Polen Der Europäische Konvent „Die Vereinigten Staaten von Europa“ Eine politische Simulation der europäischen Jugendbildung „think europe“ im Europahaus Marienberg. Die Spielmaterialien werden unter der Lizenz Creative Commons Attribution International 4.0 (CC BY 4.0) veröffentlicht werden. Die Namensnennung ist wie folgt anzugeben: Karsten Lucke und Anselm Sellen (Konzept / Inhalt / Text) und Lukas Ullrich (Design) in Kooperation mit pb21.de. Die Vereinigten Staaten von Europa Heute tagt der Europäische Konvent „ Die Vereinigten Staaten von Europa“. Dem Konvent gehören die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten, der Europäischen Kommission sowie des Europäischen Parlaments an. Geleitet wird der Konvent vom Präsidenten des Europäischen Rates. Ziel dieser Versammlung ist es, die Europäische Union weiterzuentwickeln. Die grundlegende Frage lautet: „Wollen wir mehr Europa wagen und die Vertiefung der Europäischen Union vorantreiben?“ Die Europäische Kommission hat weitreichende Vorschläge für eine Vertiefung der Europäischen Union vorgelegt. Die Vorschläge müssen heute von den EU-Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission gemeinsam beraten und beschlossen werden. Für folgende Politikfelder hat die Kommission Forderungen eingereicht: 1. Institutionelle Forderungen 1.1 Benennung einer europäischen Hauptstadt 1.2 Einführung eines direkt gewählten EU-Präsidenten 2. Entwicklung der Unionsbürgerschaft 2.1 Freies, europaweites WLAN 2.2 Schaffung eines obligatorischen „Europäischen Sozialen Jahres“ (ESJ) 3. Langfristige Ziele für die EU 2050 3.1 Europaweiter Atomausstieg 3.2 Finalität der EU – Klarstellung der Grenzen der EU?! MERKE! Einstimmigkeit ist Pflicht! Das bedeutet, dass eine Forderung oder ein neu ausgehandelter Kompromiss nur dann beschlossen ist, wenn alle Mitglieder des Konvents zustimmen. Für das eigene Rollenprofil kommt es nun darauf an, sich mit den eigenen Vorstellungen und Forderungen bei jedem der sechs Kommissionsvorschläge durchzusetzen bzw. Kompromisse zu erzielen, die der eigenen Position am nächsten kommen. Dafür sind die folgenden Aspekte extrem wichtig: Das eigene Rollenprofil sehr gut kennen und möglichst viele Argumente sammeln, um die eigene Position vertreten und durchbringen zu können (Es gilt, andere zu überzeugen) Mögliche Gegenargumente anderer Konventsmitglieder erahnen und sich Gegenstrategien überlegen, um diese entkräften zu können (Gut vorbereitet, streitet es sich effektiver) Verbündete finden und gemeinsame Schlachtpläne schmieden (Gemeinsam stärker sein) Viel Erfolg & viel Spaß! 1|Seite Rollenprofil Polen Vertreter: Staatspräsident_in J. Mazur Premierminister_in P. Kowalczyk Außenminister_in A. Kaczmarek Die polnische Grundhaltung in Europa Einführung Unser Land wurde in den letzten Jahrhunderten oft geteilt und zum Spielball anderer Mächte. Die Erfahrungen des Dritten Reiches und der kommunistischen Ära nach 1945 sind Eindrücke, die noch stark nachwirken. Mit der Solidarnosc haben wir seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entscheidend zum Zerfall des Sowjetreiches und der damit verbundenen Auflösung der kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa beigetragen. Seit der Wende von 1989 leben wir endlich in einem freien, demokratischen Polen und bestimmen die Geschicke unseres Landes selbständig und eigenverantwortlich. Das hat