Trauma und geistige Behinderung Fachtagung Barmherzige Brüder Algasing am 19.4.2012 Klaus Hennicke Trauma und geistige Behinderung Zugänge zu einem bedrückenden Thema Gliederung 1. Was ist ein Trauma? Trauma ist mehr als Stress! 2. Bedrückendes Thema: Menschen mit geistiger 3. 4. 5. 6. Behinderung und ihre hohen Risiken der Traumatisierung Symptomatik der posttraumatischen Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung Spektrum der Traumafolgestörungen Diagnostik und therapeutische Strategien Schlussfolgerungen für Psychiatrie und Behindertenhilfe Stress! Bei jeder körperlichen oder seelischen Belastung kommt es zum (automatischen, angeborenen) Ablauf vegetativer Reaktionsphasen des Organismus = Stressreaktion als Anpassungsleistungen des Organismus an die Belastungen Entdeckt in den 1930er von Hans Selye (1907-1982), weltberühmter österreichisch-kanadischer Mediziner Lehre vom Anpassungs- oder Adaptationssyndrom des Körpers auf erhöhte Belastungen („Stresskonzept“, „Stressmodell“) Trauma ist mehr als Stress! Stress/Belastung Körper und Seele reagieren (aktivieren sich) auf die Anforderungen, dabei zwei grundsätzliche Möglichkeiten: 1. Ich stelle mich der Herausforderung und mobilisiere Kräfte, diese zu bewältigen („Kampf“) 2. Ich stelle mich nicht der Herausforderung und mobilisiere Kräfte, mich irgendwie davor zu drücken („Flucht“) Ich habe Handlungsmöglichkeiten, damit umzugehen! („Anpassung“) Trauma ist mehr als Stress! Disstress Körper und Seele reagieren (aktivieren sich) andauernd auf Anforderungen, die ich letztlich nicht oder nur unzureichend bewältigen kann: 1. Ich muss ständig „kämpfen“ ohne wirklich zu „gewinnen“. 2. Ich versuche ständig zu „fliehen“ ohne den Anforderung wirklich zu „entkommen“. Ich habe zwar Handlungsmöglichkeiten, ohne aber wirkliche Bewältigungschancen! („Unzureichende Anpassung“ F43.2 Anpassungsstörung) Trauma ist mehr als Stress! Trauma Körper und Seele werden übermäßig aktiviert, ohne die Situation bewältigen zu können, 1. … weil das Ausmaß der Bedrohlichkeit /Gefährlichkeit extrem ist 2. … weil ich keine (wirklichen) Chancen habe, mich dagegen zu wehren („schutzlos ausgeliefert“) Ich habe keine Handlungsmöglichkeiten, damit umzugehen! (keine „Anpassung“!) Das bedeutet 1. Weder kämpfen noch fliehen können (sog. „traumatische Zange“) Erstarrung (Konstriktion) 2. Andauernde, fortwährende Aktivierung von Körper und Seele („Hyperarousal“, übermäßiges Erregungsniveau) 3. Situation/Ereignis verbleibt unverändert/ unverarbeitet in der Seele („Intrusion“) Seele und Körper sind nicht mehr ausreichend und nur sehr wechselnd in der Lage, auf die innere seelische und körperliche Situation Einfluss zu nehmen (Regulationsstörung) Kernsymptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung Der Terror im Kopf bleibt Triggerbare, dh. durch spezifische Reize auslösbare Erinnerungsfragmente und Handlungsmuster Flashbacks Folie: Lutz Besser, 2007 Bedrückendes Thema Das hohe Risiko von Menschen mit Intelligenzminderung stark belastenden, oftmals mit Gewalt verbundenen Situationen ausgesetzt zu sein, und dadurch traumatisiert zu werden! Prävalenz von Misshandlung und Missbrauch bei Menschen mit geistiger Behinderung Life-time Prävalenz 90% (REYNOLDS 1997) 39-68% der Mädchen und 16-30% der