Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss ECO/376 Vollendung der WWU: Die politische Säule Brüssel, den 31. März 2015 VORENTWURF EINER STELLUNGNAHME der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt zum Thema Vollendung der WWU: Die politische Säule (Initiativstellungnahme) _____________ Berichterstatter: die Herren Cedrone und van Iersel _____________ Mitglieder der Studiengruppe "Vollendung der EWU: Die politische Säule" der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt NB: Dieses Dokument wird in der Sitzung am 8. April 2015 um 9.00 Uhr erörtert. Weitergabe an die Übersetzung: 31. März 2015 Verwaltungsrat: Alexander Alexandrov ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 1/14 Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE Studiengruppe: Vollendung der WWU – Die politische Säule Vorsitzender: Herr Smyth (UK-III) Berichterstatter: Herr Cedrone (IT-II) Herr van Iersel (NL-I) Mitglieder: die Damen und Herren Bischoff (DE-II) Delapina (AT-II) Domonkos (SK-III) Kropas (LT-I) O'Riordan (IE-II) Ostrowski (PL-I) Pater (PL-III) Teder (EE-I) Van Niekerk (NL-III) Sachverständiger: Herr Pier Virgilio Dastoli (für den Berichterstatter Cedrone) ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 2/14 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 22. Januar 2015 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: Vollendung der WWU: Die politische Säule. Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am ... an. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner … Plenartagung am … (Sitzung vom …) mit … gegen … Stimmen bei … Enthaltungen folgende Stellungnahme: * * * Präambel Mit Blick auf die neue Wahlperiode des Europäischen Parlaments und die neue Amtszeit der Europäischen Kommission verabschiedete der EWSA im Juli 2014 die Stellungnahme "Vollendung der WWU – nächste europäische Legislaturperiode", die im November 2014 aktualisiert wurde. Ziel war es, ein kohärentes Bündel an Maßnahmen zu formulieren, mit denen die Architektur und die Wirksamkeit der WWU gestärkt werden sollen. Der EWSA unterscheidet vier Säulen: die geldpolitische und finanzielle Säule, die makro- und mikroökonomische Säule, die soziale Säule sowie die politische Säule, die alle vier in einer Wechselbeziehung stehen. Zur geldpolitischen und finanziellen, zur wirtschaftlichen und zur sozialen Säule hat der EWSA eine Reihe von Stellungnahmen verabschiedet. Nun beschäftigt sich der EWSA konkreter mit Fragen, die im Zusammenhang mit den übergeordneten politischen und institutionellen Aspekten der WWU stehen, die gänzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und des Europäischen Rates fallen. Dieser Aspekt setzt bei einer Kerngruppe von WWU-Staaten an, steht jedoch auch anderen potenziellen Euro-Kandidatenländern offen, die denselben Weg beschreiten wollen. 1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 1.1 Nach sechs Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise und wirtschaftlicher Stagnation gibt es erste zaghafte Anzeichen eines Wiederaufschwungs der Wirtschaft, die für bessere Aussichten für die europäische Wirtschaft sprechen. Allerdings gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, da es infolge der komplexen Situation weltweit schwieriger denn je erscheint, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung vorherzusagen. Europa und insbesondere der Euroraum müssen sich deshalb auf unerwünschte Ungewissheiten einstellen. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 3/14 Zur Gewährleistung der erforderlichen Stabilität sollte eine solide WWU geschaffen werden, die unerwartete Entwicklungen und Rückschläge meistern kann. Je größer die geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind, desto besser sollte der Euroraum in der Lage sein, seine eigenständigen Interessen zu bewahren. 