uns nicht davon abgehalten, auch in die EU einzutreten, wohl wissend, dann wieder Souveränität mit anderen Staaten teilen zu müssen. Das sollte jedoch in Maßen geschehen. Wir wollen Polen in Polen bleiben und nicht Polen in einem europäischen Superstaat. Da, wo Zusammenarbeit notwendig ist, da kooperieren wir, aber wir wollen Polen als eigenständigen Staat behalten. Russland steht immer noch vor unserer Haustür und niemand weiß, wohin sich dieses große Reich entwickeln wird. Wir müssen auch an unsere Sicherheit denken und brauchen dafür Partner, die uns beistehen. http://ge.tt/4xNYRsE1 (Glückslink) 2|Seite Ablauf des Konvents Phasen Was passiert im Konvent? Vormittag Studium des eigenen Rollenprofils, Hintergrundgespräche mit anderen Konventsmitgliedern, weitere Argumente für die eigenen Positionen suchen, Gegenargumente anderer Teilnehmenden erahnen und dazu Gegenpositionen entwickeln Nachmittag Eröffnung Eröffnungsrede des Konventspräsidiums (Spielleitung) Grüne Verhandlungsphase (Institutionelle Forderungen) Beide Forderungen der EU-Kommission werden verhandelt. Jede Forderung (egal ob mit oder ohne Kompromiss) muss einstimmig im Konvent beschlossen werden. Auswertung grüne Verhandlungsphase Nach jeder Forderung gibt es eine Auswertung nach dem unten stehenden Bewertungssystem durch das Konventspräsidium Blaue Verhandlungsphase (Entwicklung der Unionsbürgerschaft) Beide Forderungen der EU-Kommission werden verhandelt. Jede Forderung (egal ob mit oder ohne Kompromiss) muss einstimmig im Konvent beschlossen werden. Auswertung blaue Verhandlungsphase Nach jeder Forderung gibt es eine Auswertung nach dem unten stehenden Bewertungssystem durch das Konventspräsidium Gelbe Verhandlungsphase (Langfristige Ziele für die EU 2050) Beide Forderungen der EU-Kommission werden verhandelt. Jede Forderung (egal ob mit oder ohne Kompromiss) muss einstimmig im Konvent beschlossen werden. Auswertung gelbe Verhandlungsphase Nach jeder Forderung gibt es eine Auswertung nach dem unten stehenden Bewertungssystem durch das Konventspräsidium Abschluss Vorstellung Abschlussdokument und Schlusswort durch Konventspräsidium – anschließend Evaluation im Seminar das 3|Seite 1. Institutionelle Forderungen 1.1 Benennung einer europäischen Hauptstadt Forderung 1.1 Die Europäische Kommission fordert die Schaffung einer europäischen Hauptstadt. Diese Hauptstadt soll Brüssel sein. In Brüssel konzentriert sich ohnehin schon ein Hauptteil der Arbeit der Europäischen Union. Brüssel als europäische Hauptstadt wird alleiniger Dienstsitz aller europäischen Institutionen (so sollen z. B. das Europäische Parlament aus Straßburg oder der Europäische Gerichtshof aus Luxemburg nach Brüssel verlegt werden). Unsere Position zu 1.1 Unserer Auffassung nach spricht nichts gegen eine europäische Hauptstadt in Brüssel. Wir glauben, dass die Schaffung dieser Hauptstadt eine große Symbolwirkung für Europa entfalten kann. Nach Innen kann die europäische Hauptstadt den Bürger_innen Europas helfen, sich stärker mit Europa zu identifizieren. Nach Außen würde diese Hauptstadt die vorbildhafte Einigung der Staaten in Europa verdeutlichen. Wir können uns grundsätzlich vorstellen, auch einen anderen Ort als Brüssel auszuwählen. 1.2 Einführung eines direkt gewählten EU-Präsidenten Die Bürger_innen der EU sollen in einer Direktwahl den „Präsidenten der Europäischen Union“ bestimmen. Dieser Präsident soll als repräsentatives Oberhaupt der Europäischen Union fungieren und symbolische Funktionen haben. Ein geeinigtes Europa braucht eine Identifikationsfigur. Der vorgeschlagene Präsident kann diese identitätsstiftende Wirkung haben. Unsere Position zu 1.2 Forderung 1.2 Die direkte Wahl eines europäischen Präsidenten halten wir grundsätzlich für eine gute Idee. Ein vom europäischen Volk gewählter Präsident kann in Konfliktsituationen (Innen- und Außenpolitisch) ausgleichend wirken. Der Präsident würde der Europäischen Union dadurch langfristig mehr Stabilität verleihen. 4|Seite 2. Entwicklung der Unionsbürgerschaft 2.1 Aufbau eines europaweiten WLAN-Netzes, das für alle EU-Bürger_innen frei zugänglich ist. Forderung 2.1 Die Kommission möchte, dass alle Bürger_innen der EU jederzeit und an jedem Ort in Europa freien Zugang zum Internet haben. Die Kommission erwartet sich von dieser Maßnahme eine Steigerung der politischen Partizipation sowie der Bildungs- und Berufschancen gerade auch für Menschen in ländlichen Gebieten. Unsere Position zu 2.1 Wir sind gegen den Aufbau eines europaweiten freien WLANs. Viele der Online-Inhalte halten wir für bedenklich, nicht kontrollierbar und daher für stark jugendgefährdend. Wir möchten, dass unsere Kinder möglichst behütet und unbeschwert aufwachsen können. Daher ist es unsere Pflicht, sie vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Den Zugang zum Internet möchten wir in diesem Zusammenhang so dosiert wie möglich einsetzen, um unsere Kinder nicht unnötig zu gefährden. 2.2 Schaffung eines obligatorischen „Europäischen Sozialen Jahres“ (ESJ) Die Einführung des „Europäischen Sozialen Jahres“ (ESJ) ist die logische Reaktion auf das Bedürfnis von jungen Menschen nach einer Orientierungsphase zwischen Schule und Berufsleben. Das ESJ ist verpflichtend für alle EU-Bürger_innen nach Abschluss der schulischen Laufbahn. Die Verpflichtung soll gewährleisten, dass alle jungen Menschen in Europa über ein Mindestmaß an sozialer und interkultureller Kompetenz verfügen. Unsere Position zu 2.2 Forderung 2.2 Die Einführung des ESJ ist eine gute Idee und wir versprechen uns viele neue Impulse von diesem Programm. Wir glauben aber nicht, dass wir dieses ESJ über Zwang organisieren sollten. Wir schlagen daher vor, dass wir das Europäische Soziale Jahr auf freiwilliger Basis einführen und es nicht verpflichtend für alle machen. 5|Seite 3. Langfristige Ziele für die EU 2050 3.1 Europaweiter Ausstieg aus der zivilen Atomtechnologie Forderung 3.1 Die Kommission fordert, dass die EU aus der zivilen Atomnutzung aussteigt, da diese Technologie zu viele Risiken birgt. Europa sollte hier als Vorbild in der Welt voranschreiten und diesen Schritt machen, um auch andere Länder zu einem Ausstieg aus dieser gefährlichen Technologie zu ermutigen. Unsere Position zu 3.1 Den europaweiten Atomausstieg halten wir für nicht realisierbar. Die Atomenergie hat den Vorteil, dass sie jederzeit genau so viel Strom erzeugen und liefern kann, wie tatsächlich gebraucht wird. Wenn wir aus der Atomenergie aussteigen, hätte das zur Folge, dass die entstehende Versorgungslücke mit Strom aus anderen Energiequellen geschlossen werden müsste – das Problem: erneuerbare Energien können Strom nur mit großen Schwankungen produzieren, so dass eine zuverlässige Stromversorgung – unabhängig von der Tageszeit – nicht möglich ist. Außerdem können wir uns nicht darauf verlassen, dass wir den fehlenden Strom kontinuierlich außerhalb Europas einkaufen können. Versorgungssicherheit und weitgehende Unabhängigkeit ist für uns von sehr hohem Interesse und kann nur über Atomtechnologie garantiert werden. 