Jungen werden vor ihrem 18. Geburtstag sexuell mißbraucht (SOBSEY 1994) nahezu 100% der männl. und weibl. Heimbewohner (ZEMP 2002) 69% der Erwachsenen 75% der Kinder des ambulanten Klientels (SINASON 1993) 14,3% des Klientels eines ambulanten Dienstes für Kinder und Jugendliche waren als Opfer und als Täter in sexuellen Mißbrauch verwickelt (21 Opfer, 6 Täter, 16 beides) (FIRTH et al. 2001) Dunkelziffer 1:30 (d.h. nur ein Fall von 30 Mißhandlungsfällen bei Menschen mit geistiger Behinderung wird bekannt) (THARINGER et al. 1990) Nur die krassesten Vorfälle in Einrichtungen werden berichtet (MARCHETTI & McCARTNEY 1990) Vgl. auch ZEMP et al., 1997; KLEIN et al., 1998 Warum ist diese Prävalenz so hoch? (1) Herabgesetzte Hemmungen der Täter Geringschätzung bis aggressive Abwehr von Behinderten Unterstellung, Behinderte wüssten nicht was mit ihnen passiert Hohes Suggestibilität (Strafandrohungen werden strikter befolgt) Behinderte können nicht darüber berichten; ihnen wird auch nicht geglaubt Geringe/fehlende Gegenwehr bei weitgehender Außenorientierung der Behinderten (Objekt/Opferrolle; fehlende eigene Maßstäbe) Nähe-Distanz-Unsicherheit Warum ist diese Prävalenz so hoch? (2) Weitgehende bis totale Abhängigkeit von Betreuungspersonen (Grenzüberschreitungen und Eingriffe in die körperliche und seelische Autonomie sind selbstverständlich und gerechtfertigt) extreme Machtfülle „Gewalt und Gegengewalt“ in der familiären Erziehung und institutionellen Betreuung („Subkultur der Gewalt“) Meinungen zu alltäglicher Gewalt (Michalek, 2000) Konfliktfall 1: „Der 23jährige geistig behinderte Martin weigert sich regelmäßig zu duschen. Jeden Samstag zwingen ihn zwei männliche Betreuer unter heftiger Gegenwehr dennoch unter die Dusche." (Beurteilung durch MitarbeiterInnen und BewohnerInnen) Konfliktfall 3: „Der 40jährige Thorsten tritt dem Zivi seiner Wohngruppe häufig und mit Absicht schmerzhaft gegen die Schienbeine. Der Zivi hat sich angewöhnt, in gleichem Maße zurückzutreten." (Beurteilung durch MitarbeiterInnen und BewohnerInnen) Das Risiko der Traumatisierung bei Menschen mit geistiger Behinderung ist signifikant erhöht, weil… (1) … Annahme der erhöhten Vulnerabilität (kognitive Beeinträchtigung im Umgang mit Belastungen, Gefahren, Gewalt; Geringe oder fehlende Sprachkompetenz) … frühe emotionale Beeinträchtigungen (unsichere Bindung, Deprivation, frühe Verlusterfahrungen; unangemessene Erziehung) … geringe/fehlende schützende Faktoren (Verfügbarkeit/Qualität der sozialen Unterstützung) … niedriger („früher“) sozio-emotionaler Entwicklungsstand Vgl. u.a. Voss, 2010; Senckel, 2008; Berger, 2005; Tomasulo & Razza, 2007; Herpertz-Dahlmann, 2008; Streek-Fischer et al., 2009; Mevissen & de Jongh, 2010; Fischer & Riedesser; 1999; Litz & Roemer, 1996; Kapfhammer, 2000 Das Risiko der Traumatisierung bei Menschen mit geistiger Behinderung ist signifikant erhöht, weil… (2) … objektiv belastende, unangemessene Lebensumstände (Über- und Unterforderungen, Unverständnis, Diskriminierung, Isolation, Mobbing; „Förderterror“; medizinische Maßnahmen) … häufig polytraumatisch (multipel und/oder sequentiell und/oder kumulativ auf allen Dimensionen incl. „geringer bewertete“ Belastungen, sog. Mikrotraumen) … hohes Risiko der Retraumatisierung … geringes Bewusstsein für die Risiken bei den Betreuungspersonen und professionellen Helfern … oftmals sehr nahe Beziehung zum Täter Vgl. u.a. Voss, 2010; Senckel, 2008; Berger, 2005; Tomasulo & Razza, 2007; Herpertz-Dahlmann, 2008; Streek-Fischer et al., 2009; Mevissen & de Jongh, 2010; Fischer & Riedesser; 1999; Litz & Roemer, 1996; Kapfhammer, 2000 Das bedeutet zusammengefasst … Menschen mit Intelligenzminderung sind – aufgrund zahlreicher individueller und psychosozialer Bedingungen und Faktoren - einem hohen Risiko ausgesetzt, belastende Erfahrungen zu machen und durch diese Belastungen traumatisiert zu werden. Diese Risiken sind signifikant höher als bei nicht intelligenzgeminderten Personen Symptomatik der Traumareaktion („Kernsymptome“: Konstriktion, Intrusion, Hyperarousal) und Traumafolgestörungen (zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen) und ihre „Gestaltung“ bei Menschen mit Intelligenzminderung 1. Konstriktion „Einschnürung“, „Erstarrung“, „Vermeidung“, seelische Lähmung/Betäubung, „Einfrieren“ Vermeidung von Situationen und Reizen, die als bedrohlich empfunden werden und die daraus resultierende psychische Erstarrung Ausweitung dieser Vermeidungshaltung, um die möglichen Risiken zu verringern 2. Intrusion Aufdrängen, Eindringen und Verbleiben unauslöschliche Prägung durch die traumatische Erfahrung, welche sich in Form von ungewollt aufdrängenden Gedanken und Erinnerungen an das traumatische Ereignis äußert „flashbacks“ oder Nachhallerlebnisse 3. Hyperarousal Chronisch erhöhtes (vegetatives und psychisches) Erregungsniveau („ständiger Alarmzustand“) mit Schlafstörungen (Einschlaf-, Durchschlafschwierigkeiten, Albträume), allgemeinen Angstsymptomen Erniedrigung der Reizschwelle (erhöhte Schreckhaftigkeit und Lärmempfindlichkeit) Erhöhte motorische Aktivitätsniveau (Unruhe, Rastlosigkeit bei rascher Erschöpfbarkeit) Weitere posttraumatische Äußerungsformen/ Veränderungen Dissoziation (Trennung und Auflösung zusammengehörender Denk-, Handlungs- od. Verhaltensabläufe va. der traumatischen Erlebnisse) Desintegration der persönlichen Identität, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung und des Bewusstseins Derealisation und Depersonalisation (Verlassen des Körpers und der Realität) Auflösung der Einheit von Ich/Person und Umwelt; Entfremdung einer Person gegenüber sich selbst und seiner Umwelt traumhaft-unwirklich; Zuschauer auf sich selbst Affektregulationsstörung (Erschwerte Möglichkeit, innere gefühlsmäßige Zustände zu kontrollieren) Konstriktion bei Menschen mit geistiger Behinderung emotionale Verarmung oder Abstumpfung, emotionsloses, roboterhaftes Verhalten Kontakt- und Beziehungsunfähigkeit Rückzug in die eigene Welt („psychose-ähnlich“) körperliche Einengung und Erstarrung („Autistische Züge“) ausgeprägte Vermeidungsstrategien Haltung der Unentrinnbarkeit in Gewaltsituationen, absolute Hilflosigkeit, willenloses Opfer (DD: Dissoziation, Derealisation, Depersonalisation) Instrusion/Nachhallerinnerung bei Menschen mit geistiger Behinderung Nicht einfühlbare, situationsunabhängige oder durch Reize ausgelöste („getriggerte“) Extremverhaltensweisen („Außer-sich-Geraten“) Verlust der Selbststeuerung und Kontrollverlust Autoaggressionen Reinszenierungen der traumatischen