Jyväskylä WS 2014/15 (Germanistik)

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Erasmusbericht:
Jyväskylä – wie wird das ausgesprochen? Und wie kommt man auf so einen Namen für
eine Stadt? Waren die damaligen Namensgeber angetrunken und hatten dann ihren Spaß
sich einen möglichst ausgefallenen, für den deutschen Mund schwierigen, Namen
auszudenken? In Finnland angekommen wurde mir bewusst, dass es sich schlichtweg
um die Gegebenheiten der finnischen Sprache handelt. Ein Land, das von Kälte und Eis
durchdrungen ist und die Sprache gewisse Einflüsse davongetragen hatte.
Vorweg: die Erlebnisse haben das kalte Finnland in eine Wunderlampe geformt, mit der
so mancher Tag zu einem Traum aus Tausendundeine Nacht wurde.
Im folgenden Bericht werde ich versuchen, meine Erfahrungen und Eindrücke aus dem
Jahre 2014/2015 zu schildern, in der Hoffnung, dass sie dem einen oder der anderen bei
seinem/ihrem Auslandsaufenthalt helfen können oder ihn/sie überhaupt erst einmal
motivieren, den Schritt zu wagen, ins Ausland zu gehen.
Vorbereitung, Sprache, Reise und Wohnungssuche:
Erste Berührungspunkte hatte ich an meiner Heimatuniversität Würzburg, als ich ein
Seminar besuchte, welches Sprache und System in Finnland, China und Deutschland
verglich. Finnland wurde besonders schwärmerisch dargestellt von meinem Dozenten,
da er anscheinend einige Zeit in seinem Leben in Finnland verbracht hatte. Zudem
waren noch vier Austauschstudentinnen in diesem Seminar, welche von Jyväskylä und
Finnland berichteten. Sie erzählten zum Beispiel, dass die Mumins aus Finnland kämen
(im Übrigen auch Santa Claus) – die Mumins hatten schon immer etwas Magisches und
Außergewöhnliches in meiner Kindheit dargestellt. Ich habe die Serie sehr geliebt und
v.a. die mystifizierte Natur in der Serie. Da ich ein sehr großer Naturliebhaber bin und
in meiner Freizeit eher beim Angeln oder Pilze suchen anzutreffen bin, war Finnland ein
wahrgewordener Traum. Die Sprache war und ist noch immer ein wirkliches Hindernis
für mich – das Seminar hat die Studenten und Studentinnen an die Sprache heranführen
wollen, nur leider ist das nur bedingt gelungen. Ich hatte also so gut wie keine
Vorkenntnisse über die Sprache und kann Finnisch auch heute noch nicht wirklich
sprechen. Ich habe leider niemals einen Zugang zur Sprache erhalten – dafür haben sich
meine Englischkenntnisse um ein vielfaches verbessert und es fällt mir viel leichter von
Deutsch ins Englische zu wechseln. Auch muss gesagt sein, dass die meisten Finnen
Englisch gut beherrschen und sie generell sehr hilfsbereit sind. Aber genauso wie in
Deutschland können ältere Menschen nur bedingt Englisch.
Meine Reise begann in Würzburg; ich bin mit einer Mitfahrgelegenheit nach Bremen
gefahren und von dort aus mit einer billig Fluglinie nach Tampere geflogen. Leider sind
die Flughäfen in Finnland außerhalb der Städte. Da die Städte so weitläufig sind,
braucht man ungefähr eine halbe Stunde vom Flughafen zum Bahnhof. Anschließend
bin ich dann mit der Bahn gefahren – was preislich günstig war, da ich lange im Voraus
gebucht hatte. Später hab ich dann von einer billigeren Variante erfahren: dem onnibus.
Man kann mit diesem für drei Euro von Tampere nach Jyväskylä fahren(Jyväskylä –
Helsinki; um die sieben Euro). Der Zug dagegen hat mich 20 Euro gekostet und das ist
für ein Zugticket noch sehr billig in Finnland. Was ich noch erwähnen möchte: Ich habe
fast meine ganzen Klamotten mit der Post geschickt und nur einen Rucksack mit in den
Flieger genommen – das war ein Fehler. Die Post hat drei Wochen auf sich warten
lassen, obwohl sie eine Lieferzeit von 5-6 Werktagen ausgeschrieben hatte. Ich war also
Anfangs ohne Klamotten und musste mir vor Ort etwas an Klamotten kaufen. Zum
Glück gibt es sehr gute und billige second-hand Läden. Bei der Wohnung musste ich
erst gar nicht suchen, da mir automatisch eine Wohnung vermittelt wurde. Mein
Studentenwohnheim war in Myllyjärvi. Jedes Wohnheim hatte seine Vorteile und
Nachteile. Ein Vorteil in diesem Wohnheim war wohl, dass es relativ neu war und im
guten Zustand. Der Weg zum Partywohnheim Roninmäki war nicht weit und wir hatten
ein Fußballfeld in der Nähe. Leider war unser Wohnheim etwas anonymer und kein
Vergleich zu Roninmäki, in welchem das Leben etwas familiärer zuging. Dafür war
Roninmäki sehr alt und heruntergekommen, aber auch billiger in der Miete.
