Sozialökologische Sozialisationsforschung Ziel ist die Erforschung von Verhaltens- und Entwicklungsprozesse die von den Umwelten abhängen in denen sie auftreten, angeregt und verändert werden. Damit sollte das wissenschaftliche Verständnis der physiologischen, psychischen und sozialen Entwicklung von Individuen verbessert werden. Sozialökologische Sozialisationsforschung Im Gegensatz zu früheren Sozialisationsforschungen wird der Umweltbegriff dabei jedoch nicht nur auf die augenblickliche Situation beschränkt. Die Umwelt wird als ein Komplex ineinander geschachtelter ökologischer Systeme konzipiert, die direkt oder indirekt auf das Handeln einwirken. Diese Systeme lassen sich unterschiedlichen gesellschaftlichen Organisationsebenen zuordnen: Der Mikro-, Meso-, Exo- und Makroebene. Mehrebenenmodell Mehrebenenmodell Mit dem Mehrebenenmodell werden unterschiedliche Umwelteinflüsse auf die menschliche Entwicklung verschiedenen „Wirkungsebenen" zugeordnet. Diese Ebenen hat Bronfenbrenner als Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystem definiert. Das Mikrosystem bezieht sich auf den Bereich der unmittelbaren Erfahrung in konkreten Interaktionssituationen. Solche Mikrosysteme sind z.B. die Familie, der Kindergarten, die Schulklasse, der Arbeitsplatz oder die Vereinsgruppe. Mehrebenenmodell Das Mesosystem ist durch die Wechselwirkungen zwischen den Mikrosystemen definiert. Da Individuen in mehreren Lebensbereichen (z.B. Familie, Schule und Arbeitsplatz) aktiv sind, findet zwischen ihnen auch ein Austausch statt. Das Exosystem enthält darüber hinausgehend Lebensbereiche, in denen die Individuen nicht selbst eingebunden sind, die aber ihr Verhalten und ihre Handlungsmöglichkeiten in den unmittelbaren Lebensbereichen beeinflussen. Für Kinder stellt die Berufswelt der Eltern, für Erwachsene der Aufsichtsrat der Firma ein typisches Exosystem dar. Mehrebenenmodell Das Makrosystem umfasst schließlich ökologische, kulturelle, und politische Gegebenheiten, die sich auf alle anderen Lebensbereiche auswirken. Ein Beispiel dafür ist das Scheidungsrecht, das sich unmittelbar auf die gesellschaftliche Akzeptanz „alternativer Lebensformen", auf das Aufwachsen von Kindern und die Einstellungen zur Partnerschaft auswirken. Das Mikrosytem „Ein Mikrosystem ist ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischen-menschlichen Beziehungen, die die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich mit den ihm eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen erlebt" (Bronfenbrenner 1981: 38). Molare Tätigkeiten Molare Tätigkeiten zeichnen sich durch eine zeitliche Kontinuität aus. Durch diese werden sie als bedeutungsvoll bzw. absichtsvoll wahrgenommen und gewinnen dadurch Entwicklungsrelevanz für das Individuum. Nur diese sind auch für seine Persönlichkeitsentwicklung bedeutsam. Das kann an der Entwicklung des Rollenspiels ebenso verdeutlicht werden, wie am Erlernen eines neuen Kartenspiels. Erst durch wiederholtes Spielen wird die Regel verinnerlicht und das Spiel beherrscht. Transaktionalität sozialer Beziehungen Die Personen innerhalb eines Lebensbereiches (Dyaden, Triaden etc.) sind über transaktionale Beziehungen (wechselseitige Erwartungen und aufeinander bezogene Aktivitäten) miteinander verbunden. Im Mikrosystem Familie beeinflussen die Aktivitäten des Kindes die Interaktionen zwischen den Eltern, die sich ihrerseits wiederum auf das Verhalten des Kindes auswirken (Bidirektionalität). Wirkt andererseits ein Elternteil direkt auf das Kind ein, so löst dieses durch seine jeweilige Reaktion auch Veränderungen im Verhalten des Elternteils aus (Reziprozität). Elemente des Mikrosystems Das Mesosytem kann als einen allgemeiner Orientierungsrahmen für das Individuum definiert werden, durch den die unterschiedlichen Handlungsanforderungen der Umwelt aufeinander bezogen und gegeneinander abgewogen werden, sich soziale Beziehungen verfestigen und Handlungskompetenzen erworben werden, die die Übernahme von Rollen und die Gestaltung von Beziehungsstrukturen ermöglichen. Es handelt sich um eine Art Netzwerk, in dem die einzelnen Lebensbereiche über verschiedene Arten von Verbindungen miteinander verknüpft sind. Das Exosytem Das Exosystem ist nicht durch direkte Interaktionsmöglichkeiten gekennzeichnet. Dennoch wirkt es auf grundlegende Art und Weise auf die Entwicklung einer Person ein: „Unter Exosystem verstehen wir einen Lebensbereich oder mehrere Lebensbereiche, an denen die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt ist, in denen aber Ereignisse stattfinden, die beeinflussen, was in ihrem Lebensbereich geschieht, oder die davon beeinßußt werden" (Bronfenbrenner 1981: 42). Das Makrosystem Das Makrosystem kann als eine Art kultureller Konstruktionsanweisung definiert werden: „Der Begriff des Makrosystems bezieht sich auf die grundsätzliche formale und inhaltliche Ähnlichkeit der Systeme niedrigerer Ordnung (Mikro-, Meso- und Exo-), die in der Subkultur oder der ganzen Kultur bestehen oder bestehen könnten, einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Weltanschauungen und Ideologien" (Bronfenbrenner 1981: 42). Entwicklung in Raum und Zeit die Analyse der Person-Kontext-Beziehung, wie sie in der sozialökologischen Sozialisationsforschung anvisiert wird, ist erst dann vollständig, wenn der Einfluss von Zeit und Prozess berücksichtigt wird (PPCT-Modell). Neben der alterspezifischen Bedeutung von Umwelteinflüssen für die Persönlichkeitsentwicklung, muss auch die zeitliche Strukturierung von Umweltkontexten bei der sozialökologischen Analyse berücksichtigt werden. Zentraler Aspekt dabei: Lebensverhältnisse, Tätigkeiten und Sozialbeziehungen verändern sich im Lebensverlauf Beziehungen zwischen Mikro- und Mesosystem im Lebensverlauf Nomative Übergänge Im Gegensatz zu den individuellen Erfahrungen und den erworbenen Bewertungskriterien von Umwelteinflüssen geben kulturspezifische Erziehungsvorstellungen und normative Regelungen von Statusübergängen im Lebensverlauf die Abfolge ökologischer Übergänge, den Erwerb sozial erwünschter Fähigkeiten (Erziehung) und die sequenzielle Übernahme sozialer Rollen in unterschiedlichen Lebensbereichen vor ökologische Übergänge Bewegungen im ökologischen Raum, die mit einer Veränderung der Rolle, dem Lebensbereich oder beidem verbunden sind, werden von Bronfenbrenner als ökologische Übergänge bezeichnet. Die Beteiligung an gemeinsamen Tätigkeiten in mehreren Lebensbereichen, die damit verbundenen multiplen Rollenanforderungen und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu einer Vielzahl von Personen erfordern eine permanente Einstellung auf sowie Bewältigung von neuen Aufgaben und Situationen. Dadurch wird eine zunehmend differenzierte Wahrnehmung der Umwelt und deren aktive Aneignung durch das Individuum ermöglicht.