Herztag 2008

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Psychosoziale Aspekte in
Kardiologie & Onkologie
Dr. med. Timo Specht
Facharzt für Innere Medizin und für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Chefarzt und Ärztlicher Direktor, Fachklinik Aukrug
Übersicht
1. Psychokardiologie
2. Psychoonkologie
3. Krankheitsverarbeitung
4. Gesprächsführung
Die kardiovaskulären Risikofaktoren
Körperlich
Seelisch
Rauchen
Bluthochdruck
Zuckerkrankheit
Blutfetterhöhung
Übergewicht
Fehlernährung
Bewegungsmangel
Depression
Stress
Soziale Isolation
Sozioökonomischer Status
Die Depression ist aber nicht nur eine
häufige und beeinträchtigende
Begleiterkrankung.
Sie trägt ursächlich zur Entstehung von
Herzkrankheiten bei und verschlechtert
deren Verlauf.
z.B.: Eine krankheitswertige Depression nach
Herzinfarkt ist mit einer Vervierfachung der
Sterblichkeit verbunden
Risikofaktor Stress
Nicht die Menge der Aufgaben an sich
macht krank, sondern
ein Ungleichgewicht
zwischen
hohen Anforderungen und
geringen Einflussmöglichkeiten
(„demand-control-imbalance“,
Job-Strain-Modell) (Karasek 1979)
zwischen
großer Anstrengung und
ausbleibendem Erfolg
(„effort-reward-imbalance“,
„berufliche Gratifikationskrise“) (Siegrist 1996)
Risikofaktor Soziale Isolation
Ein Fehlen von
sozialen Bindungen und
emotionaler Unterstützung
führt zu einer
Verdreifachung der
Sterblichkeit
Risikofaktor Sozioökonomischer Status
Die Zugehörigkeit zu einer
niedrigen sozialen Schicht mit
geringem Einkommen und
schlechter (Aus-) Bildung
verdreifacht das Risiko
Wie häufig ist bedeutsame psychische Erkrankung
bei Herzpatienten?
Ca. jeder 7.
Gibt es Schutzfaktoren?
Sozialer Rückhalt,
emotionale
Unterstützung
Wie wirken psychosoziale CRF?
Depression & chronischer Stress
Stresshormone:
Übergewicht
Fettstoffwechsel
Hypertonie
Glukosestoffwechsel
Autonomes
Nervensystem:
Ungesundes
Verhalten:
Blutviskosität
Rhythmusstörungen
Inflammation
Endothelvulnerabilität
Rauchen
Bewegungsmangel
Fehlernährung
Stressbewältigung
Compliance
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
„Ego-Infarction“
Eine Herzkrankheit bedeutet für viele Menschen nicht nur die
Erkrankung eines Organs, sondern eine
Bedrohung ihrer körperlichen und seelischen Existenz
Das gilt besonders für Menschen,deren Selbstwerterleben
stark von ihrer Leistungsfähigkeit abhängt
und die dazu neigen, Selbstfürsorglichkeit und die Pflege
zwischenmenschlicher Beziehungen zu vernachlässigen
(„kompensatorisches Leistungsverhalten“)
Psychosoziale Belastung als Risiko
Depression ist Risikofaktor für Tumorprogression und
Mortalität (u.a. Stefanek & McDonald 2009)
Einfluß wahrscheinlich zell- und molekularbiologisch
vermittelt (u.a. Antoni et al 2006)
Psychoneuroimmunologische Forschung: Aufnahme