Letztendlich war ich froh in Myllyjärvi zu sein und fühlte mich sehr wohl in meiner
WG.
Ankunft:
Meine Ankunft wurde sehr erleichtert durch die Hilfeleistung eines Tutors, der mich
vom Bahnhof abgeholt hat und mich schließlich in meine Wohnung gebracht hat. Er hat
mir sehr geholfen und mir viele Dinge erklärt; sogar einen ersten Einkauf hat er für
mich getätigt. Jeder/Jede der/die nach Jyväskylä als Austauschstudent oder
Austauschstudentin kommt, bekommt eine/n Tutor/in. Gleich am nächsten Tag hab ich
dann andere Studierende getroffen und wir sind zusammen in die Stadt und haben uns
ein Fahrrad gekauft – Vorsicht beim Kauf des Fahrrads! Das Fahrrad hat mich ein Jahr
lang begleitet und hat mich manchmal fast zur Verzweiflung gebracht: Äußerlich hatte
mein Fahrrad keine Mängel und da ich kein Fachmann bin, wusste ich auch nicht, ob
alles im guten Zustand gewesen war. Ich überprüfte also nur die Bremsen, die
Gangschaltung, die Fahrradkette und fuhr eine Runde. Als ich ungefähr dann 2 Monate
gefahren bin und ich Geburtstag hatte, wollte ich schnell zum Hauptbahnhof fahren
(Fahrzeit 20 Minuten) und mich mit anderen Studierenden treffen, um den Bus zu einer
Party zu nehmen. Aus dem schnell Fahren wurde ein sehr viel schnelleres Laufen, da
meine Pedale abgebrochen waren… Andere Mängel hab ich dann im Winter bemerkt,
als ich mir einen Weg durch Schnee und Eis bahnen musste. Um das zu vermeiden liebe
Leser, überprüft euer Fahrrad genau und lasst euch Zeit!
Nachdem ich ein Fahrrad gekauft hatte, war meine nächste Tätigkeit mir Lebensmittel
zu beschaffen. Ich wusste, dass Finnland teurer ist als Deutschland – manche Sachen
kosteten sogar genauso viel oder waren billiger – aber nicht die Stark-und Großmacher,
die Proteine, das Fleisch. Man zahlt für Fleisch ungefähr das Doppelte oder Dreifache welch Schrecken für einen echten Wikinger - (Ironie).
Als die Informationstage losgingen war ich bereits gut eingelebt und hatte mich
akklimatisiert. Die Informationstage waren alles sehr gut durchorganisiert - Finnen sind
generell zuverlässig. Wenn es also heißt, dass ich einen Finnen in zwei Monaten zum
Essen einlade um 12 Uhr mittags, dann wird dieser Finne in zwei Monaten um Punkt 12
Uhr erscheinen (diese Aussage beruht auf expliziten Erfahrungen).
Kontakte:
Meine guten neuen alten Freunde, die ich in Finnland kennen lernen durfte und die jetzt
mein Leben weiterhin begleiten werden; was soll ich dazu sagen? Erasmus gibt einen
die Möglichkeit Freunde aus allen Kulturen zu finden und sie wertzuschätzen. Alleine
deswegen kann ich jedem einen Erasmusaustausch empfehlen! Ich werde leicht
sentimental, wenn ich über meine Freunde in Finnland nachdenke, die jetzt wieder in
die ganze Welt ausgeflogen sind. Ich bin so dankbar, dass ich diesen Austausch machen
durfte, ohne ihn wären mir die wunderbaren Menschen Fremde geblieben. Ich sehe jetzt
viele Sachen anders und sehe die deutsche Kultur in einem ganz anderen Licht. Ich
hoffe, dass diese Chance weiterhin bestehen bleibt und ein Austausch gefördert wird.
