Plantare intertarsale Subluxation bei einer Katze

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Plantare intertarsale
Subluxation bei einer Katze
Dr. Sven Reder
24.04.2013
Wörterzahl: 2479
Plantare intertarsale Subluxation bei einer Katze
Zusammenfassung
In diesem Bericht wird die Diagnostik und Therapie einer plantaren intertarsalen Subluxation
in der proximalen Intertarsalreihe bei einem 5 Jahre alten kastrierten Perserkater beschrieben.
Neben der Tarsalgelenkserkrankung bestand an der betroffenen Gliedmaße eine mediale
Patellaluxation 3.Grades. In der bestehenden Literatur wird selten über Subluxationen des
Tarsus bei
Katzen berichtet. Es bestehen wenige
Informationen über optimale
Therapieformen. In der körperlichen Untersuchung waren die hochgradige Schmerzhaftigkeit
und die plantigrade Tarsalgelenksstellung auffällig. Die Differentialdiagnose umfasste:
Ruptur der Calcaneussehne, Calcaneusfraktur, Subluxation des proximalen oder distalen
Intertarsalgelenks. Die Diagnose der Erkrankung ist klinisch und röntgenologisch mit Hilfe
einer medio-lateralen Röntgenaufnahme des Tarsalgelenkes bei gehaltener Beugestellung
sicher möglich. Die Therapie dieser selten bei der Katze beschrieben Verletzung des Tarsus
bestand aus Bandnähten und einer Pin-Cerclage Fixation des Calcaneus und Os tarsi quartum
und transartikulärem Fixateur externe. Diese Methode wurde aufgrund ihrer geringen
Invasivität der partiellen Tarsalgelenksathrodese vorgezogen. Die Heilung verläuft bisher
problemlos, die Gliedmaße wird gut belastet.
Behandlungsergebnisses
ist
noch
nicht
möglich,
Eine endgültige Beurteilung des
da
der
Kater
noch
in
der
Rekonvaleszenzphase ist.
Einleitung
Subluxationen des proximalen Intertarsalgelenkbereiches bei Katzen sind selten (Scott and
McLaughlin 2008). Über die Entstehung dieser Erkrankung bei Katzen gibt die aktuelle
Literatur wenige Informationen. Traumatisierungen des Tarsalgelenkes durch Stürze und
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Unfälle sind wahrscheinlich die häufigsten Ursachen für Luxationen und Subluxationen des
Tarsalgelenkes bei Katzen (Ernst 2012). Zu den häufigen Luxationen des Tarsalgelenkes
zählen die Luxationen der Articulatio tarsocruralis vor der Talusluxation (Kriegsheim und
andere
2005).
Dagegen
wird
beim
Hund
die
Subluxation
des
proximalen
Intertarsalgelenkbereiches als häufig beschrieben (Welch 2003; Piermattei und andere 2006).
Es werden 2 Gruppen betroffener Hunde beschrieben, zum einen athletische Hunde
(Rennhunde, Jagdhunde), zum anderen wenig konditionierte Tiere, deren Bandrupturen
infolge degenerativer Veränderungen auftreten. Die betroffenen Patienten werden als wenig
dolent im Tarsalgelenk beschrieben. Das Tarsalgelenk ist lokal geschwollen, bei Belastung
der Gliedmaße besteht eine plantigrade Stellung des Tarsus.
Anamnese
Am 27.03.2013 wurde in der Klinik eine 5 Jahre alte, männlich, kastrierte Perserkatze mit
dem Namen Hope vorgestellt, die seit 2 Wochen eine akut entstandene hochgradige Lahmheit
der rechten Beckengliedmaße zeigte. Der Besitzer bat um eine 2. Meinung. Bisherige
Untersuchungen des Haustierarztes ergaben den Verdacht auf eine muskuläre Schädigung der
betroffenen Hintergliedmaße. 3 Röntgenaufnahmen der im Vergleich geröntgten Extremitäten
(latero-medial und dorso-plantar) wurden zur Konsultation mitgebracht. Diese Aufnahmen
zeigten eine plantare Schwellung des rechten Tarsus.