von biologischen Parametern in Interventionsstudien,
z.B. NK-Zellaktivität oder Kortisol.
Onkologische Krankheitsphasen und seelische Belastung
Diagnosestellung
Therapie &
NW
Abschluss
Reha &
Nachsorge
Rezidiv /
Metastasen
Palliativ /
terminal
Schock
Unruhe
ZukunftsÄngste
Einsamkeit
Schock
Depressivität
Ohnmacht
KontrollBedürfnis
Depressivität
Vertrauensverlust
Verleugnung
Verleugnung
Schuldgefühl
Körperliche
Veränderung
Umgang mit
Schmerzen,
Übelkeit…
Furcht vor
Intimität
Ärger
Rezidivangst
Schuldgefühl
Inaktivität
(Behandlung)
Angst vor
Ärger
Todesangst
Angst vor
dem
Sterben
Angst vor
irrevers. NW
& unzureich.
Wirkung
Geldsorgen
Hoffnungslosigkeit
Kontrollverlust
Familiäre
Veränderung
(n. Reuter 2010)
Psychoonkologische Interventionen
Spezifische
Behandlungsziele
Krankheitsbewältigung
Besserung von…
Entlastung durch
Emotionsausdruck
…Angst und
Depressivität
…Krankheits- und
Therapiefolgen
…Funktionseinschränkungen
…Traumasymptomen
Selbstwertstabilisierung
& Einstellungsänderung
Selbsthilfe & Kontrolle
Konfliktklärung
Soziale Unterstützung
und Integration
Verbesserung von
Beziehungen
(zu Partner,
Angehörigen, Ärzten)
Berufliche und soziale
(Re-) Integration
Neue Ziele / Sinnfindung
Spiritualität
(n. Reuter 2010)
Psychoonkologische Behandlungen
Gruppentherapie
Einzeltherapie
Angehörigenberatung
Kunst- und
Ergotherapie
Patienten
Entspannung
& Imagination
Psychopharmakologie,
Schmerztherapie
Neuropsychologisches
Training
(n. Reuter 2010)
Wirksamkeit psychoonkologischer Interventionen
Gute Evidenz
für Reduktion psychischer Belastung und Verbesserung
gesundheitsbezogener Lebensqualität.
Bisher keine Evidenz für Überlebensvorteil.
6 – 8 Sitzungen erzielen psychosoziale Effekte, die bis
zu einem Jahr aufrechterhalten werden.
Erforderliche Behandlungsdauer bzw. -intensität häufig
abhängig vom Erkrankungsstadium.
Eine schwere Erkrankung wird oft als Lebenskrise erlebt
Dabei geht es um …
… Konfrontation mit Schwäche und Endlichkeit
… Verlust von Kontrolle („den Körper nicht im Griff“)
oder der Fähigkeit sich selbst zu versorgen
… Angst vor Abhängigkeit, sozialem Abstieg, Alter,
Einsamkeit und Tod
… Zerstörung von Zukunftsplänen oder des Gefühls von
Unverwundbarkeit
… aufkommende Wünsche nach Nähe und Geborgenheit
… Belastung durch medizinische Maßnahmen und
Krankenhausumgebung
Neben der organmedizinischen Behandlung benötigt ein Teil
der Patienten auch eine gezielte psychotherapeutische
Begleitung.
Dabei geht es um …
… Krankheitsbewältigung
… Reintegration (Beruf, Familie…)
… emotionale Unterstützung
… positive Beeinflussung sozialer Beziehungen
… Bearbeitung aktuell wirksamer Konflikte
Krankheitsbewältigung: Das Coping-Modell
1. Wodurch ist ein Mensch belastet?
Belastungsspektrum:

