Rechnen kann doch jeder, oder?

Werbung
Rechnen kann doch jeder,
oder?
Richard Wilfing
www.richard-wilfing.at.vu
Kann jeder rechnen?
Jeder kann rechnen!
• Was ist (keine) Dyskalkulie
(Rechenstörung,Rechenschwäche)?
• Möglichkeiten der Prävention
• Entwicklungsstufen des Rechen-erwerbs
• Ursachenforschung, Häufigkeit, Verlauf,
Erkennungsmöglichkeiten
• Unterstützung eines rechen-schwachen Kindes im
Schulalltag
2
www.richard-wilfing.at.vu
Was ist Mathematik?
Leonardo da Vinci:
„Die wahren Wissenschaften sind diejenigen, die
Dank der Erfahrung durch die Sinne gegangen
sind. Das heißt bei Maß und Ziel genannt:
Arithmetik und Geometrie“.
Manthanein: griech.:
Erfahren, erkennen
3
www.richard-wilfing.at.vu
Was ist Dyskalkulie?
• dys: griech: schwierig
• calculus: lat.: Steinchen, Spielsteinchen, Rechensteinchen
• keine Krankheit
• kein Intelligenzmangel
4
www.richard-wilfing.at.vu
Was ist Dyskalkulie?
...ist eine Teilleistungsschwäche auf dem Hintergrund
einer normalen Begabung, die sich vor allem im
Bereich des rechnerischen Denkens und Handelns
auswirkt. Sie ist er-kennbar als Beeinträchtigung der
Rechenfertigkeit.
5
www.richard-wilfing.at.vu
Dyskalkulie
ICD-10
F81.2 Rechenstörung
Diese Störung besteht in einer umschrie-benen Beeinträchtigung von
Rechenfertig-keiten, die nicht allein durch eine allge-meine
Intelligenzminderung oder eine un-angemessene Beschulung
erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherr-schung
grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion,
Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie
oder Differen-tial- und Integralrechnung benötigt werden.
6
www.richard-wilfing.at.vu
Was ist nicht
Dyskalkulie?
• unangemessene Beschulung
•
•
•
•
•
•
•
•
7
längere Unterrichtsversäumnisse
allgemeine Lernbeeinträchtigung
mangelnde Kenntnis der Unterrichts-sprache
massive Leseprobleme
gravierende Konzentrationsprobleme
Sinnesbeeinträchtigung
neurologische oder psychiatrische Er-krankung
besondere soziale, emotionale oder ge-sundheitliche
Probleme
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Was ist Dyskalkulie?
Große Ablenkung und schnelle Erschöpfung beim Rechnen
Trotz intensiven Übens sind keine wesentlichen Fort-schritte zu erkennen
Schlechtes Schriftbild und Abschreibfehler
Es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht
Aufgaben werden nicht in der adäquaten Zeit gelöst
Zusätzliche Teilnahme am Förderunterricht oder inten-sives Üben zeigen keine
Wirkung.
Lernfrust und Vermeidungsstrategien
Auffälligkeiten im Verhalten (Ablenkung durch „Blödeln” oder Zurückgezogenheit)
Zahlen werden lautgetreu geschrieben (10020 für 120)
Zahlen werden vertauscht (34 statt 43)
Es werden beim Rechnen heimlich die Finger als Hilfs-mittel benutzt
Widersprüchliche Ergebnisse beim Rechnen werden nicht wahrgenommen
Probleme bei Schuleintritt
Defizite im Bereich des Zählens
Defizite im Verständnis von „mehr“,
„weniger“, „gleich viel“
Auffälligkeiten beim „ersten Rechnen“
Probleme im 2. Schuljahr
Teile-Ganzes-Verständnis von Zahlen
Operationsverständnis von Plus und Minus
Weitgehend nicht-zählendes Rechnen im
Zahlenraum bis 10
Verständnis für nicht-zählende
Rechenstrategien
Probleme im 3. Schuljahr
Automatisation im Zahlenraum bis 10
Nicht-zählende Strategien für das Über- und
Unterschreiten von Zehnern
Bündelungsprinzip und Stellenwert-prinzip
Operationsverständnis für Multipli-zieren und
Dividieren
Erkennen von Beziehungen zwischen den Mal-Aufgaben
Anhaltendes Nicht-Merken der Einmal-eins-Aufgaben
Probleme im 4. Schuljahr
Sicherheit im Umgang mit dreistelligen Zahlen
Nichtzählendes Rechnen
Grundlagen für das Lösen von Sachaufgaben
Probleme im Sekundarbereich
(1)