1.2 Die WWU ist noch nicht vollendet. Es gibt die einheitliche europäische Währung, doch noch keine zufriedenstellende wirtschaftspolitische Steuerung – siehe nachfolgende Bestandsaufnahme und SWOT-Analyse. Der Rahmen der WWU ist deshalb nach wie vor anfällig. Wegen der nach wie vor bestehenden Heterogenität und unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten fehlen immer noch die notwendige Vertrauensbasis und Zuversicht bei Unternehmern und Bürgern. Das fehlende Vertrauen und die mangelnde Zuversicht wirken sich nachteilig auf das nachhaltige Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen in ganz Europa aus. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die politischen Voraussetzungen für eine wirtschaftspolitische Steuerung, vor allem im Euroraum, gestärkt werden müssen. 1.3 Der EWSA räumt ein, dass spektakuläre Fortschritte nicht über Nacht möglich sind, doch müssen zwei Aspekte bedacht werden: Erstens kann es sich Europa nicht leisten, Entscheidungen jahrelang hinauszuzögern, und zweitens muss zuerst einmal Einmütigkeit im gesamten Euroraum über die Grundsätze einer anzustrebenden Wirtschaftspolitik im Rahmen einer überzeugenden Steuerung gefunden werden. Dazu schlägt der EWSA einige konkrete Schritte vor, die innerhalb des bestehenden Regulierungsrahmens unternommen werden könnten. Er betont jedoch, dass diese Maßnahmen in einem (wesentlich) größeren Zusammenhang zu sehen sind. Daher müssen nach Meinung des EWSA langfristig Vertragsänderungen ins Auge gefasst werden, um die erforderlichen institutionellen Bestimmungen mit den unabdingbaren Erfordernissen einer echten Wirtschaftsunion in Einklang zu bringen. 2. Bestandsaufnahme 2.1 Die WWU verfügt bereits jetzt über einen umfassenden Besitzstand. Sie besitzt eine gemeinsame Währung und eine Zentralbank, bis zu einem gewissen Grade trägt sie für die Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik Sorge. Sie trifft für die Länder verbindliche Entscheidungen, die im Grunde deren wirtschaftliche und haushaltspolitische Autonomie einschränken, Bedingungen für expansive Maßnahmen in den Mitgliedstaaten auferlegen und sie verpflichten, wirtschaftliche und soziale Reformen durchzuführen. 2.2 Die WWU ist also ein in der Entwicklung befindliches föderatives Gebilde, das gegenwärtig als "Hüterin" fungiert, jedoch noch nicht gemeinsam tätig wird. Ihre Zielbewusstheit ist vergleichsweise stark ausgeprägt und hat einen öffentlichen Raum für Diskussionen geschaffen. Die WWU bedeutet eine stärkere Abtretung von Hoheitsrechten durch die Mitgliedstaaten, obwohl ihre Verwaltung in erster Linie durch eine technokratische Struktur erfolgt. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 4/14 2.3 Diese Union muss vollendet werden, indem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass diejenigen Länder, die bereits Mitglied sind oder dies zu werden wünschen, Stabilität und zudem Wachstum und Wohlstand schaffen können. Für sie sollte sich ein Beitritt zum Euroraum mehr lohnen als ein Euroverzicht. 2.4 Der EWSA begrüßt den von Jean-Claude Juncker an die informelle Tagung des Europäischen Rates gerichteten Vermerk, der sich auf den Bericht Van Rompuy von 20121 stützt. Auch wenn der EWSA keine eigenen Vorschläge vorlegt, so unterstützt er doch einige der in dem Vermerk enthaltenen Beobachtungen und (impliziten) Anregungen. 2.5 Der Ausbruch der Finanzkrise 2008 und die darauffolgenden Entwicklungen sowie die katastrophalen Auswirkungen auf die Realwirtschaft und die europäische Gesellschaft waren ein Weckruf für all jene, die bis dahin meinten, die Architektur der WWU würde weiter mehr oder weniger zur Zufriedenheit funktionieren und die Konvergenz der Mitgliedstaaten würde ganz harmonisch durch Ausstrahlungseffekte gefördert. 2.6 Bald nach dem anfänglichen Schock begannen die EU-Organe damit, nach kurzfristigen Lösungen für die dringendsten Probleme zu suchen. Ein großer Erfolg ist, dass Verfahren zum Schutz der WWU, des Euro und des Euroraums geschaffen worden sind, doch gab es auch Verzögerungen und erhebliche Versäumnisse wie das Fehlen eines gemeinsamen Plans zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. 2.7 Es ist auch eine enorme Errungenschaft, dass unter extrem schwierigen Bedingungen – zumindest teilweise – produktive Schritte unternommen wurden, um die WWU auf eine festere Basis zu stellen. Der EWSA hat alle diese Schritte begrüßt, kritisch ihre Grenzen aufgezeigt und andere Ideen vorgetragen, die zur Bewältigung der Krise besser geeignet sind. 2.8 Die Finanz- und Wirtschaftskrise entwickelte sich zu einem anhaltenden Wirtschaftsabschwung mit eklatanten Unterschieden zwischen den einzelnen Volkswirtschaften. Weite Teile der EU sind sechs Jahre danach in einer keinesfalls beneidenswerten Lage, die durch geringes Wachstum und stagnierende Beschäftigung gekennzeichnet ist. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sprechen für sich. 2.9 Ungeachtet aller Fortschritte ist die WWU nach wie vor nicht vollendet. Die Lage ist sehr komplex. Trotz einiger hoffnungsvoll stimmender Anzeichen für einen Wiederaufschwung herrscht in einer Reihe von Ländern nach wie vor Stagnation, deren vielfältige Ursachen zum großen Teil tief verwurzelt sind: Geschichte, existierende oder fehlende Traditionen in Bezug auf die Steuerung, unterschiedliche Wachstumsstrategien, unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Strukturen und unterschiedliche Außenpolitik. 1 "Vorbereitung der nächsten Schritte in Bezug auf eine bessere wirtschaftspolitische Steuerung im Euro-Währungsgebiet", Vermerk von Jean-Claude Juncker in enger Zusammenarbeit mit Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem und Mario Draghi, 12. Februar 2015. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 5/14 2.10 Im Euroraum herrscht nach wie vor Uneinigkeit zwischen den Verfechtern einer Union der Solidarität, die durch wirtschaftliche Konvergenz und Reformen in den Mitgliedstaaten bestimmt wird, und den Befürwortern einer reinen Fiskalunion. Diese Kontroverse führt sowohl bei Politikern als auch bei Sozialpartnern auch zu unterschiedlichen Auffassungen darüber, was für eine Wirtschaftspolitik auf nationaler und europäischer Ebene vorrangig verfolgt werden sollte. 2.11 Die Konflikte zwischen den Positionen und dem praktischen Herangehen haben zunehmend zu einem Klima des Misstrauens geführt, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Öffentlichkeit der einzelnen Länder, wie oberflächlich die am jeweils anderen geübte Kritik auch sein mag. Diese Entwicklung gleicht immer mehr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, engt den möglichen Handlungsspielraum der Politiker ein und löst bei den Bürgern Wellen der Europafeindlichkeit aus. 2.12 Angesichts der Tatsache, dass die WWU vor allem von zwischenstaatlichen Entscheidungen und technokratischem Management dominiert wird, hat der Mangel an demokratischer Legitimität und Glaubwürdigkeit erhebliche Auswirkungen, die auch die Unterschiede zwischen den Partnerländern deutlicher hervortreten lassen. 2.13 Aber dies betrifft nicht nur die EU. Andere große Staaten wie die USA, China, Russland, Indien und Brasilien sowie viele kleinere Länder leiden ebenfalls unter vergleichbaren schwierigen Konstellationen. Zweifellos weisen jedoch die EU und vor allem der Euroraum im Schnitt einen Rückstand auf, wenn es um die Beseitigung von Hindernissen für eine bessere Leistung geht. 2.14 Der EWSA ist grundsätzlich der Auffassung, dass eine bessere politische Steuerung der WWU zu erheblich mehr Stabilität bei der Lösung der aktuellen und künftigen Probleme beitragen dürfte, auch wenn der gegenwärtige Zustand der europäischen Wirtschaft durch viele unterschiedliche und komplexe Aspekte geprägt ist. Wie dem auch sei, eine stärkere WWU wird für die Wahrung bestimmter wesentlicher Interessen der Europäer in der Welt unabdingbar sein. 2.15 Der EWSA ist sich dessen bewusst, dass endgültige Lösungen gegenwärtig nicht in Reichweite sind. Ihm ist auch klar, dass die aktuellen Entwicklungen, die komplexe Gemengelage und die Probleme Hindernisse auf dem Weg zu einem belastbaren Fahrplan wie dem sind, wie wir ihn hier dargelegt haben. Andererseits werden das Vertrauen und die wirtschaftliche Leistung dauerhaften Schaden nehmen, wenn sich an den aktuellen Mängeln im institutionellen Gefüge sowie bei der Steuerung nicht bald etwas ändert. Der EWSA hält die Verzögerungen, die Resignation und das Fehlen eines Konzepts für die Zukunft daher für nicht hinnehmbar. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 6/14 2.16 Der EWSA ist deshalb der Auffassung, dass kein Weg an einer ernsthaften Debatte über eine solide Architektur der WWU vorbeiführt, die ein Einvernehmen über die wirtschaftlichen und sozialen Ziele sowie eine vereinbarte Steuerung einschließt. Der gegenwärtige Aufschwung bietet die Chance für Fortschritte. 2.17 Seit der Errichtung der WWU steckt hinter den Diskussionen über mehr oder weniger Europa die Frage nach der Souveränität. Die klassischen Pfeiler der Souveränität sind Sicherheit und Geld. Die WWU beschränkt sich nach wie vor vorrangig auf die gemeinsame Währung. Nach Auffassung des EWSA gibt es langfristig keine Alternative zu einer besseren Verankerung einer gemeinsamen oder gebündelten Souveränität im Euroraum. Hierfür wird eine solide gebündelte wirtschaftspolitische Steuerung bzw. eine Wirtschaftsregierung erforderlich sein. Gleichermaßen steht auch die Zukunft der WWU in der europäischen Integration in engem Zusammenhang zu anderen entscheidenden die Souveränität berührenden Politikbereichen wie der Entwicklung der GSVP und der Energieunion. 3. SWOT-Analyse der aktuellen Situation in der WWU 3.1 Stärken Stärkeres Bewusstsein dafür, dass die Zukunft der Europäer in der Gemeinsamkeit liegt Herausragende, wenn auch beschränkte Rolle der EZB (als supranationaler Institution) ESM und kürzliche Anerkennung der Flexibilitätsregeln Stärkere Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten Zunehmende politische Akzeptanz der vereinbarten Regeln auf EU-Ebene durch die Regierungen, vor allem hinsichtlich der Notwendigkeit von Strukturreformen in allen Mitgliedstaaten Stärkerer Schwerpunkt der EU auf der Verbesserung der Governance und einer besseren Verwaltung in allen Mitgliedstaaten Beginn der Bankenunion und Beschlussfassungsprozess zum einheitlichen Abwicklungsmechanismus Quantitative Lockerung durch die EZB Aktivere, wenngleich immer noch beschränkte Rolle der EIB und der vorgeschlagenen Investitionsoffensive für Europa Das Semester und die länderspezifischen Empfehlungen, die eine stärkere Mitwirkung der EU an der Ermittlung von Schwachstellen in den nationalen Haushalten und bei der Governance implizieren Mehr Transparenz in der öffentlichen Debatte über die Entwicklungen in den Partnerländern Stärkere Akzeptanz der Tatsache, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden müssen und dass die Voraussetzungen für in- und ausländische Investitionen verbessert werden müssen, durch die Mitgliedstaaten. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 7/14 3.2 Schwächen 3.3 Bedrohungen 2 Weiterhin bestehende Heterogenität im Euroraum, die eher zunimmt Fehlende Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten Um Fortschritte zu erzielen, sind langwierige Diskussionen nötig, selbst bei Fragen, über die eigentlich schon eine Einigung erzielt wurde. Der Euro als "Schicksalsgemeinschaft", während die Wirtschafts- und Haushaltspolitik weitgehend nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten ist2 Fehlende demokratische Legitimität Mangelhafte Umsetzung der vereinbarten Regeln in den Mitgliedstaaten: übermäßige Defizite, länderspezifische Empfehlungen Schwache Position der Kommission bei der Umsetzung der europäischen Vorschriften und des Semesters Schlecht funktionierende nationale Verwaltungen und somit schwache Governance Aus der Geschichte rührende nationale Vorurteile mit unter anderem folgenden Auswirkungen: Anhaltendes Misstrauen zwischen Mitgliedstaaten – zu einem geringeren Grade zwischen den Finanzministerien Geringe Einbindung der nationalen Parlamente und der Zivilgesellschaft in die Entscheidungsfindung und/oder in die Sensibilisierung in den meisten Mitgliedstaaten Ungenügende Kommunikation, vor allem der Führungen in den Mitgliedstaaten Uneinigkeit in der Öffentlichkeit und bei den politischen Parteien in Europa und im Euroraum Schwerpunkt auf kurzfristigen Ansätzen, keine Langzeitvision, geschweige denn Handlungsbereitschaft Unvollständige Bankenunion, bislang keine Entscheidung über das Einlagensystem Ein vertiefter gesamteuropäischer Kapitalmarkt bleibt nur ein Wunschtraum, solange die Banken national ausgerichtet sind. Unvollendeter Binnenmarkt Fehlen einer langfristigen politischen Vision für die künftige WWU/EU. EU/Euroraum: zu wenig, zu spät Anhaltendes Misstrauen zwischen Mitgliedstaaten und Bürgern Mangelndes Vertrauen der Investoren im In- und Ausland Deflation Weiterhin geringes Wachstum im Vergleich zu den wichtigsten globalen Konkurrenten Anhaltende internationale (militärische) Konflikte, vor allem "vor der Haustür" der EU Die EU ist nicht genügend auf eine mögliche neue Wirtschaftskrise vorbereitet Negative Gefühle der Öffentlichkeit/Euroskepsis Vermerk von Jean-Claude Juncker, S. 1. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 8/14 3.4 Zunehmende wirtschaftliche Unterschiede innerhalb der Union/des Euroraums Grexit (oder etwas, das darauf hinausläuft) Brexit (oder etwas, das darauf hinausläuft) Stagnation der Bankenunion Fortbestand der Kopplung der nationalen Banken an die Mitgliedstaaten, Fehlen eines gesamteuropäischen Kapitalmarkts Mangelnde Umsetzung im Finanzsektor Mangelnde Umsetzung im Binnenmarkt insgesamt Stagnation in anderen wichtigen Bereichen wie der Energieunion, der digitalen Union und der GSVP Mangelnder Erfolg des QE-Programms der EZB. Chancen Vertrauensbildende Maßnahmen, die zu einem stabilen Klima führen Stärkung der Governance des Euroraums Stärkung der demokratischen Legitimität Korrekte Anwendung der vereinbarten Regeln Anziehung von Investitionen innerhalb der EU und aus Drittstaaten, auch im Rahmen der Investitionsoffensive für Europa Erfolg des QE-Programms der EZB Konvergenz von Haushalts- und Finanzpolitik auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze: Weiterführung einer nationalen Politik innerhalb eines akzeptierten gemeinsamen Rahmens Vertragliche Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU Einigung über Reformen und Wettbewerbsfähigkeit sowie ein einvernehmlicher Wachstumspfad für die Union Eine akzeptable Lösung für die Sorgen der Griechen (und anderer) durch Förderung der Konvergenz Großbritannien zu vernünftigen Bedingungen in der EU halten Erfolgreiches Zusammenwirken von EZB, Kommission und Rat, vor allem im Euroraum Solide Steuerung des Euroraums: eine spezifische Ratsformation sowie ein spezielles Gremium auf EP-Ebene zum Euroraum. Eigenmittel und ein Haushalt für den Euroraum Anerkennung einer vorausschauenden Funktion der Kommission, einschließlich einer konsequenten Anwendung der Gemeinschaftsmethode Planung von Strukturreformen für jedes Land Vollendung der Bankenunion und eines gesamteuropäischen Kapitalmarktes Schaffung der Voraussetzungen für die Einführung von Eurobonds Gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer Planung einer besseren Grundlage für den EU-Haushalt und deren gleichzeitige Erweiterung Gemeinsame Vertretung der Interessen des Euroraums auf internationaler Ebene. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 9/14 4. Vorschläge zu WWU-Institutionen und -Maßnahmen 4.1 Parlament des Euroraums und nationale Parlamente Das EP und seine einschlägig zuständigen Ausschüsse sollten ermöglichen, dass über Fragen im Zusammenhang mit der WWU nur diejenigen MdEP abstimmen, die aus Ländern des Euroraums (sowie Kandidaten für den Euroraum) kommen. In diesem Zusammenhang sollten Unterausschüsse für wirtschaftliche und institutionelle Angelegenheiten der WWU bzw. alternativ ein Hauptausschuss für den Euroraum geschaffen werden. Die Unterausschüsse/der Hauptausschuss sollten den Vertretern der nationalen Parlamente der WWU-Mitglieder offenstehen und über echte Befugnisse verfügen. So sollten sie beispielsweise die Möglichkeit haben, Stellung zu bestimmten vereinbarten Themen zu nehmen, einen erneuten Beschluss des Rates zu fordern und die Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. Sollte ein solches Verfahren sich als nicht machbar erweisen bzw. nicht den nötigen demokratischen Anforderungen genügen, so könnte auch die Idee eines gänzlich eigenen Parlaments der Eurostaaten als Schritt hin zu einer engeren Zusammenarbeit in der WWU ins Gespräch gebracht werden. Dieses Parlament würde sich gemeinsam mit dem übrigen EP mit gemeinsamen Themen befassen und getrennt von diesem mit Fragen der WWU beschäftigen und hätte ein direktes Mandat der Wähler für alle relevanten Themen außer denjenigen, die im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens gemeinsam mit dem Rat (Kammer der Staaten) behandelt werden. 4.1.1 In dieser Phase sollte auf die im Fiskalpakt vorgesehene interparlamentarische Konferenz zurückgegriffen werden, die einberufen werden könnte, um Themen im Zusammenhang mit Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Haushalt, Finanzpolitik und Sozialpolitik zu erörtern und entsprechend Stellung zu beziehen. 4.1.2 Sobald das System steht, sollten die Wahlen zum Europäischen Parlament und seinem Mandat den Wahlen zu den nationalen Parlamenten entsprechen, wobei zwei getrennte Bürgerschaftsbereiche, eine nationale als auch eine Unionsbürgerschaft, existieren würden. Nur die zur Abstimmung gestellten Fragen würden sich unterscheiden. 4.2 Rat/Kammer der Staaten Der Rat der Euro-Union könnte zur Kammer der Staaten werden. Er würde aus Vertretern der nationalen Regierungen und Parlamente bestehen, gemeinsam mit dem Euro-Parlament über legislative Befugnisse verfügen und Mehrheitsentscheidungen in allen Fragen treffen. Ziel wäre es jedenfalls, schrittweise eine Trennung zwischen legislativen Befugnissen und Regierungsbefugnissen herbeizuführen, da das gegenwärtige System zu Missverständnissen, Überschneidungen und dem Missbrauch demokratischer Verfahren führt. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 10/14 4.3 Eine Exekutive für die WWU Nach einer Übergangsphase sollte ein echtes WWU-Führungsgremium eingerichtet werden. Sein Präsident sollte faktisch als Minister der Wirtschaft und Finanzen des Euroraums auftreten, stellvertretender Vizepräsident der Kommission sein und dem Parlament gegenüber direkt Rechenschaft ablegen. In diesem Falle würden die legislativen Aufgaben für die WWU einem "Legislativrat" oder einer "Kammer der Staaten" zugewiesen. 4.4 Die Kommission Gegenwärtig spielen die nationalen Parlamente eine im Verhältnis zur Kommission zunehmend untergeordnete Rolle. Letztere sollte allerdings ihre Kontroll- und Leitungsfunktion behalten und einen Vizepräsidenten für die WWU (vorangehender Punkt) haben. Sie sollte eine Doppelfunktion als Bindeglied zwischen einerseits der EU und andererseits der WWU besitzen, bis eine eigene WWU-Exekutive geschaffen wurde. Sie sollte einen Teil ihrer Initiativbefugnisse in einigen Bereichen an das Parlament und/oder den Rat (Kammer der Staaten) abgeben, insbesondere wenn sie ihren Verpflichtungen nachweislich nicht gerecht werden kann. Ihre Tätigkeiten als Leitungsgremium sollten der Rechenschaftspflicht gegenüber dem sowie der Billigung durch das Parlament unterliegen. Denkbar wäre, dass die betreffenden Kommissare des Euroraums gesonderte Sitzungen abhalten dürfen und gemäß den Regeln der parlamentarischen Demokratien eine direkte Zuständigkeit (WWU-Leitungsgremium) für die Beziehungen zum EP haben. Damit würde man auch der Frage der Repräsentativität und der Befugnisübertragung gerecht, es sei denn, diese Funktion wird – wie an anderer Stelle ausgeführt – der Eurogruppe (WWU-Exekutive) übertragen. 