WAHLBEOBACHTUNGSMISSION IN GAGAUSIEN

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WAHLBEOBACHTUNGSMISSION IN GAGAUSIEN (REPUBLIK MOLDAU) –
22. MÄRZ 2015
BERICHT DER TEILNEHMER VONSEITEN DES AUSSCHUSSES DER REGIONEN
Doreen Huddart (UK/ALDE) und Karim Van Overmeire (BE/EA)
Einleitung
Es handelte sich um die Wahlen zum Başkan (Regierungschef) des autonomen Gebiets Gagausien
(Bevölkerung 160 000 Menschen), das im Zentrum von Moldau und 100 Kilometer entfernt von
dessen Hauptstadt liegt. Der Başkan ist automatisch Mitglied der Regierung, die gegenwärtig einen
EU-freundlichen Kurs verfolgt und ihren Sitz in Chisinau hat.
Hintergrund
Die rechtliche Situation ist kompliziert und prägt das Geschehen in dieser Region in hohem Maße.
Die Republik Moldau mit ihren drei Millionen Einwohnern ist seit 1991 eine präsidiale Demokratie,
die allerdings von anhaltenden Konflikten belastet wird. Gagausien wurde es gestattet, seinen
besonderen Status zu bewahren. Das Gebiet verfügt über eine eigene Flagge und Hymne, ein eigenes
Regierungsgebäude, eine Verwaltung und Mittel, die von der Zentralregierung bereitgestellt werden.
Es gibt drei Amtssprachen: Rumänisch, Gagausisch (eine Turksprache) und Russisch. Das Gebiet
umfasst die Hauptstadt Comrat und etwa 28 Dörfer. Vorherrschende Sprache im Bildungswesen und
in den Medien ist Russisch. Bedingt durch eine hohe Arbeitslosigkeitsrate und Armut sind
Hunderttausende (vor allem junge und gut ausgebildete Menschen) auf der Suche nach Arbeit ins
Ausland abgewandert, vor allem nach Russland und in die Türkei. Wichtigster Wirtschaftszweig ist
die Landwirtschaft, hier vor allem der Weinanbau. Der größte Teil der Produktion geht nach
Russland. Die Infrastruktur ist außerhalb der Hauptstadt schwach entwickelt, vielerorts gibt es weder
fließendes Wasser noch eine Abwasserentsorgung. Entfernt liegende Dörfer sind nur schwer
erreichbar.
In einem (von einem russischen Geschäftsmann finanzierten) Referendum im Februar 2014 sprachen
sich etwa 98% der Befragten gegen eine Annäherung an Europa und für eine "Zollunion" mit
Russland aus. Dieses Referendum wurde von der Regierung jedoch nicht anerkannt.
Das Wahlbeobachtungsteam
Das Team bestand aus fünf Mitgliedern des Kongresses, zwei Mitgliedern des AdR, Doreen Huddart
und Karim Van Overmeire, und drei Mitarbeitern des Kongresses. Den Vorsitz führte Lars Molin aus
Schweden. Alle Mitglieder verfügten über Erfahrungen in der Wahlbeobachtung. Der Kongress gab
einen sehr umfassenden Überblick über den politischen Hintergrund der Mission. Die Wahl galt als
Test für die schwache und leicht zu destabilisierende Zentralregierung. Bedenklich erschien die
anhaltende russische Präsenz in Wirtschaft und Industrie, die verfassungsrechtliche Lage und die
Qualität der Wahlverfahren. Ungeachtet der Hilfe und Beratung, die im Hinblick auf die Wahlen
sowohl von der EU als auch vom Europarat über Jahre hinweg geleistet worden waren, und trotz
finanzieller Unterstützung bestand die Sorge, dass das Wahlergebnis von vornherein feststehen würde.
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Wir trafen auch mit der zentralen Wahlkommission in Chisinau zusammen, die bestrebt ist, die
Standards zu verbessern und die Wählerverzeichnisse digital zu erfassen. Sie unterhielt Kontakte nach
Gagausien und bot Information und Beratung an, doch die Verantwortung für die Durchführung der
Wahlen lag letztlich in Gagausien, das heißt in den Händen der gagausischen Wahlkommission.
Außerdem bot sie Schulungsveranstaltungen an, da die Beamten der Wahllokale in Gagausien
regelmäßig ausgetauscht wurden.
Am folgenden Tag fuhren wir nach Comrat, um mit den Kandidaten für das Amt des Başkans sowie
mit Vertretern lokaler Behörden zu sprechen. Zur Durchführung der Wahlen stützte sich die lokale
Wahlkommission auf ein Regelwerk und hatte gewisse finanzielle Mittel zur Verfügung. Sie führte
eigene Wählerverzeichnisse, die sich erheblich (zu mehr als einem Drittel) von den nationalen
Wählerverzeichnissen unterschieden. Personen, die sich zu Arbeitszwecken "vorübergehend" im
Ausland aufhielten, waren in den lokalen Wählerverzeichnissen nicht vermerkt. Eine geringere Zahl
eingetragener Wähler würde es erleichtern, das Quorum von 50% + 1 zu erreichen.
Das Budget, das ein Bewerber für seinen Wahlkampf ausgeben durfte, unterlag keinerlei
Beschränkung. Die Zahl der für eine Bewerbung erforderlichen Unterschriften wurde zudem von
5 000 auf 1 500 gesenkt. Daher standen letztlich zehn Kandidaten zur Wahl. Die Wahlzettel und die
Wahlinformationen wurden in den drei Amtssprachen gedruckt.
Wir sprachen mit den meisten Kandidaten, die aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, der
Politik, der Armee und der Wissenschaft kamen. Einige von ihnen zeigten sich besorgt darüber, dass
sie mit der finanziellen Ausstattung der Kandidatin, Irina Vlah, nicht mithalten können. Frau Vlah war
Kandidatin der sozialistischen Partei einer prorussischen Plattform. Es gab politische Diskussionen
mit den Kandidaten, an denen Frau Vlah jedoch nicht teilnahm, obwohl sie zugesagt hatte, Mitglieder
unserer Delegation zu treffen.
Sorge bereitete uns, dass durch Besuche russischer Vertreter aus Sport und Politik, kostenlose
Zeitungen, Faltblätter und ein Pop-Konzert offen Unterstützung für Frau Vlah bekundet wurde.
Keiner der Konkurrenten von Frau Vlah wollte in engem Zusammenhang mit der Zentralregierung
oder der EU gesehen werden.
Am Wahltag hielten wir uns an verschiedenen, oftmals sehr ländlichen und unzugänglichen Orten der
Region auf. Die Mitarbeiter der Wahllokale waren unserem Eindruck nach gut ausgebildet und
gewissenhaft. Wir stellten zwar einige Unregelmäßigkeiten in den Wählerverzeichnissen fest, sind
jedoch der Auffassung, dass die Wahlen und die Stimmauszählung insgesamt effizient durchgeführt
wurden.
Irina Vlah wurde mit 53% zur Wahlsiegerin erklärt und setzte sich damit gegen den amtierenden
Başkan durch, der das Ergebnis vergeblich vor Gericht anfocht. Ihre erste Regierungshandlung
bestand in der Forderung nach einem russischen Konsulat in Gagausien.
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