Klinische Befunde
Hope hatte eine normale Rektaltemperatur von 38,7°C, war von guter körperlicher
Konstitution, mit einer Körpermasse von 4,2 Kilogramm (kg). Die Allgemeinuntersuchung
ergab keine abweichenden Befunde von der Norm. Die Ergebnisse der neurologischen
Untersuchung waren unauffällig. Die rechte Gliedmaße wurde in gebeugter Stellung (Hüft-,
Knie-, Tarsalgelenk) gehalten und war am Tarsus hochgradig schmerzhaft. Beim Anheben des
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Tieres zur Provokation einer Standstellung der Beckengliedmaßen wurde die rechte
Hintergliedmaße dauerhaft in gebeugter Stellung gehalten und nicht belastet.
Die linke Hintergliedmaße war in der Palpation und Beweglichkeit unauffällig. Die linke
Patella ließ sich nach medial durch digitalen Druck verlagern, glitt aber spontan in den Sulcus
trochlearis zurück. Im Kniegelenk bestand keine Instabilität oder Schwellung. Die rechte
Hintergliedmaße war bei körperlicher Untersuchung bis zum Kniegelenk unauffällig. Am
rechten Kniegelenk bestand eine nach medial luxierte Patella, die sich in die normale Position
zurückverlagern ließ, jedoch spontan reluxierte. Die klinische Untersuchung ergab keine
Instabilität im Talokruralgelenk und eine plantigrade Stellung von mehr als 90° des
Tarsalgelenkes bei gleichzeitiger Streckung des Kniegelenkes. Schwellungen im Bereich der
Calcaneussehne bestanden nicht. Nach Rasur des Tarsalgelenkes und des distalen
Unterschenkels war eine deutliche dunkelblaue Schwellung am plantaren Tarsus sichtbar.
Diagnose Verfahren
Die nachfolgenden Untersuchungen des Tarsalgelenkes erfolgten unter Injektionsnarkose, die
mit Buprenorphin (Buprenovet MultidoseR 0,3mg/ml, BayerVital GmbH) in einer Dosis von
0,02 Milligramm je Kilogramm Körpermasse (mg/kgKM) intramuskulär (i.m.) in den
Musculus (M) supraspinatus prämediziert wurde. Die Allgemeinanästhesie wurde mit
Propofol
5mg/kgKM
(NarcofolR,
10mg/ml,
Emulsion
zur
Injektion,
CP-Pharma
Handelsgesellschaft mbH) intravenös eingeleitet und nach Wirkung mit einer Dosis circa (ca.)
1mg/kgKM aufrechterhalten. Die röntgenologische Untersuchung der Gliedmaßen in den
Standardprojektionen (medio-lateral und dorso-plantar) ergaben bis auf die beschriebene
Weichteilschwellung und
geringgradige Weitung des Gelenkspaltes der proximalen
Intertarsalreihe (kombinierte Gelenke des Talus-Calcaneus, Os tarsi centrale – Os tarsale
quartum (IV)) keine weiteren Befunde (Abbildung 1 und 2) ( Mahoney, Paul, 2012) . Bei den
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im Vergleich zur gesunden Gliedmaße angefertigten gehaltenen Aufnahmen wurde am
rechten Tarsalgelenk eine Subluxation bei Hyperflexion des Tarsalgelenkes und gleichzeitiger
Kniegelenksextension dargestellt (Abbildung 3). Diese Subluxation stellt sich als deutliche
plantare Dislokation der distalen Gelenkflächen des Talus und Calcaneus dar.
Diagnosen
An der linken Hintergliedmaße besteht eine mediale Patellaluxation 1. Grades. An der rechten
Hintergliedmaße besteht eine mediale Patellaluxation 3. Grades. Die klinisch und
röntgenologisch
dargestellte
Hyperflexion
des
Tarsalgelenkes
während
der
Kniegelenksextension bei fehlender Instabilität des Talokruralgelenkes lässt folgende
Differentialdiagnosen zu: Ruptur der Calcaneussehne, Calcaneusfraktur, Subluxation der
proximalen Intertarsalgelenkes und Subluxation des distalen Intertarsalgelenks. Klinisch und
bildgebend können sowohl das Vorliegen einer Calcaneussehnenruptur als auch eine Fraktur
des Calcaneus ausgeschlossen werden. Auf dem Röntgenbild der gehaltenen lateralen
Tarsalgelenksdarstellung ist die Subluxation im Bereich der dorsalen intertarsalen
Gelenkreihe sichtbar. Es dislozieren Talus und Calcaneus nach plantar. Es bestand eine
Subluxation des proximalen Intertarsalgelenkbereiches.
