Trauer ist wie ein Weg (DOCX | 19.5 KB) - Barbara Pachl

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Trauer ist ...
Trauer ist wie ein Weg. So wie der Weg, sagen wir, von Kapstadt nach Paris.
Wie kommen wir von hier nach da? „Jeder findet seinen Weg“, so sagt man uns.
Wir dürfen wählen, keiner schreibt uns vor, welche Straße wir nehmen sollen. Man
ermutigt uns, die eigenen Schritte zu tun, wir sind frei. Wir dürfen den steilen
Bergen ausweichen, wir dürfen uns verirren und umkehren, wir dürfen die breite
Straße nehmen oder uns im Wald verstecken.
Immer wieder treffen wir andere Wanderer am Weg. Wir sind nicht allein, das
macht uns Mut. Alles ist richtig, auch das bekommen wir zu hören. Manchmal sind
wir verwirrt. Wir sehen, dass uns einer entgegenkommt. Auch er ist dabei, seinen
Weg zu gehen. Soll auch dieser Weg soll richtig sein? Falsch, das gibt es nicht, so
hat man uns gesagt. Wir sind verunsichert und beginnen zu zweifeln.
Wir wünschen uns, dass jemand kommt und uns erklärt, auf welche Sterne wir
achten müssen, um die Richtung nicht zu verlieren. Wir schließen uns für eine
Weile größeren Gruppen an, so lange, bis sie uns auf die Nerven gehen und wir
doch lieber wieder alleine wandern. Wir halten die Augen offen und lernen
langsam, die kleinen Zeichen am Weg zu lesen. Das Moos zeigt uns, wo Westen
liegt. Manche Pflanzen strecken sich in Richtung Süden. Andere wachsen nah am
Moor, da, wo wir nicht hinwollen. Wir sammeln Erfahrung.
Wir lernen, uns zu nähren, wir entwickeln einen Blick für gute Rastplätze, wir
bekommen ein Gefühl für den Lauf der Zeit. Wenn wir andere treffen, können wir
manchmal gute Ratschläge geben, das macht uns stolz und beschwingt unseren
Schritt.
Jeder findet seinen Weg. Gibt es wirklich unendlich viele Wege von Kapstadt
nach Paris? Vermutlich: ja. Und doch wird jeder, der ans Ziel kommen will, ein paar
Fixpunkte nicht vermeiden können. Er wird den Äquator überschreiten, egal, auf
welcher Seite der Erde. Er wird sich überlegen müssen, wie er durchs Wasser
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kommt. Er wird durch trockene und durch üppige Zonen kommen, er wird Berge
besteigen und durch endlose Ebenen marschieren. Diese Erfahrungen verbinden
ihn mit allen Wanderern, die den Weg der Trauer gehen, und am Ende seiner Reise
wird er vieles wiedererkennen, was ihm andere erzählen.
Der richtige nächste Schritt ist dennoch individuell. Er hängt davon ab, wie
erschöpft oder wie munter der Wanderer gerade ist. Er hängt von Vorlieben und
Erfahrungen ab, von Ängsten und Verlockungen, und davon, wo gerade Himbeeren
wachsen. Der Weg ist ein Dialog zwischen der Erde und dem, der geht.
Wie weit der Weg ist, das ist nicht gewiss, es hängt von so vielen Schritten, von
so vielen kleinen Entscheidungen ab, und nicht zuletzt vom Glück und von der
Wetterlage. Wir müssen uns nicht hetzen. Wenn es uns da, wo wir sind, gefällt,
dürfen wir uns ausruhen. Wenn wir uns verlaufen haben, dürfen wir warten, bis
jemand kommt und uns aus der Patsche hilft. Wir dürfen auch um Hilfe rufen,
meist ist sie nicht weit.
„Wohin soll ich gehen?“ Das kann uns niemand sagen. Doch viele können uns
lehren, auf unsere innere Stimme zu vertrauen, die kleinen Zeichen zu erkennen,
geduldig zu sein, gut zu rasten und Erfolge zu feiern. Mit diesem Wissen kann selbst
der Weg gelingen, auch wenn er nicht immer einfach ist.
Wo liegt das Ziel? Wie erkennen wir, dass wir angekommen sind? Vielleicht liegt
das Ende unserer Reise da, wo wir uns gut fühlen, weil wir merken, dass wir uns
verständigen können ohne zu stottern. Da, wo wir nicht frieren und nicht hungern,
weil das Klima endlich wieder zu unserem Körper und unseren Gewohnheiten
passt. Da, wo wir uns intuitiv zu Hause fühlen, da, wo vieles wieder
selbstverständlich ist.
Die Sehnsucht nach Daheim wird uns unsere Schritte führen, bis es so weit ist.
Sie wird uns zum Aufbruch rufen, sie wird uns Kraft schenken, um weiterzugehen.
Sie wird dafür sorgen, dass wir uns nicht selbst verlieren, auch wenn wir gerade
keine Richtung sehen.
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