An die Waldvögel Könnt mich auch sonst mit schwingen Übers grüne Revier, Hatt ein Herze zum Singen Und Flügel wie ihr. Flog über die Felder, Da blüht' es wie Schnee, Und herauf durch die Wälder Spiegelt' die See. Ein Schiff sah ich gehen Fort über das Meer, Meinen Liebsten drin stehen – Dacht meiner nicht mehr. Und die Segel verzogen, Und es dämmert' das Feld, Und ich hab mich verflogen In der weiten, weiten Welt. Joseph Freiherr von Eichendorff An den heiligen Joseph Wenn trübe Schleier alles grau umweben, Zur bleichen Ferne wird das ganze Leben, Will Heimat oft sich tröstend zeigen; Aus Morgenrot die goldnen Höhen steigen, Und aus dem stillen, wundervollen Duft Eine wohlbekannte Stimm hinüberruft. Du warst ja auch einmal hier unten, Hast ew'ger Treue Schmerz empfunden; Längst war Maria fortgezogen, Wie einsam rauschten rings die dunklen Wogen! Da breitet oben sie die Arme aus: Komm, treuer Pilger, endlich auch nach Haus Joseph Freiherr von Eichendorff An der Grenze Die treuen Berg stehn auf der Wacht: »Wer streicht bei stiller Morgenzeit Da aus der Fremde durch die Heid?« Ich aber mir die Berg betracht Und lach in mich vor großer Lust, Und rufe recht aus frischer Brust Parol und Feldgeschrei sogleich: Vivat Östreich! Da kennt mich erst die ganze Rund, Nun grüßen Bach und Vöglein zart Und Wälder rings nach Landesart, Die Donau blitzt aus tiefem Grund, Der Stephansturm auch ganz von fern Guckt übern Berg und säh mich gern, Und ist ers nicht, so kommt er doch gleich, Vivat Östreich! Joseph Freiherr von Eichendorff Das Alter (fragment) Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise, Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen, Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen, Und trüber Winter deckt die weiten Kreise. Die Wanduhr pickt, im Zimmer singet leise Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen. Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen, Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise. So mild ist oft das Alter mir erschienen: Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder Und über Nacht hat sich die Luft gewendet. Joseph Freiherr von Eichendorff Der Geist (fragment) Nächtlich dehnen sich die Stunden, Unschuld schläft in stiller Bucht, Fernab ist die Welt verschwunden, Die das Herz in Träumen sucht. Und der Geist tritt auf die Zinne, Und noch stiller wird's umher, Schauet mit dem starren Sinne In das wesenlose Meer. Wer ihn sah bei Wetterblicken Stehn in seiner Rüstung blank: Den mag nimmermehr erquicken Reichen Lebens frischer Drang. – Joseph Freiherr von Eichendorff Der Pilger (fragment) 1 Man setzt uns auf die Schwelle, Wir wissen nicht, woher? Da glüht der Morgen helle, Hinaus verlangt uns sehr. Der Erde Klang und Bilder, Tiefblaue Frühlingslust, Verlockend wild und wilder, Bewegen da die Brust. Bald wird es rings so schwüle, Die Welt eratmet kaum, Berg', Schloß und Wälder kühle Stehn lautlos wie im Traum, Und ein geheimes Grausen Beschleichet unsern Sinn: Wir sehnen uns nach Hause Und wissen nicht, wohin? Joseph Freiherr von Eichendorff Der Morgen Fliegt der erste Morgenstrahl Durch das stille Nebeltal, Rauscht erwachend Wald und Hügel: Wer da fliegen kann, nimmt Flügel! Und sein Hütlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun, so will ich fröhlich singen! Hinaus, o Mensch, weit in die Welt, Bangt dir das Herz in krankem Mut; Nichts ist so trüb in Nacht gestellt, Der Morgen leicht machts wieder gut. Joseph Freiherr von Eichendorff Der traurige Jäger Zur ew'gen Ruh sie sangen Die schöne Müllerin, Die Sterbeglocken klangen Noch übern Waldgrund hin. Da steht ein Fels so kühle, Wo keine Wandrer gehn, Noch einmal nach der Mühle Wollt dort der Jäger sehn. Die Wälder rauschten leise, Sein Jagen war vorbei, Der blies so irre Weise, Als müßt das Herz