3.2 Finalität der EU – Klarstellung der Grenzen der EU?! Um Klarheit für die langfristige Entwicklung der Europäischen Union zu bekommen, fordert die Kommission, dass der Konvent eine Entscheidung darüber trifft, wo die Grenzen der EU tatsächlich liegen. Unsere Position zu 3.2 Forderung 3.2 Die Europäische Union hat mit ihren verschiedenen Erweiterungsschritten in der Vergangenheit großen Erfolg gehabt. Daher sollten wir auch weiteren Staaten die Chance eröffnen Teil dieser Erfolgsgeschichte zu werden, die uns Freiheit, Wohlstand und Sicherheit garantiert. Für eine konkrete Grenzziehung haben wir folgende Vorstellungen: Norden: Erweiterungsschritte in diese Richtung sehen wir als unproblematisch an (z. B. Norwegen oder Island) Süden: Die Ausdehnung nach Nordafrika steht nicht zur Debatte, die Länder auf dem Balkan haben allerdings eine realistische Beitrittsperspektive, die wir unterstützen. Osten: Gerade in Richtung Ukraine und Weißrussland sollten wir die Erweiterung mit großem Nachdruck verfolgen. Die Anbindung dieser beiden Länder an die EU ist für uns zwingend notwendig, wenn wir vermeiden wollen, dass sich beide Länder weiter nach Russland orientieren. Bewertungssystem (Polen) Steineverteilung nach jeder abgeschlossenen Forderung (6 Forderungen insgesamt) Im Anschluss an jede durchverhandelte Forderung findet im Konvent eine Reflexionsphase statt. Jedes Rollenprofil bewertet das eigene Abschneiden. Das bedeutet: Jede Rolle gleicht die eigene Ausgangsposition mit dem tatsächlichen Verhandlungsergebnis ab. Jede Rolle bewertet ihren eigenen Erfolg anhand folgender Kriterien und erhält entsprechend viele Steine vom Konventspräsidium zugeteilt: Keinen Stein („Nichts“: 0 % erreicht) Einen Stein („Na ja“: 25 % erreicht) Zwei Steine („Das war gut“: 75 % erreicht) Drei Steine („Brilliant“: 100 % erreicht) 6|Seite Wir haben in der Verhandlung unsere Position überhaupt nicht durchsetzen können. Das vereinbarte Ergebnis ist das komplette Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollten. Unser Volk und die Presse werden uns für dieses Ergebnis teeren und federn. Das sollte nicht noch einmal passieren. Wir sind unzufrieden. Wir konnten uns nicht wirklich durchsetzen, haben aber hin und wieder kleinere Verhandlungserfolge erzielen können. Das werden wir zu Hause schwer verkaufen können, es ist aber keine totale Blamage. Es wäre gut bei einem anderen Punkt mehr herauszuholen. Hut ab, das war solide politische Verhandlungskunst. Wir konnten uns in weiten Teilen mit unserer Position durchsetzen, auch wenn wir kleinere Zugeständnisse machen mussten. Nach unserer Heimkehr treten wir reinen Gewissens vor unsere Landsleute und die Presse. Weiter so! Wir sind der Fels in der Brandung. Nichts konnte uns beirren oder umstimmen. Wir haben unsere Position perfekt umgesetzt – Erdrutschsieg! Die Wiederwahl zu Hause kann uns keiner mehr nehmen und die Presse wird uns zu Recht feiern. Übersicht Steinverteilung / eigenes Verhandlungsergebnis 0% 25 % 75% 100% Forderung 1.1 Forderung 1.2 Forderung 2.1 Forderung 2.2 Forderung 3.1 Steine gesamt Forderung 3.2 7|Seite