Behandlung
Vor Behandlungsbeginn erfolgte ein Beratungsgespräch, in dem die Befunde, Diagnosen,
Therapie und Kosten dafür besprochen wurden. Eine konservative Therapie durch Schienung
der Gliedmaße mit Hilfe eines immobilisierenden Verbandes über einen Zeitraum von 5-6
Wochen mit dem Ziel, die ursächlichen plantaren Bandrupturen auszuheilen, wurde als
unzureichend und wenig praktikabel zur Behandlung der Katze abgelehnt. Diese Form der
Therapie sichert nicht ausreichend die Ruhigstellung des Tarsalgelenkes. Zudem werden
Verbände bei Katzen, insbesondere über längere Zeiträume selten gut toleriert. Weiterhin gilt
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im Allgemeinen, dass die Rehabilitationszeiten bei konservativen Therapien länger sind als
bei chirurgischen (Köstlin 2012). Die chirurgische Versorgung zur Stabilisierung der
Subluxation wurde vereinbart. Die Prognose der Behandlung ist aufgrund der seltenen Fälle
dieser Erkrankung bei Katzen nicht sicher zu stellen. Bis zur Operation, die am Folgetag
durchgeführt wurde, erhielt der Kater Hope einen modifizierten Robert-Jones Verband und
ein
nichtsteroidales
Antiphlogistikum
(NSAID)
Robenacoxid,
(OnsiorR
20mg/ml,
Injektionslösung für Katzen und Hunde, Novartis Tiergesundheit AG) in einer Dosis von
2mg/kgKM subcutan (s.c.). Hope wurde stationär aufgenommen. Eine klinische
Allgemeinuntersuchung und Narkoserisikoklassifizierung nach der modifizierten Einteilung
der American Society of Anaesthesiology (ASA) wurden durchgeführt (Tacke, 2012). Die
Klassifizierung ergab die Klasse ASA 2. Hope erhielt einen Venenkatheter (VasoVet, 22 G,
B.Braun Vet Care GmbH) in die Vena (V.) cephalica und eine Dauertropfinfusion
(Infusionspumpe scil InfuVet ad us.vet., scil animal care company GmbH) isotoner
Ringerlösung (Ringer-Lösung, AlleMan Pharma) in Dosis von 3ml/kgKM /Stunde. Zur
Prämedikation
wurden
Midazolam
(Midazolam
HEXAL
5mg/ml,
HEXAL
AG)
0,4mg/kgKM, Ketamin (Ketamin-10%, 100mg/ml, InjektionslösungR für Hunde und Katzen,
CP-Pharma) 3,0mg/kgKM und Propofol 3,0mg/kgKM intravenös (i.v.) injiziert. Eine 10
minütige Präoxygenierung in einer Stoffwechselbox (indulab-vet, CH) unter stressfreien
Bedingungen erfolgte vor Beginn der Allgemeinanästhesie. Weiterhin erhielt die Katze zur
perioperativen Antibiose Cephazolin (Cephazolin-Fresenius 1g/15ml) 22mg/kgKM i.v.,
welche nach 90 Minuten wiederholt wurde. Die Analgesie wurde mit Fentanyl (FentanylJanssen 0,5mg/10ml) mit einem Bolus (0,003mg/kgKM) begonnen und anschließend im
Dauertropf mit einer Dosis von 0,01mg/kgKM und Stunde aufrechterhalten.
Die betroffene Gliedmaße wurde geschoren und antiseptisch mit einer 70% Äthanollösung
und 7,5% Povidon-Iod Lösung (BraunolR, B.Braun-Melsungen AG) desinfiziert. Das Tier
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wurde mit sterilen OP-Textilien abgedeckt und die Tarsalregion für den chirurgischen Zugang
vorbereitet. Die zu operierende Gliedmaße lag oben bei einer linkslateralen Lagerung. Die
Allgemeinanästhesie
Sauerstoffgemisch
wurde
mit
(medizinischer
einem
Isofluran
Sauerstoff,
(Isofluran
Airliquid)
in
CPR,
CP-Pharma)
einem
–
halboffenen
Inhalationsnarkosesystem (MarMed GmbH, Cölbe) mit einer Konzentration von 5% über ca.
