Die wirtschaftliche Elite verfügt in Deutschland, Europa und den

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Die wirtschaftliche Elite verfügt in Deutschland, Europa und den USA über mehr strukturelle Macht aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Entscheidungsgewalt, über mehr Lobbymacht aufgrund ihrer Kapitalstärke und der darauf
basierenden Fähigkeit professionell umfangreich Lobbyisten für sich arbeiten zu lassen und über mehr mediale
Macht besonders in allen privaten Medien, mit der sie den öffentlichen Diskurs überwiegend bestimmen kann.
Eingebettet sind diese harten Machtfaktoren in die gesellschaftliche Hegemonie unternehmerischer Ideologie, die
auf betriebswirtschaftlicher Gewinnmaximierung und einer Durch-Ökonomisierung der gesamten Gesellschaft bei
gleichzeitiger Freiheit vor allem für Markakteure beruht.
Das entscheidende Kriterium für den Aufstieg in den Kreis der Wirtschaftselite ist aber weder Bildung noch
Leistung1, sondern der soziale Habitus. Kriterien für diesen notwendigen Habitus sind die Kenntnis des Dress- und
Benimmcodes, eine breite Allgemeinbildung, ein optimistisches unternehmerisches Denken und als wichtigstes
Element das persönlich souveräne Auftreten und Verhalten.
In Deutschland regieren heute wirtschaftliche Eliten mit Unterstützung extrem vermögender Familien, die als
wichtigstes Ziel die Entschuldung des Staates auf der Basis niedriger Steuern für die Wohlhabenden propagieren,
eine Strategie, die notwendigerweise die Umverteilungsfunktion des Staates von oben nach unten stark
schwächt. Das gehobene Bürgertum und Großbürgertum will einen Staat der zu ihren Gunsten operiert.
Vermögende im Hintergrund und Wirtschaftselite im Vordergrund glauben besser mit Geld umgehen zu können
als der Staat und wollen nur eine hohe Staatsquote, wenn Verluste sozialisiert werden sollen, indem die
Steuerzahler systemrelevante Aktiengesellschaften, Banken und Vermögende retten. Außerhalb der Krisenzeiten
bestehen dieselben auf möglichst umfassender Privatisierung aller Gewinne und sorgten so in den letzten
Jahrzehnten für ein Auseinanderdriften der Vermögens- und Einkommensverteilung zwischen Reich und Arm.
Auch an diesen Ergebnissen der Politik ist erkennbar, dass die wirtschaftlichen Eliten und Vermögenden die Politik
beherrschen.
Noch krasser als in Deutschland und sogar in Frankreich wird in den USA die Selektion und Kohäsion der vor allem
wirtschaftlichen Machtelite untereinander durch ein vollständig exklusives System des Wohnens in Villenvierteln,
der Ausbildung in Privatschulen, Internaten und wenigen Eliteuniversitäten, der Freizeitgestaltung in Golf- und
Herrenclubs wie Jagdgesellschaften, Resorts, Stiftungen, Restaurants und Cafés und gemeinsamen medialen
Auftritten sicher gestellt. Nirgendwo sonst wie in den USA gibt es ein so großes Klassenbewusstsein in der
Machtelite, nirgendwo ist dies so effektiv organisiert. Dies bedeutet auch, dass jedes einzelne Mitglied der
Machtelite nur diejenigen als relevant für sich und sein Selbstbild ansieht, die von der Elite insgesamt akzeptiert
sind.
Als Geschäftsführer und Macher aller Programme und Aktivitäten der größeren politischen, wirtschaftlichen,
juristischen, erzieherischen, wissenschaftlichen und zivilen Institutionen kontrollieren in den USA Mitglieder der
Machtelite die Hälfte des Vermögens aller nationalen Industrien, Banken und der Kommunikations- wie
1
Formale Bildung und ein Grundmaß an Leistung sind zwar notwendige, keineswegs hinreichende Voraussetzungen um in die Wirtschaftselite aufzusteigen,
erst der soziale Habitus oder in deutscher Tradition Stallgeruch macht einen derartigen Aufstieg möglich. Dort entwickelt man zwar Verbindungen zur
überwiegend im Hintergrund agierenden Schicht der extrem vermögenden Familien und Superreichen, ist aber selbstverständlich noch lange nicht Teil
derselben.
