunterladen