Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss Persönliche Bemerkungen von Herrn van Iersel zur Studiengruppe ECO/376 nach der thematischen Debatte in der ECO-Sitzung vom 26. März 2015 4. Vorschläge zu WWU-Institutionen und -Maßnahmen 4.1 Europäisches Parlament und nationale Parlamente 4.1.1 Das EP und seine einschlägig zuständigen Ausschüsse sollten ermöglichen, dass über Fragen im Zusammenhang mit der WWU nur diejenigen MdEP abstimmen, die aus Ländern des Euroraums (sowie Kandidaten für den Euroraum) kommen. In diesem Zusammenhang sollten auch Unterausschüsse für wirtschaftliche und institutionelle Angelegenheiten des Euroraums geschaffen werden. Die Unterausschüsse sollten gemeinsame Sitzungen mit den Vertretern der nationalen Parlamente der WWU-Mitglieder abhalten und über echte Befugnisse verfügen. So sollten sie beispielsweise die Möglichkeit haben, Stellung zu bestimmten vereinbarten Themen zu nehmen, einen erneuten Beschluss des Rates zu fordern und die Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. 4.1.2 Die Währung der Union ist der Euro, weshalb das Europäische Parlament als solches für alle Fragen bezüglich des Euro zuständig ist. Da es jedoch nicht möglich ist, einen eigenen Ausschuss für den Euroraum im Rahmen des Europäischen Parlaments einzurichten, um zu einer engeren Zusammenarbeit in der WWU zu gelangen, schlägt der EWSA vor, dass die einschlägig zuständigen Ausschüsse des EP Vorkehrungen treffen, um über Angelegenheiten, die den Euroraum betreffen, getrennt abzustimmen. 4.1.3 Was die Einbeziehung der nationalen Parlamente betrifft, so fordert der EWSA einen stärkeren Rückgriff auf Artikel 13 des Fiskalpakts durch Einberufung der darin vorgesehenen interparlamentarischen Konferenz, um Themen im Zusammenhang mit Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Haushalt, Finanzpolitik und Sozialpolitik zu erörtern und entsprechend Stellung zu beziehen. 4.2 Engere Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Parlamenten 4.2.1 Die Öffentlichkeitswirksamkeit muss durchgehend verbessert werden. Dazu gehört unter anderem, dass die Finanzminister oder der Rat Wettbewerbsfähigkeit spürbar in die Ergebnisse des Semesters einbezogen werden müssen. Ursprünglich sollte im Europäischen Rat eine Debatte darüber stattfinden, wie die Mitgliedstaaten die länderspezifischen Empfehlungen umgesetzt haben. Da sich dieses Thema in bestimmten Fällen als recht heikel erwies, fand eine solche Debatte jedoch niemals statt. Das Verfahren könnte vom ECOFIN ECO/376 – EESC-2015-00551-10-00-TCD-TRA (EN) 1/4 Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE und/oder dem Rat Wettbewerbsfähigkeit übernommen werden. Die Kommission sollte dann beauftragt werden, einen Bericht über die Ergebnisse des Rates/der Räte zu erstellen. Dieser Bericht sollte danach im EP diskutiert werden. Ein solch ausführliches Verfahren sollte dazu beitragen, das enge Verhältnis zwischen den – hoffentlich sich annähernden – Politiken in den Mitgliedstaaten, der EU und entsprechend der WWU deutlich zu machen. 4.2.2 Der Bericht sollte dann zusammen mit dem Jahreswachstumsbericht an die nationalen Parlamente der Euroländer übermittelt werden. Im Anschluss daran sollten nationale Debatten stattfinden, an denen auch das zuständige Kommissionsmitglied teilnimmt. Die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft der jeweiligen Länder sollen in das Verfahren eingebunden werden. Dieses Verfahren ist nötig, um die Legitimität der EU sowie die nationale Rechenschaftspflicht und die nationale Verantwortung in den Mitgliedstaaten zu stärken. 4.2.3 Der Rat des Euroraums, der aus Vertretern der nationalen Regierungen besteht, sollte zunehmend parallel zum EP legislative Befugnisse übernehmen, einschließlich der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit. Mit Blick auf die erheblichen Folgen für die nationale Politik ist ein gut konzipiertes Verhältnis zwischen dem EP und den nationalen Parlamenten unabdingbar. 4.2.4 Ein Sonderfall ist der Rat Wettbewerbsfähigkeit. Seine Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass die nationalen Zuständigkeiten in den Ländern auf verschiedene Ministerien verteilt sind. Der Rat hat in der Öffentlichkeit keine klare Kontur, was zu der Verwirrung darüber, wer in der Union wofür zuständig ist, noch beiträgt. Zumindest alle Fragen, die mit dem reibungslosen Funktionieren der WWU zu tun haben, sollten in einem besser umrissenen Rahmen in diesem Rat behandelt werden. 4.2.5 Verstärkte Zusammenarbeit: Sowohl die Stärkung der gemeinsamen Beschlussfassung als auch die Schaffung von Akzeptanz für gemeinsame Verpflichtungen sind schwierige Aufgaben. Der Rat sollte nicht zögern, die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den dazu bereiten Ländern im Euroraum1 zu beschließen. Von verschiedenen Seiten wird vorgeschlagen, Deutschland und Frankreich zu bitten, gemeinsame Ideen über die notwendigen Schritte nach vorn vorzulegen. Bis zu einem gewissen Grade vertreten diese beiden führenden Länder zwei Vorstellungen davon, wie es weitergehen sollte. Sie müssen aufgefordert werden, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. 