5 min bei einer Sauerstoffdurchflußrate von 2,5 Liter je Minute (l/min) eingeleitet und mit
einer Isoflurankonzentration von 1,5-1,8% bei einer Sauerstoffdurchflußrate von 0,9l/min
aufrechterhalten. Das Monitoring erfolgte mit Narkosemonitorsystem (Patientenmonitor
Mindray MEC-1200Vet,) unter Aufsicht einer narkoseerfahrenen Fachkraft. Während der
Narkose betrug die Infusionsrate 10ml/kgKM und Stunde Ringerlösung. Über einen caudolateralen Zugang der proximal etwa 3cm dorsal des Tuber calcaneus begann und im dorsalen
Drittel der plantaren Metatarsalregion endete, wurde die betroffene Region eröffnet. Es wurde
die Fersenbeinkappe (Galea calcanea) nach Durchtrennung des Retinaculum flexorum laterale
nach medial verlagert. Die Calcaneussehne (Tendo calcaneus communis) und die
oberflächliche Beugesehne (Tendo m. flexoris digitalis superrficialis) waren unverletzt. Nach
distal bestand an der plantaren Tarsalregion ein Hämatom und unterhalb der oberflächlichen
Beugesehne Rupturen der Ligamenta (Ligg.) tarsi plantare und des M. quadratus plantae
(Vollmerhaus und Roos 2000).
Zur Stabilisierung der Gelenke der proximalen Intertarsalreihe wurde mit einem 1,1mm
Spiralbohrer an der Basis des Calcaneus und im Os tarsale IV je ein Bohrloch quer zur
Längsachse gebohrt (Arthrex300 Small-Bone-Power-System, ArthrexVetSystems). Ein
Cerclagedraht (0,4mm) wurde in einer Achtertour an der plantaren Fläche des Calcaneus und
Os tarsale IV gelegt. Anschließend wurde mit einem glatten Bohrdraht (Kirschnerdraht
1,0mm) durch eine antegrade Bohrung vom Tuber calcanei aus der Talus mit dem Os tarsale
IV verbunden. Die Cerclage wurde gespannt. Während einer Kontrolle ließ sich die
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pathologische Hyperflexion des Tarsus in Kniestreckstellung nicht mehr ausführen. Die
rupturierten Bandstrukturen wurden mit monofilen Polypropylen in einer Größe USP 4-0
(PremileneR, B.Braun-Melsungen AG) durch je eine Sehnennaht (Fern-Nah-Nah-Fern-Naht)
adaptiert. Das Operationsgebiet wurde gespült und anschließend mit Einzelheften unter
Verwendung von monofilem Glyconat der Größe USP 4-0 (MonosynR, B.Braun-Melsungen
AG) verschlossen. Zur Ruhigstellung des Tarsalgelenkes wurde ein transartikulärer Fixateur
externe bilateral (Typ II a) von der distalen Tibia zum Metatarsus (Ossa metatarsalia III und
IV) mit je 2 glatten Bohrdrähten (1,4mm), die lateral und medial über eine Acrylbrücke
(Technovit6091, Heraeus) verbunden wurden, stabilsiert. Dabei wurde das Talokruralgelenk
in leichter Streckstellung, etwa 150° positioniert.
Anschließend fand eine Röntgenkontrolluntersuchung statt (Abbildung 4). Postoperativ
verbrachte der Patient etwa 20 Minuten in einer Stoffwechselbox (ca. 80% Sauerstoffgehalt in
der Raumluft) auf einer beheizten Fläche die Aufwachphase. Die postoperative Analgesie
wurde mit Robenacoxid in einer Dosis von 2mg/kgKM s.c. und Buprenorphin in einer Dosis
von 0,02mg/kgKM i.v. aufrechterhalten.
Verlauf und Ergebnisse
Hope wurde bisher zweimal zur Nachuntersuchung vorgestellt. Die Wundheilung der OPWunde verlief ohne Probleme. Zunehmend wird die betroffene Gliedmaße belastet.
Diskussion
In diesem Bericht wird die Diagnostik und Therapie einer hochgradig dolent erscheinenden
Sprunggelenkserkrankung einer Katze beschrieben, die mit Hilfe der klinischen und
röntgenologischen Diagnostik als Subluxation der proximalen Intertarsalreihe des Tarsus
durch Ruptur der Ligamenta tarsi planatare diagnostiziert wurde. Die bestehende mediale
Patellaluxation der betroffenen Gliedmaße trug möglicherweise zur Entstehung der
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Tarsalgelenksverletzung
durch
Beeinträchtigung
der
Kniegelenksfunktion
bei.