Durch die Krankheit (z.B. Lebensbedrohung, körperliche
Integrität, Vorhersagbarkeit, Schmerzen, Selbstbild)

Durch die medizinischen Maßnahmen (auch: Mangel an
Information)

Durch die Krankenhausumgebung (z.B. abhängig + ausgeliefert,
Langeweile)

Sonstiges (ca. ¼ der Gesamtbelastung! Z.B. Familie,
Partnerschaft, Einsamkeit, Verluste, Schulden, Arbeitslosigkeit,
Mobbing…)
Krankheitsbewältigung: Das Coping-Modell
2. Auf welche Weise versucht er die Belastung zu bewältigen?
Anpassungs- und Bewältigungsprozesse:

Subjektive Kontrollüberzeugungen
(Kann ich etwas ändern? Auch Unnützes kann nützen)

Soziale Unterstützung
(Kann ich Hilfe bekommen? Schließt Behandler ein)

Bewältigungsformen
(kognitiv, affektiv, behavioral = verstandesmäßig, gefühlsmäßig,
verhaltensmäßig)
Krankheitsbewältigung: Das Coping-Modell
3. Welche psychische und soziale Anpassung gelingt dadurch?
Erreichte Anpassung:
(bedeutsam für Verlauf von z.B. KHK und Krebs)

Seelisch

Sozial

Rückwirkung auf den Krankheitsverlauf (körp. Zustand, Überleben)

Aktivität

Gesundheitsverhalten
Basisstruktur ärztliche Gesprächsführung
1. Öffnungsphase:
- Zuhören, Vertrauen schaffen
- möglichst viele Aspekte erfragen (objektive und subjektive
Information)
- äußere und innere Welt des Pat. erfassen
2. Zentrierungsphase:
- Zusammenfassen, auf den Punkt bringen
- Konfrontieren
- aktiv zentrierend sein, ggf. Aufgaben stellen
- Verabredungen formulieren
Konkrete Empfehlungen zum psychotherapeutischen Umgang
mit psychisch belasteten körperlich kranken Patienten (mod. n. Boll-Klatt 2009)
„Holding“ und „Containing“, zur Seite stehen, aktives Zuhören
Bewältigung früherer Lebenskrisen als Ressourcen herausarbeiten;
gratifizierende Haltung für die Lebensleistung des Pat.
Zugang zu sozialem Rückhalt schaffen / verbessern
Den Ausdruck von Gefühlen ermöglichen (statt endloser
somatischer Kommunikation !) - diffuse Gefühle und konkrete
Bedeutung verbinden
Trennung von realen und neurotischen Ängsten , Bewältigung
von Realangst als Herausforderung, statt „Das wird schon wieder“
Haltung des „Sowohl-Als-Auch“ im Umgang mit Lebensbedrohung
Aggressionen erkennen, aufnehmen und „entgiftet“ zurückgeben
Ziele des stützenden Gesprächs (mod. n. Rudolf 1995)
Beziehungsaufnahme, zur Mitteilung ermutigen, zuhören
Den Ausdruck der zugehörigen Affekte zulassen
Belastungen und Konflikte benennen, ordnen, Distanz schaffen
Ansatzpunkte für eigene Initiativen herausarbeiten
Soziale Verbindlichkeiten schaffen (Termin, Einbeziehung Dritter)
Aktives Zuhören incl. Spiegeln
Aufmerksamkeit ist gerichtet nicht nur aus das, was der andere sagt,
sondern auch auf das, wie der andere spricht und sich verhält
Gefühle, Wünsche und Hoffnungen werden meist nicht direkt
formuliert, schwingen aber fast in jeder Äußerung mit
Fragen zunächst im Stillen:
- „Was empfindet mein Gesprächspartner?“
- „Was löst er in mir aus?“
- „Was ist ihm an dem, was er gerade sagt, so wichtig?“
- „Was belastet ihn daran am meisten?“
- „Was sagt er damit über sich?“
- „Welches Interesse will er damit verfolgen?“
- „Was möchte er von mir?“
- “Wie ist ihm zumute?“
- „Was braucht er damit es ihm besser geht?“
Aktives Zuhören incl. Spiegeln
In Worte fassen, was gefühlsmäßig mitschwingt ! Eigene Ziele,
Wünsche und Meinungen stehen dabei im Hintergrund.
-“Sie wünschen sich, daß …“
-„Sie fühlen sich gerade … .“
-„Das macht Sie richtig ärgerlich.“
-“Das berührt Sie gerade sehr.“
Ziel ist ein Klima der Verbundenheit und des Vertrauens , eine
Atmosphäre, in der sich der andere in seinem Sosein , mit seiner
inneren Wirklichkeit verstanden fühlt.
Gezeigte Einfühlung erleichtert dem anderen einen
Perspektivenwechsel
Psychosoziale Grundkompetenz:
Reflexion der eigenen Emotionalität
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