1. Defizite im Bereich der Grundaufgaben
Anhaltend zählendes Rechnen
Verweigern selbst „einfacher“ Kopf-rechnungen
Anhaltende Schwierigkeiten mit dem Einmaleins
Probleme im Sekundarbereich
(2)
2. Defizite im Zahl- und Stellenverständnis
Zahlen werden nicht als Größen / Zusammensetzungen gedacht
„Absurde“ Ergebnisse werden mangels „Größengefühl“ nicht erkannt
Anhaltende Schwierigkeiten beim Schrei-ben und Lesen mehrstelliger
Zahlen
Orientierungslosigkeit im Zahlenraum
Auch einfache Zahlenverhältnisse werden nicht erkannt
Probleme im Sekundarbereich
(3)
3. Defizite in den Grundrechnungsarten
Langsamkeit und häufige Rechenfehler
Keine Einsicht in die Logik der Rechen-operationen
(„Operationsverständnis“)
Schriftliches Dividieren bleibt eine Qual
Probleme im Sekundarbereich
(4)
4. Defizite im Sachrechnen
Gar nicht heiteres Zahlenraten im Um-gang mit
Textaufgaben
Ahnungslosigkeit im Umgang mit Größen
Ratlosigkeit beim Umrechnen von Größen
Probleme im Sekundarbereich
(5)
5. Anhaltendes Missverhältnis von
Übungsaufwand und Ertrag
6. Psychische Probleme im Umgang mit
Mathematik
Entwicklungsstufen des
Rechenerwerbs
1. Phase: Rechnen geschieht durch konkretes
Handeln
2. Phase: der Rechenvorgang geschieht bildhaft
in der Vorstellung
3. Phase: verbunden mit Zahlen und
Rechensymbolen
4. Phase: Rechenoperationen werden
zunehmend auswendig beherrscht
Jeder kann rechnen!
Lernschwierigkeiten
beim Rechenerwerb
1.
2.
3.
Schüler verhaften an Veranschau-lichungsmittel
(Zählhilfen)…
bearbeiten Aufgaben schematisch und unreflektiert
(Zusammenhänge?)
versuchen Aufgaben in Einer-schritten zählend zu
lösen…
fehlt das Durcharbeiten und die Ver-netzung der 4
Phasen
schaffen sich eigene Rechenstrategien aufgrund
mangelnder Einsicht für Zahlen und Rechenvorgänge
Mögliche Symptome beim
Rechenerwerb (1)
1. es wird fleißig geübt = kein Erfolg
2. klammert sich an ein immer gleiches
Lösungsschema – unabhängig vom
Aufgabentyp
3. auch in höheren Zahlenbereichen = Finger als
Zählhilfe
4. Umgang mit Uhr und Geld kaum möglich
Mögliche Symptome beim
Rechenerwerb (2)
5. verdrehtes Sprechen und Schreiben von mehrstelligen Zahlen: 37
6. Grundrechenarten werden verwechselt
7. lautgetreues Schreiben von Zahlen: 20020
8. Zahl 0 führt zu Fehlern:
4-0=0; 4+0=0; 4.0=4….
9. Stellenwertigkeit von Zahlen:
40+3=70
10. Größenvergleiche von Zahlen:
19 ist größer als 81
Mögliche Symptome beim
Rechenerwerb (3)
11. Platzhalteraufgaben, wie 8 - ? = 3, sind schwierig –
obwohl 8 – 5 = 3 gelöst werden kann
12. Sachaufgaben erscheinen als zu schwierig
13. in Sachaufgaben werden Größenangaben
willkürlich kombiniert:
3 Sekunden und 5 Meter = 8
Ursachen aufgrund der
differenzierten
Wahrnehmung
• visuelle Wahrnehmung
•
•
•
•
•
auditive Wahrnehmung
Richtungswahrnehmung
räumliche Beziehungen
Schwierigkeiten im abstrakten/symbolischen
Denken
Gedächtnis/Merkfähigkeit
Neuropsychologische
Ursachen
Die Teilleistungsbereiche (räumliche Orientierung,
visuelle und auditive Wahrnehmung…) wirken mit
Motorik und Gedächtnis (Merkfähigkeit)
zusammen.
Entwicklungspsychologisc
he Ursachen
1. Phase: math. Verständnis durch konkrete
Handlungen und reale Gegenstände
2. bildlich veranschaulicht durch zeichnerische
Mengendarstellung und graphische
Operationszeichen
3. abstrakte Darstellung von Ziffern und
Rechenzeichen
4. Automatisierung im Symbolbereich
Linguistische Ursachen
Beeinträchtigungen im sprachlichen Bereich (v.a. das
Sprachverständnis) können sich durchaus im
mathematischen Bereich auswirken!
Ein Plädoyer für den Sprachheilkurs
und die frühe Sprech- und Spracherziehung!
Genetische Ursachen
Erkenntnisse der Säuglingsforschung weisen darauf hin,
dass der Erwerb mathematischer Kenntnisse
angeboren sein muss.
Strategische Ursachen
Häufig kommen Rechenprobleme des-wegen
zustande, weil das Kind Begriffe, Techniken
und Zu-sammenhänge noch nicht richtig
verstanden hat: sie unterliegen einer
bestimmten Regelstruktur – diese muss
hinterfragt werden und durch neue
Lösungsstrategien ersetzt werden!
Häufigkeit
etwa 6% - 10% der SchülerInnen
Mädchen und Burschen durchschnittlich gleich häufig
Stadt – Land: gleich verbreitet
in Volksschulen und Sekundarstufe 1:
ähnlich häufig
Verlauf
1.
2.
3.
4.
5.
häufige Misserfolge trotz Anstrengung
mögliche Folgen: Versagensängste und Lernbarrieren
Rückzug und Vermeidung von Rechen-aufgaben
Bildung von stabilen Selbst- und Fremdzuschreibungen: „ich
bin…“
Auftreten von sekundären Störungen: Rechenangst,
Schulunlust, mangelnde Motivation, Selbstwertprobleme,
Ver-haltensauffälligkeiten…..Verweigerung
Erkennungsmöglichkeiten
Vorläufermerkmale
1. geringes mengen- und zahlenbezogenes Vorwissen
2. mangelnde Entwicklung des Zahlengefühls
3. ev.: motorische Ungeschicklichkeit, Probleme bei
Körperwahrnehmung und Raumorientierung…
4. mangelnde aktive und passive Sprach-kompetenz
(viel, mehr, weniger….)
Erkennungsmöglichkeiten
Fehlerarten (1)
1.
2.
Plus-Minus-1-Fehler (weil abzählen)
Zehnerübergang: 2. Zahl wird falsch zer-legt; es wird weiterbzw. zurückgezählt
3. 0-Zahlen: 12+0=0; 50-31=20….
4. Klappfehler: 12-9=17 weil 12-2=10 und
10+7=17
5. Stellenwertfehler: z.B. werden E zu Z gezählt
6. Perseverationsfehler: 1. Schritt ist richtig: 70-6=74
Erkennungsmöglichkeiten
Fehlerarten (2)
7. Stellenwertschreibung=Ziffernvertauschung: 62=26
8. Zehnerüber- bzw. –unterschreitung:
28+7=25
24-8=22
9. Richtungsfehler (Verwechslung von
+ und -)
10. Keine Einsicht in die Ordnung und
Struktur des Dezimalsystems: 107=1007
besondere Problematik (große Fehlerquelle) beim zählenden
Rechnen
Erkennungsmöglichkeiten
Sekundärsymptome
Rechenangst, mangelnde Motivation, Selbst-wertprobleme,
Verhaltensprobleme, Ver-weigerung, somatische und/oder
psychi-sche Probleme (depressive Verstimmung)
Schüler (2. Schst. Mai – nachdem er einen Test mit 87 Rechnungen gelöst hat):
•
Macht dir Mathematik Spaß? NEIN!
•
Von einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (ganz viel): 1
•
Was ist schwer in Mathematik? +, - , Mal und geteilt
•
Was gelingt dir gut beim Rechnen? gar nichts – brauche voll lang!
Mag jeder rechnen?
5. Unterstützung eines
rechenschwachen Kindes
a) äußere Differenzierung: basale Grund-inhalte
(Förderstunden…)
b) innere Differenzierung: Planarbeit, Werk-stattunterricht,
Stationenbetrieb, Lern-umgebung
c) Inhalte der Förderung: Grundlagen + aktueller Stoff
(„drill and practice“ ?)
d) Elternmitarbeit
Mag jeder rechnen?
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Forderungen zur
Unterstützung eines
rechenschwachen Kindes
„Denkanalyse“ – Fehleranalyse
mathematischer Neuaufbau im math. Grundlagenbereich
Förderung zielt auf Verständnis und Einsicht in math.
Zusammenhänge ab
Material und Anschauung sind Leiter (Aufstiegshilfe) – nicht
Krücke
Befreiung von Lehrplanzwängen
psychische Entlastung des Gesamtsystem
Gaidoschik: www.recheninstitut.at
mögliche Unterstützung eines
rechenschwachen Kindes
Gaidoschik: www.recheninstitut.at
unterstützende Worte an ein
rechenschwaches Kindes
Du bist nicht dumm.
Dyskalkulie heisst „nicht rechnen können“.
Sag wenn du Hilfe brauchst.
Keiner trägt Schuld daran.
Angst brauchst du nicht zu haben.
Lehrer wissen manchmal auch nicht weiter.
Keiner darf dich auslachen oder damit ärgern.
Unterstützung bekommst du von uns immer.
Lernen musst du trotzdem.
Wir haben dich lieb.
Eltern brauchen auch mal Hilfe.
Herunterladen