Das schwierigste Unterfangen war wohl einen Finnen kennenzulernen. Da Finnen
überaus scheue aber herzliche Menschen sind, kommt man mit ihnen nur schwer ins
Gespräch. Bei mir hat sich der erste Kontakt nach einem halben Jahr aufgebaut, indem
ich im Labor eines Freundes mit einem Finnen ins Gespräch kam über Gewichtheben.
Aus diesem Gespräch entwickelte sich dann die Tatsache, dass wir zusammen trainiert
haben und aus diesem Training wurde dann langsam ein fast schon brüderliches Band
der Freundschaft. Im Übrigen ist Jyväskylä die einzige Universität in Finnland an der
man Sport studieren kann, also gibt es sehr viele und gute Sportler, welche wiederum
das Sportangebot ausweiten, welches dann sportbegeisterten Menschen zugutekommt.
Abschließend ist zu sagen, dass durch diese neuen Kontakte selbst der dunkelste und
kälteste Tag in Finnland zu einem Freudentag wurde.
Freizeitgestaltung, Alltag und Ausflüge:
In der Freizeit habe ich meist etwas mit meinen neu gewonnen Freunden gemacht,
unsere Hauptbeschäftigung war eigentlich der Sport und Kochen. Wir haben so manche
guten Speisen zubereitet und saßen dann lustig beisammen. Natürlich sind wir auch
ausgegangen und haben einige Partys besucht, die dann lustig geendet haben…
Ausflüge gab es auch etliche, mein bester war wohl von Tallin nach Riga, von Riga
nach Stockholm und dann nach Turku. Es gab viel zu sehen, Tallin kann gleichgesetzt
werden ungefähr mit Nürnberg – nur etwas kleiner und verwinkelter; es lohnt sich dort
die leckeren Pfannkuchen zu probieren und abends eine Bar aufzusuchen und sich dem
Nachtleben hinzugeben. Riga kann sehr schön sein, wenn man die versteckten Ecken
kennt oder sich diese zeigen lässt. Das Highlight war wohl Stockholm, dort hat mich am
aller meisten die Tatsache fasziniert, wie Stockholm es versteht moderne Gebäude
neben altehrwürdige Häusern zu errichten und dann einen famosen Übergang von neu
zu alt zu vollziehen. Außerdem lässt sich in Stockholm vorzüglich speisen und shoppen.
Ersteres war um einiges interessanter. Nach Stockholm sind wir dann auf einer Fähre
(auch genannt: love-ferry) nach Turku übergesetzt und haben auf dieser ungefähr 9
Stunden verbracht; Zusatzinfo: es gibt ein Spielcasino auf der Fähre.
Studium:
Die Kurse waren teilweise interessant. Sie haben sich bemüht Wissen zu vermitteln,
leider sind sie dabei nicht besonders kritisch vorgegangen und haben Sachen eher
wiedergegeben. Mein Höhepunkt war wohl ein Seminar zu Max Weber, welches mir
meinen Horizont um ein vieles erweitert hat. Ich habe mich vorher nicht so sehr mit
Sozialwissenschaften beschäftigt – das wird sich wohl in Zukunft ändern, da ich dank
diesem Seminar überaus großes Interesse entwickelt habe. Auch beschäftige ich mich
zurzeit im Eigenstudium mit dem „neuen Geist des Kapitalismus“. Im Übrigen ist die
Lehr-Studierenden-Situation eine Andere: Den Dozenten oder die Professorin kann man
mit dem „du“ ansprechen und beim Vornamen nennen, dies ändert das universitäre
Umfeld ab (eher zum positiven). Natürlich gibt es noch weitere Unterschiede, die euch
wahrscheinlich
überraschen
könnten.
Überzeugt
euch
am
besten
selbst!
Fazit:
Auch wenn es schon im Oktober oder im November heißt „winter is coming“, muss es
nicht heißen, dass ihr ab den Monaten um euer Überleben kämpft. Vielmehr genießt ihr
die Zeit und das allerschönste Winterspektakel: Schnee der glitzert und einen Himmel
der in Farben strahlt. Ich hab Freunde für mein Leben gefunden, wunderschöne Natur
gesehen, Santa-Claus gefragt, warum er ab meinem 8. Lebensjahr nicht mehr zu mir
kam und das allerwichtigste: zu mir selbst gefunden. Klingt Anfangs komisch – ist aber
so: ich hatte die Zeit sich mit mir selbst zu beschäftigten und herauszufinden, was
wirklich wichtig ist in meinem Leben. Aber das liebe Leser erfahrt ihr ein andermal.
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