4.3 Eine Exekutive für die WWU 4.3.1 Nach einer Übergangsphase, die möglicherweise in eine Vertragsänderung mündet, wird ein echtes WWU-Führungsgremium entstehen. Sein Präsident sollte faktisch als Minister der Wirtschaft und Finanzen des Euroraums auftreten und stellvertretender Vizepräsident der 1 Siehe Jean Pisani-Ferry und Henrik Enderlein, „Reformen, Investitionen und Wachstum: Eine Agenda für Frankreich, Deutschland und Europa“, 27.11.2014. ECO/376 – EESC-2015-00551-10-00-TCD-TRA (EN) 2/4 Kommission sein, vergleichbar dem Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik. 4.4 Die Kommission 4.4.1 Die Europäische Kommission sollte weiterhin eine Doppelfunktion als Bindeglied zwischen EU und WWU besitzen, bis eine eigene WWU-Exekutive geschaffen wurde. Unbeschadet des gegenwärtigen Initiativrechts der Kommission sollten Möglichkeiten gefunden werden, wie das EP angemessen in diesen Prozess einbezogen werden kann, um die Legitimität der neuen Legislativvorschläge zu wahren. 4.5 Demokratie und Transparenz und Legitimität 4.5.1 Abgesehen davon, dass das Verhältnis zwischen "Exekutive" und "Legislative" klarer definiert werden muss, das die EU, die WWU und die nationalen Gremien betrifft und das gegenwärtig Gegenstand von erheblicher Verwirrung und Missverständnissen ist, stellen sich die eigentlichen Probleme nach wie vor in Bezug auf Demokratie, Transparenz und Vereinfachung. Die Frage ist, wie die Menschen in Europa in den vielschichtigen Prozess der europäischen Integration einbezogen werden können. In einzelnen Ländern, nicht nur in Europa, und in der Union insgesamt ist die Frage der Demokratie nach wie vor ein erheblicher Schwachpunkt (siehe beispielsweise die Rolle der sogenannten Troika). Die gewählten Volksvertreter haben zunehmend den Kontakt zu ihren Wählern verloren, was im nationalen wie auch im europäischen Rahmen durch die Krise deutlich zutage getreten ist. Es müssen Wege gefunden werden, wie mit Hilfe von Legitimität, Rechenschaftspflicht und Transparenz eine solide demokratische Vertretung wiederhergestellt werden kann. 4.5.2 Um die Menschen Europas und die Interessen der gesamten europäischen Gesellschaft stärker in den Mittelpunkt zu rücken, sollten neue Formen der Partizipation untersucht werden, die einen gewaltigen Schritt nach vorn in Bezug auf die Qualität darstellen würden. Noch wichtiger jedoch wäre es, auf EU-Ebene jene Formen der Demokratie anzuwenden, die wir in den meisten unserer Länder kennen und nutzen: a) Gründung echter europäischer Parteien, die über das derzeitige Konglomerat nationaler Parteien hinausgehen, das heißt Parteien, die eigene und/oder alternative Programme diskutieren und ihren gewählten Vertretern ein klares Mandat erteilen, b) Herstellung von Mehrheiten und Minderheiten auf der Grundlage der Programme, die der Wählerschaft des Parlaments präsentiert werden, c) Abhaltung von Wahlen am selben Tag. ECO/376 – EESC-2015-00551-10-00-TCD-TRA (EN) 3/4 4.6 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss 4.6.1 Dies alles sollte uns mehr denn je dazu bewegen, ein engeres und konstruktiveres Verhältnis zu den Menschen in Europa aufzubauen und Wege zu finden, wie wir sie in das öffentliche Leben einbeziehen können. Vor allem im Euroraum sollten solide Formen der Konsultation zu konkreten Fragen unter Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft gewährleistet sein, da diese Organisationen eine wichtige Rolle in Politikbereichen spielen, die unmittelbar von der WWU betroffen sind. Oft beeinflussen sie auch die Politik auf nationaler Ebene. Unbeschadet der Rolle der Sozialpartner im sozialen Dialog kann der EWSA auf europäischer Ebene als Vermittler der Zivilgesellschaft agieren, der für die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft am Entscheidungsprozess in der EU verantwortlich ist, und zwar durch: a) ein jährliches Forum der organisierten Zivilgesellschaft zu konkreten Fragen, einschließlich der Bewertung der Grenzen der europäischen Integration und der Suche nach neuen Formen der Teilhabe, b) ein spezielles Forum für den Euroraum zur Bewertung der Zielbewusstheit und der Bürgernähe als Mittel zur Überwindung von Vorurteilen und zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens, c) Stellungnahmen in Form prälegislativer Initiativen zu bestimmten Fragen, die für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse sind und zu denen das EP und der Rat Rechtsvorschriften erlassen sollen. 5. Rechtsinstrumente und Vertragsgegenstände (Information in die Übersichtstabelle einzufügen) _____________ ECO/376 – EESC-2015-00551-10-00-TCD-TRA (EN) 4/4