Die
Hauptbefunde Schmerzhaftigkeit, plantare Schwellung des Tarsalgelenkbereiches und
Hyperflexion bei gestrecktem Kniegelenk führen zu folgenden Differentialdiagnosen: Ruptur
der Calcaneussehne, Calcaneusfraktur und Subluxation der proximalen oder der distalen
Intertarsalreihe.
Die normale Funktion der Tarsalgelenksstreckung ergibt sich hauptsächlich aus der
Kontraktion der M. gastrocnemius und M. soleus. Beide Muskel inserieren am Tuber calcanei
und sind Voraussetzung für die starke Hebelwirkung die bei der Tarsalgelenksstreckung
entsteht und es Katzen ermöglicht „… sehr schnell aus der geduckten Lauerhaltung zu starten
…“ (Vollmerhaus und Roos 2001). Der M. gastrocnemius ist zweigelenkig und dessen
Streckwirkung ist teilweise mit der Streckung des Kniegelenkes verbunden. Er besteht aus 2
Muskelköpfen, die ihren Ursprung am distalen Femur haben. Mit anderen Muskeln ist M.
gastrocnemius in der Lage durch eine Kniegelenksstreckung die Tragsäule zu stabilisieren
und vor dem Einknicken zu schützen. Der M. soleus ist eingelenkig, unabhängig von der
Kniegelenksstellung und hat seinen Ursprung am Caput fibulae und ist beim Hund nicht
vorhanden (Vollmerhaus und Roos 2001). Der Calcaneus artikuliert mit dem Talus und dem
Os tarsale quartum (nicht, wie beim Hund, mit der Fibula). Bei der Tarsalgelenksstreckung
halten u.a. die plantaren Ligamenta (Ligg. tarsi plantare) den Calcaneus und Talus in Position,
so dass die Hebelwirkung der M. gastrocnemius- und M. soleus-Kontraktion zur
Tarsalgelenksstreckung führt. Die Ligg. tarsi plantare sind das Lig. plantare longum, das Lig.
calcaneoquartale plantare und das Lig. calcaneocentrodistale plantare (Vollmerhaus und Ross
2000 b). Traumatisch bedingte Rupturen dieser Bandstrukturen an der Zugseite des Tarsus
führen durch Distraktion zur Subluxation im proximalen Intertarsalgelenksbereich.
Klinisch weicht der Befund der starken Schmerzhaftigkeit von vergleichbaren Verletzungen
des caninen Tarsus ab. Demnach zeigen betroffene Hunde unterschiedlich starke plantigrade
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Tarsalgelenksstellungen, Schwellung und mittelgradigen Schmerz (Piermattei 2006). In
unserem Fall war eine geringgradige Instabilität im Gelenk tastbar. Die Kniegelenksstreckung
führte nicht wie bei der gesunden Gliedmaße zur zunehmenden Streckung des Tarsalgelenkes.
Mit Hilfe der klinischen Untersuchung konnte eine Calacaneussehnenruptur ausgeschlossen
werden. Die oft auch als Achillessehne bezeichnete Calcaneussehne besteht aus den Sehnen
des M. flexor digitalis superficialis (Insertion: plantar 2.Phalanx), der gemeinsamen Sehne der
Musculi (Mm.) gracilis, biceps femoris und semitendinosis (Insertion: medial Tuber calcanei)
und der eigentlichen Achillessehne (Sehnen der Mm. Gastrocnemius und soleus (M.triceps
surae)) (Scott und McLaughlin 2008). Bei Rupturen dieses Sehnenbereiches kommt es zu
einer plantigraden Tarsalgelenkstellung und zu Schwellungen im Rupturbereich. Bei der
körperlichen Untersuchung konnte keine Schwellung oder Zusammenhangstrennung der
Calacneussehne festgestellt werden.
Die differentialdiagnostisch mögliche Fraktur des Calcaneus konnte röntgenologisch
ausgeschlossen werden.