entzwei. Joseph Freiherr von Eichendorff Die Braut (fragment) Wann die Bäume blühn und sprossen Und die Lerche kehrt zurück, Denkt die Seele der Genossen, Fühlet fern' und nahes Glück. Selig Weinen sel'ger Herzen! Wenn das Herz nichts weiter will, Nicht von Lust erfüllt, noch Schmerzen, Aber fröhlich ist und still. Frischer sich die Hügel kränzen, Heitrer lacht das weite Blau, Alle Blumen schöner glänzen Durch des Auges süßen Tau. Joseph Freiherr von Eichendorff Gebet Gott, inbrünstig möcht ich beten, Doch der Erde Bilder treten Immer zwischen dich und mich, Und die Seele muß mit Grauen Wie in einen Abgrund schauen, Strenger Gott, ich fürchte dich! Ach, so brich auch meine Ketten! Alle Menschen zu erretten, Gingst du ja in bittern Tod. Irrend an der Hölle Toren, Ach, wie bald bin ich verloren, Hilfst du nicht in meiner Not! Joseph Freiherr von Eichendo Die Nachtblume Nacht ist wie ein stilles Meer, Lust und Leid und Liebesklagen Kommen so verworren her In dem linden Wellenschlagen. Wünsche wie die Wolken sind, Schiffen durch die stillen Räume, Wer erkennt im lauen Wind, Ob's Gedanken oder Träume? – Schließ ich nun auch Herz und Mund, Die so gern den Sternen klagen: Leise doch im Herzensgrund Bleibt das linde Wellenschlagen. Joseph Freiherr von Eichendorff Frühling (fragment) Und wenn die Lerche hell anstimmt Und Frühling rings bricht an: Da schauert tief und Flügel nimmt, Wer irgend fliegen kann. Die Erde grüßt er hochbeglückt, Die, eine junge Braut, Mit Blumen wild und bunt geschmückt, Tief in das Herz ihm schaut. Den Himmel dann, das blaue Meer Der Sehnsucht, grüßt er treu, Da stammen Lied und Sänger her Und spüren's immer neu. Joseph Freiherr von Eichendorf Fata Morgana Du Pilger im Wüstensande, Ich spiegle Wälder und Kluft, Der Heimat blühende Lande Dir wunderbar in der Luft. Wer hielte in dieser Wüste Das einsame Wandern aus, Wenn ich barmherzig nicht grüßte Mit Frühlingsdüften von Haus? Und ob‘s auch wieder verflogen In Luft und schien doch so nah, Nur frisch durch die sengenden Wogen, Wer weiß, wie bald bist du da! Joseph Freiherr von Eichendorff April (fragment) Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr? Denn ihr sagt was gar zu Schönes, Gar des lieblichsten Getönes; Und in gleichem Sinne fragt ihr. Doch ist glaub' euch zu erfassen: Hinter dieser Augen Klarheit Ruht ein Herz in Lieb' und Wahrheit Jetzt sich selber überlassen, Dem es wohl behagen müsste, Unter so viel stumpfen, blinden Endlich einen Blick zu finden, Der es auch zu schätzen wüsste. Johann Wolfgang von Goethe St. Nepomuks Vorabend Karlsbad, den 15. Mai 1820 Lichtlein schwimmen auf dem Strome, Kinder singen auf der Brücken, Glocke, Glöckchen fügt vom Dome Sich der Andacht, dem Entzücken. Lichtlein schwinden, Sterne schwinden. Also löste sich die Seele Unsres Heil'gen, nicht verkünden Durft' er anvertraute Fehle. Lichtlein, schwimmet! Spielt, ihr Kinder! Kinderchor, o singe, singe! Und verkündiget nicht minder, Was den Stern zu Sternen bringe. Johann Wolfgang von Goethe Frühling übers Jahr (fragment) Das Beet, schon lockert Sich's in die Höh', Da wanken Glöckchen So weiß wie Schnee; Safran entfaltet Gewalt'ge Glut, Smaragden keimt es Und keimt wie Blut. Primeln stolzieren So naseweis, Schalkhafte Veilchen, Versteckt mit Fleiß; Was auch noch alles Da regt und webt, Genug, der Frühling, Er wirkt und lebt. Johann Wolfgang von Goethe Abschied fragment) War unersättlich nach viel tausend Küssen Und musst' mit einem Kuss am Ende scheiden. Nach herber Trennung tief empfundnem Leiden War mir das Ufer, dem ich mich entrissen, Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen, So lang' ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden; Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden An fern entwichnen lichten Finsternissen. Johann Wolfgang von Goethe