Erlebnisse (DD: Dissoziation, Depersonalisations-, Derealisationszustände, Affektregulationsstörung) Hyperarousal bei Menschen mit geistiger Behinderung Unruhe, Hyperaktivität bis Erethie Impulskontrollunfähigkeit schwere affektive, aggressive Entäußerungen Schlafstörungen, Schreien (DD: Konstriktion, Dissoziation, Affektregulationsstörung) Kernsymptomatik der posttraumatischen Reaktionen … … nämlich: Störungen der Selbstregulationsfähigkeiten wirken kumulativ auf die behinderungstypischen Regulationsprobleme (Affekt, Motorik, körperliche Bedürfnisse) (vgl. Sack, 2005; Voss, 2010; Sarimski, 2000; Došen, 2010) d.h. einige der „behinderungstypischen“ Verhaltensweisen könnten auch Ausdruck einer posttraumatischen Belastungsreaktion sein Traumafolgestörungen Psychophysische Veränderungen, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen infolge traumatisierender Lebenserfahrungen bzw. erlittener Traumata Traumafolgestörungen Allgemeine Erkenntnisse 1. Es gibt keinen direkten und unmittelbar nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den belastenden bzw. den traumatisierenden Ereignis/sen und den seelischen Kurzzeit- und Langzeitfolgen 2. Folgen sind von zahlreichen objektiven und persönlichen Faktoren abhängig und daher im Einzelfall nicht voraussagbar 3. Es muss von äußerst vielgestaltigen Reaktionsformen mit unterschiedlichen Symptomatiken, Störungsbildern und Langzeitfolgen ausgegangen werden Traumafolgen Schwerwiegende Belastungen/Trauma sind grundlegende Risikofaktoren für psychische Störungen; dabei kann jedes Störungsbild und jede Verhaltensauffälligkeit im Prinzip Folge traumatischer Lebenserfahrungen sein. Die Störungsbilder und Auffälligkeiten sind daher aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit und Komplexität oftmals nicht eindeutig zu diagnostizieren Die Aussagen gelten auch für Menschen mit geistiger Behinderung! D.h. eine Vielzahl (30-50%) der ungewöhnlichen Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Problemverhalten, Herausforderndes Verhalten o. challenging behavior) könnten auch Folge traumatischer Lebenserfahrungen sein Dringende Berücksichtigung in der Diagnostik! Posttraumatische Störungsbilder, Traumafolgestörungen und Komorbiditäten Sucht Akute BelastungsReaktion / F 43.0 Posttraumatische Störungsbilder ADHS Präsuizidales Syndrom / SVV Somatoforme Störungen / F 45. … EssStörungen Mod.n.: zptn – Lutz Besser - 2007 Dissoziative Störungen / ZwangsF. 44. … Störungen Epidemiologie Traumfolgestörungen Punktprävalenz: 5 - 10% Lebenszeitprävalenz 10 - 18% für Frauen 5 - 10% für Männer „Subsyndromale“ Störungsbilder (die nicht dem Vollbild der psychischen Störung PTSD entsprechen) sind wesentlich häufiger als PTSD Komorbide Störungen in 50 - 70% Quellen: Kapfhammer, 2000; Flatten et al. 2001; Hamblen, 2002 Bei Menschen mit geistiger Behinderung: 2,5 – 60% (Mevissen & de Jongh, 2010) Warum hat nicht jede schwere oder Extrembelastung tiefgreifende seelische Folgen? Objektive Bedingungen und Umstände Subjektive Voraussetzungen Traumafolgen Objektive Bedingungen Art und Weise, Dauer, Schweregrad und Brutalität des Missbrauchs/der Gewalt (Körperlich, sexuell, emotional: Ausmaß der Demütigung, Erniedrigung , körperlichen Verletzung, Schmerz, „Todesnähe“) Häufung traumatischer