Berichte über die Therapie feliner Tarsalgelenkssubluxationen sind sehr selten. Nach Scott
und McLaughlin (2008) bestehen folgende Therapieoptionen: äußere Schienung für 4 bis 6
Wochen mit Hilfe eines Cast- oder Schienenverbandes, Fixation mit einem Pin der durch den
Calcaneus und den 4.Tarsalknochen getrieben wird, Kreuzspickung durch den betroffenen
Gelenksbereich und einer zusätzlichen Sicherung mit je einer Cerclage medial und lateral um
die Pin-Enden und eine Arthrodese nach Versagen einer der zuvor beschriebenen
Therapieoption. Voss (2003) empfiehlt die partielle Tarsalgelenksathrodese zur Behandlung
der intertarsalen Subluxation bei Katzen. Bei Hunden mit plantarer intertarsaler Luxation,
werden die kalkaneoquartale Arthrodese oder partielle Arthrodese des Gelenkbereiches
empfohlen (Ernst 2012).
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Nach den pathologischen Veränderungen durch Ruptur der Ligg. tarsi plantare, die die
Subluxation verursachten, scheinen konservative Behandlungen durch äußere Schienung
wenig erfolgversprechend. Da die Distraktionskräfte, die bei Belastung des tarsalen
Streckmechanismus entstehen, ein heilen der rupturierten Bänder unter Schienung der distalen
Gliedmaße kaum ermöglichen (Muir und Norris 1999).
Wir entschieden für die Therapie zu Bandnähten und deren Stabilisierung. Dazu wurde ein
Pin antegrad durch den Tuber calcanei bis in das Os tarsale quartum getrieben und eine
achter-tourige Cerclage durch die Basis des Calcaneus und durch das Os tarsale quartum
geführt. Diese Konstruktion hat das Ziel die Zugkräfte zu neutralisieren, die die Heilung der
genähten Ligg. tarsi plantare durch belastungsabhängige Distraktion behindern würden.
Weiterhin war für die Entscheidung zu dieser Therapieform die geringe Invasivität der
chirurgischen Intervention ein wichtiges Kriterium. Alternativ wäre eine partielle
Tarsalgelenksathrodese als Behandlung möglich. Dieses erheblich invasivere Verfahren ist
unserer Meinung nach als ultima ratio bei Therapieversagen indiziert. Mit der zusätzlichen
Abstützung des Tarsalgelenkes durch Anbringen eines transartikulären Fixateur externe soll
eine weitere temporäre Ruhigstellung des Gelenkbereiches erreicht werden.
Da die plantare intertarsale Subluxation eine seltene Erkrankung bei der Katze darstellt, sind
nur Daten zur Therapie dieser Subluxation von Hunden verfügbar. Danach ist das
Therapieverfahren der Wahl beim Hund die partielle Arthrodese des Tarsalgelenkes (Schulz
2009). Scott und McLaughlin (2008) fassen mögliche Behandlungsoptionen für die Katze
zusammen. Ein Vergleich dieser Verfahren in Bezug auf den Therapieerfolg liegt in der
Literatur nicht vor. So konnte nur auf Grund pathophysiologischer Plausibilität und eigener
chirurgischer Erfahrung entschieden werden. Da die Katze als athletisches Lebewesen in ihrer
Bewegung für den Sprung auch die besondere Funktionalität des Sprunggelenkes benötigt
(Vollmerhaus und Roos 2000a, 2001b, 2001) sollte die chirurgische Therapie das Ziel haben,
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mit geringer Invasion annähernd normale funktionale Verhältnisse wiederherzustellen. Da der
Patient noch in der Rekonvaleszenzphase ist, kann über das endgültige Therapieergebnis noch
nichts ausgesagt werden.
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Literaturverzeichnis
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Seite 13
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Seite 14
Anhang
Abbildung 1
Dorso-plantare Röntgenabbildung: R) Weichteilschwellung und geringgradige Weitung des
Gelenkspaltes im proximalen Intertarsalgelenksbereich. L: Normales Tarsalgelenk.
Seite 15
Abbildung 2:
Medio-laterale Röntgenabbildung: L: Normales Tarsalgelenk. R: Weichteilschwellung und
geringgradig Weitung des Gelenkspaltes im proximalen Intertarsalgelenksbereich.
Seite 16
Abbildung 3
Medio-laterale Röntgenabbildung: R) Subluxation der proximalen intertarsalen Gelenkreihe
bei gestrecktem Kniegelenk und provozierter Tarsalgelenksbeugung. L) Physiologische
Tarsalgelenksstellung bei gestrecktem Kniegelenk und provozierter Tarsalgelenksbeugung
Seite 17
Abbildung 4
Postoperative Röntgenaufnahme.
Seite 18
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