Übungsaufgaben Serie 6 Aufgabe 1: Unter dem Mittelpunkt M einer Strecke AB versteht man einen Punkt, der zwischen A und B liegt und für den AM BM gilt. Beweisen Sie: Jede Strecke hat einen eindeutig bestimmten Mittelpunkt. Lösung: Gegeben sei eine Strecke AB . Zu zeigen ist, dass auf der Geraden AB ein Punkt M existiert, der zwischen den Punkten A und B liegt und für den AM BM gilt. Den Punkten A und B ist eindeutig ihr Abstand d= AB zugeordnet. Wir betrachten jetzt die d . Nach Axiom A/3 können wir das Koordinatensystem k so wählen, dass k(A)=0 2 und k(B)>0 gilt. Wegen d= AB gilt speziell k(B)=d. reelle Zahl Auf der Geraden AB gibt es jetzt nach Axiom A/2 genau einen Punkt M mit k ( M ) Wir berechnen den Abstand von M zu A: AM k ( M ) 0 d . 2 d . 2 Wir berechnen den Abstand von M zu B: BM k ( B) k ( M ) d d d d . 2 2 2 Damit ist AM BM nachgewiesen. d d d AB liegt der Punkt M zwischen den Punkten A und B. 2 2 Es bleibt zu zeigen, dass M der einzige Punkt ist, der zwischen AB liegt und für den AM BM gilt. Diese folgt unmittelbar aus der Bijektivität von Koordinatensystemen. Wegen AM MB Aufgabe 2: Beweisen Sie den folgenden Satz: Satz: Wird das Koordinatensystem k auf einer Geraden AB so gewählt, dass k(A)=0 und k(B)>0 gilt, dann sind die Koordinaten von allen Punkten des offenen Strahls AB+ positiv und die Koordinaten von allen Punkten des offenen Strahls AB- negativ. Lösung: Auf der Geraden AB sei das Koordinatensystem k so gewählt, dass k(A)=0 und k(B)>0 gilt. Für einen beliebigen zu A und B verschiedenen Punkt P des Strahls AB+ muss gelten: Entweder (1) Zw(A,B,P) oder (2) Zw(A,P,B). (1) bzw. (2) lassen sich wie folgt schreiben (1) |𝐴𝐵| + |𝐵𝑃| = |𝐴𝑃| (2) |𝐴𝑃| + |𝑃𝐵| = |𝐴𝐵| Unter Berücksichtigung der Koordinaten der drei Punkte A, B, C lassen sich (1) und (2) auch wie folgt schreiben: (1) 𝑘(𝐵) + |𝑘(𝐵) − 𝑘(𝑃)| = |𝑘(𝑃)| (2) |𝑘(𝑃)| + |𝑘(𝐵) − 𝑘(𝑃)| = 𝑘(𝐵) Wir haben zu zeigen, dass k(P)>0 ist. Hierzu nehmen wir k(P)<0 an. Unter Berücksichtigung dieser Annahme lassen sich (1) und (2) wie folgt spezifizieren: (1) 𝑘(𝐵) + 𝑘(𝐵) + |𝑘(𝑃)| = |𝑘(𝑃)| (2) |𝑘(𝑃)| + 𝑘(𝐵) + |𝑘(𝑃)| = 𝑘(𝐵) Die Gleichung (1) ist dann und nur dann wahr, wenn k(B)=0 gilt. Das ist aber ein Widerspruch zur Wahl des Koordinatensystems: k(B)>0. Die Gleichung (2) Führt zu dem Schluss, dass k(P)=0 ist. Da die Koordinate 0 bereits dem Punkt A zugeordnet wurde, ist dieses nicht möglich. Weder Gleichung (1) noch Gleichung (2) können unter der Annahme k(P)<0 gelten. Die Annahme ist somit zu verwerfen. Leichtfertig könnte man jetzt schlussfolgern, dass jetzt gleichzeitig bewiesen wurde aus 𝑃 ∈ 𝐴𝐵 − k(P)<0 folgt. Dem ist jedoch nicht so. Wir haben nur gezeigt, dass aus 𝑃 ∈ 𝐴𝐵 + k(P)>0 folgt nicht aber, dass aus k(P)>0 𝑃 ∈ 𝐴𝐵 + folgt. Letzteres bleibt zu zeigen. Hierzu nehmen wir an, dass es eine von k(B) verschiedene positive reelle Zahl k(P) ein Punkt P des Strahls 𝐴𝐵 − zugeordnet werden könnte. In diesem Fall würde der Punkt A zwischen den Punkten P und B liegen: (*)|𝑘(𝑃)| + 𝑘(𝐵) = |𝑘(𝐵) − 𝑘(𝑃)| Unter Berücksichtigung von k(P)>0 vereinfacht sich (*) zu (*)|𝑘(𝐵) + 𝑘(𝑃)| = |𝑘(𝐵) − 𝑘(𝑃)| (*) ist damit nur dann erfüllt, wenn k(P)=0 oder k(B)=0. Beides ist wegen k(A)=0 nicht möglich. Somit gilt 𝑘(𝑃) = 0 ⟺ 𝑃 ∈ 𝐴𝐵 + . Da k eine Bijektion von der Menge der Punkte der Geraden AB auf die reellen Zahlen ist, können den Punkten des Strahls 𝐴𝐵 − nur negative Koordinaten zugeordnet werden. Aufgabe 3: Moritz Pasch, deutscher Mathematiker: * 8. November 1843 in Breslau; † 20. September 1930 in Bad Homburg v. d. Höhe . „Was Axiomatik ist und wie man Axiome zu formulieren hat, das ist erst gegen Ende des 19. Jh. von Pasch gezeigt worden; von ihm lernten es die italienischen Geometer und lernte es Hilbert.“ Hans Freudenthal, Mathematik als pädagogische Aufgabe, Stuttgart 1973, S. 14 Pasch formulierte die folgende Aussage: "Es seien A, B, C drei nicht in gerader Linie1 gelegene Punkte und a eine Gerade in der Ebene ABC, die keinen dieser drei Punkte trifft. Wenn dann die Gerade a durch einen Punkt der Strecke AB geht, so geht sie gewiss auch entweder durch einen Punkt der Strecke BC oder durch einen Punkt der Strecke AC ." Obige Aussage ist als Satz von Pasch in die Annalen der Mathematik eingegangen. Im Axiomensystem von Hilbert2 taucht der Satz von Pasch als Anordnungsaxiom auf. Beweisen Sie, dass das Axiom von Pasch äquivalent zum Ebenenteilungsaxiom aus der Vorlesung ist. Lösung: Es sind zwei Beweise zu führen: Beweis 1: Der Satz von Pasch lässt sich aus dem Ebenenteilungsaxiom ableiten. Beweis 2: Das Ebenenteilungsaxiom lässt sich aus dem Satz von Pasch ableiten. Beweis 1: Es seien A, B und C drei nichtkollineare Punkte und g eine Gerade, die durch keinen der genannten drei Punkte geht. 1 Pasch verwendet nicht den heutigen Sprachgebrauch in der Geometrie. Sie sind sicher in der Lage, korrekt zu übersetzen. 2 http://www.ph-heidelberg.de/wp/filler/lv-alt/lv-elgeo/fol05-Hilbert-Axiome.pdf ̅̅̅̅ schneiden. Wir haben zu zeigen, dass g jetzt entweder ̅̅̅̅ Ferner möge g etwa die Strecke 𝐵𝐶 𝐴𝐵 ̅̅̅̅ oder 𝐴𝐶 schneidet. Da die Gerade g nicht durch den Punkt A geht, liegt jetzt der Punkt A nach dem Ebenenteilungsaxiom entweder in der Halbebene 𝑔𝐶 + oder 𝑔𝐶 − . Aus 𝐴 ∈ 𝑔𝐶 + folgt nach ̅̅̅̅ = ∅ und ∃𝑃: 𝑔 ∩ 𝐴𝐵 ̅̅̅̅ = {𝑃}. Aus 𝐴 ∈ 𝑔𝐶 − folgt dem Ebenenteilungsaxiom 𝑔 ∩ 𝐴𝐶 𝑔 ∩ ̅̅̅̅ 𝐴𝐵 = ∅ und ∃𝑃: 𝑔 ∩ ̅̅̅̅ 𝐴𝐶 = {𝑃}. Der Satz von Pasch ist damit bewiesen. Beweis 2: Es gelte der Satz von Pasch. Es sei g eine Gerade in der Ebene 𝜀. Ferner seien A und B zwei verschiedene Punkte der Ebene 𝜀. Wir haben zu zeigen, dass g die Ebene 𝜀 derart in zwei Mengen einteilt, dass die Verbindungstrecke zweier beliebiger Punkte derselben dieser beiden Mengen die Gerade g nicht schneidet, während die Verbindungstrecke zweier Punkte, die nicht zur selben Menge gehören, einen Schnittpunkt mit der Geraden g hat. Zunächst zeigen wir, dass es zwei Punkte B und C gibt, deren Verbindungstrecke die Gerade g schneidet: Nach den Inzidenzaxiomen enthält g einen Punkt S. B sei ein beliebiger Punkt der Ebene 𝜀, der nicht zu g gehört. Auf der Geraden BS wählen wir einen Punkt C derart, dass Zw(B,S,C) gilt. Es sei jetzt A ein beliebiger Punkt von 𝜀, der verschieden von B und C ist und nicht zu g gehört. Nach dem Satz von Pasch wird jetzt entweder ̅̅̅̅ 𝐴𝐵 oder ̅̅̅̅ 𝐴𝐶 durch g geschnitten. Also liegt A entweder mit B oder mit C in derselben Menge bezüglich g. O.B.d.A. möge A mit C in derselben Menge bezüglich g liegen. Es sei jetzt E ein weiterer Punkt von 𝜀, der verschieden von A und C ist und nicht zu g gehört. E möge mit C in derselben Menge bezüglich g liegen. Zum Beweis des Ebenenteilungsaxioms bleibt zu zeigen, dass E und A ebenfalls in derselben Menge liegen. Dieses haben wir gezeigt, wenn wir nachweisen können, dass die Strecke ̅̅̅̅ 𝐴𝐸 mit g keinen Schnittpunkt gemeinsam hat. Hierzu nehmen wir einen solchen Schnittpunkt an. Nach dem Satz von Pasch müsste nun eine der Strecken ̅̅̅̅ 𝐴𝐶 oder ̅̅̅̅ 𝐶𝐸 durch g geschnitten werden. Das ist jedoch nicht möglich, da A mit C und E mit C jeweils in derselben Menge liegen. Schließlich kann jetzt E nicht mit B in derselben Menge liegen: ̅̅̅̅ ̅̅̅̅ durch g nicht geschnitten werden. Da g jedoch 𝐵𝐶 Wenn dem so wäre, würde die Strecke 𝐵𝐸 ̅̅̅̅ schneidet und 𝐶𝐸 keinen Punkt mit g gemeinsam hat ist das nach Pasch nicht möglich. Aufgabe 4: Erläutern Sie in wiefern Axiome bewiesen werden können. Argumentieren Sie mit Aufgabe 3. Lösung: Axiome können durch äquivalente Aussagen ersetzt werden. Das ursprüngliche Axiom ist dann ein Satz in der Theorie nach dem ersetzten Axiomensystem. Aufgabe 5: Das Ebenenteilungsaxiom reicht für die Begründung der räumlichen Anordnungsgeometrie nicht aus. Hierzu bedarf es eines weiteren Axioms. Das fehlende Axiom heißt Raumteilungsaxiom. Seine Aussage ist anlog zum Ebenteilungsaxiom zu verstehen, d.h. es macht eine Aussage über eine beliebige Ebene und den Raum. Formulieren Sie das Raumteilungsaxiom. Definieren Sie dann den Begriff des Halbraumes. Lösung: Raumteilungsaxiom: Gegeben sei eine Ebene 𝜀. Die Punkte des Raumes, die nicht auf 𝜀 liegen, bilden zwei Mengen derart, dass gilt: (1) Jede der Mengen ist konvex. (2) Wenn der Punkt A zur einen und der Punkt Q zur anderen dieser beiden Mengen ̅̅̅̅ die Ebene 𝜀. gehört, dann schneidet die Strecke 𝐴𝐵 Definition: (Halbraum) Die beiden nach dem Raumteilungsaxiom existierenden Mengen heißen Halbräume bezüglich der Trägerebene 𝜀.