Ereignisse bzw. Umstände und deren zeitliche Verlaufsstruktur; individuelle Lerngeschichte (frühere Traumaerfahrungen) Emotionale Beziehung zwischen Täter und Opfer (Angehöriger, Nahestehende Vertrauensperson, fremde Person) Fischer & Riedesser; 1999; Litz & Roemer, 1996; Kapfhammer, 2000 Traumafolgen Subjektive Bedingungen Primärpersönlichkeit: Lebensalter und Entwicklungsstand (je jünger, desto verletzender); Abwehr-, Coping- und Persönlichkeitsstile und deren Wahrnehmungs/Verarbeitungsmöglichkeiten das Ausmaß der erlebten Bedrohung und Gewalt Schützende Bedingungen und Faktoren (die die Folgen abmildern können): Verfügbarkeit und Qualität persönlicher/sozialer Unterstützung; „Erholungs“Möglichkeiten im Umfeld) Vorhandensein von Risikofaktoren, die dessen Auswirkungen noch verstärken können ( Menschen mit Intelligenzminderung) Fischer & Riedesser; 1999; Litz & Roemer, 1996; Kapfhammer, 2000 Diagnostik der PTSD bei Menschen mit geistiger Behinderung Es gibt keine speziellen diagnostischen Instrumente! PTSD ist eine klinische Diagnose Symptomatik (spezifische Ausgestaltung) Verhaltensbeobachtung, Verhaltensanalyse Ausführliche, differenzierte Anamnese Diagnostik posttraumatischer Störungsbilder und der Traumafolgestörungen (1) Nachweis belastender/traumatisierender Lebensereignisse Einschätzung ihrer Qualität und Quantität häufig „Einbruch in die Kontinuität der Lebensentwicklung“ und mit nachhaltigen Entwicklungs-blockaden (Sorgfältige Anamnese, Biografiearbeit, „Rehistorisierung“) Klinisch-psychiatrische Untersuchung (Symptomatologie und ihre „Ausgestaltung“ bei Menschen mit geistiger Behinderung), der zusätzlichen („komorbiden“) Störungen und der Traumafolgestörungen (Exploration und Verhaltensbeobachtung) Diagnostik posttraumatischer Störungsbilder und der Traumafolgestörungen (2) Qualität der Kontaktgestaltung und der Beziehungsfähigkeiten (z.B. impulsiv, aggressiv; verweigernd, verschlossen) Beachtung von Übertragungsphänomene Verhaltensanalyse bei Verdacht auf „Triggersituationen“ (nur möglich in Betreuungskontexten) Grundsätzliche therapeutische Strategien bei posttraumatischen Störungen Stabilisierung (Voraussetzung für alle nächsten Stufen) Spezielle Traumatherapie („Traumabearbeitung“: manchmal nicht möglich oder auch nicht notwendig!) Rehabilitation und Re-Integration, Normalisierung Stabilisierung Erhöhung der selbstregulatorischen Möglichkeiten und Fähigkeiten Selbstberuhigung, Selbstmanagement, Affektwahrnehmung, Sorgsamkeit, Achtsamkeit … … im Kontext von (personalem) Schutz, Sicherheit, Fürsorge, Pflege, Empathie, Autonomie, Respekt, Akzeptanz ( Reaktivierung alter Tugenden der Fürsorge) Kontextgestaltung: Heil-Pädagogische Strategien in der Behindertenhilfe zur Stabilisierung Beziehungsgestaltung: „eine wohlwollende, Sicherheit spendende Beziehung anbieten“, „brachliegende Ressourcen reaktivieren, neue Kompetenzen aufbauen und das Selbstbild in eine positive Richtung beeinflussen“ (Senckel, 2008), klare überschaubare Strukturen schaffen, Retraumatisierungen vermeiden ( Schaffung eines „sicheren Ortes“; z.B. Luxen, 2011; Kühn, 2011; Saathoff 2011) Heranführen an angenehme, positive, entlastende Zustände (evtl. mit imaginativen Techniken; Achtung: Nur unter fachpsychologischer