4.5 Demokratie und Transparenz, Legitimität Abgesehen davon, dass das Verhältnis zwischen "Exekutive" und "Legislative" klarer definiert werden muss, das gegenwärtig Gegenstand von erheblicher Verwirrung und Missverständnissen aufseiten der EU, der WWU und der nationalen Gremien ist, sind die eigentlichen Problemkomplexe nach wie vor Demokratie, Transparenz und Vereinfachung und vor allem die Frage, wie die Menschen in Europa in den vielschichtigen Prozess der europäischen Integration einbezogen werden können. In einzelnen Ländern, nicht nur in Europa, und in der Union insgesamt ist die Frage der Demokratie nach wie vor ein erheblicher Schwachpunkt (siehe beispielsweise die Rolle der sogenannten Troika). Die gewählten Volksvertreter haben zunehmend den Kontakt zu ihren Wählern verloren, was in der Krise deutlich zutage getreten ist. Die Gesellschaft als ganze hat offenbar ihre Konturen verloren bzw. aus politischer Perspektive stellt sich dies so dar. Dem ließe sich beispielsweise durch die Einführung von online durchgeführten EU-weiten Bürgerentscheiden mit geeigneten Mehrheitsschwellen abhelfen, die zunächst versuchsweise von Interessengruppen der Zivilgesellschaft organisiert werden, die kurzfristig konsultiert werden könnten. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 11/14 4.5.1 Der EWSA Dies alles sollte uns mehr denn je dazu bewegen, ein engeres und konstruktiveres Verhältnis zu den Menschen in Europa aufzubauen und Wege zu finden, wie wir sie in das öffentliche Leben einbeziehen können. Eine Möglichkeit wäre die Abhaltung EU-weiter Bürgerentscheide oder Formen der Konsultation zu konkreten Fragen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft oder von Teilen der Zivilgesellschaft. Unter diesem Aspekt sollte das Verfahren für die partizipative Demokratie gemäß Artikel 11 geändert werden ebenso wie die Rolle des EWSA, der als Vermittler der Zivilgesellschaft (horizontale Klausel) agieren und für die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft am Entscheidungsprozess in der EU verantwortlich sein sollte, und zwar durch: a) ein jährliches Forum der organisierten Zivilgesellschaft (auf der Grundlage nationaler Foren) zu konkreten Fragen, einschließlich der Bewertung der Grenzen der europäischen Integration und der Suche nach neuen Formen der Teilhabe, b) ein spezielles Forum für den Euroraum zur Bewertung der Zielbewusstheit und der Bürgernähe als Mittel zur Überwindung von Vorurteilen und zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens, c) Stellungnahmen in Form prälegislativer Initiativen (nach dem Vorbild des CNEL) zu bestimmten Fragen, die für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse sind und zu denen das EP und der Rat Rechtsvorschriften erlassen sollen. Ein anderes wichtiges Verfahren der Partizipation, das von Grund auf überarbeitet und in der gesamten EU auf den Weg gebracht werden sollte, betrifft die Wirtschaftsdemokratie, den sozialen Dialog und die dreiseitige Konzertierung im Euroraum. 4.5.2 Um die Menschen Europas und die Interessen der gesamten europäischen Gesellschaft stärker in den Mittelpunkt zu rücken, sollten neue Formen der Partizipation untersucht werden, die einen gewaltigen Schritt nach vorn in Bezug auf die Qualität darstellen würden. Noch wichtiger jedoch wäre es, auf EU-Ebene jene Formen der Demokratie anzuwenden, die wir in den meisten unserer Länder kennen und nutzen: a) Gründung echter europäischer Parteien, die über das derzeitige Konglomerat nationaler Parteien hinausgehen, das heißt Parteien, die eigene und/oder alternative Programme diskutieren und ihren gewählten Vertretern ein klares Mandat erteilen, b) Herstellung von Mehrheiten und Minderheiten auf der Grundlage der Programme, die der Wählerschaft des Parlaments präsentiert werden, c) Abhaltung von Wahlen am selben Tag. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 12/14 5. Rechtsinstrumente und Vertragsgegenstände 5.1 Ohne Änderung des Vertrags a) Fragen, die im Rahmen der geltenden Verträge entschieden werden können (Ziele nicht umgesetzt) b) Fragen, bei denen die verstärkte und/oder strukturierte Zusammenarbeit angewandt werden kann c) Rat "Legislative Angelegenheiten" (Vorschlag Amato) d) Anwendung der Überleitungsklausel e) differenzierte Integration f) horizontale Sozialklausel. 5.2 Änderung der Verträge a) Fragen, die eine Änderung des Vertrags erfordern (Änderung der Befugnisse, wirtschaftspolitische Koordinierung, Rolle der EZB, ständiger Wirtschafts- und Schatzminister, Rolle des EP bei den Eigenmitteln, Mehrheitsentscheidungen im Rat, EUweite Bürgerentscheide und Änderung von Artikel 11, differenzierte Integration und assoziierte Mitglieder) b) eigenes Protokoll, mit dem dem Euroraum ein dauerhaftes Mandat für eine verstärkte Zusammenarbeit erteilt wird. 5.3 Neuer Vertrag über die Euro-Union (Information in die Übersichtstabelle einzufügen) 5.4 Übereinkommen Dazu wäre eine Einigung zwischen den Ländern des Euroraums, die dies befürworten, nötig. Sie würde anderen Ländern offenstehen, die durch einen verstärkten und gemeinsamen Entscheidungsprozess (politische Säule) an der Umsetzung bestimmter Maßnahmen/Bereiche teilnehmen wollen (die drei oben erwähnten Säulen). Inhalte und Vorgehensweise im Rahmen dieser Säule könnten a) in einem Übereinkommen der Parlamente des Euroraums festgelegt werden, das Vertretern anderer Länder offensteht, vom EP gefördert und dem Rat zur Billigung im Rahmen einer Regierungskonferenz vorgelegt wird, b) in einem Protokoll niedergelegt werden, das der WWU ein ständiges Mandat zur verstärkten Zusammenarbeit in allen Bereichen erteilt, in denen dies erforderlich ist. 5.5 Zeitrahmen (kurz-, mittel- oder langfristig, auf der Grundlage des Zeitplans ECO/357): kann in der Übersichtstabelle angegeben werden. ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 13/14 6. Vertragsgegenstand (in die Übersichtstabelle aufzunehmen) 6.1 Wirtschaftspolitik – nachhaltige Entwicklung 6.2 Finanz-, Haushalts- und Geldpolitik 6.3 (über die Nicht-Haftungsklausel gemäß Artikel 125 AEUV hinausgehend) makroökonomische Maßnahmen, Wachstumspolitik, goldene Regeln für die WWU, Eurobonds, Wettbewerbsfähigkeit, Beseitigung (nachteiliger) haushaltspolitischer Auswirkungen auf das BIP durch im Rahmen der WWU ergriffene Maßnahmen, Schwerpunkt auf Entwicklung statt auf Einhaltung der Regeln mikroökonomische Maßnahmen: industrie- und branchenspezifische Maßnahmen, Infrastruktur, Dienstleistungen, Energie, Forschung, digitale Agenda. endgültige Festlegung des Mandats der EZB, Integration der Kapitalmärkte, Stärkung des ESM Schuldenpolitik (Unionsbonds, ECO/307), künftige Schulden Solidaritätsmechanismus zur Überwindung von Ungleichgewichten und Umverteilungsmechanismus zur Bewältigung asymmetrischer Schocks, einheitliche Finanzpolitik (einheitliche Besteuerung) Haushalts- und Fiskalunion (mit neuem Artikel 136 AEUV) Eigenmittel, gemeinsame Zahlungsbilanz, Haushaltsüberschüsse. Sozial- und Solidarpolitik Mindesteinkommen beschäftigungspolitische Maßnahmen in Krisenzeiten Arbeitsmarkt (Mobilität, automatische Anerkennung von Qualifikationen) europäische öffentliche Güter und soziale Investitionen, horizontale Sozialklausel, allmähliche Angleichung der Rentensysteme Unterstützung für neue innovative Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen (Steuererleichterungen mit gemeinsamen Regeln). 6.4 Die Institutionen – die politische Säule (siehe Punkt 4) 6.5 Weitere Politikbereiche Außenpolitik und gemeinsame Vertretung in internationalen Organisationen Verteidigung und Sicherheit Einwanderung und Asyl, Bekämpfung der organisierten Kriminalität Einhaltung der rechtlichen Standards durch die Mitgliedstaaten. _____________ ECO/376 – EESC-2015-00551-00-01-APA-TRA (EN) 14/14