Transportbranche sowie Zweidrittel aller Versicherungswerte. Darüber hinaus steuern sie ca. 40% der Gelder
privater Stiftungen und 50% aller Universitätsstiftungen. Weniger als 250 Personen halten die einflussreichsten
Stellungen in der Exekutive, Legislative und der Justiz der US-Bundesregierung, während etwa 200 weitere die
drei größten Fernsehnetzwerke und die meisten der nationalen Zeitungsketten kontrollieren.
Mitglieder der Machtelite akzeptieren alle wesentlichen Merkmale des Wirtschaftssystems, einschließlich seiner
Profitorientierung, des Privatbesitzes und der sehr ungleichen und konzentrierten Vermögensverteilung sowie der
Unantastbarkeit privater Wirtschaftsmacht.
Normale Politiker als Mitglieder des Kongresses sind gar nicht mehr in der Lage mit den Politoligarchen und
wirtschaftlichen Machteliten zu konkurrieren und das Schicksal der Nation zu kontrollieren, auch weil die
politischen Grundsatzfragen dem Kongress nie zur Entscheidung vorgelegt werden. Der strukturelle Konflikt
zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern, der darin besteht, dass die meisten Unternehmer niedrige Löhne,
geringste Steuern auf ihre Gewinne und minimale Regulierung ihrer Aktivitäten wünschen, während alle
Lohnabhängigen das Gegenteil wollten wird politisch fast immer zu Gunsten der Unternehmer- und Kapitalseite
entschieden, was man an deren Siegen im Gesetzgebungsprozess ablesen kann.
Hieran erkennt man die Wirklichkeitsferne der Theorie eines Pluralismus, weil die beiden großen
gesellschaftlichen Kräfte, Kapital und Arbeit, allgemein eine völlig ungleiche Durchsetzungsmacht haben. Laut
Pluralismus-Theoretikern müsste der Staat als Organisator eines gesellschaftlichen Diskurses über das
Gemeinwohl oder mindestens als unparteiischer Vermittler vielfältiger Interessen agieren, der Kompromisse
zwischen Kapital und Arbeit vermittelt. Von einem unparteiischen staatlich vermittelten Gleichgewicht der Kräfte
zwischen Kapital und Arbeit auf der Linie eines übergreifenden Gemeinwohles ist aber angesichts der realen
Eigentums- und Lohnverhältnisse wie der sonstigen strukturellen Ungleichheit weder in der us-amerikanischen
noch in der europäischen Gesellschaft etwas zu sehen.
Die traditionelle Trennung zwischen Staat und Markt hat aufgehört zu existieren. Sie hat in der ideologisch
übertrieben abgebildeten Form wahrscheinlich nie bestanden, war eher eine theoretische Übertreibung, die nach
dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen großen Teil ihrer Legitimationsfunktion2 verlor und auch in Zeiten
eines immer stärker kapitalistisch agierenden China nicht zurückgewinnen konnte.
Die Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte und globalen Konzerne ist inzwischen durch die
systematische Integration privater Gläubiger, Investoren und Konzerne in die Ausübung von Regierungsmacht
verwandelt. Spätestens seit dem 19.Jahrhundert schon besetzen die mit dem privatwirtschaftlichen Weltmarkt
eng verwobenen National- und Zentralbanken eine von den Parlamenten völlig unabhängige starke Stellung in
allen westlichen Regierungen. Auch deswegen hat sich in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts ein umfassender
Machtransfer von Regierungen und Staaten zu den Finanzmärkten vollzogen.3
2
Als der Kalte Krieg noch Hochkonjunktur hatte verwies man im Westen stolz auf die vermeintliche Trennung von Staat und Markt als Ursache des eigenen
wirtschaftlichen Erfolges
3 Vergl. hierzu die hervorragenden Ausführungen von Vogl 2015, S.107ff
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