Anleitung!) Kontextgestaltung: Heil-Pädagogische Strategien in der Behindertenhilfe zur Stabilisierung Körperliche Stabilisierung (Pflege, Bewegung, Ernährung, Selbstwahrnehmung/“Achtsamkeit“ Lernen, die eigenen Grenzen zu kennen und zu stärken, auch im Sinne von Grenzsetzungen gegenüber versuchten Übergriffen! Sichtweise der Betreuungspersonen im Alltag (verändern): das auffällige Verhalten ist nicht primär behinderungsbedingt, sondern … Intensivbetreuung? Evtl. Einsatz von Psychopharmaka zur (vorübergehenden) Beeinflussung belastender, störender, schmerzhafter Symptome Versuch einer rationalen Behandlung! Wichtiger Hinweis: Neuroleptika sind nicht die primäre Option! Zwingend sind Multimodale Hilfe- und Unterstützungsangebote von verschiedenen Fachdisziplinen unterschiedlichen Berufsgruppen Multimodalität heißt, therapeutisch wirksame Interventionen … auf verschiedenen Ebenen (Klient, Herkunftsfamilie, Heim-Mitarbeitergruppe, Umfeld) mit unterschiedlichen Methoden (körperlich-medizinische, psychologische, heil/sozialpädagogische, soziale) in verschiedenen Settings stationär in der psychiatrischen Klinik zur kurz-/mittelfristigen Krisenintervention, Diagnostik, Behandlung und zur Einleitung ambulanter Hilfen Stationär im Heim zur langfristigen Stabilisierung ( Kontextgestaltung, Traumpädagogik), Intensivbetreuung? Ambulante (heil-)pädagogische und psychotherapeutische Therapieangebote „State-of-the-Art“: Therapie Mevissen, L., de Jongh, A. (2010): PTSD and its treatment in people with intellectual disabilities. A review of the literature. Clinical Psychology Review 30 (2010) 308-316 keine empirisch-wissenschaftlich begründeten Behandlungsmethoden für PTSD bei Menschen mit geistiger Behinderung; einige Einzelfall- und Therapieberichte, aber keine Studien Methoden: Psychopharmakotherapie Kognitiv-behaviorale Therapien EMDR Psychodynamische Konzepte Empfehlung: Orientierung und Modifikation der Erfahrungen bei nichtbehinderten Klienten Aber … … ermutigende klinische Erfahrungen in allen Kontexten der psychosozialen Versorgung Verlag der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. ISBN 978-3-88617-319-8 17,50 € Schlussfolgerungen für die Psychiatrie/Psychotherapie Einrichtung spezialisierter (teil-)staionärer psychiatrischpsychotherapeutischer Diagnostik- und Behandlungsangebote für Menschen mit Intelligenzminderung (gem. Art.24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ) Qualifizierung des ambulanten Angebots Etablierung eines klinisch-wissenschaftlichen Zugangs zu den seelischen Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung Einrichtung von Kooperationsangeboten für die Behindertenhilfe „in Augenhöhe“ Bringeschuld der Psychiatrie Schlussfolgerungen für die Behindertenhilfe Verstärkte Wahrnehmung der außergewöhnlichen Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit Intelligenzminderung als Ausdruck innerseelischer Zustände (seelische Störungen, Traumfolgestörungen) Verstärkte Nutzung interner Ressourcen für den (heil)pädagogischen und alltagspädagogischen Umgang (Professionalisierung) Bereitstellung eines „therapeutischen Milieus“ Einleitung externer Hilfen und Vernetzung mit regionalen Hilfeangeboten ( Intensivierung der Problemanzeigen) Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit !