Etwas langsamer, aber weniger Fehler Forscher sagen Der Generation 45plus ist in der Arbeitswelt vieles zuzutrauen Die Angst zum alten Eisen zu gehören, ergreift in der modernen Arbeitswelt heute bereits Vierzigjährige. „Arbeitstechnisch bist du da nahezu tot“, sinniert ein Kölner Werbetexter. Die schöne neue Yuppi-Welt vermutet geistige Beweglichkeit, Kreativität und Schnelligkeit nur bei den Jungen. Die Wirtschaft müht sich, Über-Fünfzigjährige mit Prämien aus den Unternehmen zu locken und in den Vorruhestand zu verabschieden. Doch die jungdynamischen Berufsanfänger werden immer rarer. Die geburtenschwac hen Jahrgänge erzwingen ein Umdenken. In Zukunft müssen die Älteren wieder verstärkt arbeiten. Der „Ruhestand“ beginnt erst mit 67. Die Leistungsfähigke it der sogenannten Generation 45 plus untersuchen Forscher am Institut für Arbeitsphysiologi e der Universität Dortmund. Und entkräften dabei das Vorurteil, dass Ältere in der Arbeitswelt oft überfordert sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Älteren machen bei bestimmten schwierigen Aufgaben weniger Fehler, weil sie sich weniger ablenken lassen. „Das ist für mich der Clou“, sagt Gruppenleiter Michael Falkenstein. Er wies Versuchspersone n an, auf plötzlich erscheinende Pfeilspitzen jeweils mit einem Tastendruck der Hand zu reagieren, auf die die Spitze zeigte. Nur der Pfeil in der Mitte eines Bildschirms zählte, als Störmanöver erschienen weitere Pfeile ober- oder unterhalb. „Junge lassen sich provozieren. Sie sind schneller und legen deshalb einen Fehlstart hin.“ Das sei wie an einer Kreuzung, wenn die eigene Ampel noch Rot zeige, die andere grüne Ampel indes zum Gasgeben verleitet. Seine Forschungsgrup pe analysierte in Folge die einzelnen Reaktionsschritt e. Die Älteren nehmen einen Sehreiz um Bruchteile einer Sekunde später wahr. Bei akustischen Signalen sind sie dagegen gleich schnell. Ebenso rasch erfolge die Entscheidung: „Bewege den Finger“. Lediglich der Befehl an die Muskeln, in Aktion zu treten, setze später ein - Zeit genug, um Fehler noch zu erkennen. Deshalb sind in der Qualitätskontroll e Ältere von Gewinn. Die geringfügige Langsamkeit wird durch weniger Fehler ausgeglichen. Neben den Stärken älterer Arbeitnehmer wollen die Forscher am Dortmunder Institut auch Defizite in Augenschein nehmen und testen, wie eine entsprechende Arbeitsplatzgest altung sie ausgleichen könnte. Beispiel LKW-Fahrer: Sie haben oft täglich wechselnde Routen und müssen sich rasch orientieren. Offenbar sind solche visuellen Suchaufgaben unter Zeitdrucke für ältere Arbeitnehmer tatsächlich schwierig. „Aber auch hier ließe sich das Problem beheben“, meinte Falkenstein, der zugleich Arzt, Psychologe und Ingenieur ist. Helfen kann zum Beispiel ein akustisches Navigationssystem. Mit den Jahren lässt im allgemeinen die Flexibilität nach und damit die sogenannte „fluide“ Intelligenz. Dazu zählt der rasche Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben. Dagegen bleibt das Erfahrungswissen erhalten oder kann sogar noch vertieft werden. Jene „kristalline“ Intelligenz umfasst Allgemeinwissen und Allgemeinverständnis sowie den Wortschatz. „Ältere besitzen oft eine höhere soziale Kompetenz als Jüngere. Das wird auch zunehmend von Arbeitgebern erkannt, die eher den erfahrenen Mitarbeiter für Kundenkontakt und kompetente Beratung einsetzen.“ Nicht von ungefähr verehren viele Kulturen die weisen Alten. Bei seinen Experimenten stellt Michael Falkenstein immer wieder fest: Alt ist nicht gleich alt. Bei den Senioren gebe es bei den "alterskritischen Aufgaben eklatante Leistungsuntersc hiede“. Nicht jeder entwickelt zwangsläufig Defizite. Es zeigt sich, dass geistig rege und leistungsfähige Ältere es schaffen, neue Gehirnregionen zu aktivieren. Mit diesen lässt sich der geistige Abbau an anderer Stelle ausgleichen. Im Institut tüfteln die Wissenschaftler daher an spezifischem „Gehirnjogging“: „Je genauer wir wissen, wo es hakt, desto gezielter können Trainingsmaßna hmen die Defizite verringern oder zumindest eine Verschlechterun g bremsen“. Doch auch einfaches Jogging hilft auf die Sprünge. Die körperliche Fitness erweist sich als enorm wichtig für die geistige Fitness. Zum Beispiel erhöht sich die Gedächtnisleistu ng um die Hälfte, wenn man auf einem FahrradErgometer strampelt. Neben der besseren Durchblutung des Gehirns stimuliert Bewegung den Aufbau neuer Leistungszentren . Wie schnell man zum alten Eisen gehört, ist nicht nur eine Frage des Schicksals. Arbeitgeber sollten ihre Älteren pflegen, denn sie werden in Zukunft dringend gebraucht. Falkensteins Rat: „Man sollte den Betriebssport wieder einführen, das wäre mein Plädoyer. Ulrike Roll