tarifeinheit-textbausteine-fuer-statements-pm

Werbung
Textbausteine für Statements und Pressemitteilungen
Wir werden unser Recht, eigenständige Tarifverträge für angestellte Ärzte zu schließen, mit allen
gebotenen Mitteln verteidigen. Ein Zwang zur Tarifeinheit im Betrieb wäre ein unzulässiger Eingriff in
grundgesetzlich garantierte Arbeitnehmerrechte. Man kann es nicht oft genug sagen: Das Recht,
Gewerkschaften zu gründen, gilt „für jedermann und für alle Berufe“ (Koalitionsfreiheit - Art. 9 Abs. 3
Grundgesetz). Selbstverständlich können auch tariffähige Berufsgewerkschaften im Konfliktfall ihr
Streikrecht wahrnehmen. Sonderrechte für selbsternannte „Einheitsgewerkschaften“ sind in unserer
Verfassung nicht vorgesehen.
Es ist das Recht der angestellten Ärztinnen und Ärzte, selbst zu entscheiden, wer sie vertritt und wer
für sie Tarifverhandlungen führt. Dieses Grundrecht aller Arbeitnehmer würde außer Kraft gesetzt,
wenn man die Tarifeinheit und damit die Vormachtstellung der DGB-Gewerkschaften gesetzlich
festschreiben würde.
Seit 2006 hat der Marburger Bund als Ärztegewerkschaft Tarifverträge mit nahezu allen privaten und
öffentlichen Klinikarbeitgebern abgeschlossen, ohne dass die Anwendung der Arzt-Tarifverträge
jemals zu einer Überforderung eines Krankenhausarbeitgebers geführt hätte.
Mit einer vorausschauenden, an den konkreten Bedürfnissen der Ärztinnen und Ärzte orientierten
Tarifpolitik schafft der Marburger Bund wichtige Voraussetzungen für bessere Arbeitsbedingungen im
Krankenhaus und mehr Patientenschutz in der Versorgung. Schon im Jahr 2006 wurden in den MBTarifverträgen mit den kommunalen und universitären Klinikarbeitgebern durch die Begrenzung der
Arbeitszeiten, die Bewertung der Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit und die Dokumentation der
tatsächlichen Arbeitsleistung grundlegende Verbesserungen erreicht. In den zurückliegenden
Tarifrunden wurden die Tarifverträge kontinuierlich weiterentwickelt und Forderungen der Ärztinnen
und Ärzte schrittweise umgesetzt, beispielsweise in der Bereitschaftsdienstvergütung oder bei der
Begrenzung von Höchstarbeitszeitgrenzen. Von diesen Erfolgen profitieren auch andere
Berufsgruppen im Krankenhaus, wie an der Nachtarifierung von MB-Regelungen im Tarifvertrag für
den öffentlichen Dienst ersichtlich wird.
Ein Zwang zur Tarifeinheit würde die tarifpolitischen Fortschritte im Krankenhausbereich
zunichtemachen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte gesetzliche Regelung zur Festschreibung der
Tarifeinheit geht auf Forderungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
und Teilen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zurück. Die BDA/DGB-Initiative sieht vor, dass in
einem Betrieb nur noch derjenige Tarifvertrag zur Anwendung kommt, an den die Mehrzahl der
Gewerkschaftsmitglieder in diesem Betrieb gebunden ist. Die zahlenmäßig unterlegene Gewerkschaft
würde durch eine gesetzliche Erzwingung der Tarifeinheit faktisch ihrer Tariffähigkeit beraubt. Darüber
hinaus soll sich die Friedenspflicht für die Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrages auch auf
Tarifverträge der sogenannten Minderheitsgewerkschaft erstrecken. Damit würden die Mitglieder
der zahlenmäßig unterlegenen Gewerkschaften einer uneingeschränkten Friedenspflicht unterworfen.
Dahinter verbirgt sich der Wunsch der Unternehmerverbände, erstmalig im bundesdeutschen Recht
ein generelles Streikverbot zu verankern.
Auch unter den seit Jahren bestehenden Bedingungen faktischer Tarifpluralität ist Deutschland eines
der Länder mit den wenigsten Streiktagen weltweit. Trotzdem behaupten insbesondere die
Arbeitgeberverbände immer wieder, Tarifpluralität würde zu einer Ausweitung von Streiks führen. Dies
ist nirgendwo zu belegen. Vielmehr haben berufsspezifische Tarifverträge zur Befriedung von
Betriebsteilen und Unternehmen geführt. Arztspezifische Tarifverträge sind deshalb auch ein Beitrag
zum Gemeinwohl und zum sozialen Frieden – und eben nicht Ausdruck von instabilen Verhältnissen.
Nicht der Marburger Bund und die überschaubare Anzahl weiterer Berufsgewerkschaften sind
verantwortlich für die von den Arbeitgeberverbänden beklagte „Zersplitterung der Tariflandschaft“,
sondern die Arbeitgeber selbst. Durch die von den Arbeitgebern aktiv betriebene Zersetzung der
Flächentarifverträge zu Gunsten von Verbands- und Haustarifverträgen, die mittlerweile fast 50
Prozent aller gültigen Tarifverträge ausmachen, haben sie selbst zu der Zerklüftung beigetragen, die
sie nun so wortreich beklagen. Nach Angaben des BMAS-Tarifregisters (Stand: 31.12.2012) haben
derzeit 10.116 Unternehmen Firmen-Tarifverträge abgeschlossen, im Jahr 1990 lag deren Anzahl
noch bei rund 2.550. Allein der Marburger Bund führt auf Bundes- und Landesebene mit 164
Arbeitgebern Tarifverhandlungen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 7. Juli 2010 (4 AZR 537/08) keinen Zweifel
daran gelassen, dass die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit mit
dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Der
Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG erstreckt sich auf die spezifisch koalitionsmäßige Betätigung, also
alle jene Handlungsformen, die der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
dienen. Dazu gehören das Recht zum Abschluss von Tarifverträgen und das Recht, für dieses Ziel in
den Streik zu treten.
Eine gesetzliche Erzwingung der Tarifeinheit wäre nicht nur wettbewerbsfeindlich, sie wäre auch
rechtswidrig. Die Folgen einer verordneten Tarifeinheit hat schon das Bundesarbeitsgericht in seinem
von Marburger Bund-Mitgliedern erstrittenen Urteil zur Anerkennung der Tarifpluralität vom 7. Juli
2010 sehr klar beschrieben: Die Verhandlungsposition der betroffenen Gewerkschaft werde ebenso
geschwächt wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Mit anderen Worten: Eine
Gewerkschaft, deren Tarifverträge durch den Zwang zur Tarifeinheit entwertet werden und die sich
dem Diktat einer Einheitsgewerkschaft beugen muss, verliert an Akzeptanz, Attraktivität und
Bedeutung - und ist damit in ihrer Existenz bedroht.
Die von der BDA- und der DGB-Führung gemeinsam bekämpfte Tarifpluralität ist seit Jahren gelebte
Realität in Deutschland, ohne dass dadurch in irgendeiner Weise die Tarifautonomie gefährdet
worden wäre. Juristen, Ökonomen und Politikwissenschaftler kommen disziplinübergreifend zu dem
Urteil, dass eine gesetzliche Erzwingung der Tarifeinheit weder notwendig noch verfassungskonform
ist (so auch das BAG in seinem Urteil 2010).
Eine Festschreibung der Tarifeinheit würde die Gewerkschaftsfreiheit faktisch beseitigen und
immensen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Ohne die Möglichkeit zum Abschluss
berufsspezifischer Tarifverträge würden Fachkräfte regelrecht abgeschreckt. Ein Zwangsgesetz zur
Tarifeinheit ist gleichsam ein Auswanderungsprogramm für hochqualifizierte Arbeitnehmer, die in
Deutschland ausgebildet wurden.
Während in der Wirtschaft und anderen Lebensbereichen freier Wettbewerb und Deregulierung zur
Abwehr von Monopolbildungen nach Kräften gefördert wird, soll bei der Ausgestaltung der Arbeitsund Wirtschaftsbeziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern das genaue Gegenteil passieren.
Monopolisierung statt Wettbewerb, Zentralismus statt Pluralismus. Der Widerspruch zu
Verfassungsnormen und Verfassungswirklichkeit ist evident.
Herunterladen